Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflicher Urlaubsabgeltungsanspruch. fortbestehendes Arbeitsverhältnis

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4, § 13

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Urteil vom 06.03.1990; Aktenzeichen 11 Sa 1517/89)

ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 25.08.1989; Aktenzeichen 5 Ca 1187/89)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. März 1990 – 11 Sa 1517/89 – aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 25. August 1989 – 5 Ca 1187/89 – wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger war bei der Beklagten von 1959 bis zum 4. Oktober 1989 als Kraftfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel in Nordrhein-Westfalen (MTV) in der Fassung vom 25. Juli 1986 anzuwenden. In § 7 Nr. 11 MTV ist bestimmt:

„Ist ausnahmsweise Urlaub abzugelten, so ist je Urlaubstag 1/26 bzw. bei Verteilung der betrieblichen Arbeitszeit auf ausschließlich 5 Werktage in der Woche 1/22 des Monatsgehaltes/-lohnes zugrunde zu legen.”

§ 13 lautet:

„3. Der Urlaubsanspruch ist spätestens am 31.12. des Urlaubsjahres fällig.

Der Urlaubsanspruch ist mit Ablauf des 31.3. des nachfolgenden Kalenderjahres ausgeschlossen.

Im Falle der tatsächlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses während des Urlaubsjahres wird der Urlaub sofort fällig; § 13 Nr. 2 gilt entsprechend.

Konnte der Urlaubsanspruch aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen bis zum 31.3. des nachfolgenden Kalenderjahres bzw. bis zur Beendigung der Tätigkeit nicht erfüllt werden, muß der Abgeltungsanspruch innerhalb einer Frist von einem Monat durch Klage geltend gemacht werden.”

Wegen einer seit 7. Juli 1988 fortdauernden Arbeitsunfähigkeit hat der Kläger 17 Urlaubstage seines Urlaubsanspruchs aus dem Jahre 1988 nicht nehmen können.

Mit der bei Gericht am 28. April 1989 eingegangenen und am 11. Mai 1989 der Beklagten zugestellten Klage hat der Kläger Abgeltung für 17 Urlaubstage in Höhe von 2.124,50 DM begehrt. Die Berechnung dieses Betrags ist zwischen den Parteien unstreitig.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.124,50 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag ab dem 1. April 1989 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte der mit der Klage geforderte Betrag von 2.124,50 DM (brutto) als Urlaubsabgeltung für 17 Urlaubstage aus dem Jahre 1988 zu.

Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, in Ermangelung einer eigenen tariflichen Abgeltungsregelung für Urlaubsansprüche nach dem MTV sei der Urlaub im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gem. § 7 Abs. 4 BUrlG nur dann abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden könne. Da der Kläger im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und darüber hinaus laufend arbeitsunfähig gewesen sei, entfalle auch die Abgeltung des Urlaubs aus dem Jahre 1988.

Diesen Darlegungen kann nicht gefolgt werden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, daß der Kläger mit seiner Klage nicht eine ggf. mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehende Abgeltung gefordert hat, sondern einen Abgeltungsanspruch für den Urlaub des Jahres 1988, den er wegen seiner Krankheit nicht bis einschließlich 31. März 1989 hat nehmen können.

Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht weiter angenommen, daß der MTV keine von § 7 Abs. 4 BUrlG abweichende Regelung über die Urlaubsabgeltung enthalte.

Zunächst ist § 7 Nr. 11 MTV zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, daß der gesamte Urlaubsanspruch – wenn auch nur ausnahmsweise – abzugelten ist, wenn er nicht genommen werden kann. Im Einklang hiermit ist in § 13 Nr. 3 Abs. 4 MTV bestimmt, daß der Abgeltungsanspruch innerhalb einer Frist von einem Monat durch Klage geltend gemacht werden muß, wenn der Urlaubsanspruch aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen bis zum 31. März des nachfolgenden Kalenderjahres bzw. bis zur Beendigung der Tätigkeit nicht erfüllt werden konnte.

Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß damit zwei verschiedene Sachverhalte geregelt sind: Einmal für den Fall, daß ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis fortbesteht, aus betrieblichen oder aus persönlichen Gründen gehindert ist, den Urlaubsanspruch bis zum Ende des dem Urlaubsjahr nachfolgenden Kalendervierteljahres zu verwirklichen, sowie zum anderen, daß ein Arbeitnehmer im Urlaubsjahr aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und seinen Urlaub noch nicht genommen hat. Nur in diesem zweiten Fall stellt sich die Frage, ob der Anspruch nach den § 7 Abs. 4 BUrlG zugrunde liegenden Merkmalen zu beurteilen ist. Dies ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, da das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Geltendmachung des Abgeltungsanspruchs für den nicht genommenen Urlaub aus dem Jahre 1988 noch bestanden hat und erst später beendet worden ist. Zu entscheiden ist vielmehr, ob der Kläger, nachdem er wegen seiner Krankheit den Urlaubsanspruch aus dem Jahre 1988 nicht hat verwirklichen können, Abgeltung verlangen kann, obwohl das Arbeitsverhältnis nicht beendet war.

Der erkennende Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß Tarifvertragsparteien nicht gehindert sind. Abgeltungsansprüche auch im fortdauernden Arbeitsverhältnis etwa für den Fall vorzusehen, daß der Arbeitnehmer aus Krankheitsgründen den Urlaub nicht hat nehmen können (vgl. dazu zuletzt das Senatsurteil vom 25. Januar 1990 – 8 AZR 12/89 – AP Nr. 15 zu § 47 BAT, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Gegen die Wirksamkeit der hier zu beurteilenden Abgeltungsregelung sind Bedenken nicht ersichtlich, weil aufgrund der Tarifbestimmung die Abgeltung des über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Tarifurlaubs und des gesetzlichen Mindesturlaubs verlangt werden kann, der nach dem Gesetz (§ 7 Abs. 3 BUrlG) schon verfallen ist.

Ein Anlaß zu Bedenken gegen die Vorschrift könnte nur insoweit bestehen, als danach der Arbeitgeber auch im Übertragungszeitraum berechtigt ist, die Gewährung des gesetzlichen Mindesturlaubs aus „dringenden betrieblichen Gründen” zu verweigern. Einer Erwägung des Senats hierzu bedarf es vorliegend jedoch nicht, weil der Kläger durch Krankheit gehindert war, seinen Urlaub zu nehmen.

Der Kläger hat seinen Abgeltungsanspruch gegenüber der Beklagten rechtzeitig geltend gemacht. Seine Klage vom 28. April 1989 ist zwar der Beklagten erst am 11. Mai 1989 zugestellt worden. Dies genügt nach § 270 Abs. 3 ZPO für die Rechtzeitigkeit, weil die Klage „demnächst” i.S. dieser Vorschrift zugestellt worden ist.

 

Unterschriften

Michels-Holl, Dr. Leinemann, Dr. Peifer, Wittendorfer, Dr. Haible

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073652

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