Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan

 

Normenkette

BetrVG § 112; BGB § 157

 

Verfahrensgang

LAG Niedersachsen (Urteil vom 12.11.1996; Aktenzeichen 7 (12) Sa 350/96)

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 07.09.1995; Aktenzeichen 5 Ca 621/94)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 12. November 1996 – 7 (12) Sa 350/96 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Beklagte – früher die De. GmbH, heute die D. GmbH – ist ein Unternehmen der Luft- und Raumfahrt und Tochter der Da. AG. Diese beschloß am 20. Oktober 1993 aufgrund geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse erhebliche Umstrukturierungsmaßnahmen im Konzern. Dazu heißt es in einem am 29. Juni 1994 mit dem Konzernbetriebsrat vereinbarten Interessenausgleich u.a. wie folgt:

Dieser Interessenausgleich entsteht anläßlich der von D. geplanten Umstrukturierung der Geschäftsfelder Luftfahrt und Verteidigung/zivile Systeme.

(Es folgt eine Schilderung der wirtschaftlichen Situation)

Vor diesem Hintergrund hat D. ein Struktur- und Kapazitätsanpassungskonzept mit Datum vom 20. Oktober 1993 entwickelt und die zuständigen Arbeitnehmervertretungen darüber informiert.

Die einzelnen Maßnahmen

Schließung von Standorten

Verlagerung von Arbeitspaketen zwischen den verbleibenden und von zu schließenden in andere Standorte

sind in dem Konzept vom 20. Oktober 1993 beschrieben.

In den Verhandlungen hat der KBR wiederholt die Notwendigkeit einzelner Maßnahmen, insbesondere der Standortschließungen angezweifelt. Er hat gefordert, mit kollektiver Arbeitszeitreduzierung für die gesamte D., mit ausgedehnter Kurzarbeit, mit extensiver Ausweitung von Frühpensionierungen und mit Rücknahme von derzeit freradvergebenen Aufgaben die Kündigung von Arbeitsverhältnissen und damit die Entlassung dieser Mitarbeiter in eine Ungewisse persönliche Zukunft zu verhindern bzw. – wenn überhaupt – auf ein Minimum zu beschränken. Die Einwendungen des KBR wurden nach ausführlichen Erörterungen so weit wie möglich berücksichtigt. Sie sind in die Anlagen zu diesem Interessenausgleich eingegangen.

Insbes. wurden mit Hilfe des Landes Niedersachsen Regelungen gefunden, die es erlauben, den Standort L. aus dem Konzern zu lösen, gleichwohl allen Mitarbeitern Arbeitsplätze zu sichern.

Soweit sich die Notwendigkeit zum Abbau von Personal ergibt, erfolgt dieser vorrangig durch sozialverträgliche Maßnahmen wie Umsetzungen/Versetzungen innerhalb des Konzerns, Nichtersatz von Fluktuation, soweit möglich vorzeitige Pensionierungen, Aufhebungsverträge sowie das Angebot von Teilzeitverträgen, um weitestgehend betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

Bei der angesprochenen Personalreduzierung handelt es sich um einen geplanten Abbau von rund 10.000 Arbeitsplätzen im gesamten Konzern.

Aufgrund des Beschlusses der Konzernleitung vom 20. Oktober 1993 schloß auch die Beklagte 1993 und 1994 mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern Aufhebungsverträge.

Die am 3. Juli 1939 geborene Klägerin war seit dem 28. Februar 1962 als Sachbearbeiterin bei der Beklagten im Standort L. beschäftigt. Ihr Monatsgehalt betrug zuletzt 3.597,– DM brutto.

Am 22. November 1993 schlossen die Beklagte und die Klägerin einen Aufhebungsvertrag, in dem es u.a. wie folgt heißt:

„1. Das zwischen den Vertragsparteien … bestehende Arbeitsverhältnis endet am 30.11.1993 im gegenseitigen Einvernehmen aufgrund des Beschlusses der Geschäftsführung über die Schließung des Standortes L.

2. Wegen der von der Gesellschaft veranlaßten Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der damit verbundenen sozialen Härten erhält die Mitarbeiterin eine Abfindung entsprechend §§ 9 und 10 Kündigungsschutzgesetz und § 3 Nr. 9 Einkommenssteuergesetz in Höhe von DM 88.350,– brutto. Die hierauf entfallenden Steuerabzugsbeträge hat der Mitarbeiter zu zahlen.

Die Abfindung wird mit dem endgültigen Ausscheiden fällig (siehe Ziffer 8), und zwar mit der Juli-Abrechnung 1994.

5. Dieser Aufhebungsvertrag verliert darüber hinaus seine Gültigkeit, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für eine Sozialversicherungsrente bei Vertragsabschluß vorliegen oder später bis zum Austrittszeitpunkt eintreten, oder wenn das bestehende Arbeitsverhältnis zu einem anderen als dem im Aufhebungsvertrag vereinbarten Zeitpunkt endet.

6. Treten die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Sozialversicherungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres ein (z.B. durch Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit), so ist der auf die Zeit des vorzeitigen Rentenbezugs entfallende Anteil der Abfindung zurückzuzahlen.

Bei Abschluß des Vertrages wurde unterstellt, daß die Mitarbeiterin keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hat. Wird dennoch Arbeitslosenhilfe an die Mitarbeiterin gewährt, sind diese Leistungen an das Unternehmen zu erstatten.

8. Die Vertragsparteien vereinbaren im unmittelbaren Anschluß an das ausgelaufene Arbeitsverhältnis den Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages für die Zeit vom 1.12.1993 bis 31.07.1994. Die Einzelheiten des befristeten Arbeitsverhältnisses werden gesondert geregelt.

15. Bei Austritt nach dem 31. Dezember 1993 aber vor Abschluß eines bis zum 31.12.1995 geschlossenen Sozialplanes aus dem Unternehmen aufgrund eines Aufhebungsvertrages, erhält die Mitarbeiterin auf Antrag eine Nachzahlung, sofern der Anspruch aus dem Sozialplan zum Zeitpunkt des Austritts höher gewesen wäre als die vom Unternehmen geleistete Abfindung.”

Die Klägerin schied zum 31. Juli 1994 aus den Diensten der Beklagten aus. Diese zahlte an die Klägerin die vereinbarte Abfindung in Höhe von 88.350,– DM.

Am 29. Juni 1994 vereinbarten die D. und der Konzernbetriebsrat einen Sozialplan, in dem es u.a. heißt:

„1. Geltungsbereich

Dieser Sozialplan gilt für alle Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis infolge der im Interessenausgleich vom 29.6.94 beschriebenen Maßnahmen… ab 1.1.1994

  • eine Beendigungskündigung erhalten oder erhalten haben
  • einen Aufhebungsvertrag abschließen oder abgeschlossen haben
  • eine Eigenkündigung aussprechen oder ausgesprochen haben
  • von Versetzungsmaßnahmen betroffen sind
  • einen Vorruhestandsvertrag gemäß den Vorgaben im Interessenausgleich abschließen

2. Sozialplanleistungen beim Ausscheiden ohne Vorruhestand

2.1 Abfindungen

Ausscheidende Mitarbeiter erhalten folgende Abfindungsleistungen:

2.1.1 Eine Grundabfindung, die sich nach folgender Formel berechnet:

Lebensalter × Betriebszugehörigkeit × Bruttomonatsgehalt/-lohn 65

2.1.3 Desweiteren erhalten ausscheidende Mitarbeiter zusätzlich folgende Beträge:

2.1.8 Für Mitarbeiter mit vollendetem 58. Lebensjahr und älter gilt anstatt der Abfindungsregelung ausschließlich die Vorruhestandsregelung.

3. Sozialplanleistungen bei Versetzung/Umsetzung innerhalb D.

4. Vorruhestandsregelungen

Beiderseits abgeschlossene Vorruhestandsverträge gemäß den Vorgaben im Interessenausgleich werden nach dem in Anlage a aufgelisteten Regelungen ausgestaltet.

5. Sonderregelung L.

Arbeitnehmer des Betriebes L., deren Arbeitsverhältnis gem. § 613 a BGB auf eine Auffanggesellschaft des Landes Niedersachsen übergeht, erhalten im Falle eines Widerspruchs gegen den Betriebsübergang und einer dann erforderlichen Kündigung keine Leistungen aus diesem Sozialplan…

Bereits abgeschlossene Aufhebungs- und Vorruhestandsvereinbarungen werden vertragsgemäß abgewickelt.

6.1 Sollte eine Vorschrift dieses Sozialplans … unwirksam sein, behalten die übrigen Regelungen ihre Gültigkeit.

…”

Hinsichtlich der in Nr. 4 des Sozialplans genannten Vorruhestandsregelungen heißt es in der Anlage a u.a.:

„Frühpensionierungsregelungen …

D. (die Beklagte)

Gesamtbetriebsvereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Unternehmen vom 4.2.1993 (Hinweis: ab Alter 58)

Modell zur Ermittlung von Abfindungszahlungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mindestens 55 Jahre sind, aber noch die Voraussetzungen der Altersgrenze gem. BV „über das vorzeitige Ausscheiden älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” erfüllen, vom August 1993.”

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe aufgrund der Regelung in Nr. 15 des Aufhebungsvertrages ein Anspruch auf eine höhere Abfindung nach dem Sozialplan zu. Nach Nr. 2.1 ff. des Sozialplanes errechne sich für sie eine Abfindung in Höhe von – unstreitig – 107.992,– DM. Sie hat mit Schreiben vom 22. August 1994 von der Beklagten die Zahlung der Differenz zur gezahlten Abfindung verlangt, was die Beklagte abgelehnt hat. Mit ihrer Klage beantragt die Klägerin daher, die Beklagte zu verurteilen, an sie 19.642,– DM brutto nebst 6,25 % Zinsen seit dem 30. Juni 1994 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Klägerin stehe eine höhere Abfindung nicht zu. Ein solcher Anspruch ergebe sich schon nicht aus Nr. 15 des Aufhebungsvertrages, da die Klägerin nicht vor, sondern nach Abschluß des Sozialplanes aus dem Unternehmen ausgeschieden sei. Aus dem Sozialplan ergebe sich auch kein Abfindungsanspruch für die Klägerin. Der Sozialplan gelte nicht für die Arbeitnehmer des Standortes L., da dessen Überleitung auf eine Auffanggesellschaft im Interessenausgleich nicht geregelt sei. Die Klägerin habe auch nicht nach dem 1. Januar 1994, sondern schon zuvor einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Im übrigen sei mit der Klägerin eine Vorruhestandsvereinbarung nach dem Modell 55 geschlossen worden. Das sei mit der Klägerin anläßlich des Abschlusses des Aufhebungsvertrages ausführlich erörtert worden. Die nach dem Modell 55 zu zahlende Abfindung sei berechnet worden. Gezahlt worden sei jedoch eine Abfindung in Höhe des Modells Divisor 100, da dies für die Klägerin günstiger gewesen sei. Nach diesem Modell berechnet sich die Abfindung vergangenheitsbezogen nach der Formel Alter × Betriebszugehörigkeit × Monatsgehalt: 100, während nach dem Modell 55 die Abfindung sich nach den Einkommensverlusten des Arbeitnehmers zwischen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und frühestmöglichen Rentenbezug bemißt. Arbeitnehmer, die mit einer Vorruhestandsvereinbarung ausgeschieden seien, hätten keinen Anspruch auf eine nach Nr. 2.1 des Sozialplanes berechnete Abfindung, sondern seien auf die Vorruhestandsleistungen beschränkt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Abweisungsantrag weiter, während die Klägerin um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Klägerin kann aufgrund der Vereinbarung in Nr. 15 des Aufhebungsvertrages eine Abfindung in der Höhe verlangen, wie sich aus der Nr. 2.1 ff. des Sozialplanes ergibt.

I. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin die der Höhe nach unstreitige Differenz zwischen der gezahlten und der geschuldeten Abfindung zugesprochen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Regelung in Nr. 15 des Aufhebungsvertrages sei dahin zu verstehen, daß die Klägerin eine Erhöhung der Abfindung dann solle verlangen können, wenn sich für die infolge der geplanten Schließung des Standortes L. betriebsbedingt gekündigten Arbeitnehmer nach dem Sozialplan eine höhere Abfindung ergibt. Dieser Anspruch sei nicht davon abhängig, ob die Klägerin vor oder nach Abschluß des Sozialplanes ausscheide. Für eine solche Unterscheidung sei kein sachlicher Grund ersichtlich.

Aufgrund dieser Regelung komme es auch nicht auf den in Nr. 1 des Sozialplanes genannten Stichtag, den 1. Januar 1994 an. Der Sozialplan erfasse auch den Standort L. Mit der Klägerin sei auch keine beiderseits freiwillige Ruhestandsregelung getroffen worden. Die Parteien hätten die Abfindung gerade nicht nach dem Modell 55, sondern nach der für jüngere Arbeitnehmer geltenden Regelung berechnet.

Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung zu folgen.

II. Der Klägerin steht eine höhere Abfindung zu.

1. Dem steht zunächst nicht die in Nr. 15 des Aufhebungsvertrages getroffene Regelung entgegen, wonach der Mitarbeiter „vor Abschluß eines Sozialplanes” aus dem Unternehmen „ausgetreten” sein muß. Der Sozialplan ist am 29. Juni 1994 abgeschlossen worden. Das Ausscheiden der Klägerin aus dem Unternehmen der Beklagten erfolgt, wie sich aus Nr. 2 in Verb, mit Nr. 8 des Aufhebungsvertrages eindeutig ergibt, erst zum 31. Juli 1994.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, daß ein wörtliches Verständnis dieser Regelung in Nr. 15 des Aufhebungsvertrages keinen Sinn ergibt. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis vor dem zu erwartenden Abschluß eines Sozialplanes endet, einen Nachbesserungsanspruch haben soll, ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis erst danach sein Ende findet, hingegen nicht. Zu diesem unverständlichen Ergebnis würde die Ansicht der Beklagten selbst dann führen, wenn am gleichen Tag mit zwei Arbeitnehmern ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde, der aufgrund unterschiedlicher Kündigungsfristen zu einem unterschiedlichen Austrittstermin führt, der Sozialplan aber zwischen den beiden Austrittsterminen abgeschlossen wird.

Sinn und Zweck der Regelung in Nr. 15 des Aufhebungsvertrages ist es – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt und begründet hat –, der Tatsache vorzubeugen, daß ein Arbeitnehmer, der wegen der geplanten Schließung des Standortes L. schon vor Abschluß eines Sozialplanes in die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einwilligt, sich hinsichtlich einer Abfindung schlechter steht als ein Arbeitnehmer, der den Abschluß eines Aufhebungsvertrages ablehnt und deswegen betriebsbedingt gekündigt wird und eine Abfindung aus dem zu erwartenden Sozialplan erhält. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn maßgebender Zeitpunkt nicht der Abschluß des Sozialplanes selbst, sondern derjenige Zeitpunkt ist, von dem an von den Umstrukturierungsmaßnahmen betroffene Arbeitnehmer Leistungen aus dem abzuschließenden Sozialplan verlangen können. Wollte man allein auf den Zeitpunkt des Austritts vor Abschluß des Sozialplanes abstellen, könnte sich in keinem Fall ein Nachzahlungsanspruch ergeben, da ein Anspruch aus diesem Sozialplan, der höher sein könnte als die gezahlte Abfindung, zum Zeitpunkt des Austritts mangels eines bereits abgeschlossenen Sozialplans gar nicht bestanden hätte.

Als die Parteien den Aufhebungsvertrag schlossen, war nicht bekannt, welchen Inhalt der abzuschließende Sozialplan haben werde. Dieser konnte Arbeitnehmer, die – wie die Klägerin – schon 1993 Aufhebungsverträge geschlossen hatte, in seinen Geltungsbereich einbeziehen und Abfindungen vorsehen, die höher ausfallen, als die vereinbarten Abfindungen. In einem solchen Fall hätte der Arbeitnehmer ohnehin einen unmittelbaren Anspruch auf die höhere Sozialplanleistung, da der Sozialplan als Betriebsvereinbarung unmittelbar und zwingend wirkt und unmittelbare Ansprüche der Arbeitnehmer begründet. Für diesen Fall bedürfte es einer Regelung, wie sie in Nr. 15 des Aufhebungsvertrages getroffen wurde, ohnehin nicht. Der Sozialplan konnte weiter diese Arbeitnehmer einbeziehen, insgesamt aber Abfindungen vorsehen, die niedriger ausfielen als die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung. In einem solchen Fall ergab sich naturgemäß kein Nachzahlungsanspruch, der Arbeitnehmer konnte jedoch die höhere vertragliche Abfindung behalten. Der Sozialplan konnte schließlich – wie vorliegend geschehen – diejenigen Arbeitnehmer, die schon vor dem 1. Januar 1994 Aufhebungsverträge geschlossen hatten, von seinem Geltungsbereich ausnehmen. Ein unmittelbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf eine nach dem Sozialplan berechnete Abfindung bestand dann nicht, sofern der gewählte Stichtag sachgerecht war. Gerade einer solchen Regelung sollte die Vereinbarung Nr. 15 des Aufhebungsvertrages vorbeugen. Der Arbeitnehmer, der schon frühzeitig, d.h. vor einem zu erwartenden Stichtag einen Aufhebungsvertrag schloß, sollte dadurch keinen Nachteil im Vergleich zu denjenigen Arbeitnehmern haben, die vom Geltungsbereich des Sozialplans erfaßt werden und aus diesem Sozialplan eine höhere Abfindung beanspruchen können.

Mit diesem Inhalt hat die Klägerin einen Anspruch auf eine höhere Abfindung, sofern sich eine solche aus dem Sozialplan ergibt.

2. Der Sozialplan vom 29. Juni 1994 regelt entgegen der Ansicht der Beklagten auch Ansprüche der Arbeitnehmer des Standortes L.

Die von der Konzernleitung beschlossenen Umstrukturierungsmaßnahmen sahen zunächst die Schließung des Standortes L. vor. Gerade unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diesen Schließungsbeschluß haben die Parteien den Aufhebungsvertrag geschlossen. Auch im Interessenausgleich werden die Schließung von Standorten als Maßnahmen der Umstrukturierung genannt. Wenn es im Interessenausgleich dann weiter heißt, daß der Standort L. aus dem Konzern herausgelöst werden könne und mit Hilfe der Auffanggesellschaft Arbeitsplätze erhalten bleiben können, so folgt daraus nicht, daß alle Maßnahmen in bezug auf den Standort L. nicht mehr Gegenstand des Interessenausgleichs sind und daher der Sozialplan nach seiner Nr. 1 nicht mehr für Maßnahmen im Hinblick auf den Standort L. gilt. Die Betriebspartner haben vielmehr unter Nr. 5 des Sozialplanes gerade Sonderregelungen für den Standort L. getroffen, indem sie bestimmt haben, daß Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Auffanggesellschaft widersprechen und deswegen gekündigt werden müssen, keine Abfindung erhalten sollen. Sie haben weiter darauf hingewiesen, daß bereits abgeschlossene Aufhebungs- und Vorruhestandsvereinbarungen vertragsgemäß abzuwickeln sind.

Im übrigen ist unter den Parteien unstreitig, daß die Arbeitnehmer des militärischen Bereichs des Standortes L. nicht auf die Auffanggesellschaft übergegangen sind, sondern in der Folgezeit betriebsbedingt gekündigt wurden. Von daher bestand überhaupt kein Anlaß, Maßnahmen in bezug auf den Standort L. vom Interessenausgleich auszunehmen und den Geltungsbereich des Sozialplanes auf die anderen Standorte im Konzernbereich zu beschränken.

3. Ein Anspruch der Klägerin auf eine nach dem Sozialplan berechnete Abfindung entfällt nicht deswegen, weil der Sozialplan ausweislich seiner Nr. 1 nur für Arbeitnehmer gilt, die ab dem 1. Januar 1994 einen Aufhebungsvertrag abschließen oder abgeschlossen haben.

Diese Regelung umschreibt den Geltungsbereich des Sozialplanes, indem sie den Arbeitnehmerkreis beschreibt, der unmittelbar Ansprüche aufgrund des Sozialplanes erwerben soll.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind die Betriebspartner bei der Vereinbarung eines Sozialplans frei in ihrer Entscheidung, welche Nachteile der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer in welchem Umfange ausgeglichen oder gemildert werden sollen. Sie können Arbeitnehmer auch von Leistungen des Sozialplanes ausnehmen, auch dadurch, daß sie nur solche Arbeitnehmer bedenken, die nach einem bestimmten Stichtag von Maßnahmen der Betriebsänderung betroffen werden, sofern die Wahl gerade dieses Stichtages sachlich gerechtfertigt ist (BAG Urteil vom 24. Januar 1996 – 10 AZR 155/95 – AP Nr. 98 zu § 112 BetrVG 1972). Die Parteien haben darüber gestritten, ob die Wahl des Stichtages – 1. Januar 1994 – im vorliegenden Fall durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Die Frage braucht der Senat nicht zu entscheiden. Wie bereits oben unter II. 1. dargelegt, haben die Parteien in Nr. 15 des Aufhebungsvertrages vereinbart, daß die Klägerin einen Anspruch auf eine nach dem Sozialplan berechnete Abfindung gerade auch dann haben soll, wenn sie vom Geltungsbereich des Sozialplanes nicht erfaßt wird und, damit keinen unmittelbaren Anspruch aus dem Sozialplan erwirbt. Die Stichtagsregelung in Nr. 1 des Sozialplans steht daher dem geltend gemachten Anspruch auf eine höhere, nach dem Sozialplan berechnete Abfindung nicht entgegen.

4. Der Anspruch auf eine nach dem Sozialplan berechnete Abfindung ist schließlich nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Parteien möglicherweise eine Vorruhestandsregelung getroffen haben.

a) Das Landesarbeitsgericht hat eine solche Vorruhestandsvereinbarung verneint. Der von den Parteien am 22. November 1993 geschlossene Vertrag wird ausdrücklich als Aufhebungsvertrag bezeichnet. Das Wort „Vorruhestand” taucht in dem gesamten umfangreichen Vertragstext nicht auf. Die nach dem Vertrag zu zahlende Abfindung wird ausdrücklich als „Abfindung entsprechend §§ 9 und 10 KSchG” bezeichnet und wegen der mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verbundenen sozialen Härten gezahlt. Unstreitig ist die der Klägerin gezahlte Abfindung auch nicht nach den Vorruhestandsmodellen 55 oder 58, sondern nach dem sog. Modell Divisor 100 berechnet worden, nach dem Abfindungen an Mitarbeiter berechnet werden, für die eine Vorruhestandsregelung aufgrund ihres Alters nicht in Betracht kommt. Die Beklagte hat allerdings vorgetragen, daß sie alle Vorruhestandsregelungen in Form gleichlautender Aufhebungsverträge abschließe und daß mit der Klägerin eine Vorruhestandsregelung vereinbart worden sei. Lediglich die Höhe der Abfindung sei, da für die Klägerin günstiger, nach dem Modell Divisor 100 berechnet worden.

Das Landesarbeitsgericht hat über diese Behauptung der Beklagten keinen Beweis erhoben. Für das Vorliegen einer Vorruhestandsregelung sprechen allerdings einige Einzelregelungen im Aufhebungsvertrag. So verliert nach Nr. 5 des Vertrages dieser seine Gültigkeit, wenn die Klägerin bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Sozialversicherungsrente erwirbt. Nach Nr. 6 des Vertrages ist ein Teil der Abfindung zurückzuzahlen, wenn die Klägerin schon vor Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf eine Sozialversicherungsrente etwa durch Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit erwirbt. Weiter wird bestimmt, daß die Klägerin, wenn sie wider Erwarten Arbeitslosenhilfe erhalten sollte, diese der Beklagten zu erstatten hat. Diese Bestimmungen sind Elemente des Modells 55 – und wohl auch des Modells 58 –, nach denen sich die zu zahlende Abfindung nach der Verdiensteinbuße zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und dem frühestmöglichen Bezug einer Rente aus der Sozialversicherung bemißt. Diese Verdiensteinbuße wird hypothetisch berechnet. Die Grundlagen dieser Berechnung entfallen, wenn der Arbeitnehmer schon früher als angenommen, d.h. vor dem 60. Lebensjahr, Anspruch auf eine Sozialversicherungsrente erwirbt, oder während dieser Zeit wider Erwarten Arbeitslosenhilfe erhält. Diese Elemente sprechen dafür, daß die in solchen Aufhebungsverträgen vereinbarte Abfindung grundsätzlich den Charakter einer Vorruhestandsleistung hat. Eine allein für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlte Abfindung, wie sie etwa nach den §§ 9 und 10 KSchG zu zahlen ist oder gewährt werden kann oder in Sozialplänen vereinbart wird, ist von solchen später eintretenden Ereignissen regelmäßig unabhängig.

Die Beklagte hat allerdings nach ihrem eigenen Vorbringen auch mit Mitarbeitern, die noch keine 55 Jahre alt waren, gleichlautende Aufhebungsverträge abgeschlossen, also Verträge, die – wie dargelegt – Elemente einer Vorruhestandsregelung enthalten. Von daher läßt sich – jedenfalls wenn man allein auf den Vertragstext abstellt – nur aus der Höhe der vereinbarten Abfindung ersehen, welches der drei Modelle die Vertragsparteien gewählt haben. Die Klägerin hätte dann einen Aufhebungsvertrag nach dem Modell Divisor 100 beschlossen.

b) Der Senat braucht im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, ob die Parteien eine Vorruhestandsregelung oder einen reinen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung vereinbart haben. Eine getroffene Vorruhestandsregelung wäre auf jeden Fall eine solche nach dem „Modell zur Ermittlung von Abfindungszahlungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mindestens 55 Jahre sind, aber noch nicht die Voraussetzungen der Altersgrenze gem. der Betriebsvereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” erfüllen, nämlich mindestens 58 Jahre alt sind. Die Klägerin war bei ihrem Ausscheiden aus den Diensten der Beklagten am 31. Juli 1994 gerade 55 Jahre alt. Mit ihr kann daher allenfalls eine Vorruhestandsregelung nach dem Modell 55 geschlossen worden sein.

c) Eine Vorruhestandsvereinbarung nach dem Modell 55 schließt einen Anspruch auf eine Abfindung jedoch nicht aus. Nach Nr. 2.1.8 des Sozialplans gilt nur für „Mitarbeiter mit vollendetem 58. Lebensjahr und älter” anstatt der Abfindungsregelung ausschließlich die Vorruhestandsregelung. Nur Arbeitnehmer, die 58 Jahre und älter sind, haben daher keinen Anspruch auf eine nach Nr. 2.1 berechnete Abfindung.

Jüngere Arbeitnehmer werden von der Abfindungsregelung auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sie eine Vorruhestandsregelung nach dem Modell 55 geschlossen haben.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den Vorruhestandsregelungen in Nr. 4 des Sozialplanes. Wenn es hier heißt, daß beiderseits freiwillig abgeschlossene Vorruhestandsverträge gem. den Vorgaben im Interessenausgleich nach den in Anl. a aufgelisteten Regelungen ausgestaltet werden, so bedeutet dies nur, daß solche Vorruhestandsregelungen den in der Anlage a genannten jeweiligen betrieblichen Regelungen über den Vorruhestand entsprechen müssen. Welche Ansprüche aus dem Sozialplan Arbeitnehmer mit danach abgeschlossenen Vorruhestandsverträgen haben, wird in Nr. 4 des Sozialplanes nicht geregelt.

d) Eine solche Regelung macht auch Sinn. Wenn Vorruhestandsvereinbarungen durchweg durch „Aufhebungsverträge” getroffen wurden, dann erstreckt sich der Geltungsbereich des Sozialplans nach seiner Nr. 1 auch auf Arbeitnehmer, die einen solchen Aufhebungsvertrag abschließen oder abgeschlossen haben. Diesen Arbeitnehmern steht nach Nr. 2.1 des Sozialplans als „ausscheidenden Mitarbeitern” grundsätzlich eine Abfindung zu. Auf diese Abfindung wird die in den Aufhebungsverträgen vereinbarte Abfindung nach Nr. 2.1.6 angerechnet. Lediglich Mitarbeiter mit vollendetem 58. Lebensjahr und älter sind allein auf die Vorruhestandsregelung angewiesen. Es entspricht üblicher Praxis in Sozialplänen und ist vom Regelungsermessen der Betriebspartner gedeckt, wenn rentennahe Jahrgänge nicht die übliche, vergangenheitsbezogen berechnete Abfindung erhalten, sondern ihre Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes nach den mehr oder weniger genau berechneten Einkommenseinbußen bis zum Bezug einer Sozialversicherungsrente berechnet wird (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 31. Juli 1996 – 10 AZR 45/96 – AP Nr. 103 zu § 112 BetrVG 1972). Die Betriebspartner haben diesen Kreis der geringer zu entschädigenden rentennahen Arbeitnehmer auf diejenigen beschränkt, die das 58. Lebensjahr vollendet haben. Jüngere Arbeitnehmer sollen Anspruch auf die Abfindung haben, auf die jedoch die in Aufhebungsverträgen vereinbarte Abfindung, mag diese auch wie eine Vorruhestandsleistung nach dem Modell 55 berechnet worden sein, anzurechnen ist.

Eine weitere Überlegung spricht für dieses Verständnis der Sozialplanregelung. Mitarbeiter, die älter als 55 Jahre aber noch keine 58 Jahre sind, konnten wählen, ob sie einen Aufhebungsvertrag nach dem Modell Divisor 100 oder nach dem Modell 55 abschließen wollten. Beide Auflösungsverträge unterschieden sich nur durch die Höhe der nach unterschiedlichen Grundsätzen berechneten Abfindung. Die Arbeitnehmer werden regelmäßig – wie unstreitig die Klägerin auch – die höhere Abfindung gewählt haben. War es damit mehr oder weniger zufallabhängig, welchen Aufhebungsvertrag diese Mitarbeiter schlossen, lag es nahe, diese Mitarbeiter auch im Sozialplan gleichzubehandeln, indem in Nr. 2.1.8 des Sozialplans nur die Mitarbeiter ausschließlich auf die Vorruhestandsregelung verwiesen wurden, die älter als 58 Jahre waren. Eine Regelung, die Mitarbeitern mit einer nach dem Modell Divisor 100 berechneten Abfindung eine weitere Abfindung zusprach, Mitarbeiter mit einer nach dem Modell 55 berechneten Abfindung jedoch vom Sozialplan ausschloß, wäre sachlich nicht gerechtfertigt gewesen. Die Abfindung aus dem Sozialplan war für erstere in jedem Fall höher als die vertraglich vereinbarte Abfindung, da das Produkt aus Alter × Betriebszugehörigkeit × Monatsverdienst lediglich durch 65 anstatt durch 100 geteilt wurde. Mitarbeiter, die eine nach dem Modell 55 berechnete Abfindung gewählt haben, wären auf diese beschränkt, auch wenn die Sozialplanabfindung – wie im Falle der Klägerin – höher ist.

e) Wenn die Beklagte geltend macht, die Betriebspartner wie auch die Einigungsstelle seien übereinstimmend der Ansicht gewesen, daß alle mit einer Vorruhestandsregelung ausgeschiedenen Mitarbeiter von der Sozialplanabfindung ausgeschlossen sein sollten, so kann sie damit nicht gehört werden. Sozialpläne sind Betriebsvereinbarungen und damit Normenverträge. Sie sind wie Gesetze und Tarifverträge auszulegen. Abzustellen ist zunächst auf den Wortlaut, den systematischen Zusammenhang der einzelnen Regelungen und auch deren Sinn und Zweck. Der subjektive Wille der Vertragspartner kann nur insoweit berücksichtigt werden, als er in der Regelung selbst seinen Niederschlag gefunden hat. Daran fehlt es im vorliegenden Falle.

Diese haben in Nr. 2.1.8 des Sozialplans nicht gesagt, daß (alle) Mitarbeiter mit einer Vorruhestandsregelung ausschließlich auf diese verwiesen sind, sie haben vielmehr ausdrücklich nur die „Mitarbeiter mit vollendetem 58. Lebensjahr” genannt, obwohl ihnen bekannt war, daß auch Mitarbeiter zwischen 55 und 58 Jahren Vorruhestandsregelungen abgeschlossen haben oder solche abschließen können.

Das Landesarbeitsgericht hat damit zutreffend entschieden, daß die Klägerin die geforderte Differenz zu der nach dem Sozialplan berechneten Abfindung verlangen kann. Die Revision der Beklagten war daher zurückzuweisen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Jobs, Hauck, Hermann, Großmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1254424

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