Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifgeltung im Beitrittsgebiet
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Anschluß an das sogenannte "Posturteil" des Senats vom 30. Juli 1992 (BAGE 71, 68 = AP Nr. 1 zu § 1 TV Ang Bundespost) Arbeitnehmern aus dem Beitrittsgebiet, die bei Bekanntwerden dieses Urteils (1. März 1993) auf Dauer im ehemaligen Westberlin eingesetzt waren, einzelvertraglich die Anwendung des TV Arb (West) zugesagt, nicht jedoch Arbeitnehmern, deren "Westeinsatz" in diesem Zeitpunkt bereits beendet war, so lag darin keine sachwidrige Ungleichbehandlung dieser Arbeitnehmer. Anders wäre zu entscheiden, wenn die Beklagte nach Klarstellung der tariflichen Rechtslage im sogenannten "Feuerwehrurteil" des Senats vom 26. Oktober 1995 (BAGE 81, 207 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O) weiterhin einzelvertragliche Zusagen erteilt hätte, nach denen auch bei Rückkehr in das Beitrittsgebiet der TV Arb fortgilt.
Normenkette
Tarifvertrag Nr. 466 für die Arbeiter und Angestellten der Deutschen Bundespost TELEKOM vom 9. Dezember 1994 bzw. 12. Dezember 1994 (TV Nr. 466) § 17; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 16. Juli 1997 - 8 Sa 66/96 - in der Kostenentscheidung und insoweit aufgehoben, als es der Klage stattgegeben hat.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. Juni 1996 - 21 Ca 40240/95 - abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die tarifgebundenen Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955 (TV Arb) oder der Tarifvertrag Nr. 402 a zur Anpassung des Tarifrechts für Arbeiter der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet an den TV Arb (TV Arb-O) Anwendung findet.
Der Kläger ist seit 1. August 1987 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der Deutschen Post der DDR, als Fernmeldemechaniker beschäftigt. Er wurde ab 16. Januar 1991 dem Fernmeldeamt 2 mit Sitz im ehemaligen Westberlin zugeordnet und erbrachte seine Arbeitsleistung bis zum 2. Dezember 1991 im Westteil der Stadt. Die Parteien haben sich für diesen Zeitraum durch gerichtlichen Vergleich vom 14. Juni 1996 auf die Anwendung des TV Arb geeinigt.
Ab 3. Dezember 1991 wurde der Kläger dem im ehemaligen Ostberlin gelegenen Fernmeldeamt 6 zugeordnet und gleichzeitig dem Fernmeldeamt 2 fachlich zugewiesen. Seine Beschäftigungsdienststelle befand sich im ehemaligen Ostberlin. Dort begann und beendete er seine tägliche Arbeit, die er im Außendienst, überwiegend im Ostteil der Stadt, verrichtete. Von diesem Zeitpunkt an erhielt der Kläger Vergütung nach dem TV Arb-O. Seit 13. Dezember 1996 ist der Kläger wieder im ehemaligen Westberlin eingesetzt und erhält Vergütung nach dem TV Arb.
Die Beklagte schloß seit 1. März 1993 mit Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnisse im östlichen Tarifgebiet begründet waren und die zu diesem Zeitpunkt im westlichen Tarifgebiet arbeiteten, Änderungs-Arbeitsverträge mit folgendem Wortlaut:
"Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrages
Der mit Herrn/Frau ... (Arbeitnehmer) am ... geschlossene Arbeitsvertrag in der zur Zeit geltenden Fassung vom ... wird wie folgt geändert:
1. Änderung des Geltungsbereiches
Für das Arbeitsverhältnis gelten
- der "Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost (TV Ang)" und die sonstigen Tarifverträge für die Angestellten der Deutschen Bundespost
oder
- der "Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb)" und die sonstigen Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost
in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart. Die Zuordnung zum Geltungsbereich des TV Ang oder dem des TV Arb ergibt sich in Anwendung des § 1 TV Ang bzw. des § 1 TV Arb aus der jeweils ausgeübten Tätigkeit.
2. Wirksamkeit der Änderung
Die Änderung gilt ab ...
3. Die sonstigen Vereinbarungen des vorerwähnten Arbeitsvertrages gelten weiter.
Jede Vertragspartei erhält eine Ausfertigung dieses zweifach ausgefertigten Vertrages.
...."
Arbeitnehmern, die ihren Einsatz im westlichen Tarifgebiet vor dem 1. März 1993 beendet hatten und in das östliche Tarifgebiet zurückgekehrt waren, wurden keine Änderungs-Arbeitsverträge angeboten.
Die Beklagte hatte im Hinblick auf die abzuschließenden Änderungs-Arbeitsverträge unter dem 24. Februar 1993 an ihre regionalen und zentralen Mittelbehörden folgende Verfügung erlassen:
"Anwendung der West-Tarifverträge auf Arbeitnehmer aus dem Tarifgebiet Ost;
hier: Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juli 1992 - 6 AZR 11/92 und 6 AZR 12/92-
0 Kernaussage
Mit dem Urteil vom 30. Juli 1992 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, daß eine Angestellte der Deutschen Bundespost POSTBANK Anspruch auf Anwendung des TV Ang hat, weil sie zum Postgiroamt Berlin versetzt und auf Dauer im Geltungsbereich der westlichen Tarifverträge beschäftigt wurde.
Eine unmittelbare automatische rechtliche Bindung an dieses Urteil besteht für die Telekom nicht, zur Anwendung der West-Tarifverträge auf Arbeitnehmer aus dem Tarifgebiet Ost wird zur Zeit noch ein besonderer Rechtsstreit gegen die Telekom geführt.
Da sowohl der Bundesminister des Innern als auch der Senat von Berlin das o. g. Urteil rückwirkend zum 01. Februar 1992 in ihren Bereichen anwenden, hat der Vorstand der Telekom ein entsprechendes Vorgehen für die Arbeitnehmer der Telekom beschlossen.
Nachfolgend werden hierzu einige Hinweise gegeben:
1 Anwendung der West-Tarifverträge
Das Bundesarbeitsgericht hat im o. g. Urteil entschieden, daß Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Tarifgebiet Ost begründet worden ist (TV Ang-O/TV Arb-O), die aber auf Dauer im Tarifgebiet West tätig sind, in den persönlichen Geltungsbereich der im Tarifgebiet West geltenden Tarifverträge fallen, und zwar auch dann, wenn sie ihren Wohnsitz im Tarifgebiet Ost beibehalten. Das Gericht hat hervorgehoben, daß es nur um Fälle geht, in denen Arbeitnehmer auf Dauer, d.h. auf nicht absehbare Zeit im Tarifgebiet West beschäftigt werden. Aus diesem Urteil können deshalb keine Folgerungen bei nur vorübergehender Beschäftigung im Tarifgebiet West gezogen werden. In Fällen der vorübergehenden Umsetzung, der Umsetzung für Zwecke der Fort- oder Weiterbildung oder der Abordnung ist unabhängig von deren Dauer nach wie vor das Tarifrecht Ost anwendbar.
Ein Arbeitnehmer aus dem Tarifgebiet Ost wird also nur dann dem Geltungsbereich des TV Ang/TV Arb zugeordnet, wenn
a) eine Versetzung zu einer Organisationseinheit im Tarifgebiet West erfolgt ist und
b) sich der Arbeitsplatz bzw. bei Arbeitnehmern mit wechselnden Einsatzstellen die Regelarbeitsstelle/ständige Dienststelle (SRegelF; § 18 TV Arb/TV Arb-O) auf Dauer im Tarifgebiet West befindet; auf den Sitz der Organisationseinheit (z.B. Sitz des Fernmeldeamtes) kommt es nicht an.
2 Abschluß von Änderungsverträgen
Mit den Arbeitnehmern, die entsprechend der Ziffer 1 im Tarifgebiet West tätig sind, sind Änderungsverträge unter Berücksichtigung der Ziffer 3 abzuschließen, mit denen die Anwendung des TV Ang/TV Arb vereinbart wird. Hierzu ist das anliegende Formblatt zu verwenden; es ist von den Bedarfsstellen selbst herzustellen.
Wir bitten, die o. g. Änderungsverträge nicht rückwirkend abzuschließen. Sofern Arbeitnehmer für zurückliegende Zeiträume dem Geltungsbereich des TV Ang/TV Arb zuzuordnen sind, ist folgende Nebenabrede zu vereinbaren:
'Die mit diesem Änderungsvertrag geänderten Vertragsbedingungen gelten auch für die Zeit vom ... bis zum Vortag dieses Vertragsabschlusses.'
Die Ziffer 2.1 der Verfügung 721-6 A 6323-1 vom 29.01.92 sowie die Verfügung 721-6 A 6323-1 vom 04.03.92 werden hiermit aufgehoben.
3 Wirksamkeit des BAG-Urteils
Die Anwendung des TV Ang/TV Arb auf Arbeitnehmer aus dem Tarifgebiet Ost ist ab dem Zeitpunkt ihrer dauerhaften Tätigkeit im Tarifgebiet West vorzunehmen; frühestens jedoch - wie im Bereich des übrigen öffentlichen Dienstes - ab 01. Februar 1992.
..."
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auf sein Arbeitsverhältnis finde seit dem 3. Dezember 1991 der TV Arb Anwendung. Die Beklagte habe auf die Arbeitsverhältnisse aller Arbeitnehmer, die vor dem 1. Februar 1992 aus einer Beschäftigung im westlichen Tarifgebiet zurückgekehrt sind, die für das östliche Tarifgebiet geltenden Tarifverträge angewandt. Arbeitnehmer, die nach dem 1. Februar 1992 nicht nur kurzzeitig und zweckbefristet im ehemaligen Westberlin eingesetzt waren, seien demgegenüber auch nach ihrer Rückkehr in den Ostteil der Stadt nach westlichem Tarifrecht behandelt worden. Damit habe die Beklagte, wie sich aus der Rundverfügung vom 24. Februar 1993 ergebe, der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Urteil vom 30. Juli 1992 (BAGE 71, 68 = AP Nr. 1 zu § 1 TV Ang Bundespost) Rechnung tragen wollen. Aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei sie daher verpflichtet, auch auf sein Arbeitsverhältnis westliches Tarifrecht anzuwenden. Er sei im Januar 1991 auf Dauer in das westliche Tarifgebiet versetzt worden und lediglich aus Platzgründen im Dezember 1991 in den Ostteil der Stadt zurückgekehrt.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß auf sein Arbeitsverhältnis seit dem 3. Dezember 1991 der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955 (TV Arb) Anwendung findet.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat behauptet, sie habe in Umsetzung der genannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juli 1992 den Arbeitnehmern, die am 1. März 1993 noch im westlichen Tarifgebiet tätig gewesen seien, Änderungs-Arbeitsverträge zwecks Vereinbarung der West-Tarifverträge angeboten. Arbeitnehmer, die vor dem 1. März 1993 bereits aus dem westlichen Tarifgebiet wieder in das östliche Tarifgebiet zurückgekehrt gewesen seien, hätten solche Vertragsangebote nicht erhalten. Bei der Wahl des Stichtages 1. März 1993 habe sie sich am Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts orientiert. Sie sei davon ausgegangen, daß die Arbeitnehmer, die noch am 1. März 1993 im westlichen Tarifgebiet arbeiteten, solche seien, auf die nach der neuen Rechtsprechung die Tarifverträge für das westliche Tarifgebiet anzuwenden sind. Der Kläger sei mit den Arbeitnehmern, mit denen die Änderungsverträge abgeschlossen worden seien, in mehrfacher Hinsicht nicht vergleichbar. Er sei nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend im westlichen Tarifbereich tätig gewesen. Außerdem sei die vom Kläger benannte Vergleichsgruppe nicht homogen, da sie aus 17 Arbeitern, 10 Angestellten und einem Beamten bestehe. Ferner seien diese Personen, anders als der Kläger, erst nach dem 1. März 1993, beginnend am 1. April 1993 mit dem Mitarbeiter C , in den Ostteil Berlins zurückgekehrt.
Zweitinstanzlich hat die Beklagte außerdem behauptet, den vom Kläger benannten Arbeitnehmern der Vergleichsgruppe seien die Änderungsverträge nach individuellen Kriterien angeboten worden, nachdem die endgültige Entscheidung gefallen sei, sie dauerhaft im Geltungsbereich der westlichen Tarifverträge einzusetzen. Daß diese Arbeitnehmer ab dem 19. Dezember 1994 wieder in den Geltungsbereich östlichen Tarifrechts hätten zurückkehren müssen, habe mit dem Ende 1992/Anfang 1993 verabschiedeten Konzept der Beklagten zur Restrukturierung und Reorganisation zusammengehangen, das wegen des bevorstehenden Eintritts der Beklagten in den freien Wettbewerb erforderlich gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert, die Klage für den Zeitraum bis zum 31. März 1993 abgewiesen und die Berufung im übrigen zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin die vollständige Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, nachdem er seine Klage auf die Zeit bis zum 12. Dezember 1996 beschränkt hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt unter teilweiser Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils zur vollständigen Klageabweisung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde ab 1. April 1993 der TV Arb Anwendung. Der Kläger könne Gleichbehandlung mit Arbeitnehmern verlangen, deren Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet begründet waren, die über den 1. März 1993 hinaus im Bereich westlichen Tarifrechts beschäftigt wurden und auf deren Arbeitsverhältnisse nach ihrer Rückkehr in den Geltungsbereich östlichen Tarifrechts weiterhin westliches Tarifrecht angewendet wurde. Für die Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber diesen Arbeitnehmern fehle es an tragfähigen sachlichen Gründen. Mit dem Vollzug des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 30. Juli 1992 (BAGE 71, 68 = AP Nr. 1 zu § 1 TV Ang Bundespost) lasse sich nur die Anwendung des TV Arb für die Dauer des Westeinsatzes, nicht jedoch dessen Fortgeltung nach Rückkehr in das Beitrittsgebiet begründen. Die außerdem von der Beklagten für die Ungleichbehandlung angeführten Gründe seien in sich widersprüchlich und rechtfertigten die Ungleichbehandlung nicht. Der Kläger könne daher ab dem 1. April 1993, dem Zeitpunkt der erstmaligen Rückkehr eines Arbeitnehmers mit vertraglich vereinbarter Geltung des TV Arb in den Geltungsbereich des TV Arb-O, die Anwendung des TV Arb beanspruchen.
II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum. Die Klage ist unbegründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien auch in der Zeit vom 1. April 1993 bis zum 12. Dezember 1996 nach den Vorschriften des TV Arb-O.
1. Gemäß § 1 Abs. 1 TV Arb-O gilt dieser Tarifvertrag für Arbeiter, die eine arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeit bei der Deutschen Bundespost ausüben und deren Arbeitsverhältnisse in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages (im folgenden: EV) genannten Gebiet begründet sind.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein Arbeitsverhältnis in dem in Art. 3 EV genannten Gebiet begründet, wenn es einen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweist, der gegenwärtig noch besteht. Wird ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt und wird er auf unbestimmte Zeit dort beschäftigt, sind diese Voraussetzungen gegeben (BAGE 76, 57 = AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O; BAGE 78, 108 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O zur insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 1 BAT-O). Für den gegenwärtigen Bezug zum Beitrittsgebiet ist grundsätzlich die Lage des Arbeitsplatzes entscheidend (BAGE 76, 57, 61 = AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, zu II 2 b der Gründe; BAGE 78, 108, 112 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O, zu I 3 a der Gründe; BAGE 79, 215, 217 = AP Nr. 1 zu § 1 BMT-G II, zu II 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 20. März 1997 - 6 AZR 10/96 - AP Nr. 8 zu § 1 BAT-O, zu II 3 c der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Erstreckt sich der Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers sowohl auf das Beitrittsgebiet als auch auf die Altbundesländer, ist für die tarifliche Zuordnung des Arbeitsverhältnisses entscheidend, wo sich der Schwerpunkt der Tätigkeit befindet. Dieser liegt im Beitrittsgebiet, wenn der Arbeitnehmer seine tägliche Arbeit dort beginnt und beendet und er mindestens während der Hälfte seiner Arbeitszeit dort arbeitet (BAGE 79, 215, 218 = AP Nr. 1 zu § 1 BMT-G II, zu II 2 c der Gründe; BAGE 79, 218, 224 = AP Nr. 2 zu § 1 TV Ang Bundespost, zu III der Gründe; BAGE 81, 207, 209 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O, zu I 1 a der Gründe; BAG Urteile vom 16. November 1995 - 6 AZR 366/95 - n.v., zu I 1 der Gründe; vom 29. Februar 1996 - 6 AZR 382/95 - n.v., zu II 2 der Gründe).
b) Der Kläger wurde für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt und war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend im ehemaligen Ostberlin eingesetzt, wobei er seine tägliche Arbeit in der im ehemaligen Ostberlin gelegenen Beschäftigungsdienststelle begann und beendete. Damit ist das Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet.
c) Daß der Kläger in der Zeit vom 16. Januar 1991 bis zum 2. Dezember 1991 seine Arbeitsleistung ausschließlich im ehemaligen Westberlin erbracht hatte, ist für die tarifliche Zuordnung des Arbeitsverhältnisses ab dem 3. Dezember 1991 unerheblich. Zwar findet auf das Arbeitsverhältnis eines für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellten Arbeitnehmers, der vorübergehend auf nicht absehbare Zeit im Geltungsbereich des TV Arb beschäftigt wird, für die Dauer dieser Tätigkeit der TV Arb Anwendung. Nach Rückkehr ins Beitrittsgebiet unterfällt das Arbeitsverhältnis jedoch wieder dem TV Arb-O (BAGE 78, 108 = AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O; BAGE 79, 224 = AP Nr. 3 zu § 1 TV Ang Bundespost; BAG Urteil vom 21. September 1995 - 6 AZR 151/95 - AP Nr. 6 zu § 1 BAT-O, zu III 2 der Gründe; BAGE 81, 207, 209 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O, zu I 1 a der Gründe; BAG Urteil vom 20. März 1997 - 6 AZR 10/96 - AP Nr. 8 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 4 der Gründe zu den insoweit gleichlautenden Regelungen in § 1 BAT-O und § 1 TV Ang-O).
2. Durch die Anwendung des TV Arb-O wird der Kläger gegenüber anderen Arbeitnehmern der Beklagten nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt.
a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern einer bestimmten Ordnung. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist (vgl. BVerfGE 71, 39, 58). Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Anders ist dies jedoch, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen (st. Rspr., vgl. BAG Urteil vom 19. August 1992 - 5 AZR 513/91 - AP Nr. 102 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 3 a der Gründe; BAGE 81, 207, 210 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O, zu I 2 a der Gründe).
b) Der Kläger wird nicht dadurch diskriminiert, daß die Beklagte seit 1. April 1993 auf die im Beitrittsgebiet begründeten Arbeitsverhältnisse der vom Kläger bezeichneten Arbeitnehmer, die über den 1. März 1993 hinaus im westlichen Tarifgebiet beschäftigt waren, nach deren Rückkehr in das östliche Tarifgebiet weiterhin das günstigere westliche Tarifrecht anwendet und ihnen somit übertarifliche Leistungen gewährt. Diesen Arbeitnehmern gegenüber wird der Kläger zwar ungleich behandelt. Dies geschieht jedoch nicht ohne sachlichen Grund. Die Beklagte erbringt diese Leistungen aufgrund der Änderungs-Arbeitsverträge, die sie mit diesen Arbeitnehmern geschlossen hat.
Das Landesarbeitsgericht hat die Änderungs-Arbeitsverträge dahingehend ausgelegt, daß durch sie individualvertraglich die dauerhafte Geltung der westlichen Tarifverträge vereinbart worden ist. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Wortlaut der Änderungsvereinbarungen ist insoweit eindeutig. Die Beklagte war daher vertraglich gehindert, bei Rückkehr eines solchen Arbeitnehmers ins Beitrittsgebiet das Arbeitsverhältnis der an sich zutreffenden Tariflage anzupassen und wieder die Bestimmungen des östlichen Tarifrechts anzuwenden. Der sachliche Grund, der die Ungleichbehandlung ab dem Zeitpunkt der Rückkehr rechtfertigt, ist somit die vertragliche Verpflichtung, die die Beklagte durch die Änderungs-Arbeitsverträge eingegangen ist.
Die Grundsätze des Senatsurteils vom 26. Oktober 1995 (BAGE 81, 207 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O) sind auf das Verhalten der Beklagten in der Zeit seit dem 1. April 1993 nicht anzuwenden. Der erkennende Senat hat dort entschieden, daß ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, wenn er nach einer Tätigkeit des Angestellten im Geltungsbereich des BAT weiterhin Leistungen nach diesem Tarifvertrag und nicht nach dem auf das Arbeitsverhältnis nunmehr wieder anzuwendenden BAT-O gewährt, andere Angestellte auf vergleichbaren Arbeitsplätzen gleichbehandeln muß. Hat er die Leistungen nach dem BAT weitergewährt, weil er sich dazu tariflich oder gesetzlich für verpflichtet hielt, kann er diese Praxis jederzeit beenden. Ab diesem Zeitpunkt kann keiner der vergleichbaren Angestellten die Anwendung des BAT verlangen. Bis dahin besteht ein Anspruch auf Gleichbehandlung, wenn der Arbeitgeber die zu Unrecht gewährten Leistungen nicht zurückfordert.
So liegt der Fall hier jedoch nicht. Die Beklagte gewährt die übertariflichen Leistungen an die ins östliche Tarifgebiet zurückgekehrten Arbeitnehmer aufgrund ihrer durch die Änderungs-Arbeitsverträge eingegangenen arbeitsvertraglichen Verpflichtung und damit, anders als in dem der vorbezeichneten Senatsentscheidung zugrunde liegenden Fall, nicht ohne Rechtsgrund.
c) Aber auch dadurch, daß die Beklagte dem Kläger keinen Änderungs-Arbeitsvertrag angeboten hat, wurde der Kläger nicht sachwidrig ungleich behandelt.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, daß die Änderungs-Arbeitsverträge abgeschlossen worden seien, um dem Senatsurteil vom 30. Juli 1992 (BAGE 71, 68 = AP Nr. 1 zu § 1 TV Ang Bundespost) Rechnung zu tragen. Auch bei der Wahl des Stichtages 1. März 1993 habe sie sich an diesem Urteil orientiert. Daß dies tatsächlich der Grund für den Abschluß der Änderungs-Arbeitsverträge war, ergibt sich aus der Verfügung der Beklagten vom 24. Februar 1993 an ihre regionalen und zentralen Mittelbehörden. Darin wird der wesentliche Inhalt des Senatsurteils vom 30. Juli 1992 (aaO) wiedergegeben und der Abschluß der Änderungs-Arbeitsverträge entsprechend einem beigefügten Formblatt angeordnet.
Der Vollzug des Senatsurteils vom 30. Juli 1992 (aaO) erweist sich als tragfähiges Differenzierungskriterium. Durch dieses Urteil hat der Senat entschieden, daß auf ein im Beitrittsgebiet begründetes Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, der auf nicht absehbare Zeit im westlichen Tarifgebiet beschäftigt wird, für die Dauer des Westeinsatzes westliches Tarifrecht anzuwenden ist. Durch den Abschluß der Änderungs-Arbeitsverträge hat die Beklagte diese Rechtsprechung auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer umgesetzt.
Zwar hat sie diese Umsetzung auf die Arbeitnehmer beschränkt, die nach dem 1. März 1993 weiterhin auf unbestimmte Zeit im ehemaligen Westberlin beschäftigt waren, und Arbeitnehmer wie den Kläger, die in diesem Zeitpunkt bereits auf Arbeitsplätze im ehemaligen Ostberlin zurückgekehrt waren, von der Regelung ausgenommen. Die Beklagte hat jedoch nicht sachwidrig gehandelt, indem sie die Anwendung der Grundsätze des Senatsurteils vom 30. Juli 1992 auf die Arbeitnehmer beschränkt hat, deren Arbeitsverhältnisse im östlichen Tarifgebiet begründet waren und die ihre Arbeitsleistung am 1. März 1993 noch im westlichen Tarifgebiet erbrachten. Das Urteil betraf ausschließlich die Anwendbarkeit westlichen Tarifrechts auf im Beitrittsgebiet begründete Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern, die auf nicht absehbare Zeit im Geltungsbereich westlichen Tarifrechts beschäftigt werden. Ob nach Rückkehr in das östliche Tarifgebiet das günstigere Westtarifrecht weiter gilt oder ob ab diesem Zeitpunkt wieder die östlichen Tarifverträge zur Anwendung kommen, war nicht Gegenstand dieser Entscheidung. Diese Frage hat der Senat erst durch Urteil vom 26. Oktober 1995 (BAGE 81, 207 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O) geklärt. Da sich das Urteil vom 30. Juli 1992 somit nur mit der tariflichen Behandlung der im westlichen Tarifgebiet tätigen Arbeitnehmer befaßte, war es sachlich vertretbar, daß die Beklagte aus diesem Urteil zugunsten solcher Arbeitnehmer keine Konsequenzen zog, die - wie der Kläger - bei Veröffentlichung der Entscheidungsgründe nicht im Geltungsbereich der westlichen Tarifverträge eingesetzt waren.
d) Schließlich kann der Kläger sich nicht darauf berufen, daß die Beklagte den über den 1. März 1993 hinaus im westlichen Tarifgebiet beschäftigten Arbeitnehmern nicht nur den Unterschiedsbetrag zwischen Ost- und Westtarif bezahlt, sondern ihnen darüber hinaus die Vergütung nach TV Arb einzelvertraglich zugesagt und sich damit auch für die Zeit nach Rückkehr dieser Arbeitnehmer in das Tarifgebiet Ost individualrechtlich gebunden hat.
Zwar ist nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 26. Oktober 1995 (BAGE 81, 207 = AP Nr. 7 zu § 1 BAT-O), auf das der Kläger sich zur Stützung seines Anspruchs wiederholt berufen hat, ein Arbeitgeber, der bei Geltung des BAT-O nach Rückkehr seines Arbeitnehmers aus dem Tarifgebiet West in das Tarifgebiet Ost weiterhin Leistungen nach dem BAT gewährt, zur Gleichbehandlung anderer Arbeitnehmer verpflichtet, solange er diese übertariflichen Leistungen nicht einstellt. Der Senat hat jedoch (vgl. BAGE 81, 207, 212 = AP, aaO, zu I 2 b bb der Gründe) in Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung des BAG dem Arbeitgeber das Recht zugesprochen, sich jederzeit von einer rechtsirrtümlich gewährten Leistung loszusagen, mit der Folge, daß jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die tatsächliche Grundlage eines Anspruchs auf Gleichbehandlung entfällt.
Im vorliegenden Fall beruhten die einzelvertraglichen Zusagen an die anderen Arbeitnehmer auf dem Bestreben der Beklagten, das Senatsurteil vom 30. Juli 1992 zu vollziehen. Dies ergibt sich eindeutig aus der Verfügung der Beklagten vom 24. Februar 1993 an die regionalen und zentralen Mittelbehörden. Dabei gewährte die Beklagte mehr als sie tariflich schuldete, nämlich individualrechtliche Ansprüche auf Vergütung nach TV Arb auch für die Zeit nach Rückkehr der Arbeitnehmer in das östliche Tarifgebiet. Von diesen individualrechtlichen Ansprüchen konnte die Beklagte sich nach Kenntnis ihres Irrtums zwar nicht mehr lösen. Sie konnte den gleichen Fehler jedoch in anderen Fällen vermeiden, indem sie weitere Zusagen dieses Inhalts unterließ, nachdem geklärt war, daß bei Rückkehr eines Arbeitnehmers ins Beitrittsgebiet ein tariflicher Anspruch auf Vergütung nach TV Arb nicht besteht. So ist die Beklagte auch verfahren. Daß sie Zusagen des vom Kläger behaupteten Inhalts auch noch nach Bekanntwerden des Senatsurteils vom 26. Oktober 1995 (aaO) erteilt hat, hat der Kläger nicht vorgetragen. Davon ist auch wegen der trotz des Auslegungsergebnisses des Berufungsgerichts im Zweifel auf Normvollzug ausgerichteten Praxis der Beklagten nicht auszugehen.
e) Ob auch die in zweiter Instanz von der Beklagten vorgetragenen weiteren Sachgründe, die den Abschluß der Änderungsverträge veranlaßt haben sollen, berücksichtigt werden könnten, oder ob sich die Beklagte an dem zuerst genannten Sachgrund festhalten lassen müßte (so BAGE 72, 343, 350 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, zu 3 d der Gründe), bedarf keiner Entscheidung.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer Dr. Armbrüster Gräfl Lenßen Hinsch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.06.1998 durch Backes, Reg.-Hauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436458 |
BB 1999, 112 |
FA 1999, 69 |
NZA 1999, 271 |
RdA 1999, 226 |
SAE 1999, 158 |
ZTR 1999, 121 |
AP, 0 |
NJ 1999, 223 |
PersR 1999, 1 |