Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung für Umkleidezeiten. auffällige Dienstkleidung
Orientierungssatz
Durch Tarifvertrag kann die Pflicht zur Vergütung von Umkleidezeiten abbedungen werden, auch wenn das An- und Ablegen der Dienstkleidung vergütungspflichtige Arbeit ist. Hierfür ist allerdings eine hinreichend klare Tarifregelung erforderlich (Rn. 31, 35).
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 2; Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Dezember 2006 § 4 Nr. 1, § 10 Nr. 1, § 12; Bundeslohntarifverträge für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland vom 11. November 2013 und 1. Februar 2017 § 5; Rahmenvereinbarung für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland vom 11. November 2013 § 2 Nr. 3, § 12
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. März 2017 – 14 Sa 877/16 – aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. August 2016 – 4 Ca 161/16 – hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 69,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Januar 2016 abgeändert und die Klage abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
2. Im Übrigen wird auf die Revision der Klägerin das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. März 2017 – 14 Sa 877/16 – aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. August 2016 – 4 Ca 161/16 – mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des Urteils des Arbeitsgerichts zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin erforderliche Zeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung bestehend aus Poloshirt und Sicherheitsschuhen im Betrieb der Beklagten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt und von der Beklagten zu vergüten ist.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütung für Umkleidezeiten.
Die Klägerin ist seit 1994 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen, zuletzt als Mitarbeiterin in der stationären Dienstleistung im Betrieb in D beschäftigt. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das bundesweit im Bereich Geld- und Werttransporte sowie Geldbearbeitung tätig ist. Der schriftliche Arbeitsvertrag der Klägerin vom 18. April 1994 bestimmt ua.:
„§ 1 |
Beginn des Arbeitsverhältnisses |
(1) |
… |
(2) |
Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. |
… |
|
§ 4 |
Entgelt |
|
Es werden … die … vereinbarten Arbeitsstunden vergütet. |
|
Der Brutto-Stundenlohn beträgt …” |
Der Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Dezember 2006 (iF MRTV) enthält ua. folgende Regelungen:
„§ 4 |
Allgemeine Bestimmungen |
1. |
Der Dienst beginnt mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Übergabe der Arbeitsmittel und endet mit der Beendigung der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Rückgabe der Arbeitsmittel. … |
… |
|
§ 6 |
Arbeitszeit |
1.1. |
Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit soll 8 Stunden nicht überschreiten. … |
… |
|
§ 10 |
Ausrüstung und Bekleidung |
1. |
Die für den Dienst erforderliche Ausrüstung und die erforderliche Dienstkleidung sind dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in ordnungsgemäßem Zustand unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, diese Sachen im Dienst zu gebrauchen. Zum Gebrauch außer Dienst ist er ohne ausdrückliche Genehmigung der Betriebsleitung nicht befugt. |
… |
|
§ 12 |
Ausschlussfristen |
1. |
Sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erlöschen beiderseits drei Monate nach Fälligkeit, von oder gegen ausgeschiedene Arbeitnehmer jedoch nicht später als einen Monat nach Fälligkeit der Ansprüche für den Kalendermonat, in dem das Arbeitsverhältnis endet, sofern sie nicht vorher unter Angabe der Gründe schriftlich geltend gemacht worden sind. |
2. |
Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird. |
…” |
|
Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 hat die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e.V. mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am 11. November 2013 eine Rahmenvereinbarung für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland (iF RVB) vereinbart, die ua. bestimmt:
„§ 2 |
Besitzstandsfortschreibung und Arbeitsortprinzip |
… |
|
1. |
Die Tarifparteien vereinbaren für die Laufzeit dieser Tarifvereinbarung, dass zunächst alle bis 31. Dezember 2013 für die Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen gültigen oder nachwirkenden regionalen Tarifverträge und der Mantelrahmentarifvertrag vom 1. Dezember 2006 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland für die Geld- und Wertdienstleistungsunternehmen ab 1. Januar 2014 weitergelten, sofern nachfolgend nichts anderes vereinbart ist. |
|
… |
3. |
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass der Ort der Erbringung der Arbeitsleistung für die mobile Dienstleistung im Tarifsinne für inländische Unternehmen der Ort ist, an dem die Arbeit aufgenommen und beendet wird. |
|
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass für die stationäre Dienstleistung in der Geldbearbeitung Ort der Erbringung der Arbeitsleistung der Ort ist, an dem die Arbeit im Geldbearbeitungszentrum aufgenommen und beendet wird. |
… |
|
§ 12 |
Ausschlussfristen |
|
… |
|
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis entfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden. |
|
Lehnt die Gegenpartei die Ansprüche schriftlich ab, sind die Ansprüche innerhalb einer weiteren Ausschlussfrist von drei Monaten ab Zugang der schriftlichen Ablehnung gerichtlich geltend zu machen. |
§ 13 |
Sonderregelung Berlin und Brandenburg |
|
… |
|
Für die Bundesländer Berlin und Brandenburg werden die Tarifvertragsparteien manteltarifliche Regelungen vereinbaren. |
|
…” |
Die manteltariflichen Sonderregelungen Berlin und Brandenburg gem. § 13 RVB vom 11. November 2013 für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland (iF Sonderregelungen Berlin-Brandenburg) enthalten folgende Bestimmung:
„6. Dienstbeginn und -ende
Der vergütungspflichtige Dienst beginnt mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Übergabe der Arbeitsmittel (Ausrüstungsgegenstände) und endet mit der Beendigung der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Rückgabe der Arbeitsmittel.”
Die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e.V. hat mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am 11. November 2013 auch einen Bundeslohntarifvertrag für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland (iF BLTV 2013) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 und mit Wirkung ab 1. Januar 2017 den Bundeslohntarifvertrag vom 1. Februar 2017 (iF BLTV 2017) vereinbart. In § 2 BLTV 2013 und BLTV 2017 werden die Stundenlöhne für mobile und stationäre Dienstleistung in Abhängigkeit vom jeweiligen Bundesland und bestimmten Stichtagen festgesetzt. In BLTV 2013 und BLTV 2017 wird gleichlautend ua. bestimmt:
„§ 5 |
Arbeitsortprinzip |
1. |
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass der Ort der Erbringung der Arbeitsleistung für die mobile Dienstleistung im Tarifsinne für inländische Unternehmen der Ort ist, an dem die Arbeit aufgenommen und beendet wird. |
2. |
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass für die stationäre Dienstleistung in der Geldbearbeitung Ort der Erbringung der Arbeitsleistung der Ort ist, an dem die Arbeit im Geldbearbeitungszentrum aufgenommen und beendet wird.” |
Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di, die Beklagte ist Mitglied der Arbeitgebervereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste. Die Beklagte vergütet die Arbeit in der stationären Dienstleistung vom Beginn der dienstplanmäßigen Tätigkeit bis zur Betätigung der Stempeluhr nach Arbeitsende mit 15,29 Euro brutto/Stunde. Neben der Stempeluhr am Haupteingang befinden sich weitere Stempeluhren vor den Abteilungen. Die Arbeitnehmer sind angewiesen, unmittelbar nach Tätigkeitsende die Stempeluhr vor der jeweiligen Abteilung zu bedienen.
Die Klägerin ist im Geldbearbeitungszentrum in der obersten Etage tätig. Wenn sie sich im Betrieb umzieht, sucht sie die Umkleideräume im Untergeschoss auf und legt dort ihre Dienstkleidung an. Diese besteht aus Sicherheitsschuhen und einem schwarzen Poloshirt, auf dem sich auf Vorder- und Rückseite in gelber Schrift das Firmenlogo befindet. Danach betätigt die Klägerin die Stempeluhr vor ihrer Abteilung, verrichtet ihre Tätigkeit, betätigt unmittelbar nach deren Beendigung erneut die Stempeluhr vor der Abteilung und begibt sich wieder in die Umkleideräume. Manche Arbeitnehmer erscheinen bereits in Dienstkleidung zur Arbeit und legen damit auch den Weg nach Hause zurück.
Mit Schreiben vom 2. November 2015 hat die Klägerin Vergütung für Umkleidezeiten vom 7. September bis 23. Oktober 2015 verlangt. Mit ihrer der Beklagten am 14. Januar 2016 zugestellten Klage hat sie die Feststellung der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten im Betrieb und die Zahlung der sich ergebenden Bruttovergütung für die Zeit von 7. September bis 30. November 2015 gefordert.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, Umkleidezeiten seien Teil der von der Beklagten zu vergütenden Arbeitszeit. Die Vergütungspflicht sei nicht durch Tarifvertrag ausgeschlossen. Sie hat behauptet, sie kleide sich jeweils vor ihrer Tätigkeit im Betrieb um. Bei einem tariflichen Stundenlohn von 15,29 Euro brutto im Jahr 2015 schulde die Beklagte Vergütung für Umkleidezeiten von 275 Minuten, insgesamt 69,00 Euro brutto.
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt
- festzustellen, dass die Zeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung im Betrieb der Beklagten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt und von der Beklagten zu vergüten ist,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 69,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die zur Verfügung gestellte Dienstkleidung sei nicht besonders auffällig, weshalb die Umkleidezeit keine zu vergütende Arbeitszeit sei. Jedenfalls seien die von der Klägerin erfassten Umkleidezeiten überhöht.
Das Arbeitsgericht hat – soweit in der Revision von Bedeutung – der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungs- und Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), denn die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung für Umkleidezeiten im Betrieb der Beklagten. Der Feststellungsantrag ist begründet. Das kann der Senat nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden, weil das Landesarbeitsgericht die hierfür erforderlichen Feststellungen getroffen hat. Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil es an Feststellungen zum Umfang der Umkleidezeiten der Klägerin fehlt.
I. Der Antrag auf Feststellung der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten ist – in der gebotenen Auslegung – als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig und begründet.
1. Der Feststellungsantrag ist zulässig, bedarf allerdings der Auslegung. Er ist dahin zu verstehen, dass mit ihm die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten im Betrieb der Beklagten unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin festgestellt werden soll.
a) Für die Auslegung von Klageanträgen gelten die für Willenserklärungen maßgeblichen Auslegungsregeln, §§ 133, 157 BGB. Die Gerichte sind gehalten, Klageanträge nach Möglichkeit so auszulegen, dass hierdurch eine vom Antragsteller erkennbar erstrebte Sachentscheidung ermöglicht wird. Im Zweifel ist gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht (BAG 23. März 2016 – 5 AZR 758/13 – Rn. 26, BAGE 154, 337). Danach war der Feststellungantrag bereits mit Klageerhebung nur auf Umkleidezeiten im Betrieb sowie auf Zeiten des An- und Ablegens des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Poloshirts nebst Sicherheitsschuhen gerichtet. Darüber hinaus ergibt die Auslegung des Antrags unter Berücksichtigung des Inhalts der Klageschrift, dass lediglich die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin erforderlichen Umkleidezeiten vom Feststellungsantrag erfasst sein sollen. In dieser Auslegung ist er zulässig und hinreichend bestimmt.
b) Der so verstandene Antrag ist in Form der Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
Nach § 256 Abs. 2 ZPO kann die Klägerin zugleich mit der Hauptklage – hier der Zahlungsklage auf Vergütung für Umkleidezeiten – auf Feststellung eines die Entscheidung bedingenden, dh. vorgreiflichen Rechtsverhältnisses klagen. Damit wird ein Element aus der Gesamtentscheidung verselbständigt und mit eigener Rechtskraft versehen, weil hierdurch Rechtssicherheit und Rechtsklarheit für mögliche Folgestreitigkeiten hergestellt wird. Eine Zwischenfeststellungsklage bedingt daher, dass die Frage nach dem Bestehen des Rechtsverhältnisses notwendig auch bei der Entscheidung über den Hauptantrag beantwortet werden muss, aber darüber hinaus auch für andere denkbare Folgestreitigkeiten Bedeutung haben kann (BAG 6. Juli 2011 – 4 AZR 424/09 – Rn. 25, BAGE 138, 287). Diese Vorgreiflichkeit ist hier gegeben. Die Feststellung der Vergütungspflicht für Umkleidezeiten ist eine Vorfrage, die jedenfalls bei der Entscheidung über den Leistungsantrag beantwortet werden muss. Zugleich reicht sie über das dort erfasste Rechtsschutzziel der Klägerin hinaus. Denn der in der Leistungsklage geltend gemachte Anspruch ist auf die Zeit vom 7. September bis zum 30. November 2015 begrenzt.
2. Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten folgt aus § 611 Abs. 1 BGB. Sie ist nicht durch Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen.
a) Bei den von der Klägerin benötigten Umkleidezeiten zum An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb handelt es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit nach § 611 Abs. 1 BGB.
aa) Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an. Zu den „versprochenen Diensten” iSd. § 611 BGB zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. „Arbeit” als Leistung der versprochenen Dienste iSd. § 611 Abs. 1 BGB ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (BAG 6. September 2017 – 5 AZR 382/16 – Rn. 12 mwN).
bb) Um vergütungspflichtige Arbeit handelt es sich bei dem An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung. An der Offenlegung der von ihm ausgeübten beruflichen Tätigkeit gegenüber Dritten hat der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit kein objektiv feststellbares eigenes Interesse. Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit (BAG 6. September 2017 – 5 AZR 382/16 – Rn. 13 mwN).
Das Ankleiden mit einer vorgeschriebenen Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit keine Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann. Gleiches gilt, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, eine an sich besonders auffällige Dienstkleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen, und er sich entscheidet, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen. Dann dient das Umkleiden außerhalb des Betriebs nicht nur einem fremden Bedürfnis, weil der Arbeitnehmer keine eigenen Kleidungsstücke auf dem Arbeitsweg einsetzen muss oder sich aus anderen, selbstbestimmten Gründen gegen das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb entscheidet (BAG 6. September 2017 – 5 AZR 382/16 – Rn. 13 mwN).
cc) Danach ist die für das An- und Ablegen der Dienstkleidung, bestehend aus Poloshirt und Sicherheitsschuhen, im Betrieb benötigte Zeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen.
(1) Die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer sind unstreitig zum Tragen der Dienstkleidung verpflichtet.
(2) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die Klägerin durch den Schriftzug auf dem Poloshirt in der Öffentlichkeit als Mitarbeiterin der Beklagten eindeutig zu erkennen. Die hierauf gestützte Annahme des Berufungsgerichts, bei dem zu tragenden Poloshirt handele es sich um besonders auffällige Dienstkleidung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
(3) Eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit liegt auch beim Tragen der Sicherheitsschuhe vor. Das Landesarbeitsgericht hat zwar dahinstehen lassen, ob diese eine besonders auffällige Dienstkleidung darstellen. Doch kann der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Denn die Klägerin erfüllt mit dem Tragen von Sicherheitsschuhen kein eigenes Bedürfnis, sondern kommt damit dem Erfordernis zur Nutzung einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Schutzkleidung während ihrer Tätigkeit nach.
b) In welchem zeitlichen Umfang Umkleidezeiten zur Arbeitszeit rechnen, ergibt sich – soweit eine anderweitige Regelung nicht besteht – nach allgemeinen Grundsätzen. Der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht willkürlich selbst bestimmen, er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Dieser modifizierte subjektive Maßstab gilt auch für das Umkleiden. Nur die Zeitspanne, die dazu für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist, zählt zur Arbeitszeit (BAG 26. Oktober 2016 – 5 AZR 168/16 – Rn. 28, BAGE 157, 116).
c) Die Vergütung der Umkleidezeiten ist nicht durch arbeitsvertragliche Vereinbarung und entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht durch Tarifvertrag ausgeschlossen.
aa) Mit der Einordnung der Umkleidezeiten als Teil der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste” ist noch nicht geklärt, wie sie zu vergüten sind. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Umkleidezeiten getroffen werden (vgl. BAG 26. Oktober 2016 – 5 AZR 226/16 – Rn. 23 mwN).
(1) Der Arbeitsvertrag selbst schließt die Vergütung der Umkleidezeiten nicht aus. § 4 Arbeitsvertrag regelt lediglich die Höhe der Vergütung pro Arbeitsstunde.
(2) Aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf Tarifregelungen ergibt sich ebenfalls kein Ausschluss der Vergütung. Das Landesarbeitsgericht hat ohne jede Begründung angenommen, die Regelungen des BLTV (2013/2017) fänden auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung. Gemäß § 5 BLTV sei eine Vergütung für Umkleidezeiten nicht vorgesehen. Mit dieser Vorgehensweise hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass nach seinen Feststellungen eine Tarifbindung der Parteien nicht bestand und die Bezugnahmeklausel des § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag den zwischen der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e.V. und ver.di abgeschlossenen Tarifvertrag nicht einbezieht. Danach finden die zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen und der ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung. Hierzu zählen zwar auch die von ver.di als Rechtsnachfolger der ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge (BAG 7. Dezember 2016 – 4 AZR 414/14 – Rn. 27) und damit der MRTV, nicht jedoch der BLTV, der auf Arbeitgeberseite von der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste abgeschlossen wurde.
(3) Auch unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig gestellten beiderseitigen Tarifbindung im Streitzeitraum verbleibt es bei dem gefundenen Ergebnis. Denn die dann anwendbare RVB regelt nicht – insbesondere nicht in § 2 Nr. 3 – Beginn und Ende der vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Dort ist nur bestimmt, dass für die stationäre Dienstleistung in der Geldbearbeitung Ort der Erbringung der Arbeitsleistung der Ort ist, an dem die Arbeit im Geldbearbeitungszentrum aufgenommen und beendet wird. Eine Regelung zu Beginn und Ende der tariflichen Arbeitszeit oder eine Zuordnung, welche Tätigkeiten zur Arbeitszeit zählen, enthält diese Tarifnorm nicht. Gleiches gilt für § 5 BLTV 2013 und BLTV 2017. Das darin geregelte Arbeitsortprinzip dient nach dem tariflichen Gesamtzusammenhang der Zuordnung der Sicherheitsmitarbeiter zu den in § 2 BLTV aufgeführten und je nach Bundesland unterschiedlich festgelegten Stundenlohnsätzen.
(4) Die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten ist auch nicht nach § 4 Nr. 1 MRTV iVm. § 1 Abs. 2 Arbeitsvertrag ausgeschlossen. Diese Norm regelt Beginn und Ende des Dienstes. Dieser beginnt „mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Übergabe der Arbeitsmittel” und endet „mit der Beendigung der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Rückgabe der Arbeitsmittel”. Was „Aufnahme der Tätigkeit” bedeutet, bestimmt der Tarifvertrag nicht näher. Denkbar ist zwar, dass damit auf die konkrete Arbeitsleistung in den jeweiligen, vom fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags erfassten Arbeitsbereichen, im Fall der Klägerin die Geldbearbeitung, abgestellt wird. Dann würde das An- und Ablegen der Dienstkleidung noch nicht zum „Dienst” und damit nicht zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören. Doch erlaubt der Tarifwortlaut gleichermaßen die Auslegung, als Beginn der Tätigkeit „gemäß Dienstanweisung” bereits das Umkleiden einzubeziehen, denn zum Tragen der Dienstkleidung ist die Klägerin durch eine Anweisung der Beklagten verpflichtet. Der tarifliche Gesamtzusammenhang ist zur Beantwortung der Frage eines möglichen Ausschlusses der Vergütungspflicht von Umkleidezeiten nicht ergiebig. Ein klarer übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien lässt sich dem Tarifvertrag nicht entnehmen. Wollen die Tarifvertragsparteien die grundsätzliche bestehende Vergütungspflicht des Arbeitgebers ausschließen, bedarf dies jedoch einer klaren Regelung (zur tariflichen Festlegung einer abweichenden Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts nach § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG vgl. BAG 20. Januar 2010 – 5 AZR 53/09 – Rn. 12, BAGE 133, 101). Daran fehlt es in § 4 Nr. 1 MRTV.
(5) § 10 Nr. 1 MRTV schließt ebenfalls die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten nicht aus. Die Bestimmung regelt die Pflicht des Arbeitsgebers zur unentgeltlichen Bereitstellung der Dienstkleidung und die Tragepflicht des Arbeitnehmers. Die Vergütung der Umkleidezeiten ist darin indes nicht angesprochen.
(6) Entgegen der Auffassung der Revision kann Nr. 6 der Sonderregelungen Berlin-Brandenburg zur Auslegung des MRTV nicht herangezogen werden. Dem steht entgegen, dass diese Tarifregelungen von anderen Tarifvertragsparteien für einen anderen örtlichen Geltungsbereich abgeschlossen worden ist. Da es entscheidend auf den Willen der Vertragschließenden ankommt, ist nur ausnahmsweise bei gewichtigen Anhaltspunkten davon auszugehen, dass der Sprachgebrauch anderer Tarifvertragsparteien und die von ihnen getroffene Regelung für die Auslegung des in Streit stehenden Tarifvertrags von Bedeutung ist. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn mehrere Tarifverträge eine gewisse Einheit bilden (BAG 18. Oktober 2017 – 10 AZR 327/16 – Rn. 28). Die Sonderregelungen Berlin-Brandenburg bilden jedoch keine Einheit mit dem MRTV.
II. Die Revision ist auch begründet, soweit das Landesarbeitsgericht den Zahlungsantrag der Klägerin zurückgewiesen hat. Ob und in welcher Höhe das Zahlungsbegehren begründet ist, vermag der Senat nicht zu entscheiden. Es fehlt an Feststellungen zum Umfang der Umkleidezeiten der Klägerin. Daher ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Der Zahlungsantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin begehrt Vergütung für Umkleidezeiten für insgesamt 275 Minuten in der Zeit von 7. September bis 30. November 2015 in Höhe von jeweils 0,25 Euro brutto. Damit ist der Antrag für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (BAG 23. Januar 2018 – 9 AZR 854/16 – Rn. 13 mwN).
2. Die Vergütungspflicht für die Umkleidezeiten folgt aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. Arbeitsvertrag. Ob und in welcher Höhe der Antrag begründet ist, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben. Der bisherige Vortrag der Klägerin hierzu ist nicht ausreichend substantiiert. Sie verweist lediglich auf die Anlage zur Klageschrift. Die Bezugnahme auf Anlagen ersetzt jedoch grundsätzlich keinen Sachvortrag (BAG 23. Oktober 2013 – 5 AZR 667/12 – Rn. 14).
Die Beklagte hat die Behauptungen der Klägerin zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Steht fest, dass Umkleidezeiten im Streitzeitraum entstanden sind, kann aber die Klägerin ihrer Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, hat das Gericht die erforderlichen Umkleidezeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO zu schätzen (BAG 6. September 2017 – 5 AZR 382/16 – Rn. 28 mwN).
3. Besteht ein Zahlungsanspruch, hat die Klägerin die Ausschlussfristen gemäß § 12 MRTV bzw. § 12 RVB eingehalten.
a) Die Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer Ausschlussfrist verlangt, dass die in Anspruch genommene Vertragspartei erkennen kann, welcher konkrete Anspruch ihr gegenüber erhoben wird. Dieser ist dem Grunde nach hinreichend deutlich zu bezeichnen. Eine Bezifferung der Forderung ist entbehrlich, wenn sie dem Schuldner der Höhe nach bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar davon ausgeht (BAG 26. September 2017 – 1 AZR 717/15 – Rn. 36).
b) Bereits die der Beklagten am 14. Januar 2016 zugestellte Klageschrift wahrt sowohl die erste als auch die zweite Stufe der Ausschlussfrist nach § 12 MRTV bzw. § 12 RVB. Die Klägerin hat die im streitgegenständlichen Zeitraum ihrer Auffassung nach angefallenen Umkleidezeiten aufgeführt und mit Schreiben vom 2. November 2015 auch die Bemessung des Entgelts „Monatsbasis” angegeben. Die Vergütung für den Monat September 2015 war sowohl nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BLTV 2013 als auch nach § 8 Nr. 2 Satz 3 MRTV zum 15. Oktober 2015 fällig, die Frist zur schriftlichen Geltendmachung nach § 12 Nr. 1 MRTV bzw. § 12 Abs. 1 RVB ist erst am 15. Januar 2016 abgelaufen.
III. Das Landesarbeitsgericht wird über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Unterschriften
Linck, Biebl, Volk, E. Bürger, Jens M. Schubert
Fundstellen
BB 2018, 1715 |
DStR 2018, 13 |
NJW 2018, 10 |
FA 2018, 305 |
NZA 2018, 1077 |
ZTR 2018, 533 |
AP 2018 |
AuA 2019, 54 |
EzA-SD 2018, 15 |
EzA 2019 |
AE 2019, 17 |
AUR 2018, 436 |
ArbRB 2018, 260 |
ArbR 2018, 394 |
GWR 2018, 296 |
RdW 2019, 213 |
AP-Newsletter 2018, 186 |
Personalmagazin 2019, 13 |
Personalmagazin 2019, 91 |
SPA 2018, 124 |