Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Lehrkraft - Ausbildung in England
Orientierungssatz
1. Hinweise des Senats:
"Feststellung der Gleichwertigkeit einer ausländischen Ausbildung (vgl BAG Urteil vom 7. Juli 1999 - 10 AZR 571/98 -)."
2. Auslegung der Richtlinie über die Vergütung der unter den BAT fallenden Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis vom 20. September 1996 und der Lehrerrichtlinie Teil A Nr 1, Teil B Buchstabe a Ziff 14.
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Berlin vom 18. Dezember 1998 - 19 Sa
86/98 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin, die britische Staatsangehörige ist, war von Anfang August 1993 bis zum 31. August 1998 als Lehrerin an Grundschulen an der Staatlichen Europa-Schule C beschäftigt. An der Europa-Schule werden ua. deutsche Kinder gemeinsam mit Kindern englischer Muttersprache zweisprachig in deutscher und englischer Sprache unterrichtet. Die Klägerin erteilte ausschließlich Unterricht in ihrer Muttersprache Englisch. Sie war als muttersprachliche Lehrkraft im Regelunterricht eingesetzt.
Die Klägerin verfügt über eine abgeschlossene Primarschullehrer-Ausbildung nach britischem/schottischem Recht. Von 1970 bis 1973 absolvierte sie am Moray House College of Education in Edinburgh eine Primarschullehrer-Ausbildung, die sie mit dem "Diploma in Primary Education" abschloß. Anschließend leistete sie eine zweijährige unterrichtspraktische Probezeit ab und erwarb den Status einer registrierten Lehrerin für Grundschulerziehung. Aufgrund ihrer Ausbildung ist sie berechtigt, Grundschüler im Alter von fünf bis zwölf Jahren zu unterrichten. Nach Beendigung ihrer Ausbildung war sie zunächst in Schottland als Primarschullehrerin tätig. Von Januar 1992 bis Juli 1993 unterrichtet sie an einer mit der Armee verbundenen Schule in B .
Anfang August 1993 nahm sie ihre Tätigkeit an der Europa-Schule C auf und beantragte mit Schreiben vom 2. August 1993 bei der Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport ihre Ausbildung gemäß der Richtlinie 89/48/EWG anzuerkennen und gleichzustellen. Die Senatsverwaltung lehnte eine Gleichstellung mit Bescheid vom 10. Januar 1994 mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht ein mindestens dreijähriges Studium an einer Universität oder einer Hochschule oder einer anderen gleichwertigen Ausbildungseinrichtung absolviert. Den Widerspruch der Klägerin wies die Senatsverwaltung mit Widerspruchsbescheid vom 12. September 1994 unter Bezugnahme auf eine gutachterliche Stellungnahme der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen am Sekretariat der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland zurück. Danach gehöre das von der Klägerin besuchte College nicht zum Kreis der rechtlich selbständigen und somit zur Verleihung akademischer Grade berechtigten britischen/schottischen Universitäten und gleichrangigen Hochschulinstitutionen. Das Verwaltungsgericht wies die gegen die Ablehnung gerichtete Klage mit der Begründung rechtskräftig ab, die Klägerin habe den Nachweis der erforderlichen Sprachkenntnisse nicht erbracht (VG Berlin 15. August 1996 - 7 A 269/94 - nv.).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der BAT Anwendung. Die Vergütung der Klägerin richtete sich nach den vom beklagten Land erlassenen Richtlinien über die Vergütung der unter den BAT fallenden Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis (Lehrerrichtlinien) in ihrer jeweils geltenden Fassung. Seit Juli 1995 erhielt die Klägerin Vergütung nach der VergGr. IV b BAT. Mit Schreiben vom 31. Januar 1996 begehrte die Klägerin Vergütung nach der VergGr. IV a BAT.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie erfülle die Voraussetzungen nach Teil B a) Nr. 14 der Lehrerrichtlinien, da sie über eine abgeschlossene Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule verfüge. Dies ergebe sich aus einem Schreiben des britischen Ministeriums für Handel und Industrie vom 6. Dezember 1996, in dem es ua. heißt: "... Der Studiengang wurde an einem Institut of Higher Education - im Vereinigten Königreich das Pendant einer deutschen wissenschaftlichen Hochschule - absolviert und vom Ministerium für Erziehung des Vereinigten Königreichs und dem Scottish Office anerkannt. ..."
Ausweislich eines Schreibens des "General Teaching Council For Scotland" vom 4. Februar 1997 befähige die von der Klägerin absolvierte Ausbildung zur Ausübung einer Tätigkeit als Lehrer(in). Dies allein begründe einen Anspruch auf Anerkennung nach den Bestimmungen der Richtlinie 89/48/EWG. Soweit die Protokollnotiz Nr. 1 zu Abschnitt B der Lehrerrichtlinien eine Anerkennung der Gleichwertigkeit der Ausbildung an einer ausländischen wissenschaftlichen Hochschule vorsehe, sei diese im Hinblick auf die EG-Richtlinie richtlinienkonform auszulegen. Die Gleichwertigkeit sei durch den zuständigen Minister des jeweiligen Herkunftsstaates und nicht durch den jeweiligen Landesminister der Bundesrepublik Deutschland festzustellen. Letzterer sei vielmehr an die entsprechende Feststellung gebunden.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt festzustellen, daß die Beklagte
verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit vom 1. August 1995 bis
zum 31. August 1998 eine Vergütung nach VergGr. IV a BAT zu
zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin verfüge nicht über die erforderliche Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule. Dies ergebe sich bereits aus der Ablehnung einer Gleichstellung nach der Richtlinie 89/48/EWG durch die zuständige Senatsverwaltung. Die Ausbildung sei aber auch nicht gleichwertig, da das Lehrerbildungs-College, an dem die Klägerin ihre Ausbildung absolviert habe, nach einer Stellungnahme der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen des Sekretariats der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland nicht zu dem Kreis der rechtlich selbständigen und somit zur Verleihung akademischer Grade berechtigten britischen/schottischen Universitäten und gleichrangigen Hochschulinstituten gehöre.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter. Das beklagte Land bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin könne die begehrte Vergütung nicht beanspruchen. Ihre Eingruppierung richte sich nicht nach Teil A der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwendenden Lehrerrichtlinien des beklagten Landes, da sie die Voraussetzungen für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht erfülle und die Anerkennung ihrer schottischen/britischen Ausbildung durch die Senatsverwaltung rechtskräftig im verwaltungsgerichtlichen Verfahren abgelehnt worden sei. Nach Teil B der Richtlinien sei die Klägerin zutreffend eingruppiert. Eine abgeschlossene Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule gemäß Abschnitt B a) Ziff. 14 der Lehrerrichtlinien liege bei einer im Ausland erworbenen Ausbildung nach der Protokollnotiz Nr. 1 zu Abschnitt B der Eingruppierungsrichtlinien nur dann vor, wenn die Ausbildung durch den zuständigen Landesminister als gleichwertig anerkannt worden sei. An einer solchen Anerkennung durch die zuständige Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport fehle es. Die Senatsverwaltung habe eine Gleichstellung vielmehr mit - inzwischen rechtskräftigem - Bescheid vom 10. Januar 1994 bindend abgelehnt. Soweit man eine Bindungswirkung insoweit verneine und davon ausgehe, daß die Anerkennung ein selbständiges Verwaltungsverfahren erfordere, fehle es nicht nur an einem entsprechenden positiven Bescheid, sondern bereits an einem Antrag auf Gleichwertigkeitsentscheidung.
Diese Ausführungen sind rechtsfehlerfrei.
II. Die Klage ist nicht begründet.
1. Der Klägerin hat keinen Anspruch aus den arbeitsvertraglich vereinbarten Richtlinien über die Vergütung der unter den BAT fallenden Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis vom 20. September 1996 (Lehrerrichtlinien). Diese Richtlinien sind rückwirkend zum 1. Juli 1995 in Kraft getreten, so daß sie für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum seit August 1995 maßgebend sind.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Klägerin ihr Klagebegehren nicht auf Abschnitt A Nr. 1 der Lehrer RL stützen kann, weil rechtskräftig im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. Verwaltungsgericht Berlin 15. August 1996 - VG 7 A 269/94 - nv.) entschieden worden ist, daß sie mangels ausreichender Deutschkenntnisse nicht die fachlichen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllt. Dies ist rechtsfehlerfrei und wird auch von der Revision ausdrücklich nicht mehr geltend gemacht.
b) Die Klägerin hat aber auch nach Abschnitt B Buchst. a Ziff. 14 Lehrer RL keinen Anspruch auf Höhergruppierung in die VergGr. IV a BAT. Danach besteht ein Anspruch auf Vergütung nach dieser Vergütungsgruppe für ausländische Lehrer an einer Grundstufe der Staatlichen Europa-Schule B mit abgeschlossener Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule und voller Lehrbefähigung ihres Heimatlandes. Nach der Protokollnotiz Nr. 1 zum Abschnitt B gilt als abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule auch ein abgeschlossenes Studium an einer ausländischen wissenschaftlichen Hochschule, das der zuständige Landesminister als gleichwertig anerkannt hat. Letztere Voraussetzung ist nicht gegeben.
Das Landesarbeitsgericht hat bindend festgestellt, daß die Klägerin als ausländische Lehrerin an der Grundstufe der staatlichen Europa-Schule B unterrichtet hat und eine volle Lehrbefähigung ihres Heimatlandes besitzt. Es hat allerdings die zwischen den Parteien allein streitige Sach- und Rechtsfrage unentschieden gelassen, ob die Klägerin ein Studium an einer ausländischen wissenschaftlichen Hochschule abgeschlossen hat, das mit einem abgeschlossenen Studium an einer deutschen wissenschaftlichen Hochschule gleichwertig ist. Es hat diese Voraussetzungen deswegen nicht geprüft, weil es jedenfalls an der erforderlichen Anerkennung der Gleichwertigkeit durch die zuständige Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport des Landes Berlins fehle. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ohne eine solche Anerkennung kann vergütungsrechtlich nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin einen Anspruch auf Eingruppierung in die VergGr. IV a BAT gem. Abschn. B Buchst. a Ziff. 14 Lehrer RL hat.
Zu Unrecht meint die Revision, die zuständige Senatsverwaltung des Landes Berlin sei gemeinschaftsrechtlich an die Beurteilung der Gleichwertigkeit der zuständigen Behörden eines EU-Mitgliedstaates gebunden und damit zur Anerkennung verpflichtet, wenn die Gleichwertigkeit der Ausbildung von diesen Behörden festgestellt sei. Deshalb sei die Klägerin auch nicht gehalten gewesen, die Anerkennung der Gleichwertigkeit ihres Hochschulabschlusses zu beantragen. Vielmehr müsse im arbeitsgerichtlichen Verfahren geklärt werden, ob die Klägerin das Merkmal des abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulstudiums erfülle.
Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob das britische Ministerium für Handel und Industrie und das General Teaching Council eine zutreffende Bewertung der Gleichwertigkeit der Ausbildung der Klägerin vorgenommen haben und ob die Senatsverwaltung des Landes Berlin nach innerstaatlichem bzw. nach Gemeinschaftsrecht an diese Beurteilung und Empfehlung rechtlich gebunden ist. Jedenfalls erfolgt die Anerkennung der nicht im Lande Berlin erworbenen Lehrbefähigungen auf Antrag und wird von einem gerichtlich überprüfbaren Verwaltungsakt der zuständigen Senatsverwaltung abhängig gemacht. Dies gilt auch für im EU-Ausland erworbenen Lehrbefähigungen (vgl. BAG 7. Juli 1999 - 10 AZR 571/98 - AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 79). Denn Art. 8 der Richtlinien 89/48/EWG sieht ausdrücklich vor, daß ein Antrag zu stellen ist, über den der Aufnahmestaat in einem Verwaltungsverfahren zu entscheiden hat. Gegen diese Entscheidung kann nach Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie ein gerichtlicher Rechtsbehelf eingelegt werden. Daraus folgt, daß das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 89/48/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, für Lehrerberufe (EG/RL/LehrG) vom 9. Juni 1993 gemeinschaftsrechtlich zutreffend ein Verwaltungsverfahren mit verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung vorsieht. Deshalb muß die Feststellung der Gleichwertigkeit der Ausbildung beantragt werden. Daraus folgt, daß ohne entsprechenden positiven bestandskräftigen Bescheid des zuständigen Landesministers des Aufnahmelandes die vergütungsrechtliche Voraussetzung für eine Höhergruppierung nicht erfüllt ist. Nach innerstaatlichem Recht sind die Gerichte für Arbeitssachen an solche positiven wie negativen Verwaltungsakte gebunden (BAG 7. Juli 1999 aaO mwN). Entgegen der Ansicht der Revision ist den Arbeitsgerichten deshalb verwehrt, die Gleichwertigkeit von ausländischen Ausbildungen zu überprüfen bzw. die Gleichwertigkeit anzuerkennen.
Die Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport von Berlin hat mit Bescheid vom 10. Januar 1994 die Ausbildung und den Abschluß der Klägerin nach britisch-schottischem Recht nicht mit einem nach deutschem Recht erforderlichen dreijährigen Hochschulstudium vergleichbar angesehen und deshalb die Anerkennung versagt. Das dagegen von der Klägerin angestrengte verwaltungsgerichtliche Verfahren blieb erfolglos. Es ändert an der Bestandskraft des Bescheides nichts, daß das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gleichstellung mit der Begründung abgewiesen hat, die Klägerin habe die erforderlichen deutschen Sprachkenntnisse nicht nachgewiesen. An die Bestandskraft der im Verwaltungsakt getroffenen Regelung sind die Beteiligten gebunden. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekanntgegeben worden ist. Ob neben der Entscheidungsformel des Verwaltungsaktes auch die tragenden Begründungselemente - keine Gleichwertigkeit der Hochschulausbildung - an der Bindungswirkung teilnehmen (vgl. Obermeyer Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz 3. Aufl. § 43 Rn. 22), ist genauso wie die Frage, ob die Sprachkenntnisse verwaltungsrechtlich auch Voraussetzung für die Anerkennung der Gleichwertigkeit sind, als formelle bzw. materielles Verwaltungsrecht im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht zu überprüfen (BAG 7. Juli 1999 aaO). Die Klägerin hätte somit die Gleichwertigkeit der Ausbildung und deren Anerkennung nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens erneut beantragen müssen. Dies hat sie nicht getan.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs Böck
zugleich für den
wegen Krankheit
an der Unterzeichnung
verhinderten Vors. Richter Dr. Freitag
Burger
Schlaefke
Fundstellen