Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Feststellung zu einem abgeschlossenen Sachverhalt der Vergangenheit

 

Normenkette

ZPO § 256; AWbG NW § 1; BAT § 47 Abs. 1, 6-7

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 30.04.1990; Aktenzeichen 16 Sa 207/90)

ArbG Mönchengladbach (Urteil vom 13.12.1989; Aktenzeichen 5 Ca 954/89)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. April 1990 – 16 Sa 207/90 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (AWbG).

Die Klägerin war vom 1. Oktober 1987 bis 4. August 1990 bei der Beklagten im Zentrallabor beschäftigt. Sie teilte der Beklagten am 23. Januar 1989 mit, sie werde in der Zeit vom 14. Mai bis 27. Mai 1989 in Torroella de Fluvia/Spanien an einer Bildungsveranstaltung des „Bildungswerk(s) für Friedensarbeit, Aachen” zum Thema „Spanisch: Geschichte, Kulturpolitik” teilnehmen. Die Beklagte erwiderte am 10. Februar 1989 und am 3. April 1989 schriftlich, sie könne einer Teilnahme im Rahmen des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes nicht zustimmen. Daraufhin beantragte die Klägerin Erholungsurlaub und nahm an der Veranstaltung teil. Danach hat sie Klage erhoben und beantragt

festzustellen, daß der von der Klägerin bereits genommene Bildungsurlaub „Spanisch – Sprachkursus in Katalonien” vom 14. Mai 1989 bis 27. Mai 1989 als Bildungsurlaub i. S. des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes anerkannt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben; das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, die die Verletzung des § 1 AWbG rügt und die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils verlangt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Feststellungsklage ist unzulässig.

1. Der Feststellungsantrag der Klägerin bezieht sich auf einen abgeschlossenen Sachverhalt der Vergangenheit. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 22. September 1992 – 9 AZR 404/90 – EzA § 256 ZPO Nr. 36 – NZA 1993, 429 m. W. N., vom 8. Dezember 1992 – 9 AZR 113/92 – NZA 1993, 475 und vom 15. Juni 1993 – 9 AZR 261/90 – zur Veröffentlichung bestimmt) sind derartige Klagen mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig, es sei denn, die Feststellung hätte noch Wirkungen für Gegenwart oder Zukunft.

2. So verhält es sich im Streitfall nicht.

a) Erfüllungsansprüche der Klägerin auf nachträglichen Bildungsurlaub oder nachträglichen Erholungsurlaub aus dem Jahr 1989 scheiden aus. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist seit August 1990 beendet.

b) Urlaubsabgeltungsansprüche können seit dem Ende des höchstmöglichen Übertragungszeitraums Ende September 1991 (§ 47 Abs. 7 BAT) nicht mehr geltend gemacht werden. Denn Urlaubsabgeltungsansprüche sind wie Urlaubsansprüche befristet, sofern Tarifvertragsparteien nicht eine anderweitige Regelung getroffen haben (ständige Rechtsprechung des BAG, zuletzt Urteil vom 19. Januar 1993 – 9 AZR 8/92 – zur Veröffentlichung bestimmt).

c) Ein Schadensersatzanspruch auf nachträgliche Urlaubsgewährung wegen des Untergangs des Erfüllungsanspruchs, den die Beklagte zu vertreten hätte, scheidet aus, weil die Klägerin die Beklagte mit einem Urlaubsverlangen nicht in Verzug gesetzt hat.

d) Die beantragte Feststellung hat auch nicht deshalb Wirkungen für Gegenwart oder Zukunft, weil ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen eines von der Beklagten während des Verzugs untergegangenen Anspruchs auf Arbeitnehmerweiterbildung denkbar ist. Zwar befand sich die Beklagte seit dem Verlangen der Klägerin vom 23. Januar 1989 in Verzug, wenn die umstrittene Bildungsveranstaltung dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz entsprach. Dennoch kann ein denkbarer Schadensersatzanspruch mit der begehrten Feststellung nicht vorab geklärt werden. Denn bei einer antragsgemäßen gerichtlichen Feststellung wäre (nachträglich) die Erfüllung des Freistellungsanspruchs nach dem AWbG festgestellt und ein Schadensersatzanspruch wegen zu Unrecht verweigerter Freistellung schiede aus. Würde die Klage abgewiesen, weil es keine Anspruchsgrundlage dafür gibt, daß die Beklagte ihre ursprüngliche Leistungsbestimmung (Feststellung nach den Urlaubsvorschriften des BAT) in eine andere Leistungsbestimmung (Freistellung zur Arbeitnehmerweiterbildung) ändern muß, könnte der Senat keine Aussage über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Freistellungsablehnung treffen. In einem derartigen Fall kann ein Rechtsschutzinteresse nicht bejaht werden. Es ist nur dann gegeben, wenn die Feststellung positive Wirkungen für den Feststellungskläger mit sich bringt. Denn nur dann betrifft die nicht vollstreckungsfähige Feststellung zukünftige umstrittene Ansprüche, die regelmäßig ohne weiteren Leistungsprozeß ausgeglichen werden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dörner, Düwell, Dr. Wißmann, Winterholler, Dr. Klosterkemper

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1074062

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