Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung. Vorbeschäftigung. Heimarbeitsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
Ein früheres Heimarbeitsverhältnis unterfällt nicht dem Verbot der „Zuvorbeschäftigung” nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 2 Sätze 1-2, § 17 S. 1; BGB § 305 Abs. 1 S. 1, § 305c Abs. 2, § 307 Abs. 1 S. 2, § 310 Abs. 3 Nr. 2; HAG §§ 29, 29a; EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 (Rahmenvereinbarung) § 2 Nr. 1; AEUV Art. 267 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. Februar 2014 – 9 Sa 546/13 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2012.
Die Beklagte importiert modische Accessoires aus Asien. Die Klägerin war für die Beklagte in der Zeit vom 15. Juni 2009 bis zum 31. August 2010 als Heimarbeiterin tätig. § 10 des Heimarbeitsvertrags enthält folgende Regelungen:
„§ 10 Dauer des Heimarbeitsverhältnis, maßgebliche Vorschriften
1. |
Der Arbeitsvertrag wird auf die Dauer von einem Jahr, mithin bis zum 14.06.2010 befristet, gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG abgeschlossen. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Die erste Auftragserteilung erfolgt nach Vorlage der Arbeitspapiere bei der Fima. |
2. |
Es wird eine Probezeit von 6 Monaten vereinbart. In dieser Zeit beträgt die Kündigungsfrist 2 Wochen. |
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Danach geltend die gesetzlichen Kündigungsfristen (§ 29 HAG). |
… |
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5. |
Im Übrigen richten sich die gegenseitigen Rechte und Pflichten nach den jeweiligen bindenden Festsetzungen sowie dem Heimarbeitergesetz und sonstigen gesetzlichen Vorschriften.” |
Durch „Ergänzungsvertrag zum Heimarbeitervertrag” vom 12. März 2010 verlängerten die Parteien die Vertragslaufzeit des Heimarbeitsvertrags bis zum 14. Juni 2011.
Mit Wirkung zum 1. September 2010 hoben die Parteien den Heimarbeitsvertrag auf und schlossen einen zum 31. August 2011 befristeten Arbeitsvertrag. Der befristete Arbeitsvertrag wurde durch Ergänzungsvertrag vom 12. Mai 2011 bis zum 31. August 2012 verlängert.
Mit ihrer am 14. September 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 1. Oktober 2012 zugestellten Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei nicht zum 31. August 2012 wirksam befristet worden. Der sachgrundlosen Befristung stehe das vorangegangene Heimarbeitsverhältnis entgegen. Ein Heimarbeitsverhältnis sei ein „Arbeitsverhältnis” iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien unwirksam ist, so dass das Arbeitsverhältnis über den 31. August 2012 hinaus unbefristet fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
A. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Revision zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den gesetzlichen Anforderungen. Sie setzt sich mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung hinreichend auseinander.
I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei Sachrügen sind diejenigen Umstände bestimmt zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Die Revisionsbegründung muss den angenommenen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts in einer Weise verdeutlichen, die Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennen lässt. Das erfordert eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung. Der Revisionsführer muss darlegen, warum er die Begründung des Berufungsgerichts für unrichtig hält (vgl. etwa BAG 9. Dezember 2014 – 1 AZR 146/13 – Rn. 15). Hierzu genügt weder die bloße Wiedergabe des bisherigen Vorbringens (BAG 20. Juni 2013 – 8 AZR 482/12 – Rn. 20) noch eine Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils (BAG 18. Mai 2011 – 10 AZR 346/10 – Rn. 10).
II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung noch gerecht.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Befristung sei nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zulässig. Ein Heimarbeitsverhältnis sei kein Arbeitsverhältnis iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei auch nicht nach seinem Sinn und Zweck auf Heimarbeitsverhältnisse anzuwenden. Die Regelung solle den Missbrauch der durch § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffneten Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung zu sog. Befristungsketten verhindern. Eine derartige Gefahr werde durch ein Heimarbeitsverhältnis nicht begründet.
2. Zwar setzt sich die Klägerin mit den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zum Begriff des „Arbeitsverhältnisses” iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht auseinander, sondern beschränkt sich insoweit darauf, ihr Vorbringen aus den Vorinstanzen wörtlich zu wiederholen. Die Klägerin vertritt in der Revisionsbegründung aber außerdem die Auffassung, die Parteien hätten in § 10 des Heimarbeitsvertrags vereinbart, das Heimarbeitsverhältnis gelte als Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 TzBfG. Etwaige Unklarheiten des von der Beklagten vorformulierten Arbeitsvertrags gingen zu deren Lasten. Träfe dies zu, wäre die Rüge geeignet, die angefochtene Entscheidung insgesamt in Frage zu stellen.
B. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Der als Befristungskontrollantrag nach § 17 Satz 1 TzBfG zu verstehende Antrag auf Feststellung, „dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien unwirksam ist, so dass das Arbeitsverhältnis über den 31. August 2012 hinaus unbefristet fortbesteht”, ist zulässig.
1. Der Klageantrag ist als Befristungskontrollantrag nach § 17 Satz 1 TzBfG zu verstehen, der sich ausschließlich gegen die im Ergänzungsvertrag vom 12. Mai 2011 vereinbarte Befristung zum 31. August 2012 richtet. Dem Antragswortlaut kommt darüber hinaus keine eigenständige Bedeutung im Sinne einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu. Andere Beendigungstatbestände stehen nicht im Streit.
2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag zulässig. Er ist hinreichend bestimmt nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die angegriffene Befristung ist konkret bezeichnet. Eines besonderen Feststellungsinteresses für den Befristungskontrollantrag bedarf es nicht. Dieses ergibt sich aus der Regelung in § 17 Satz 1 TzBfG, wonach die Unwirksamkeit der Befristung innerhalb einer dreiwöchigen Klagefrist durch Erhebung einer Feststellungsklage geltend zu machen ist (BAG 29. April 2015 – 7 AZR 310/13 – Rn. 12; 18. Juli 2012 – 7 AZR 451/11 – Rn. 10).
II. Die Befristungskontrollklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der im Ergänzungsvertrag vom 12. Mai 2011 vereinbarten Befristung am 31. August 2012 geendet. Die Befristung des Arbeitsvertrags ist wirksam. Sie ist nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt.
1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu der Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Bei dem Ergänzungsvertrag vom 12. Mai 2011 handelt es sich um eine Verlängerung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG (vgl. zum Verlängerungsbegriff BAG 20. Februar 2008 – 7 AZR 786/06 – Rn. 9; 23. August 2006 – 7 AZR 12/06 – Rn. 11, BAGE 119, 212). Mit dem Vertrag vom 12. Mai 2011 wurde noch während der Laufzeit des zu verlängernden Vertrags nur die Vertragsdauer des zunächst für die Zeit vom 1. September 2010 bis zum 31. August 2011 abgeschlossenen Anstellungsvertrags vom 30. August 2010 geändert; die übrigen bisher geltenden Arbeitsbedingungen wurden beibehalten. Die zulässige Gesamtbefristungsdauer ist mit der vereinbarten Vertragslaufzeit eingehalten.
2. Der Wirksamkeit der Befristung steht § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht eine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verneint. Zwischen den Parteien bestand in der Zeit vom 15. Juni 2009 bis zum 31. August 2010 unstreitig ein Heimarbeitsverhältnis. Ein Heimarbeitsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Ein früheres Heimarbeitsverhältnis steht daher der sachgrundlosen Befristung eines späteren Arbeitsverhältnisses zwischen denselben Vertragsparteien nicht entgegen. Die Parteien haben auch nicht vereinbart, dass das Heimarbeitsverhältnis als Arbeitsverhältnis iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gelten soll.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass ein Heimarbeitsverhältnis kein Arbeitsverhältnis iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist.
aa) Nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG stehen der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrags nur frühere befristete oder unbefristete Arbeitsverhältnisse mit demselben Arbeitgeber entgegen. Das TzBfG definiert den Begriff „Arbeitsverhältnis” nicht, sondern setzt ihn – ebenso wie den ihm zugrunde liegenden Begriff „Arbeitnehmer” – voraus. Deshalb sind die allgemeinen Begriffe des Arbeitnehmers und des Arbeitsverhältnisses zugrunde zu legen. Danach ist Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (st. Rspr., vgl. BAG 15. Februar 2012 – 10 AZR 111/11 – Rn. 14). Dementsprechend ist ein Arbeitsverhältnis anzunehmen, wenn die Leistung von Diensten nach Weisung des Dienstberechtigten und gegen Zahlung von Entgelt Schwerpunkt des durch privatrechtlichen Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses ist (vgl. BAG 8. September 2015 – 9 AZB 21/15 – Rn. 13). Heimarbeiter sind mangels der erforderlichen persönlichen Abhängigkeit keine Arbeitnehmer iSd. allgemeinen Arbeitnehmerbegriffs (BAG 24. März 1998 – 9 AZR 218/97 – zu I der Gründe; 3. Juli 1980 – 3 AZR 1077/78 – zu I der Gründe, BAGE 34, 34). Sie stehen daher nicht in einem Arbeitsverhältnis.
bb) Auch systematische Gründe sprechen dagegen, Heimarbeitsverhältnisse als Arbeitsverhältnisse iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG anzusehen. Soweit der Gesetzgeber Heimarbeiter den Arbeitnehmern gleichstellen wollte, hat er dies durch entsprechende Verweisungen oder Fiktionen (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG; § 20 Abs. 2 BEEG; § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG; § 12 BUrlG; §§ 10, 11 EFZG; § 7 Abs. 4, § 8 Abs. 5, § 9 Abs. 1 Satz 1 iVm. Satz 2, Abs. 4, § 18 Abs. 2, § 24 MuSchG) ausdrücklich vorgesehen (vgl. BAG 24. März 1998 – 9 AZR 218/97 – zu III 3 a der Gründe). Der Kündigungsschutz von Heimarbeitern ist gesondert geregelt. Der allgemeine Kündigungsschutz für Heimarbeiter nach § 29 HAG ist auf die Verpflichtung des Auftraggebers beschränkt, je nach Dauer des Beschäftigungsverhältnisses Kündigungsfristen einzuhalten. In Heimarbeit beschäftigte Mitglieder eines Betriebsrats oder einer Jugend- und Auszubildendenvertretung genießen besonderen Kündigungsschutz nach § 29a HAG. Auch der für Arbeitnehmer bestehende öffentlich-rechtliche Kündigungsschutz gilt für Heimarbeiter jeweils nur aufgrund gesonderter gesetzlicher Anordnung (vgl. BAG 24. März 1998 – 9 AZR 218/97 – zu III 3 a der Gründe). Eine Verweisung auf die für Arbeitsverhältnisse geltenden befristungsrechtlichen Bestimmungen im TzBfG fehlt im HAG. § 14 TzBfG gilt ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/4374 S. 13) nur für Arbeitsverträge. Damit ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, Heimarbeitsverhältnisse den Arbeitsverhältnissen iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gleichzustellen.
cc) Die Vorgaben des Unionsrechts gebieten kein anderes Verständnis.
(1) Die Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG gilt nach ihrem § 2 Nr. 1 für befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition. Sie gilt nicht für andere Beschäftigte. Das folgt nicht nur aus der abschließenden Festlegung des Anwendungsbereichs der Rahmenvereinbarung in § 2, sondern auch daraus, dass nach § 1 Buchst. b der Rahmenvereinbarung ein Rahmen geschaffen werden soll, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse verhindert. Zwar verwendet die Rahmenvereinbarung nicht nur die Begriffe „Arbeitsverträge” und „Arbeitsverhältnisse”, sondern auch den Begriff „Beschäftigungsverhältnisse”. Dem Begriff „Beschäftigungs-verhältnis” kommt in der Rahmenvereinbarung jedoch keine andere Bedeutung als dem Begriff „Arbeitsverhältnis” zu. So heißt es in der Präambel, unbefristete Verträge stellten die „übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern” dar. Dementsprechend hat die Formulierung „befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse” in § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung die gleiche Bedeutung wie die Formulierung „befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse” in § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung, auf die sich § 5 Nr. 2 der Rahmenvereinbarung bezieht.
(2) Nach § 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung richtet sich die Definition der Arbeitsverträge und -verhältnisse, für die diese Rahmenvereinbarung gilt, nicht nach der Vereinbarung selbst oder dem Unionsrecht, sondern nach nationalem Recht. Allerdings kann das Unionsrecht auch dann, wenn sich die Definition des Arbeitnehmerbegriffs nach nationalem Recht richtet, das den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessen begrenzen. Die in einer Richtlinie verwendeten Begriffe können danach nur in dem Umfang entsprechend dem nationalen Recht und/oder der nationalen Praxis definiert werden, soweit die praktische Wirksamkeit der Richtlinie und die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts gewahrt bleiben (BAG 24. Februar 2016 – 7 AZR 712/13 – Rn. 32; 17. März 2015 – 1 ABR 62/12 (A) – Rn. 18, BAGE 151, 131). Die Mitgliedstaaten dürfen daher keine Regelung anwenden, die die Verwirklichung der mit einer Richtlinie verfolgten Ziele gefährden und sie damit ihrer praktischen Wirksamkeit berauben könnte. Insbesondere darf ein Mitgliedstaat nicht unter Verletzung der praktischen Wirksamkeit der jeweiligen Richtlinie willkürlich bestimmte Kategorien von Personen von dem durch diese bezweckten Schutz ausnehmen (EuGH 3. Juli 2014 – C-362/13 ua. – [Fiamingo ua.] Rn. 31; 15. März 2012 – C-157/11 – [Sibilio] Rn. 42 und 51; 13. September 2007 – C-307/05 – [Del Cerro Alonso] Rn. 29, Slg. 2007, I-7109).
(3) Danach gebietet es die Rahmenvereinbarung nicht, ein Heimarbeitsverhältnis einem Arbeitsverhältnis iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gleichzustellen. Das Ziel der Rahmenvereinbarung – wie auch des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG – ist es, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern (vgl. EuGH 23. April 2009 – C-378/07 ua. – [Angelidaki] Rn. 94, Slg. 2009, I-3071; 4. Juli 2006 – C-212/04 – [Adeneler] Rn. 101, Slg. 2006, I-6057; BAG 21. September 2011 – 7 AZR 375/10 – Rn. 17, BAGE 139, 213). Die Verwirklichung dieses Ziels ist nicht gefährdet, wenn Heimarbeiter vom Anwendungsbereich des § 14 TzBfG ausgenommen sind.
(a) Der Schutzzweck der Rahmenvereinbarung ist schon deshalb nicht gefährdet, weil es sich bei Heimarbeitnehmern nicht um Arbeitnehmer iSd. unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs handelt.
(aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Gerichtshof) besteht das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (EuGH 4. Dezember 2014 – C-413/13 – [FNV Kunsten Informatie en Media] Rn. 34; 19. Juni 2014 – C-507/12 – [Saint Prix] Rn. 35; 3. Mai 2012 – C-337/10 – [Neidel] Rn. 23; 11. November 2010 – C-232/09 – [Danosa] Rn. 39, Slg. 2010, I-11405; 20. September 2007 – C-116/06 – [Kiiski] Rn. 25, Slg. 2007, I-7643; 13. Januar 2004 – C-256/01 – [Allonby] Rn. 67, Slg. 2004, I-873). Die formale Einstufung als Selbständiger nach innerstaatlichem Recht schließt es allerdings nicht aus, dass eine Person als Arbeitnehmer einzustufen ist, wenn ihre Selbständigkeit nur fiktiv ist und damit ein Arbeitsverhältnis verschleiert (EuGH 4. Dezember 2014 – C-413/13 – [FNV Kunsten Informatie en Media] Rn. 35; 11. November 2010 – C-232/09 – [Danosa] Rn. 41, aaO; 13. Januar 2004 – C-256/01 – [Allonby] Rn. 71, aaO). Daraus folgt, dass die Eigenschaft als „Arbeitnehmer” iSd. Unionsrechts nicht dadurch berührt wird, dass eine Person aus steuerlichen, administrativen oder verwaltungstechnischen Gründen nach innerstaatlichem Recht als selbständiger Dienstleistungserbringer beschäftigt wird, sofern sie nach Weisung ihres Arbeitgebers handelt, insbesondere was ihre Freiheit bei der Wahl von Zeit, Ort und Inhalt ihrer Arbeit angeht, nicht an den geschäftlichen Risiken dieses Arbeitgebers beteiligt ist, während der Dauer des Vertragsverhältnisses in dessen Unternehmen eingegliedert ist und daher mit ihm eine wirtschaftliche Einheit bildet (EuGH 4. Dezember 2014 – C-413/13 – [FNV Kunsten Informatie en Media] Rn. 36).
(bb) Danach sind Heimarbeiter keine Arbeitnehmer iSd. unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs. Es handelt sich nicht um „Scheinselbständige” iSd. Rechtsprechung des Gerichtshofs, sondern mangels Weisungsabhängigkeit um Selbständige (BAG 24. März 1998 – 9 AZR 218/97 – zu I der Gründe; 3. Juli 1980 – 3 AZR 1077/78 – zu I der Gründe, BAGE 34, 34). Heimarbeiter ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HAG, wer in selbstgewählter Arbeitsstätte allein oder mit Familienangehörigen im Auftrag von Gewerbetreibenden oder Zwischenmeistern erwerbsmäßig arbeitet, jedoch die Verwertung seiner Arbeitsergebnisse dem unmittelbar oder – bei Einschaltung von Zwischenmeistern – mittelbar auftraggebenden Gewerbetreibenden überlässt. Ein Heimarbeiter kann seinen Arbeitsplatz sowie Zeitpunkt und Zeitdauer seiner Tätigkeit frei bestimmen, darf Hilfspersonen hinzuziehen und seine Werkzeuge und Geräte sowie seine Arbeitsmethode selbständig wählen (BAG 19. Juni 1957 – 2 AZR 84/55 – zu 5 der Gründe, BAGE 4, 262). Er unterliegt damit – anders als ein Arbeitnehmer – nicht einem Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der Arbeit. Er ist nicht in die betriebliche Organisation des Auftraggebers eingegliedert.
(b) Selbst wenn Heimarbeiter als Arbeitnehmer iSd. unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs anzusehen sein sollten, wären sie nicht willkürlich unter Verletzung der praktischen Wirksamkeit der Rahmenvereinbarung von dem durch diese bezweckten Schutz ausgenommen. Nach Nr. 10 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung überlässt es die Vereinbarung den Mitgliedstaaten, ua. die Anwendungsmodalitäten zu definieren, um so der jeweiligen Situation der einzelnen Mitgliedstaaten und den Umständen bestimmter Branchen und Berufe einschließlich saisonaler Tätigkeiten Rechnung zu tragen. Hiervon hat der Gesetzgeber Gebrauch gemacht und die Heimarbeiter, die nach nationalem Recht keine Arbeitnehmer sind, vom Anwendungsbereich des § 14 TzBfG ausgenommen. Dies ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Heimarbeitsverhältnisses nicht willkürlich. Heimarbeiter sind aufgrund ihrer Selbständigkeit typischerweise nicht in dem Maße wie Arbeitnehmer im Hinblick auf den Bestand des Heimarbeitsverhältnisses schutzbedürftig. Etwaigen missbräuchlichen Vertragsgestaltungen kann durch die bereits nach nationalem Recht gebotene Rechtsmissbrauchs-, Vertragsgestaltungs- oder Umgehungskontrolle (§ 242 BGB) begegnet werden (vgl. auch zum Schutz gegen Kündigungen BAG 24. März 1998 – 9 AZR 218/97 – zu III 3 a der Gründe).
dd) Eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die unionsrechtlichen Grundsätze als geklärt anzusehen, die für den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung und den für die Rahmenvereinbarung maßgebenden Arbeitnehmerbegriff (EuGH 3. Juli 2014 – C-362/13 ua. – [Fiamingo ua.] Rn. 31; 13. September 2007 – C-307/05 – [Del Cerro Alonso] Rn. 29, Slg. 2007, I-7109) sowie die Beurteilung des Arbeitnehmerbegriffs im unionsrechtlichen Sinne (EuGH 4. Dezember 2014 – C-413/13 – [FNV Kunsten Informatie en Media] Rn. 34 ff.; 19. Juni 2014 – C-507/12 – [Saint Prix] Rn. 35; 3. Mai 2012 – C-337/10 – [Neidel] Rn. 23; 11. November 2010 – C-232/09 – [Danosa] Rn. 39, Slg. 2010, I-11405; 20. September 2007 – C-116/06 – [Kiiski] Rn. 25, Slg. 2007, I-7643; 13. Januar 2004 – C-256/01 – [Allonby] Rn. 67, Slg. 2004, I-873) maßgeblich sind.
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin haben die Parteien nicht vereinbart, dass das Heimarbeitsverhältnis als Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gilt. § 10 Abs. 1 des Heimarbeitsvertrags enthält ausschließlich eine Befristungsabrede für das Heimarbeitsverhältnis und trifft keine Regelung für ein etwaiges späteres Arbeitsverhältnis. Das ergibt die Auslegung dieser Regelung.
aa) Die Auslegung der Vereinbarung in § 10 Abs. 1 des Heimarbeitsvertrags richtet sich nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsregeln. Das äußere Erscheinungsbild der Vereinbarung begründet eine tatsächliche Vermutung dafür, dass § 10 Abs. 1 eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB ist. Wäre diese Vereinbarung nicht für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden, handelte es sich jedenfalls um eine von der Beklagten vorformulierte Vertragsbestimmung, auf deren Inhalt die Klägerin keinen Einfluss nehmen konnte. Auch derartige sog. Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB unterliegen den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Auslegungsregeln (vgl. BAG 9. Dezember 2015 – 7 AZR 68/14 – Rn. 12; 25. Juni 2015 – 6 AZR 383/14 – Rn. 23, BAGE 152, 82).
bb) Allgemeine Geschäftsbedingungen und Einmalbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (BAG 9. Dezember 2015 – 7 AZR 68/14 – Rn. 13; 20. August 2014 – 10 AZR 453/13 – Rn. 25).
Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt, von denen keines den Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel” an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (BAG 9. Dezember 2015 – 7 AZR 68/14 – Rn. 13; 19. März 2014 – 10 AZR 622/13 – Rn. 29 f., BAGE 147, 322).
cc) § 10 Abs. 1 regelt schon nach seinem Wortlaut allein die Befristung des Heimarbeitsvertrags. Danach wird der Vertrag „bis zum 14.06.2010 befristet, gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG abgeschlossen”. Der Vertrag wird zwar in § 10 Abs. 1 als „Arbeitsvertrag” bezeichnet. Das ist jedoch auch unter Berücksichtigung der Verweisung auf § 14 Abs. 2 TzBfG nicht als eine Vereinbarung zu verstehen, das Heimarbeitsverhältnis gelte beim Abschluss etwaiger zukünftiger befristeter Arbeitsverhältnisse als Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG. Die Bezeichnung „Arbeitsvertrag” beruht auf einer sprachlichen Ungenauigkeit. Gemeint ist – wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung eindeutig ergibt – ein Heimarbeitsvertrag. § 10 enthält ausweislich seiner Überschrift Regelungen zur „Dauer des Heimarbeitsverhältnisses, maßgebliche Vorschriften”. Mit der Befristungsabrede haben die Parteien die Dauer des Heimarbeitsverhältnisses festgelegt und mit der Formulierung „gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG” auf die aus ihrer Sicht maßgebliche Vorschrift verwiesen. Diese – wenn auch rechtsirrige – Verweisung ist ebenso wie diejenigen in § 10 Abs. 2 und Abs. 5 als deklaratorische Bezugnahme auf die ohnehin geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu verstehen. Außerdem besteht für eine Vereinbarung, das Heimarbeitsverhältnis im Falle des Abschlusses eines künftigen Arbeitsvertrags als Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zu behandeln, bei Abschluss eines Heimarbeitsvertrags typischerweise kein Anlass. Zu diesem Zeitpunkt ist im Regelfall nicht absehbar, ob es überhaupt zu einem späteren Abschluss eines Arbeitsvertrags kommen wird. Zudem liefe eine solche Vereinbarung den Interessen beider Vertragsparteien zuwider, da sie der Übernahme des Heimarbeiters in ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis entgegenstünde, was den Arbeitgeber veranlassen könnte, vom Abschluss eines Arbeitsvertrags mit dem Heimarbeiter Abstand zu nehmen. Ein verständiger Arbeitnehmer konnte daher die Formulierung „gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG” nicht so verstehen, dass damit das Heimarbeitsverhältnis als Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gelten sollte. Da die Auslegung der Befristungsabrede eindeutig ist, besteht für die Anwendung von § 305c Abs. 2 BGB kein Raum.
c) Die Klägerin macht ohne Erfolg geltend, § 10 Abs. 1 des Heimarbeitsvertrags werde dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht gerecht. § 10 Abs. 1 des Heimarbeitsvertrags ist klar und verständlich. Selbst wenn die Regelung intransparent sein sollte, führte dies nur zur Unwirksamkeit von § 10 Abs. 1 des Heimarbeitsvertrags, begründete aber keine Vorbeschäftigung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Gräfl, Kiel, M. Rennpferdt, Busch, Strippelmann
Fundstellen
Haufe-Index 10128344 |
BB 2016, 2164 |
BB 2017, 315 |
DB 2016, 15 |
DStR 2016, 12 |