Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Anpassung der laufenden Betriebsrenten. Anpassungsbedarf: Anpassungszeitraum und Prüfungszeitraum
Orientierungssatz
- Auch nach der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung des § 16 BetrAVG reicht der für den Anpassungsbedarf und die reallohnbezogene Obergrenze maßgebliche Prüfungszeitraum grundsätzlich vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag. Der zum 1. Januar 1999 neu gefasste § 16 BetrAVG enthält keine davon abweichende Begriffsbestimmung.
- Die Neuregelung zur nachholenden Anpassung (§ 16 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG) hat den Prüfungszeitraum für Anpassungen nicht grundsätzlich verändert. Eine nachholende Anpassung nach dieser Bestimmung liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber wegen der wirtschaftlichen Lage seines Unternehmens die Belange der Versorgungsempfänger nicht oder nur teilweise berücksichtigt hat und die dadurch entstehende Lücke bei späteren Anpassungsentscheidungen geschlossen wird.
- Der von § 16 BetrAVG sowohl für den Anpassungsbedarf wie die reallohnbezogene Obergrenze vorgegebene Prüfungszeitraum ist zwingend und steht nicht zur Disposition des Arbeitgebers. Auch die Besonderheiten eines Konditionenkartells wie das des Bochumer Verbandes führen nicht dazu, nur auf den letzten Dreijahreszeitraum vor dem Anpassungsstichtag abzustellen.
- Da die Versorgungsregelungen des Bochumer Verbandes eine zeitlich aufeinander abgestimmte Anpassung sowohl der laufenden Betriebsrenten als auch der Versorgungsanwartschaften vorsehen, ist aber im Konditionenkartell des Bochumer Verbandes anders als nach § 16 BetrAVG für die Ermittlung des Anpassungsbedarfs nicht auf den individuellen Rentenbeginn des einzelnen Betriebsrentners abzustellen. Vielmehr ist jedenfalls für die bis zum Versorgungsfall betriebstreuen Arbeitnehmer für den Beginn des Anpassungszeitraums auf die vom Bochumer Verband für die Anpassung zugrunde gelegten Stichtage abzustellen.
- Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass seine Anpassungsentscheidung billigem Ermessen entspricht.
Normenkette
BetrAVG § 16; Leistungsordnung Bochumer Verband 1985 § 20
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 02.02.2005; Aktenzeichen 11 (7) Sa 1507/04) |
ArbG Essen (Urteil vom 29.07.2004; Aktenzeichen 8 Ca 6967/03) |
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2005 – 11 (7) Sa 1507/04 – insoweit aufgehoben, als die Klage auf Zahlung von zusätzlichem Ruhegeld in Höhe von 636,72 Euro für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2003 abgewiesen worden ist.
- Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
- Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob dem Kläger auf Grund eines seiner Meinung nach ungenügenden Teuerungsausgleichs für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2003 eine höhere Betriebsrente zusteht.
Der Kläger war bei der Beklagten, die ein Unternehmen des Steinkohlebergbaus ist, als außertariflicher Angestellter beschäftigt. Seit dem 1. Februar 1991 erhält er von der Beklagten Ruhegeld. Diese ist Mitglied des Bochumer Verbandes und hat dem Kläger eine betriebliche Altersversorgung nach der jeweils geltenden Leistungsordnung des Bochumer Verbandes zugesagt.
Nach § 3 der seit dem 22. Dezember 1974 geltenden Leistungsordnung des Bochumer Verbandes (LO 1974) richteten sich sowohl die Versorgungsanwartschaften als auch die Ruhegelder nach den jeweils geltenden Gruppenbeträgen. Dagegen sah mit Wirkung zum 1. Januar 1985 eine neue Leistungsordnung (LO 1985) unterschiedliche Regelungen für die Anpassung der Anwartschaften einerseits (§ 3 LO 1985) und der laufenden Leistungen andererseits (§ 20 LO 1985) vor. § 20 LO 1985 lautet:
“Anpassung der laufenden Leistungen
Die laufenden Leistungen werden vom Verband unter Berücksichtigung der Belange der Leistungsempfänger und der wirtschaftlichen Lage der Mitglieder überprüft und gegebenenfalls nach billigem Ermessen angepaßt.”
Der Bochumer Verband bündelt die Anpassungsprüfung dreijährig. Zum 1. Januar 1991 wurden die Betriebsrenten in allen Mitgliedsfirmen einheitlich um 7,8 % angepasst, was der damaligen Preissteigerungsrate entsprach. Zum 1. Januar 1994 kam es jedoch im Bochumer Verband zu einer unterschiedlichen Anpassungsentscheidung: Die Betriebsrenten in den Mitgliedsunternehmen des Bergbaus, also auch bei der Beklagten, wurden um 8 % erhöht. Die Rentner der “übrigen Mitgliedsunternehmen” erhielten eine Anpassung in Höhe von 11,7 %, was der Preissteigerungsrate von Dezember 1990 bis Dezember 1993 entspricht.
Diese Anpassungsentscheidung des Bochumer Verbandes wurde vielfach angegriffen. Der Betriebsrentner S… der Beklagten griff die Anpassungsentscheidung zum Januar 1991 an und vertrat dazu die Auffassung, die Änderung der Leistungsordnung vom 1. Januar 1985 sei ihm gegenüber unwirksam. Dazu vereinbarten der Verband der Führungskräfte e.V. (VDF) und die Beklagte am 25. Mai 1994, dass in diesem Rechtsstreit zunächst nur über Fragen im Zusammenhang mit der Umstellung der Leistungsordnung des Bochumer Verbandes 1984/85 entschieden werden sollte. Ein weiterer Betriebsrentner der Beklagten klagte mit dem Ziel einer Anpassung seiner Betriebsrente ab dem 1. Januar 1994 um 11,7 %. Beide Klagen blieben in der Revisionsinstanz erfolglos. Im Rechtsstreit des Betriebsrentners S… entschied das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 27. August 1996 (– 3 AZR 467/95 –), dass sich die Anpassung 1991 nach der LO 1985 richtet. Im zweiten Rechtsstreit entschied das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom gleichen Tage (– 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38) zur Anpassungsentscheidung 1994, dass weder die Satzung noch die LO 1985 eine für alle Mitgliedsunternehmen einheitliche Anpassung der laufenden Ruhegelder vorschreiben.
Auf der Basis der Erhöhung der Betriebsrente des Klägers um 8 % zum 1. Januar 1994 nahm die Beklagte in der Folgezeit weitere Anpassungen vor. Die zum 1. Januar 1997 und zum 1. Januar 2000 gerieten zwischen den Parteien in Streit. Der Kläger setzte für sich eine Anhebung zum 1. Januar 1997 um 5,6 % und zum 1. Januar 2000 um 3,44 % durch (ArbG Essen 4. Dezember 2003 – 3 (6) Ca 5269/02 –). Die Anpassung 1994 in Höhe von 8 % wurde in diesem Verfahren ebenso wenig weiter in Zweifel gezogen wie bei der weiteren, vom Kläger zunächst nicht gerügten Rentenanpassung zum 1. Januar 2003 um 5,5 %.
Mit seiner beim Arbeitsgericht am 29. Dezember 2003 eingereichten Klage hatte der Kläger ursprünglich zusätzliches Ruhegeld für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2003 in Höhe von 2.173,92 Euro verlangt. Dies hatte er zunächst nur damit begründet, die Beklagte hätte seine Betriebsrente zum 1. Januar 1994 nicht nur um 8 %, sondern um 11,7 % erhöhen, also eine weitere – nachträgliche – Anpassung vornehmen müssen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seinen Zahlungsanspruch für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2003 auch darauf gestützt, dass seine Betriebsrente zum 1. Januar 2003 ungenügend angepasst worden sei. Hierzu hat er die Auffassung vertreten, dass die Teuerung ab Rentenbeginn auszugleichen sei. Insoweit wirke sich die ungenügende Anpassung seiner Betriebsrente zum 1. Januar 1994 auch heute noch aus.
Der Kläger hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, in der zweiten Instanz insoweit beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 636,72 Euro zusätzliches Ruhegeld für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Klageänderung in der Berufungsinstanz für unzulässig gehalten. Im Konditionenkartell des Bochumer Verbandes bestehe kein Anspruch auf Teuerungsausgleich ab Pensionierung. Außerdem hat sie die Einrede der Verjährung und den Einwand der Verwirkung geltend gemacht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag nur noch hinsichtlich einer ungenügenden Betriebsrentenanpassung zum 1. Januar 2003 weiter. Dazu vertritt er die Auffassung, der Prüfungszeitraum für den Teuerungsausgleich beginne unter den Bedingungen des Konditionenkartells des Bochumer Verbandes nicht mit seiner Pensionierung am 1. Februar 1991, sondern schon mit dem Anfang des vollen Dreijahreszeitraumes vor dem ersten Anpassungsstichtag der Pensionierung, also mit dem 1. Januar 1991. Klageerweiternd beantragt er nunmehr,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 782,16 Euro zusätzliches Ruhegeld für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2003 zu zahlen.
Die Beklagte hält die Klageerweiterung für unzulässig und im Übrigen für unbegründet. Im Bochumer Verband gebe es erst recht keinen Anspruch auf Teuerungsausgleich ab dem Zeitpunkt des letzten Anpassungsstichtags vor der Pensionierung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist überwiegend begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage in Höhe von 636,72 Euro nicht abgewiesen werden. Der Kläger kann nach § 20 LO 1985 grundsätzlich vollen Teuerungsausgleich ab dem 1. Januar 1991 beanspruchen. Ob gegenüber diesem Anpassungsbedarf die Beklagte einen geringeren Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen im Bochumer Verband geltend machen kann, wird das Landesarbeitsgericht noch aufzuklären haben.
A. Die Revision ist zulässig.
I. Die auf einen Teuerungsausgleich im Rahmen der Anpassung zum 1. Januar 2003 beschränkt eingelegte Revision ist zulässig. Es handelt sich gegenüber der in der zweiten Instanz noch begehrten nachträglichen Anpassung zum Stichtag 1. Januar 1994 um einen selbständigen Streitgegenstand. Diesen, mit der Berufung hilfsweise geltend gemachten Anspruch hat das Landesarbeitsgericht ebenfalls abgewiesen.
II. Auch die quantitative Erweiterung des Klageantrags ohne Änderung des Klagegrundes in der Revisionsinstanz ist zulässig. Zwar sind Klageerweiterungen in der Revisionsinstanz grundsätzlich nicht möglich. Antragsänderungen können jedoch aus prozessökonomischen Gründen zugelassen werden, wenn es sich dabei um Fälle des § 264 Nr. 2 ZPO handelt und der neue Sachantrag sich auf den in der Berufungsinstanz festgestellten Sachverhalt stützt und berechtigte Interessen des Gegners nicht beeinträchtigt werden (BAG 27. Januar 2004 – 1 AZR 105/03 – AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 35 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 39, zu III der Gründe; 26. August 2003 – 3 AZR 431/02 – BAGE 107, 197, zu A der Gründe). Klagegrund ist nach wie vor der Umfang der Anpassungspflicht zum Stichtag 1. Januar 2003. Der Kläger geht nur von einer anderen, für ihn günstigeren Berechnung aus. Der Klageerweiterung ist auch kein anderer Sachverhalt zu Grunde zu legen, weil es um die Rechtsfrage geht, ob für die Anpassungsentscheidung zum 1. Januar 2003 der Beginn des Prüfungszeitraums auf den 1. Februar 1991 oder auf den 1. Januar 1991 festzulegen ist.
B. Die Revision ist überwiegend begründet.
I. Die Berufung ist zulässig.
Nachdem der Kläger in erster Instanz nur eine nachträgliche Anpassung zum Stichtag 1. Januar 1994 begehrt hatte, hat er die Klage in der Berufungsinstanz hilfsweise auf die Überprüfung der Anpassung zum 1. Januar 2003 gestützt. Die darin liegende Eventualklageänderung ist zulässig. Da der Kläger mit der Berufung auch die nachträgliche Anpassung weiterverfolgt hat, fehlt es nicht an einer zulässigen Berufung, die Voraussetzung für eine Klageänderung in der Berufungsinstanz ist (BAG 10. Februar 2005 – 6 AZR 183/04 – EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 40, zu 1a der Gründe). Die Berufung kann dann hilfsweise auf einen anderen Anspruch gestützt werden (vgl. BGH 22. März 2004 – II ZR 415/02 – BGH-Report 2004, 974, zu I der Gründe). Die Sachdienlichkeit der Klageänderung in der Berufungsinstanz (§ 533 ZPO) ist nicht mehr zu überprüfen, weil das Landesarbeitsgericht über sie in der Sache entschieden hat (BAG 25. Januar 2005 – 9 AZR 44/04 – AP AEntG § 1 Nr. 22 = EzA AEntG § 1 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu A II 2a der Gründe). Im Übrigen hat die Beklagte sich vor dem Landesarbeitsgericht auf die Klageerweiterung eingelassen (§ 267 ZPO).
II. Die Revision des Klägers ist teilweise begründet.
1. Nach § 20 LO 1985 iVm. § 315 BGB ist die Beklagte zum Anpassungsstichtag 1. Januar 2003 grundsätzlich verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers entsprechend der Preissteigerungsrate seit dem 1. Januar 1991 zu erhöhen. Dies hat das Landesarbeitsgericht übersehen, als es mit dem Berufungsurteil auch den Hilfsantrag des Klägers abgewiesen hat.
a) Die Anpassungsentscheidung des Bochumer Verbandes, die Betriebsrenten zum 1. Januar 2003 um 5,5 % zu erhöhen, ist unverbindlich, wenn sie nicht billigem Ermessen entspricht. Die Beschlüsse des Bochumer Verbandes unterliegen einer uneingeschränkten Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 1 und 3 BGB (BAG 27. August 1996 – 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38, zu I 4b der Gründe).
b) Da § 20 LO 1985 sich nach Wortlaut und Inhalt an § 16 Abs. 1 BetrAVG anlehnt, sind die zur gesetzlichen Anpassungspflicht entwickelten Grundsätze der Senatsrechtsprechung auf Anpassungen im Konditionenkartell des Bochumer Verbandes anwendbar. Soweit sich Abweichungen zu § 16 BetrAVG ergeben, ist dies jedenfalls insoweit zulässig, als die Anpassung nicht ungünstiger ausfällt als nach § 16 BetrAVG (BAG 27. August 1996 – 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38, zu II 1 der Gründe).
c) Auch nach der seit dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung des § 16 BetrAVG reicht der für den Anpassungsbedarf und die reallohnbezogene Obergrenze maßgebliche Prüfungszeitraum grundsätzlich vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag (BAG 30. August 2005 – 3 AZR 395/04 – AP BetrAVG § 16 Nr. 56 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 43, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 1c der Gründe).
aa) Das Betriebsrentengesetz will nach wie vor eine Auszehrung der Betriebsrenten vermeiden. Die “Belange der Versorgungsempfänger” bestehen in der Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Dementsprechend ist der volle Anpassungsbedarf zu ermitteln, der in der seit Rentenbeginn eingetretenen Teuerung besteht, soweit sie nicht durch vorhergehende Anpassungen ausgeglichen wurde (BAG 30. August 2005 – 3 AZR 395/04 – AP BetrAVG § 16 Nr. 56 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 43, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 1c aa der Gründe; 13. Dezember 2005 – 3 AZR 217/05 – DB 2006, 1687, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2b der Gründe).
bb) Der zum 1. Januar 1999 neu gefasste § 16 BetrAVG enthält keine davon abweichende Begriffsbestimmung. Eine nachholende Anpassung liegt nach § 16 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG nF nur dann vor, wenn der Arbeitgeber wegen der wirtschaftlichen Lage seines Unternehmens die Belange der Versorgungsempfänger nicht oder nur teilweise berücksichtigt hat und die dadurch entstehende Lücke bei späteren Anpassungsentscheidungen geschlossen wird (BAG 30. August 2005 – 3 AZR 395/04 – AP BetrAVG § 16 Nr. 56 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 43, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auch § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG stellt auf den Zusammenhang zwischen nachholender Anpassung und wirtschaftlicher Lage ab. Nur wenn eine Anpassung wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu Recht unterblieben ist, muss sie nach § 16 Abs. 4 BetrAVG iVm. der Übergangsregelung des § 30c Abs. 2 BetrAVG bei späteren Anpassungen nicht mehr nachgeholt werden. Der damalige Anstieg des Verbraucherpreisindexes wie auch die damals zu verzeichnenden Reallohnerhöhungen dürfen dann bei späteren Anpassungsentscheidungen unberücksichtigt bleiben (BAG 30. August 2005 – 3 AZR 395/04 – aaO, zu II 1c aa der Gründe). Diese neu gefassten gesetzlichen Regeln zur nachholenden Anpassung haben nicht zu einer Verkürzung des Prüfungszeitraums für aktuelle Anpassungsentscheidungen geführt. Dies würde dem Wertsicherungszweck der Betriebsrentenanpassung widersprechen. Für den Anpassungsbedarf der Versorgungsempfänger gilt derselbe Prüfungszeitraum wie für die reallohnbezogene Obergrenze, die der Versorgungsverpflichtete nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG nF dem Anpassungsbedarf entgegen halten kann. Soweit die aktiven Arbeitnehmer keinen vollen Teuerungsausgleich, sondern geringere Verdiensterhöhungen erhalten, müssen sich auch die Betriebsrentner mit einer entsprechenden Rentenerhöhung begnügen. Folgerichtig ist es für künftige Anpassungsentscheidungen von Bedeutung, ob die aktiven Arbeitnehmer einen Abbau der Reallohneinbußen durch spätere Verdiensterhöhungen erreichen (BAG 21. August 2001 – 3 AZR 589/00 – BAGE 98, 349, 352 f.). Eine isolierte, auf jeweils drei Jahre begrenzte Betrachtungsweise würde zu einer unzureichenden Berücksichtigung der Belange der Versorgungsempfänger führen, weil den Betriebsrentnern Kaufkraftverluste verblieben, die den aktiven Arbeitnehmern nicht mehr entstünden (BAG 30. August 2005 – 3 AZR 395/04 – aaO, zu III 2a der Gründe).
cc) Auch die Besonderheiten des Bochumer Verbandes führen nicht dazu, nur auf den letzten Dreijahreszeitraum vor dem Anpassungsstichtag abzustellen. Satzung und Leistungsordnung des Bochumer Verbandes dürfen nicht vom gesetzlichen Mindestschutz des § 16 BetrAVG abweichen (§ 17 Abs. 3 BetrAVG). Zwar ist die Anpassungsentscheidung nach “billigem Ermessen” zu treffen. Im Rahmen des damit eröffneten Gestaltungsspielraums dürfen die Besonderheiten des Versorgungssystems und insbesondere das Vereinheitlichungsziel eines Konditionenkartells berücksichtigt werden. Vor- und Nachteile sind nicht punktuell zu einem einzelnen Anpassungsstichtag, sondern langfristig und generalisierend festzustellen (BAG 9. November 1999 – 3 AZR 432/98 – BAGE 92, 358, 375; 20. Mai 2003 – 3 AZR 179/02 – AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 1, zu II 3b der Gründe). Der von § 16 BetrAVG sowohl für den Anpassungsbedarf wie die reallohnbezogene Obergrenze vorgegebene Prüfungszeitraum ist jedoch zwingend und steht nicht zur Disposition des Arbeitgebers (BAG 30. August 2005 – 3 AZR 395/04 – AP BetrAVG § 16 Nr. 56 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 43, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu III 2a der Gründe). Auch bei einer Gesamtbetrachtung führte das Abstellen nur auf den letzten Dreijahreszeitraum nicht dazu, dass langfristig und generalisierend die Vorteile für die Versorgungsempfänger überwiegen. Es bestünde vielmehr die Gefahr der Auszehrung von Betriebsrenten. Wären diese wegen Eingreifens der reallohnbezogenen Obergrenze in einem oder mehreren vergangenen Dreijahreszeiträumen nicht oder nur teilweise angepasst worden, könnte dies nicht mehr ausgeglichen werden, weil bei der nächsten Anpassung der Kaufpreisverlust aus der vorangegangenen Anpassung nicht mehr zu berücksichtigen wäre.
d) Anders als nach § 16 BetrAVG ist im Konditionenkartell des Bochumer Verbandes für die Ermittlung des Anpassungsbedarfs nicht auf den individuellen Rentenbeginn des einzelnen Betriebsrentners abzustellen. Die Versorgungsregelungen des Bochumer Verbandes sehen eine zeitlich aufeinander abgestimmte Anpassung sowohl der laufenden Betriebsrenten als auch der Versorgungsanwartschaften vor. Damit wird die von § 16 BetrAVG angestrebte Werterhaltung nicht nur erreicht, sondern sogar auf das Anwartschaftsstadium ausgedehnt (BAG 20. Mai 2003 – 3 AZR 179/02 – AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 1, zu II 4 der Gründe). Dies führt dazu, dass für den maßgeblichen Anpassungszeitraum auf die vom Bochumer Verband für die Anpassungen zu Grunde gelegten Stichtage abzustellen ist. Das gilt jedenfalls für die bis zum Versorgungsfall betriebstreuen Arbeitnehmer. Der Kläger hat seit dem 1. Februar 1991 Betriebsrente bezogen. Auf Grund der Anpassungsentscheidung des Bochumer Verbandes wurde für ihn erstmals zum 1. Januar 1994 die Teuerung nicht voll ausgeglichen, weil für Bergbauunternehmen wie die Beklagte eine Anpassung nur um 8 % und nicht um 11,4 % erfolgte. Maßgeblich ist deshalb der Beginn des für diesen Stichtag geltenden Anpassungszeitraums, also der 1. Januar 1991.
Dabei ist auf die in der Fachpresse veröffentlichten Indexwerte der Monate abzustellen, die dem Beginn des maßgeblichen Anpassungszeitraums und dem aktuellen Anpassungsstichtag unmittelbar vorausgehen. Nur auf diesem Weg ist der gebotene volle Kaufkraftausgleich sichergestellt (BAG 30. August 2005 – 3 AZR 395/04 – AP BetrAVG § 16 Nr. 56 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 43, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 1c bb der Gründe). Es ist daher auf den Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen in den Monaten Dezember 1990 und Dezember 2002 abzustellen. Dieser Index und nicht der Verbraucherpreisindex für Deutschland ist sowohl für § 20 LO 1985 als auch für § 16 BetrAVG für den hier maßgeblichen Zeitraum vor dem 1. Januar 2003 anwendbar (§ 30c Abs. 4 BetrAVG). In der Berufungsinstanz hat der Kläger zuletzt einen Fehlbetrag für 12 Monate iHv. 636,72 Euro errechnet. Nach den vom Statistischen Bundesamt für die Monate Dezember 1990 und Dezember 2002 veröffentlichten maßgeblichen Indizes (Fachserie 17, 12/1990 und 12/2002) ergibt sich kein höherer Betrag. Die Revision ist daher zurückzuweisen, soweit der Kläger in dritter Instanz seine Klage erweitert hat.
2. Bei der Berechnung des Anpassungsbedarfs des Klägers ist weiter von der jetzt gewährten Betriebsrente der bei der Umstellung von der LO 1974 auf die LO 1985 dem Kläger gewährte Vorabzuschlag abzuziehen. Die Vorabanhebung sollte Nachteile mildern, die sich aus der in der LO 1985 enthaltenen Änderung über die Anpassung laufender Ruhegelder ergeben konnten. Damit diente die Vorabanhebung einem anderen Zweck als der Anpassung nach § 20 LO 1985 (BAG 20. Mai 2003 – 3 AZR 179/02 – AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 1, zu III der Gründe).
3. Die Beklagte ist jedoch nicht verpflichtet, eine höhere Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 1. Januar 2003 vorzunehmen, als es dem Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen im Bochumer Verband während des maßgeblichen Prüfungszeitraums ab dem 31. Dezember 1990 entspricht. Die Beklagte müsste deshalb darlegen, in welchem Umfang die Nettovergütungen der maßgeblichen Arbeitnehmergruppe in der Zeit vom 31. Dezember 1990 bis zum 31. Dezember 2002 gestiegen sind. Das Landesarbeitsgericht hat der Beklagten Gelegenheit zu geben, hierzu weiter vorzutragen.
a) Grundsätzlich kann sich die Beklagte auf die im Bochumer Verband ermittelte reallohnbezogene Obergrenze beziehen. Über die anzuwendende Methodik entscheidet der Bochumer Verband zwar nach billigem Ermessen. Es sind aber die vom Senat gestellten Anforderungen zu beachten (BAG 20. Mai 2003 – 3 AZR 179/02 – AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 1; 17. August 2004 – 3 AZR 367/03 – AP BetrAVG § 16 Nr. 55). Die maßgeblichen Daten müssen hinreichend zuverlässig sein, dürfen keine ergebnisrelevanten Fehler aufweisen und müssen im Ergebnis eine Anpassung unterhalb der Geldentwertungsrate rechtfertigen. Typisierungen, Pauschalierungen und Generalisierungen liegen um so näher, je größer die Datenmenge ist und je weniger sich aus statistischen Gründen einzelfallbezogene Ungenauigkeiten auswirken. Je differenzierter und komplizierter die gewählte Methode ist, desto genauer müssen die Vorgaben sein, um Missverständnisse zu vermeiden. Missverständliche, fehleranfällige Kriterien sind durch ergänzende Fragen, Stichproben und Plausibilitätskontrollen zu überprüfen. Eine zu hohe Fehleranfälligkeit kann dazu führen, dass die reallohnbezogene Obergrenze keine praktische Bedeutung gewinnt. Bei der Datenerhebung sind seitens des Bochumer Verbandes Vergütungsbestandteile, die nicht einbezogen werden sollen, unmissverständlich gegenüber den Mitgliedsunternehmen zu benennen (BAG 17. August 2004 – 3 AZR 367/03 – AP BetrAVG § 16 Nr. 55, zu I 3b dd (1) der Gründe). Alle nicht “karrierebedingten” Vergütungsbestandteile sind zu berücksichtigen (BAG 23. Mai 2000 – 3 AZR 103/99 – AP BetrAVG § 16 Nr. 44 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 36, zu 2a bb (2) der Gründe).
b) Berechnung wie Begrenzung des Anpassungsbedarfs stellen die Grundlage der zum 1. Januar 2003 vorzunehmenden Anpassungsentscheidung dar. Die Beklagte ist dafür darlegungspflichtig, dass ihre Entscheidung nach § 20 LO 1985 billigem Ermessen entspricht. Die Darlegungslast der Beklagten erstreckt sich auf alle die Ermessensentscheidung beeinflussenden Umstände einschließlich der reallohnbezogenen Obergrenze (BAG 20. Mai 2003 – 3 AZR 179/02 – AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 1, zu II 5 der Gründe; 17. August 2004 – 3 AZR 367/03 – AP BetrAVG § 16 Nr. 55, zu I 3 der Gründe).
c) Der Hinweis der Beklagten auf die Situation des Steinkohlebergbaus und die veröffentlichte Tarifpolitik stellt keinen diesen Anforderungen genügenden Vortrag dar. Allerdings kam es bislang darauf auch nicht an, weil das Landesarbeitsgericht die Klage am Einwand der Verwirkung scheitern ließ und keinen entsprechenden Hinweis erteilt hat. Daher ist der Beklagten durch das Landesarbeitsgericht die Möglichkeit zu geben, diesbezüglich entsprechenden Vortrag zu halten. Ihr bezüglich einer nachträglichen Anpassung in den Vorinstanzen gegebener Hinweis, sie könne ihrer Darlegungslast nicht nachkommen, kann nicht auf die Überprüfung der Anpassungsentscheidung zum 1. Januar 2003 übertragen werden. Daher ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
4. Der Anspruch des Klägers auf Korrektur der Anpassungsentscheidung zum 1. Januar 2003 ist nicht erloschen, weil er vor dem nächsten Anpassungsstichtag (1. Januar 2006) geltend gemacht worden ist (BAG 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – BAGE 83, 1, zu II 1b der Gründe; 17. August 2004 – 3 AZR 367/03 – AP BetrAVG § 16 Nr. 55, zu II 1 der Gründe). Die Berufungsbegründung, mit der sich der Kläger erstmals auch gegen die Anpassung zum 1. Januar 2003 gewendet hat, ist der Beklagten am 17. September 2004 zugestellt worden. Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Der Lauf der Verjährungsfrist hat noch nicht einmal begonnen (BAG 17. August 2004 – 3 AZR 367/03 – aaO, zu III der Gründe).
Unterschriften
Reinecke, Kremhelmer, Breinlinger, Schmidt, Schepers
Fundstellen
Haufe-Index 1622111 |
DB 2006, 2639 |