Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Luftfahrzeughydraulikmechanikers. Zur tätigkeitsbezogenen Interpretation von Eingruppierungsmerkmalen vgl. die Entscheidungen des Senats vom 10. Februar 1982 – 4 AZR 464/79 – AP Nr. 3 zu § 22 MTB II SV 2a und vom 25. August 1993 – 4 AZR 566/92 – ZTR 1994, 242
Leitsatz (amtlich)
- Das Tatbestandsmerkmal der den Heeresinstandsetzungswerken, Luftwaffenwerften sowie dem Marinearsenal “vergleichbaren Einrichtungen” ist so auszulegen, daß es als Merkmal für den Wert der Tätigkeit des Arbeiters als Bemessungsgröße für seine Entlohnung geeignet ist.
- Eine einer Luftwaffenwerft “vergleichbare Einrichtung” setzt daher voraus, daß in dieser – wie – in der Luftwaffenwerft – auch in nennenswertem Umfang Instandsetzungsarbeiten der Materialerhaltungsstufen (MES) 3 und 4 ausgeführt werden.
- Unerheblich ist hingegen für den Begriff der “vergleichbaren Einrichtung”, ob es sich bei dieser um eine selbständige Dienststelle handelt und ob dort auch Fluggerät anderer Dienststellen instandgesetzt wird.
Normenkette
MTB II § 21 Abs. 1, § 22; Tarifvertrag über das Lohngruppenverzeichnis zum MTB II; SV 2a Lohngruppe 9 Fallgruppen 4 und 5
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.09.1993; Aktenzeichen 10 Sa 325/93) |
ArbG Koblenz (Urteil vom 13.11.1992; Aktenzeichen 2 Ca 307/92) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. September 1993 – 10 Sa 325/93 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Streit der Parteien geht um die tarifgerechte Entlohnung des Klägers.
Der Kläger, der den Beruf des Maschinenschlossers erlernt und darin die Gesellenprüfung abgelegt hat, trat am 1. Dezember 1972 in die Dienste der Beklagten. In dem Arbeitsvertrag der Parteien ist bestimmt, daß die für das Arbeitsverhältnis jeweils einschlägigen Tarifverträge zwischen den Arbeitsvertragsparteien als vereinbart gelten. Beschäftigungsdienststelle des Klägers ist die luftfahrzeugtechnische Abteilung 352 im Heeresfliegerregiment 35, stationiert in M….
Der Kläger hat zu Beginn seiner Tätigkeit an einem viermonatigen Hydrauliklehrgang bei der Deutschen Luftwaffe in F… teilgenommen, bei dem Unterricht in den Fächern Triebwerk, Hydraulik, Flugwerk, Elektrik und Instrumentenkunde erteilt wurde. Er hat eine ATN (= Allgemeiner Tätigkeitsnachweis) am Arbeitsplatz abgelegt und besitzt die Zuerkennung der ATN 7; dies bedeutet die Gleichsetzung mit dem Gesellenbrief.
Auf dem Heeresflugplatz in M… sind drei Hubschraubertypen im Einsatz, darunter 32 Hubschrauber des Typs CH 53 G, für den der Kläger, der in der zweiten Staffel der luftfahrzeugtechnischen Abteilung 352 arbeitet, zuständig ist. Für die beiden anderen Hubschraubertypen besitzt er keine Typeneinweisung, kann somit, selbst auf seine Fachbereiche begrenzt, an deren Instandsetzung nicht mitwirken. Die flugzeugtechnische Abteilung in M… ist in neun sogenannte Teileinheiten untergliedert. Der Kläger als Hydraulikmechaniker ist für die Teileinheit Hydraulik und Mechanik des Typs CH 53 G zuständig. Dieser Hubschraubertyp wird allein von Herresfliegerinstandsetzungseinrichtungen betreut, da die Luftwaffe für ihn über keine Instandsetzungseinrichtungen verfügt. In der den Kläger betreffenden Tätigkeitsdarstellung vom 4. November 1986, die noch immer zutreffend ist, ist dieser Hubschraubertyp als “Waffensystem CH 53 G” bezeichnet.
Mit Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten sowie dem Auf- und Abrüsten von Komponenten mit Prüf- und Einstellungsarbeiten an diesem Hubschrauber ist der Kläger durchschnittlich mit 96 Stunden von “160 Stunden im Monat” beschäftigt. Hinzu kommen weitere 32 Stunden für Arbeiten bei der Prüf- und Einstellung mit Eli- und Hydraulikständen.
In der Zeit vom 1. September 1973 bis 30. September 1990 war der Kläger in Lohngruppe I Fallgr. 1 Teil II SV 2a des Lohngruppenverzeichnisses zum MTB II eingereiht. Nach Inkrafttreten des Tarifvertrages vom 22. März 1991 über die Änderung des Lohngruppenverzeichnisses zum MTB II entspricht dies der Einreihung in die Lohngruppe 8 Fallgr. 1 Teil II SV 2a. Da die vierjährige Tätigkeitszeit in dieser Fallgruppe vom Kläger bereits am 1. September 1977 erfüllt war, erfolgte seine Höherreihung mit Wirkung vom 1. Oktober 1990 in die Lohngruppe 8a des Allgemeinen Teils des MTB II.
Mit Schreiben vom 20. Juni 1991 hat der Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemacht, ihm stehe Lohn nach der Lohngruppe 9 zu. Diesen von der Beklagten zurückgewiesenen Anspruch verfolgt der Kläger mit seiner Klage weiter.
Der von ihm bezogene Lohn nach der Lohngruppe 8a belief sich seit 1. Mai 1992 auf 3.869,96 DM brutto. Bei Einreihung in die Lohngruppe 9 beträgt der Lohn für ihn 3.955,11 DM brutto.
Der Kläger hat vorgetragen, seine Tätigkeit entspreche den Merkmalen der Fallgruppe 4 SV 2a der Lohngruppe 9. Die luftfahrzeugtechnische Abteilung 352 in M… sei eine einer Luftwaffenwerft vergleichbare Einrichtung. Dort würden Arbeiten aller vier Materialerhaltungsstufen (MES) ausgeführt. Für die tariflichen Eingruppierungsmerkmale spiele es jedoch keine Rolle, welcher Materialerhaltungsstufe die in der Einrichtung ausgeführten Arbeiten zuzuordnen seien. Für seine Arbeit benötige er sowohl an der Hydraulik als auch an der Mechanik fachübergreifende Kenntnisse, nämlich in Hydraulik, Mechanik und Elektrik. Auch die sonstigen Merkmale der Fallgruppe 4 SV 2a der Lohngruppe 9 erfülle er mit seiner Tätigkeit.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
- festzustellen, daß der Kläger in die Lohngruppe 9 des MTB in der Fassung des Änderungs-Tarifvertrages Nr. 14 vom 22. März 1991 und des Sonderverzeichnisses für Arbeiter im Bereich des BMVg einzugruppieren und zu entlohnen ist,
- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 2.045,91 DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die vom Kläger geforderte Einreihung scheitere bereits daran, daß dieser nicht in einer einer Luftwaffenwerft vergleichbaren Einrichtung beschäftigt sei. Diese Vergleichbarkeit setze die Beschäftigung des Arbeiters in einer selbständigen Dienststelle voraus, in der Luftfahrzeuge auch aus anderen Einheiten der Bundeswehr instandgesetzt würden. Die luftfahrzeugtechnische Abteilung in M… sei weder eine selbständige Dienststelle noch für die Instandsetzung von Fluggerät anderer Bundeswehreinheiten zuständig. Im Gegensatz zu Arbeiten in der Luftwaffenwerft, in der auch Instandsetzungsarbeiten der MES 3 und 4 durchgeführt würden, beschränke sich die Instandsetzungstätigkeit in der luftfahrzeugtechnischen Abteilung in M… auf solche der MES 1 und 2.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers, von ihm nachträglich beschränkt auf den Feststellungsantrag, zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren mit der Maßgabe weiter, daß er nur noch die Feststellung der geforderten Entlohnung erstrebt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die erstrebte Feststellung, weil er nach seinem eigenem Vorbringen die Voraussetzungen für eine Einreihung in die Lohngruppe 9 MTB II nicht erfüllt.
I. Die Klage ist als Eingruppierungsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO unbedenklich zulässig, nachdem der Kläger in der Revisionsinstanz seinen Antrag dahin neu gefaßt hat, daß er nicht die Feststellung seiner “Eingruppierung” in die Lohngruppe 9 des MTB II, sondern, wie im öffentlichen Dienst allgemein üblich, lediglich die Verpflichtung der Beklagten begehrt, an ihn Lohn nach dieser Lohngruppe zu zahlen (Urteil des Senats vom 11. Juni 1986 – 4 AZR 176/85 – AP Nr. 7 zu § 21 MTB II, m. w. N.).
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht nach seinem eigenen Vorbringen ein höherer Lohn als der Monatstabellenlohn nach der Lohngruppe 8a MTB II gegenüber der Beklagten nicht zu.
1. Der Lohn des Klägers wird nach § 21 Abs. 1, § 22 des kraft Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren MTB II nach der “Tätigkeit (Lohngruppen)” bemessen. Insoweit ist § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnisses zum MTB II maßgebend, der bestimmt, daß für die Einreihung in die Lohngruppen die mit mindestens der Hälfte der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auszuübende Tätigkeit maßgebend ist, soweit sich aus den Tätigkeitsmerkmalen nichts anderes ergibt. Für den Kläger, der als Arbeiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung tätig ist, gilt damit das Sonderverzeichnis für Arbeiter im Bereich des Bundesministers der Verteidigung (SV 2a).
Der Kläger stützt seine Klage auf die Tätigkeitsmerkmale 4 und 5 der Lohngruppe 9 des SV 2a. Diese haben folgenden Wortlaut:
- Arbeiter mit einschlägiger Ausbildung nach Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 oder 2 des Allgemeinen Teils in Heeresinstandsetzungswerken, Luftwaffenwerften, im Marinearsenal oder in vergleichbaren Einrichtungen, die besonders schwierige Instandsetzungen an hochempfindlichen und komplexen Waffen- oder Teilsystemen (z. B. rechnergestützten Waffenleit- oder Ortungsanlagen, Anlagen der elektronischen Kampfführung, Flugkörperwaffenanlagen) durchführen und hierfür fachübergreifende Kenntnisse benötigen
Arbeiter mit einschlägiger Ausbildung nach Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 oder 2 des Allgemeinen Teils in Luftwaffenwerften oder vergleichbaren Einrichtungen, die besonders schwierige Instandsetzungen oder schwierige Spezialarbeiten
- an ausgebauten hochempfindlichen und komplizierten Luftfahrzeuginstrumenten (z. B. kodierter oder servopneumatischer Höhenmesser),
- an ausgebauten hochempfindlichen und komplizierten Luftfahrzeughydraulikbauteilen (z. B. Höhenruderkraftsteuergerät),
- an komplexen Komponenten der Luftfahrzeugelektronik oder Luftfahrzeugoptronik oder
- an automatischen Prüfgeräten für Luftfahrzeugkomponenten
selbständig durchführen oder Abnahmeprüfungen an den o. a. Instrumenten, Bauteilen oder Komponenten verantwortlich durchführen.
2. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß der Kläger, dem in der zweiten Staffel der luftfahrzeugtechnischen Abteilung 352 in M… die Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten am Hubschrauber CH 53 G in der Teileinheit Hydraulik und Mechanik obliegen, die Anforderungen der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 des Allgemeinen Teils des Lohngruppenverzeichnisses zum MTB II erfüllt.
Das Landesarbeitsgericht verneint im übrigen, daß der Kläger Instandsetzungsarbeiten an “Waffen- oder Teilsystemen” durchführt, und führt dazu aus, aus den diesem Tatbestandsmerkmal beigefügten Klammerbeispielen könne, auch wenn die Aufzählung nicht abschließend sei, entnommen werden, daß es sich bei der Fallgruppe 4 um Tätigkeiten handeln müsse, die am Waffensystem selbst zu verrichten seien. Der Kläger hingegen führe zwar Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten am Hubschrauber CH 53 G aus, nicht aber an Waffen selbst. Auch das Vorliegen der Voraussetzungen der Fallgruppe 5 Buchst. b sei nicht festzustellen, da nicht dargelegt sei, daß der Heckrotor des Hubschraubers CH 53 G mit einem “Höherruderkraftwerkgerät” – gemeint: Höhenruderkraftsteuergerät – vergleichbar sei und nicht festgestellt sei, daß er mit “mehr als der Hälfte der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit” mit Arbeiten an diesen Bauteilen beschäftigt sei.
3. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
a) Soweit das Landesarbeitsgericht – bei seinen Ausführungen zu den Merkmalen der Fallgruppe 5 – diejenigen Tätigkeiten, die der Kläger “zu mehr als der Hälfte der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit” ausübt, für seine Einreihung für maßgebend hält, hat es die Änderung des § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Lohngruppenverzeichnis zum MTB II durch den Änderungstarifvertrag Nr. 14 vom 22. März 1991 mit Wirkung vom 1. Oktober 1990 übersehen. Bis zum 30. September 1990 war für die Einreihung in die Lohngruppen die überwiegend auszuübende Tätigkeit maßgebend. Durch den vorgenannten Tarifvertrag ist dies mit Wirkung vom 1. Oktober 1990 dahingehend geändert worden, daß seit diesem Zeitpunkt die mit mindestens der Hälfte der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auszuübende Tätigkeit für die Einreihung in die Lohngruppen maßgebend ist. Bei vollbeschäftigten Arbeitern ist dies die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit bzw. der verlängerten regelmäßigen Arbeitszeit im Sinne des § 15 MTB II einschließlich der Sonderregelungen hierzu. Der Rechtsbegriff des Arbeitsvorgangs aus dem BAT hat in die Tarifwerke für die Arbeiter des öffentlichen Dienstes keinen Eingang gefunden.
Der Kläger hält die Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten sowie das Ab- und Aufrüsten von Komponenten mit Prüf- und Einstellungsarbeiten als die für seine Einreihung am höchsten zu bewertende Tätigkeit. Dafür wendet er “monatlich” 96 von 160 Stunden auf, wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat. Tatsächlich entfallen die vom Landesarbeitsgericht genannten 160 Arbeitsstunden auf die Zeit von 20 Arbeitstagen in der Zeit vom 1. September bis 26. September 1986, die der Tätigkeitsdarstellung vom 4. November 1986 zugrundeliegen. Bezogen auf die seinerzeit geltende 40-Stundenwoche entfallen auf die vorgenannten Arbeiten somit 24 Stunden in der Woche. Diese Tätigkeiten übt der Kläger mithin mindestens zur Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit aus.
b) Es kann dahinstehen, ob der Auslegung des Merkmals der Instandsetzung von “Waffen- oder Teilsystemen” der Fallgruppe 4 Lohngruppe 9 SV 2a durch das Landesarbeitsgericht zu folgen ist. Auch wenn man im Gegensatz zu der vom Landesarbeitsgericht vertretenen Auslegung annimmt, die Instandsetzung von Hydraulik und Mechanik des Hubschraubers CH 53 G sei die Instandsetzung eines komplexen Waffensystems, scheitert die Einreihung des Klägers in die Lohngruppe 9 nach dieser Fallgruppe daran, daß er nicht substantiiert dargelegt hat, in einer den Heeresinstandsetzungswerken, Luftwaffenwerften und dem Marinearsenal vergleichbaren Einrichtung tätig zu sein. Als solche können nach Auffassung des Senats nur Einrichtungen gelten, in denen Instandsetzungsarbeiten bis hin zur MES 4 ausgeführt werden. Dies folgt aus dem Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der tariflichen Regelung.
aa) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Dabei ist der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (Urteil des Senats vom 23. September 1992 – 4 AZR 66/92 – AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, m.w.N., unter I 2a der Gründe). Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch eine praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (Urteil des Senats vom 23. September 1992 – 4 AZR 66/92 – AP, aaO).
bb) Aus dem Wortlaut des Tarifvertrages ist der Begriff “vergleichbare Einrichtungen” nicht zu bestimmen. Bei diesem Tarifmerkmal handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dieser ist von den Tarifvertragsparteien nicht näher definiert worden. Insbesondere fehlt die Angabe der Umstände, die für die Vergleichbarkeit einer Einrichtung mit Heeresinstandsetzungswerken, Luftwaffenwerften und dem Marinearsenal maßgebend sein sollen.
cc) Folglich ist für die Auslegung dieses Tarifmerkmals auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Als Eingruppierungsmerkmal ist der Begriff “vergleichbare Einrichtungen” so auszulegen, daß er als Merkmal für den Wert der Tätigkeit des Arbeiters als Bemessungsgröße für seine Entlohnung geeignet ist. Die Tarifvertragsparteien wollen mit Eingruppierungsregelungen die Tätigkeit des Arbeitnehmers bewerten und für sie die der jeweiligen Bewertung entsprechende Vergütung bestimmen. Auch wenn sie dies mit Hilfe der Dienststelle tun, in der die Tätigkeit ausgeübt wird, haben sie damit doch die sich bei der Arbeit in dieser Dienststelle gestellten besonderen Anforderungen oder eine hierfür benötigte besondere Qualifikation im Auge. Es erscheint ausgeschlossen, daß die Tarifvertragsparteien eine rein räumliche oder organisatorische Zuordnung eines Arbeitsplatzes zu einer bestimmten Dienststelle oder Abteilung zu einem tariflichen Eingruppierungsmerkmal erheben wollen, welches zu einem höheren Lohn führt (Urteil des Senats vom 10. Februar 1982 – 4 AZR 464/79 – AP Nr. 3 zu § 22 MTB II SV 2a; vergleiche auch Urteil des Senats vom 25. August 1993 – 4 AZR 566/92 – ZTR 1994, 242). Die Vergleichbarkeit muß daher mit einem Merkmal bestimmt werden, das erklärt, wieso die Tätigkeit “in vergleichbaren Einrichtungen” der Lohngruppe 9 Fallgruppe 4 SV 2a die Zahlung einer höheren Vergütung als derjenigen der Lohngruppe 8 rechtfertigt.
Daher kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, daß die Herresinstandsetzungswerke, die Luftwaffenwerften und das Marinearsenal selbständige Dienststellen innerhalb der Bundeswehr seien, sei diese Eigenschaft auch für die “vergleichbaren Einrichtungen” im Sinne der Fallgruppe 4 zu fordern. Es ist nicht zu erkennen, inwiefern es für den Wert der Tätigkeit eines Luftfahrzeughydraulikmechanikers und dessen gerechte Entlohnung eine Rolle spielen kann, ob die Instandsetzungseinrichtung, in der er seine Tätigkeit verrichtet, eine selbständige Dienststelle oder die unselbständige Abteilung einer anderen Dienststelle ist. Ebensowenig kann für die Vergleichbarkeit der Einrichtungen darauf abgestellt werden, ob dort nur Gerät der eigenen Dienststelle oder auch solches anderer Dienststellen instandgesetzt wird. Auch nach diesem Umstand will die Beklagte die Vergleichbarkeit der Einrichtungen bewerten. Der Austausch eines Heckgetriebes beispielsweise am Hubschrauber CH 53 G ist nicht deshalb eine qualifiziertere Arbeit, weil das instandgesetzte Fluggerät bei einer anderen Einheit stationiert ist.
Hingegen wird der Wert der Tätigkeit dadurch bestimmt, für welche Instandsetzungsarbeiten die Einrichtung zuständig ist. Im Bereich der Bundeswehr werden die der Materialerhaltung dienenden Tätigkeiten nach Materialerhaltungsstufen (MES) unterschieden. Die MES 1 und 2 umfassen nach der Darstellung der Parteien Pflege- und Wartungsarbeiten und die sich daraus ergebende Instandsetzung. Die Instandsetzung erstreckt sich auf den Austausch eines oder mehrerer Teile; die Bauteile selbst können und dürfen hier nicht instandgesetzt werden. Arbeiten der MES 3 und 4 sind Grundinstandsetzungen und Instandsetzungen von Austauschteilen. Daß die Arbeiten der MES 3 und 4 regelmäßig ein besonderes Spezialwissen und -können erfordern, also anspruchsvoller sind als die der MES 1 und 2, ist zwischen den Parteien unstreitig.
Das die MES betreffende Regelungswerk selbst hat die Beklagte in diesem Rechtsstreit nicht vorgelegt, sondern dazu nur die vorstehend wiedergegebenen Grundlinien vorgetragen. Dies hat der Kläger weder nach Form noch nach Inhalt beanstandet. Daher war die Beklagte nicht zu einer präziseren Darstellung und der Vorlage des Regelungswerkes selbst gehalten.
Nach der Darstellung der Beklagten sind die Heeresinstandsetzungswerke, die Luftwaffenwerften und das Marinearsenal für Instandsetzungsarbeiten der MES 1 bis 4 zuständig. Diese Darstellung hat der Kläger nicht bestritten. Soweit der Kläger ausführt, auch eine Luftwaffenwerft sei nicht in der Lage, jegliche Instandsetzung für ein Tragflächenflugzeug vorzunehmen, weshalb auch sie Aufträge an die freie Wirtschaft vergebe, folgt daraus nicht, daß dort keine Instandsetzungsarbeiten der MES 3 und 4 ausgeführt werden.
Kennzeichnet es die Instandsetzungzuständigkeit von Heeresinstandsetzungswerken, Luftwaffenwerften und des Marinearsenals, daß dort auch die an das Spezialwissen und -können besondere Anforderungen stellenden Instandsetzungsarbeiten der MES 3 und 4 ausgeführt werden, dann sind mit den vorgenannten Einrichtungen nur diejenigen vergleichbar im Sinne der Lohngruppe 9 Fallgruppe 4 SV 2a, in denen ebenfalls Instandsetzungsarbeiten der MES 3 und 4 verrichtet werden.
Noch ein weiteres Argument spricht dafür, die Vergleichbarkeit der sonstigen Einrichtungen in der Fallgruppe 4 mit den dort aufgeführten Heeresinstandsetzungswerken, Luftwaffenwerften und dem Marinearsenal daran zu messen, ob in ihnen auch Instandsetzungsarbeiten der MES 3 und 4 zu leisten sind: Als Arbeiten, die nach Lohngruppe 9 zu vergüten sind, werden in Fallgruppe 5 SV 2a Arbeiten an
- ausgebauten hohempfindlichen und komplizierten Luftfahrzeuginstrumenten (z. B. kodierter und servopneumatischer Höhenmesser),
- ausgebauten hochempfindlichen und komplizierten Luftfahrzeughydraulikbauteilen (z. B. Höhenruderkraftsteuergerät)
genannt. Die Instandsetzung von Austauschteilen zählt nach dem Vortrag der Parteien zur MES 4. Die vorgenannten Tätigkeiten der Fallgruppe 5 sind auch nicht bereits von den Merkmalen der Fallgruppe 4 erfaßt, da die Fallgruppe 4 nur Instandsetzungen an Waffen- oder Teilsystemen betrifft, die der Fallgruppe 5 hingegen Arbeiten an “Luftfahrzeug” -instrumenten etc., also auch an Instrumenten etc. solcher Luftfahrzeuge, die keine Waffensysteme sind.
Daß es in den Tarifvertragsverhandlungen für das Merkmal der Vergleichbarkeit der sonstigen Einrichtungen der Lohngruppe 9 Fallgruppe 4 SV 2a mit den dort präzise benannten keine Rolle gespielt hat, für welche Materialerhaltungsstufen die Instandsetzungseinrichtungen zuständig sind, wie der Kläger behauptet, ist unerheblich. Eine ausdrückliche Regelung, wonach sich die Vergleichbarkeit der Einrichtungen bestimmt, haben die Tarifvertragsparteien nicht getroffen. Es ist daher Aufgabe der Gerichte, im Wege der Auslegung festzustellen, nach welchem zu einem vernünftigen und sachgerechten Ergebnis führenden Umstand sich die Vergleichbarkeit richtet.
Die Bestimmung der Vergleichbarkeit danach, ob in den sonstigen Einrichtungen auch Arbeiten der MES 3 und 4 anfallen, räumt auch nicht dem Arbeitgeber “alle Dispositionsmöglichkeiten” ein, wie der Kläger geltend macht. Die Materialerhaltungsstufen werden ohnehin im Zuge des technischen Wandels und der Änderung der Ausbildungsinhalte immer wieder der Überprüfung und Anpassung an veränderte Sachverhalte bedürfen. Ihrer Veränderbarkeit nach dem Gutdünken des Arbeitgebers sind jedoch technische und organisatorische Grenzen gezogen. Ist eine Instandsetzungseinrichtung beispielsweise für Arbeiten der MES 4 personell und technisch nicht ausgestattet, kann der Arbeitgeber nicht einfach eine der MES 4 zugeordnete Arbeit nach der MES 2 bewerten und bei dieser Einrichtung ausführen lassen.
c) Der Kläger hat es versäumt, substantiiert darzulegen, daß in der luftfahrzeugtechnischen Abteilung 352 in M… Instandsetzungsarbeiten der MES 3 und 4 ausgeführt werden und daß dies in nennenswertem Umfang geschieht. Nachdem die Beklagte dies bestritten und dazu ausgeführt hat, für Instandsetzungsarbeiten der MES 3 und 4 seien in M… nicht die erforderlichen Geräte vorhanden, da diese aus Kostengründen – derzeit – nur in Luftwaffenwerften eingesetzt würden, hat der Kläger dazu lediglich vorgetragen, in seiner Dienststelle würden die unterschiedlichsten Tätigkeiten aller MES bis zur MES 4 ausgeführt. Dies ist kein substantiierter Sachvortrag; der Kläger hätte vielmehr präzise darlegen müssen, welche für Arbeiten der MES 3 und 4 geeigneten Geräte in der luftfahrzeugtechnischen Abteilung 352 in M… vorhanden sind und welche den MES 3 und 4 zugeordneten Instandsetzungsarbeiten dort ausgeführt werden. Solcher Sachvortrag war im Berufungsrechtszug auch ohne richterlichen Hinweis nach § 139 ZPO deshalb geboten, weil das Arbeitsgericht sein klagabweisendes Urteil damit begründet hat, der Kläger arbeite nicht in einer einer Luftwaffenwerft etc. “vergleichbaren Einrichtung”.
d) Ist der Kläger somit nicht in einer “vergleichbaren Einrichtung” im Sinne der Lohngruppe 9 Fallgruppe 4 SV 2a tätig, kommt auch ein Anspruch auf Lohn nach Lohngruppe 9 gestützt auf die Fallgruppe 5 SV 2a nicht in Betracht: Auch dort wird die Tätigkeit in einer “vergleichbaren Einrichtung” vorausgesetzt, hier bezogen allerdings lediglich auf Luftwaffenwerften, weil die in dieser Fallgruppe behandelnden Tätigkeiten nur die Instandsetzung von Luftfahrzeugen betreffen.
Davon abgesehen erfüllt der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen auch aus einem anderen Grund nicht die Merkmale der Lohngruppe 9 Fallgruppe 5 SV 2a. Das Einreihungsmerkmal Buchstabe b, auf das der Kläger seinen Anspruch stützt, fordert u. a. Arbeiten an ausgebauten hochempfindlichen und komplizierten Luftfahrzeughydraulikbauteilen (z. B. Höhenruderkraftsteuergerät). Die Tätigkeit des Klägers besteht nach seiner eigenen Darstellung zu einem ganz erheblichen Anteil in dem “Auf- und Abrüsten von Komponenten”, also dem Abbau vieler Teile und ihrem Wiedereinbau. Dies gilt auch für die vom Kläger für besonders schwierig gehaltene Tätigkeit am Heckrotor. Die Fallgruppe 5 Buchst. b stellt hingegen auf Arbeiten an “ausgebauten …-bauteilen” ab. Diese müssen mindestens die Hälfte der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ausmachen. Selbst wenn der Heckrotor als Bauteil im Sinne der Fallgruppe 5b angesehen werden kann, fehlt die Darstellung des Klägers, daß er mit mindestens der Hälfte der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit Arbeiten an ausgebauten Bauteilen verrichtet.
4. Der Rechtsstreit muß auch nicht zur weiteren Sachaufklärung zurückgewiesen werden, nachdem der Kläger die Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 139 ZPO und der Hinweispflicht gemäß § 278 Abs. 3 ZPO gerügt hat. Diese Rügen sind nicht begründet.
a) Der Kläger hat in der Revisionsbegründung ausgeführt, er hätte bei einer entsprechenden Frage oder einem Hinweis des Landesarbeitsgerichts betreffend die Fallgruppe 4 vorgetragen, daß es sich bei dem von ihm regelmäßig instandzusetzenden Hubschrauber CH 53 G um ein hochempfindliches und komplexes Waffen- oder Teilsystem im Sinne der Tarifnorm handele. Er hätte auch weiter dargelegt, daß der Hubschrauber über rechnergestützte Ortungsanlagen bzw. Anlagen der elektronischen Kampfführung und Flugkörperanlagen im Sinne der Beispielsfälle dieser Fallgruppe verfüge, und dafür Zeugenbeweis angetreten und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.
Auch bei diesem Sachvortrag ist die Klage abzuweisen. Ihr Erfolg scheitert auch bei dessen Berücksichtigung daran, daß der Kläger nicht in einer vergleichbaren Einrichtung im Sinne der Fallgruppe 4 tätig ist.
b) Betreffend die Fallgruppe 5 würde der Kläger, wie er ausführt, bei entsprechendem Hinweis oder Frage vorgetragen haben, daß es sich bei sämtlichen von ihm instandzusetzenden Komponenten um hochempfindliche und komplizierte Luftfahrzeughydraulikbauteile im Sinne der Tarifnorm handele, und dafür ebenfalls Zeugenbeweis angetreten und die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt haben. Auch bei diesem Vortrag ist die Klage unbegründet. Ihr Erfolg scheitert an der fehlenden Vergleichbarkeit der luftfahrzeugtechnischen Abteilung 352 in M… mit Luftwaffenwerften. Der Kläger will im übrigen auch selbst nicht behaupten, daß seine Arbeit an ausgebauten Luftfahrzeughydraulikbauteilen mindestens die Hälfte der vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ausmacht.
III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Schaub, Friedrich, Bott, Müller-Tessmann, Brunner
Fundstellen
Haufe-Index 857037 |
NZA 1995, 484 |