Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Klausel als kleine dynamische Bezugnahme bei Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags. Bestimmung des Bezugnahmeobjekts
Leitsatz (redaktionell)
Die arbeitsvertragliche Vereinbarung eines festen Entgeltbetrages und dessen Bezeichnung als „Tariflohn/-gehalt” ist regelmäßig so zu verstehen, dass der in der Klausel festgehaltene Betrag sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Entgelttarifvertrages verändern wird.
Normenkette
TVG § 5 Abs. 4, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 2. März 2016 – 1 Sa 83/14 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen auf ihr Arbeitsverhältnis und sich daraus ergebende Vergütungsdifferenzen.
Der Kläger ist seit dem 1. April 1992 bei der Beklagten beschäftigt, die in H ein SB-Warenhaus betreibt und zu keinem Zeitpunkt Mitglied eines Arbeitgeberverbands war. In dem am 23. März 1992 zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag ist ua. vereinbart:
„§ 2 Arbeitszeit/Mehrarbeit |
Die regelmäßige Arbeitszeit richtet sich nach den geltenden tariflichen Bestimmungen und beträgt derzeit 189,75 Stunden monatlich.
Der Mitarbeiter erhält eine monatliche Arbeitsvergütung, die sich wie folgt zusammensetzt:
Tariflohn/-gehalt in Tarifgruppe K II b 5. Bj. |
DM |
2.770,58 |
55 % für 5,5 Std. DLA |
DM |
44,17 |
25 % für 17,25 Mehrstunden |
DM |
62,96 |
insgesamt brutto |
DM |
2.877,71 |
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== |
============== |
Der Mitarbeiter versichert, daß er im 5. Berufsjahr steht, wobei die Ausbildungsjahre nicht mitgezählt werden.
Die Bezüge werden nachträglich am Ende des betriebsüblichen Lohnzeitraumes gezahlt.
Freiwillige Zulagen einschließlich freiwilliger übertariflicher Zulagen sowie Sonderzulagen jedweder Art sind jederzeit frei widerruflich. Ein Rechtsanspruch auf solche Leistungen besteht auch bei wiederholter Zahlung nicht. Freiwillige übertarifliche Zulagen können bei Änderung der Tarifbezüge auf die tarifliche Erhöhung angerechnet werden.
Der Urlaubsanspruch des Mitarbeiters folgt den jeweils geltenden tariflichen Bestimmungen.
Soweit der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher oder tariflicher Vorschriften nur mit einer längeren Kündigungsfrist kündigen darf, gilt die verlängerte Kündigungsfrist auch für eine Kündigung seitens des Mitarbeiters. „
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages – und in der Folgezeit bis zum 31. März 2000 – waren im Saarland die Gehalts- und Lohntarifverträge sowie die Manteltarifverträge für den Einzelhandel allgemeinverbindlich.
Aus Anlass der Zuweisung jeweils anderer als der ursprünglich ausgeübten Verkaufstätigkeiten übersandte die Beklagte dem Kläger unter dem 6. April 1999, 1. Februar 2001, 23. April 2001 und 22. August 2001 jeweils Schreiben, in denen neben dem zukünftigen Gesamtlohnbruttobetrag auch eine Tarifgruppe und die Höhe des entsprechenden Tariflohns aufgeführt wurden. Ferner war jeweils die Gegenzeichnung des Klägers unter dem Text „mit dem Inhalt dieses Schreibens bin ich einverstanden” vorgesehen.
Mit Schreiben vom 9. Juli 2001 hatte die Beklagte dem Kläger für dessen Bereitschaft gedankt, die anstehende Tariferhöhung in Form einer Stundenreduzierung umzusetzen. Weiter heißt ua in dem Schreiben:
„Am 29.06.01 wurde der Tarifabschluß für den Einzelhandel Saarland, rückwirkend zum 01.04.01, erzielt.
Ihre Stundenleistung beträgt daher ab dem 01. Juli 2001 wöchentlich durchschnittlich: 41,25 Stunden, dies entspricht monatlich durchschnittlich: 179,31 Stunden.
Für die Monate April bis Juni 2001 erhalten Sie eine Nachzahlung entsprechend Ihrer bisherigen Stundenleistung.
Dieses Schreiben wird Bestandteil des mit Ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrages…”
Schließlich teilte sie dem Kläger mit Schreiben vom 25. März 2011 mit:
„Versetzung
Guten Tag, Herr B,
wir bestätigen die mit Ihnen getroffene Vereinbarung, wonach Ihr Einsatz, aus gesundheitlichen Gründen, ab dem
als Mitarbeiter an der Waschstraße erfolgt.
Aufgrund dieser Tätigkeit erfolgt Ihre Eingruppierung ab dem 01.04.2011 in die Lohngruppe L 2 b. Ihre Vergütung beträgt 1.881,00 EUR brutto monatlich bei einer durchschnittlichen Stundenleistung von 37,5 Stunden wöchentlich (= 163,00 Stunden monatlich)
Dieses Schreiben wird Bestandteil des mit Ihnen abgeschlossenen Arbeitsvertrages. …”
Ob der Kläger die vorgesehene Erklärung seines Einverständnisses mit dem Inhalt der Schreiben unterzeichnet hat, ist nicht festgestellt.
Das Landesarbeitsgericht hat – ohne genaue Daten und Zahlen zu nennen – festgestellt, dass die Beklagte auch nach dem Ende der Allgemeinverbindlichkeit die Tariferhöhungen aus den Gehalts- und Lohntarifverträgen des Einzelhandels im Saarland vollständig an ihre Arbeitnehmer weitergegeben hat. Erst nach einem Tarifabschluss, der eine Erhöhung der Tariflöhne zum 1. Juli 2013 vorsah, setzte sie diese Tariferhöhungen gegenüber ihren Arbeitnehmern nicht mehr um. Der Kläger erhielt über den 30. Juni 2013 hinaus wie zuvor eine monatliche Bruttovergütung iHv. 1.976,00 Euro. Ab dem 1. Januar 2014 zahlte die Beklagte ihm eine monatliche Bruttovergütung iHv. 2.016,00 Euro.
Mit seiner der Beklagten am 24. März 2014 zugestellten Klage sowie der Klageerweiterung vom 4. September 2014 hat der Kläger die Differenz zwischen der tariflichen Vergütung und der ihm von der Beklagten gezahlten Vergütung für den Zeitraum 1. Juli 2013 bis 31. August 2014 geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, sein Anspruch auf das jeweilige Tarifentgelt ergebe sich aus seinem Arbeitsvertrag, der dynamisch auf die jeweiligen Gehalts- und Lohntarifverträge für den saarländischen Einzelhandel Bezug nehme. Im Übrigen sei die Weitergabe der Tariferhöhungen durch die Beklagte nach dem Ende der für allgemeinverbindlich erklärten Gehalts- und Lohntarifverträge betriebsüblich gewesen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 506,00 Euro brutto nebst Zinsen in näher bestimmter Höhe und zeitlicher Staffelung zu zahlen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, einer Bezugnahme im Arbeitsvertrag während der Allgemeinverbindlichkeit der Gehalts- und Lohntarifverträge komme nur deklaratorische Bedeutung bezüglich der ohnehin bestehenden Verpflichtung zur Zahlung von Tarifvergütung zu. Dies gelte auch für die Anrechnung freiwilliger Zulagen auf das Tarifgehalt in § 3 Ziff. 7 des Arbeitsvertrags, der der Klarstellung diene, um auf die zu erwartenden Änderungen aufgrund der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags überhaupt reagieren zu können. Auch ihre späteren Schreiben enthielten keine Regelungen über eine dynamische Bezugnahme auf die Gehalts- und Lohntarifverträge des saarländischen Einzelhandels. Bei den Vereinbarungen aus Anlass der Änderung der Tätigkeit des Klägers habe es sich immer um Individualvereinbarungen gehandelt. Bezüglich der Weitergabe der Tariflohnerhöhungen nach dem Ende der Allgemeinverbindlichkeit der Gehalts- und Lohntarifverträge gebe es keine betriebliche Übung. Sie habe diese bis zum Jahre 2013 freiwillig ohne Bindungswillen an die Mitarbeiter weitergegeben. Zudem hätten weder die Vergütung des Klägers noch seine Arbeitszeit den jeweiligen Tarifabschlüssen, insbesondere dem Tarifabschluss 2001, entsprochen. Für den Kläger sei ersichtlich gewesen, dass sie nicht die jeweils abgeschlossenen Tarifverträge anwende, sondern eigene Regelungen getroffen habe, die für den Betrieb besser gepasst hätten.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist teilweise rechtsfehlerhaft. Die festgestellten Tatsachen tragen die Begründung der Entscheidung nicht in vollem Umfang. Es fehlt an ausreichenden Feststellungen, auf welchen konkreten Tarifvertrag sich die vertragliche Bezugnahme für den streitgegenständlichen Zeitraum bezog. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht der Klage entsprochen. Es geht zwar zunächst zutreffend davon aus, dass ein normativ wirkender Tarifvertrag als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht kommt (I.), die Parteien für die Vergütung in ihrem Arbeitsvertrag im Jahre 1992 jedoch dynamisch auf tarifliche Regelungen verwiesen haben (II) und dass diese Vereinbarung bis zum Streitzeitraum 2013/2014 nicht geändert worden ist (III). Das Berufungsgericht hat es jedoch unterlassen, hinreichend klar festzustellen, welcher (Entgelt-) Tarifvertrag welcher Tarifvertragsparteien nach dem Willen der Parteien mit ihrem Arbeitsvertrag konkret in Bezug genommen worden ist und insbesondere, auf welche Tarifverträge sich die dynamische Verweisungsklausel vor und während des Streitzeitraums erstreckte (IV). Damit ist weder die Anspruchsgrundlage bestimmt noch das Vorliegen ihrer Tatbestandsmerkmale.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich ein Anspruch des Klägers nicht aus § 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1 TVG ergibt, da im Saarland Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel seit dem 31. März 2000 nicht mehr für allgemeinverbindlich erklärt sind. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, da es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts an einer Tarifgebundenheit der Parteien im streitgegenständlichen Zeitraum fehlt.
II. Im Ergebnis ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht zunächst angenommen, dass die Parteien mit dem Arbeitsvertrag vom 23. März 1992 hinsichtlich der Höhe des vereinbarten monatlichen Arbeitsentgelts zeitdynamisch auf einen nach seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifvertrag Bezug genommen haben.
1. Bei dem Arbeitsvertrag vom 23. März 1992 handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Auslegung durch das Landesarbeitsgericht vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden kann (st. Rspr., vgl. dazu nur BAG 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283).
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (st. Rspr., vgl. nur BAG 12. Dezember 2012 – 4 AZR 65/11 – Rn. 18 mwN; 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283).
2. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass sich das Entgelt des Klägers nach den jeweils einschlägigen tariflichen Vergütungsbestimmungen richten sollte.
a) Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten unmissverständlichem Wortlaut der Vergütungsvereinbarung (§ 3 des Arbeitsvertrags) sollte der Kläger bei einer Tätigkeit als Verkäufer ein „Tariflohn/-gehalt” iHv. 2.770,58 DM nach der „Tarifgruppe K II b 5. Bj.” erhalten. Damit hat die Beklagte als Klauselverwenderin hinreichend deutlich ihre Absicht zum Ausdruck gebracht, den Kläger entsprechend den einschlägigen tariflichen Vergütungsbestimmungen zu vergüten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu vergleichbaren Formulierungen darf der durchschnittliche Arbeitnehmer bei einer derartigen Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als „Tariflohn/-gehalt” regelmäßig begründet davon ausgehen, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde für die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht statisch bleiben, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Entgelttarifvertrages verändern. Ein redlicher Arbeitgeber würde – wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte – die Bezeichnung eines Tariflohns/-gehalts unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass er nicht „nach Tarif” zahlen will, sondern sich das vereinbarte Entgelt auf Dauer ausschließlich nach den konkret bezifferten Parteivereinbarungen richten soll (st. Rspr., vgl. nur BAG 25. Januar 2017 – 4 AZR 517/15 – Rn. 42 mwN).
b) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der arbeitsvertraglichen „Vergütung” bzw. „Arbeitsvergütung” in § 3 des Arbeitsvertrags, die sich aus dem „Tariflohn/-gehalt” und einem Betrag für „DLA” sowie einem für „Mehrstunden” zusammensetzt und „insgesamt brutto” ausgewiesen wird, kein anderes systematisches Auslegungsergebnis. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Angabe des Tariflohns/-gehalts lediglich als eine „Kontrollgröße” dienen sollte, ohne irgendeinen Bezug zu den tarifvertraglichen Vergütungsregelungen zu haben (vgl. dazu BAG 16. Mai 2012 – 4 AZR 224/10 – Rn. 18 ff. mwN.). Die Parteien haben den von ihnen niedergelegten Betrag – „insgesamt brutto” – gerade nicht als ein – dauerhaft absolutes – Monatsgehalt frei vereinbart, dh. unabhängig von tariflichen Regelungen, und damit ein bestimmtes Arbeitsentgelt arbeitsvertraglich in absoluter Höhe festgelegt. Sie haben vielmehr die jeweiligen Entgeltbeträge im Arbeitsvertrag mit abstrakten Berechnungsgrößen verbunden und die diesen Berechnungsgrößen zugeordneten konkreten Einzelbeträge lediglich zu einem Gesamtbruttogehalt summiert.
Auch waren die weiteren Bestandteile „DLA” und „Mehrstunden” nicht „frei vereinbart”, sondern entsprachen den seinerzeit geltenden tariflichen Regelungen. Nach den von der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelte es sich um Zuschläge, die für eine Tätigkeit am sog. Dienstleistungsabend „langer Donnerstag”) aufgrund § 7 Nr. 11 bzw. § 8 Nr. 3 des damals aufgrund seiner Allgemeinverbindlichkeit geltenden Manteltarifvertrages für den saarländischen Einzelhandel vom 3. Juli 1989 zu zahlen waren und um den ebenfalls manteltariflich geregelten Mehrarbeitszuschlag, also nicht um (freiwillige) übertarifliche Zulagen.
c) Die Parteien haben die Klausel auch nicht übereinstimmend in einem bestimmten, von ihrem Wortlaut abweichenden Sinn verstanden.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, ein übereinstimmendes Verständnis der Parteien über die Auslegung des Arbeitsvertrages vom 23. März 1992, insbesondere § 3 dieses Vertrages, habe nicht bestanden. Damit liege ein etwaiges Parteiverständnis, das der objektiven Auslegung des Vertrages vorgehen könnte, nicht vor. Zwar geht ein übereinstimmender Wille nicht nur der Auslegung einer Individualvereinbarung, sondern auch der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, wenn die Vertragsparteien eine Klausel übereinstimmend in einem bestimmten Sinne verstanden haben (vgl. BAG 15. September 2009 – 3 AZR 173/08 – Rn. 27 mwN; zuletzt: 24. August 2016 – 5 AZR 129/16 – Rn. 37; Schaub ArbR-HdB/Linck 17. Aufl. § 35 Rn. 33). Jedoch hat das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass auch das Verhalten der Parteien nach Abschluss der Vereinbarung sowie deren Prozessverhalten, die als Indiz für die Ermittlung des tatsächlichen Willens und Verständnisses der Parteien bei Vertragsschluss bedeutsam sein können (vgl. BAG 15. September 2009 – 3 AZR 173/08 – aaO mwN; 24. August 2016 – 5 AZR 129/16 – Rn. 27), eine solche Schlussfolgerung hier aber gerade nicht zulassen. Insbesondere können, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, die Ausführungen des Klägers in seiner Berufungserwiderung vom 20. Februar 2015, er gehe davon aus, dass die im Arbeitsvertrag der Parteien erfolgte Benennung einer bestimmten Berufsgruppe und eines bestimmten Berufsjahres noch keinen Anspruch auf dynamische Tarifanwendung begründet hätten, vor dem Hintergrund seiner Klagebegründung und seines sonstigen Vortrages ein solches Klauselverständnis gerade nicht begründen.
bb) Die hierauf bezogene Verfahrensrüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe mit seinem Hinweis vom 4. September 2015 in unzulässiger Weise auf einen weiteren, für den Kläger vorteilhaften Vortrag hingewirkt und damit den Beibringungsgrundsatz verletzt, ist bereits unzulässig.
Zum einen hätte die Beklagte den Vorwurf eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Unparteilichkeit allenfalls zum Gegenstand eines Ablehnungsgesuchs wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 42 ZPO machen können. Zum anderen war ihr der Inhalt der Verfügung des Landesarbeitsgerichts vom 4. September 2015 vor dem Termin der mündlichen Verhandlung am 2. März 2016 bereits seit langem bekannt. Die Beklagte hat diesen Hinweis aber nicht zum Anlass genommen, ein Ablehnungsgesuch zu stellen oder die Aufklärungsverfügung zu rügen, sondern hat ihre Anträge gestellt und anschließend zur Sache verhandelt. Deshalb kann sie im Revisionsverfahren den erteilten Hinweis nicht mehr als Verfahrensfehler geltend machen. Die Verletzung einer das Verfahren in der Berufungsinstanz betreffenden Vorschrift kann in der Revisionsinstanz nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei das Rügerecht bereits in der Berufungsinstanz nach der Vorschrift des § 295 ZPO verloren hat, § 556 ZPO (BGH 7. Dezember 2005 – XII ZR 94/03 – zu 1 a der Gründe mwN, BGHZ 165, 223; s. auch Greger in: Zöller, ZPO 31. Aufl. § 139 Rn. 2).
d) Das Nachweisgesetz kann die Beklagte zur Begründung ihres Auslegungsergebnisses nicht heranziehen. Das NachwG ist erst am 28. Juli 1995 – mithin mehr als drei Jahre nach dem Abschluss des Arbeitsvertrags – in Kraft getreten. Es kann daher von vornherein nicht angenommen werden, die Beklagte hätten mit ihrer Formulierungen zum Entgeltanspruch des Klägers den des NachwG gerecht werden wollen.
III. Das Landesarbeitsgericht hat weiter ohne revisiblen Rechtsfehler angenommen, die Parteien hätten aufgrund der nachfolgenden, an den Kläger gerichteten Schreiben der Beklagten vom 6. April 1999, 1. Februar 2001, 23. April 2001, 9. Juli 2001, 22. August 2001 und vom 25. März 2011 die im Arbeitsvertrag von 1992 vereinbarte dynamische Bezugnahmeklausel weder abgeändert noch aufgehoben. Diese Schreiben würden vielmehr den Willen der Beklagten bestätigen, künftige Erhöhungen des Tarifentgelts unabhängig von der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags weiterhin an den Kläger weiterzugeben.
1. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger jeweils durch seine Unterschrift bestätigt hat, dass er mit dem Inhalt des Schreibens einverstanden war, und ein so unterzeichnetes Exemplar an die Beklagte zurückgegeben wurde, was das Landesarbeitsgericht auch nicht festgestellt hat. Selbst wenn der Kläger die Schreiben unterzeichnet haben sollte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.
Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei diesen Schreiben um sog. atypische oder typische Erklärungen handelt (vgl. dazu BAG 15. Dezember 2016 – 6 AZR 430/15 – Rn. 32 und 25. Januar 2017 – 4 AZR 517/15 – Rn. 44). Sowohl die Auslegung nach dem Maßstab für atypische (vgl. BAG 27. Februar 2013 – 4 AZR 78/11 – Rn. 16 mwN) als auch nach demjenigen für typische Willenserklärungen (vgl. BAG 7. Dezember 2016 – 4 AZR 414/14 – Rn. 21 mwN) führen zu dem Ergebnis, dass die im Arbeitsvertrag von 1992 vereinbarte zeitdynamische Bezugnahmeklausel durch die Schreiben der Beklagten an den Kläger im Zeitraum von 1999 bis 2011 nicht aufgehoben wurde.
2. Nach dem maßgebenden Wortlaut der Schreiben sowie deren erkennbarem Sinn und Zweck ergibt sich unter keinem Gesichtspunkt eine einvernehmliche Abänderung oder Aufhebung der dynamischen Verweisungsklasuel.
a) Dies gilt zunächst für das Schreiben der Beklagten aus dem Jahr 1999.
Dies enthält kein Angebot zur Abänderung oder Neufassung der bestehenden vertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag vom 23. März 1992. Änderungsgegenstand ist allein die neue Tätigkeit des Klägers in der Metzgereiabteilung sowie – ausweislich der Überschrift – eine Arbeitszeitänderung. Diesen Änderungen lassen sich auch keine Anhaltspunkte für eine Änderung einer der übrigen Vertragsbedingungen und insbesondere dafür entnehmen, dass die Parteien die unbedingte zeitdynamische Verweisung auf die Tarifverträge entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 23. März 1992 abgeändert haben. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, dass auch dieses Schreiben einen Tariflohn gemäß einer Tarifgruppe „L 3 c”) vorsieht. Abgesehen von der sich offenbar unmittelbar daraus ergebenden Vergütung und der Arbeitszeit blieben alle anderen Haupt- und Nebenleistungspflichten dagegen unerwähnt. Für den Kläger hat die Beklagte damit deutlich zum Ausdruck gebracht, sie vergüte ihn weiterhin entsprechend den einschlägigen tariflichen Vergütungsbestimmungen.
b) Gleiches gilt im Ergebnis für die Erklärungen der Beklagten vom 1. Februar und 23. April 2001. Auch diese befassen sich mit einem Tätigkeitswechsel des Klägers in den Baumarkt. In dem Schreiben vom 1. Februar 2001 wird ausdrücklich die „Eingruppierung” des Klägers erwähnt. Beide Schreiben verweisen zudem auf ein Tarifgehalt entsprechend einer in ihnen genannten Tarifgruppe, die sich in dem Anschreiben vom 23. April 2001 sogar auf den „saarl. Einzelhandel” bezieht, obwohl der allgemeinverbindliche Gehalts- und Lohntarifvertrag vom 10. August 1999 bereits am 31. März 2000 außer Kraft getreten war. Mit der weiteren Formulierung „Im Übrigen bleiben die mit Ihnen getroffenen Vereinbarungen unverändert gültig” haben die Parteien zudem deutlich gemacht, dass sie sämtliche vorherigen Vereinbarungen und damit auch die bisherige Bezugnahmeklausel in ihre rechtsgeschäftliche Willensbildung einbezogen haben (vgl. dazu BAG 7. Dezember 2016 – 4 AZR 414/14 – Rn. 33; 19. Oktober 2011 – 4 AZR 811/09 – Rn. 27 mwN).
Soweit die Revision darauf abstellt, die Verwendung der Begriffe „Tarifgruppe / Lohngruppe / Tarifentgelt” beruhe historisch auf der ehemaligen Allgemeinverbindlichkeit der Vergütungstarifverträge sowie darauf, dass die Beklagte betriebsverfassungsrechtlich zur Eingruppierung in die nunmehrige betriebliche Entgeltordnung verpflichtet gewesen sei, ändert dies nichts an der Auslegung des Arbeitsvertrags vom 23. März 1992. Rechtsgeschäftliche Willenserklärungen sind grundsätzlich nach einem objektivierten Empfängerhorizont auszulegen. Dabei haben die Motive des Erklärenden, soweit sie nicht in dem Wortlaut der Erklärung oder in sonstiger, für die Gegenseite hinreichend deutlich erkennbaren Weise ihren Niederschlag finden, außer Betracht zu bleiben. Es besteht keine Verpflichtung des Erklärungsempfängers, den Inhalt oder den Hintergrund des ihm regelmäßig formularmäßig gemachten Angebots durch Nachfragen aufzuklären. Kommt der Wille des Erklärenden nicht oder nicht vollständig zum Ausdruck, gehört dies zu dessen Risikobereich. Die Regelung eines Vertrages über eine entgeltliche Leistung beschränkt sich im Allgemeinen auf die Bestimmung von Leistung und Gegenleistung. Die Motive, aus denen jeder der Partner einen Vertrag schließt, sind für die Rechtsfolgen des Vertrages grundsätzlich unbeachtlich. Sie sind nicht Teil der vertraglichen Vereinbarung selbst, nämlich der Bestimmung von Leistung und Gegenleistung (BAG 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 30 mwN, BAGE 122, 74). Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, die Beklagte habe sich weiterhin auf die Gehalts- und Lohntarifverträge bezogen und auch die Tariferhöhungen weitergegeben, ohne darauf hinzuweisen, dass dies aus ihrer Sicht freiwillig – nach einer jeweiligen Prüfung im Einzelfall – erfolge.
c) Auch hinsichtlich des Schreibens vom 9. Juli 2001 hat das Landesarbeitsgericht zutreffend zum Ausdruck gebracht, die Parteien hätten nur eine abweichende Umsetzung des Tarifabschlusses für den saarländischen Einzelhandel vereinbart. Damit sei aber nicht die unbedingte zeitdynamische Bezugnahmeklausel aus dem Arbeitsvertrag vom 23. März 1992 aufgehoben worden. Das Landesarbeitsgericht hat dazu festgestellt, dass die Beklagte im Jahr 2001 den Mitarbeitern die Wahl zwischen zwei sich wirtschaftlich gleich auswirkenden Alternativen lassen wollte, nämlich zwischen der Tariflohnerhöhung gemäß
Tarifvertrag oder einer Stundenreduzierung bei nominal gleichbleibendem Gehalt. Damit sei – nachdem der Kläger seine Wahl zugunsten einer Stundenreduzierung getroffen habe – der Arbeitsvertrag zwar modifiziert worden, ein weitergehender rechtsgeschäftlicher Wille dahingehend, die unbedingte zeitdynamische Bezugnahme auf die Vergütungstarifverträge des Einzelhandels zu beenden, sei dem Schreiben der Beklagten dagegen nicht zu entnehmen. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist gut vertretbar, da durch diese Regelung die Parteien die Relation zwischen Arbeitszeit und Tarifentgelt entsprechend den tariflichen Erhöhungen angepasst haben.
d) Auch die Schreiben vom 22. August 2001 und vom 25. März 2011 befassen sich lediglich mit einem Tätigkeitswechsel des Klägers in die Metzgerei und später in die Waschstraße, nicht aber mit der Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrags. Soweit die Erklärung vom 22. August 2001 von einer „Vergütung” und nicht einem „Tarifgehalt/entgelt” spricht, ergibt sich hieraus kein anderes Auslegungsergebnis. Zum einen ist auch dort die „Eingruppierung” des Klägers in die „Lohngruppe 3 c” enthalten. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichtes entsprach diese Vergütung (wie auch in den beiden vorangegangenen Vereinbarungen) der Höhe nach der in einem – nicht näher bezeichneten – Lohn- und Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel im Saarland für die Lohn/Entgeltgruppe bestimmten Vergütung, in der der Kläger eingruppiert war. Zum anderen trägt das Anschreiben vom 22. August 2001 sogar die Überschrift „Zusatz zum Arbeitsvertrag” und enthält die Formulierung „Im Übrigen bleiben die mit Ihnen getroffenen Vereinbarungen unverändert gültig.” Damit hat die Beklagte wiederum deutlich gemacht, dass sie sämtliche vorherigen Vereinbarungen und damit auch die bisherige Bezugnahmeklausel in ihre rechtsgeschäftliche Willensbildung einbezogen hat. Davon konnte der Kläger schließlich wegen der gleichlautenden Formulierungen zu „Eingruppierung” und „Lohngruppe” sowie dem Hinweis, dieses Schreiben werde Bestandteil des abgeschlossenen Arbeitsvertrages, auch bezüglich des Schreibens vom 25. März 2011 ausgehen.
IV. Das Landesarbeitsgericht hat sich allerdings darauf beschränkt, die Dynamik der Verweisungsklausel zu begründen. Es hat versäumt, zu ermitteln, an welchen (Entgelt-)Tarifvertrag welcher Tarifvertragsparteien die arbeitsvertragliche Anbindung für den Streitzeitraum gegeben war. Die Identität des Tarifvertrags oder der Tarifverträge zu benennen, an die die Arbeitsvertragsparteien den Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses (hier: die Vergütungsregelung) dynamisch gekoppelt haben, ist dabei – jeglichen Zweifel ausschließend – vom Tatsachengericht genauso festzustellen, wie möglichen Veränderungen oder Fortentwicklungen nach einer Beendigung eines von der Bezugnahmeklausel ursprünglich erfassten Tarifvertrags und seines von der Verweisungsklausel erfassten „Folgetarifvertrags”. Auf welchen Tarifvertrag sich die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel aus welchen Gründen 21 Jahre später beziehen soll, auf welche Anspruchsgrundlagen sich der Kläger damit ggf. berufen kann und ob deren Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht erfüllt sind, hat das Landesarbeitsgericht weder thematisiert noch festgestellt.
1. Aus den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts lässt sich zumindest entnehmen, dass es für die Zeit des Abschlusses des Arbeitsvertrags davon ausgegangen ist, die Verweisungsklausel beziehe sich auf die zu dieser Zeit allgemeinverbindlichen Tarifverträge des saarländischen Einzelhandels. Den Manteltarifvertrag vom 3. Juli 1989 hat es im Zusammenhang mit den Regelungen zu Zuschlägen, zur Arbeitszeit und zum Urlaub ausdrücklich erwähnt. Ähnliches gilt, wenngleich nicht in derselben Klarheit, für die zu dieser Zeit ebenfalls allgemeinverbindlichen Entgelttarifverträge. Es mag deshalb naheliegen, von einer Inbezugnahme dieser Tarifverträge durch die Arbeitsvertragsparteien auszugehen. Dafür spricht neben der Allgemeinverbindlichkeit auch die Übereinstimmung der im Vertrag angegebenen Vergütung mit der seinerzeitgen tariflichen Entgeltregelung zur Tarifgruppe K II b 5. Berufsjahr.
2. Es ist weiter davon auszugehen, dass sich auch in den Jahren nach dem Arbeitsvertragsschluss die Verweisungsklausel auf die – zunächst – weiter allgemeinverbindlichen Tarifverträge bezogen hat.
Im Zeitraum zwischen dem 1. April 1992 und dem 31. März 2000 waren ohne Unterbrechung weitere Gehalts- und Lohntarifverträge für die Arbeitnehmer/innen im saarländischen Einzelhandel allgemeinverbindlich. Der letzte für allgemeinverbindlich erklärte Gehalts- und Lohntarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen im saarländischen Einzelhandel vom 10. August 1999, gültig ab dem 1. April 1999, wurde auf der Arbeitnehmerseite von der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen sowie der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft abgeschlossen. Auf der Arbeitgeberseite war er – allerdings anders als der bei Abschluss des Arbeitsvertrags der Parteien allgemeinverbindliche Tarifvertrag – nicht von dem „Landesverband des Saarländischen Einzelhandels e.V.”, sondern von dem „Landesverband Einzelhandel und Dienstleistungen Saarland e. V.” abgeschlossen.
3. Das Landesarbeitsgericht hat es aber rechtsfehlerhaft versäumt festzustellen, auf welchen Tarifvertrag oder welche Tarifverträge sich die dynamische Verweisungsklausel im Streitzeitraum von Juli 2013 bis August 2014 bezogen hat. Es hat insofern einen nicht näher bezeichneten Tarifvertrag offenbar für anwendbar und die Voraussetzungen der darin niedergelegten Entgeltansprüche im Arbeitsverhältnis des Klägers ohne weiteres als gegeben angesehen. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Berufungsurteils.
a) Im Einzelhandel des Saarlandes gab und gibt es auf beiden Seiten der Sozialpartner verschiedene tarifvertragschließende Parteien. Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die Rechtsnachfolgerin ua. der Gewerkschaften Handel, Banken und Versicherungen (HBV) und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) geworden ist (vgl. dazu BAG 4. Juli 2007 – 4 AZR 491/06 – Rn. 48 ff., BAGE 123, 213) und dem Deutschen Gewerkschaftsbund als Dachverband angehört, hat (wohl) regelmäßig auf Arbeitnehmerseite Tarifverträge vereinbart. Daneben hat nach öffentlich zugänglichen Informationen des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr Saarland, Tarifauskunft (https://www.saarland.de/SID-DE1E43A0-21B3DC3B/99496.htm unter der Berufsgruppe E – Einzelhandel), auch die „DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. Landesverband Rheinland-Pfalz/Saar”, die nach dem – nicht rechtskräftigen – Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 4. Mai 2016 (– 5 TaBV 8/15 –; Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht unter – 1 ABR 37/16 – anhängig) eine tariffähige Gewerkschaft ist, Tarifverträge abgeschlossen. Auf Arbeitgeberseite war bei den allgemeinverbindlichen Lohn- und Gehaltstarifverträgen zunächst ein „Landesverband des saarländischen Einzelhandels e.V.” und später ein „Landesverband Einzelhandel und Dienstleistung Saarland e.V.” Vertragspartei. Der letzte dem Revisionsgericht vorliegende Lohn- und Gehaltstarifvertrag für den streitgegenständlichen Zeitraum für die Beschäftigten im saarländischen Einzelhandel wurde zwischen einem „Handelsverband Einzelhandel und Dienstleistung Saarland e.V.” und der Gewerkschaft ver.di, Landesbezirk Saar abgeschlossen.
b) Welcher der möglichen Tarifverträge nunmehr der für das Arbeitsverhältnis maßgeblich ist, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.
aa) Es hat zunächst insoweit außer Acht gelassen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag nach seinem Ablauf eine Nachwirkung gemäß § 4 Abs. 5 TVG auch in denjenigen Arbeitsverhältnissen entfaltet, die vorher nicht durch Mitgliedschaft gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG, sondern durch Allgemeinverbindlichkeit gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 TVG der zwingenden Wirkung unterworfen waren (BAG 25. Januar 2017 – 4 AZR 521/15 – Rn. 40 mwN; s.a. 11. Februar 2009 – 5 AZR 168/08 – Rn. 16; 17. Januar 2006 – 9 AZR 41/05 – Rn. 22, BAGE 116, 366; ausf. 25. Oktober 2000 – 4 AZR 212/00 – zu 1 der Gründe; ebenso Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 5 Rn. 125; Däubler/Bepler TVG 4. Aufl. § 4 Rn. 961; ErfK/Franzen 17. Aufl. TVG § 5 Rn. 26; HWK/Henssler 7. Aufl. TVG § 5 Rn. 37; krit. Sittard Tarifnormerstreckung S. 289; Creutzfeldt FS Bepler S. 45, 48 ff.). Selbst wenn man davon ausginge, dass eine vor dem Ende der Allgemeinverbindlichkeit vereinbarte dynamische Verweisungsklausel eine andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG wäre, oder dass eine solche individuelle Vereinbarung von vornherein die Verdrängung einer Nachwirkung zur Folge hätte, wäre es erforderlich gewesen, die Erfassung eines Folgetarifvertrags durch die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel – ggf. durch ergänzende Vertragsauslegung – festzustellen und zu begründen (BAG 25. Januar 2017 – 4 AZR 521/15 – Rn. 40; vgl. zur Frage der Anwendung des TVöD oder des TV-Ärzte nach dem Ende des BAT aufgrund einer auf diesen verweisenden Klausel im Arbeitsvertrag eines Arztes BAG 18. April 2012 – 4 AZR 392/10 – Rn. 13 ff., BAGE 141, 150). Dies hat das Landesarbeitsgericht sowohl für den von ihm offenbar als zutreffend angesehenen, aber nicht benannten Folgetarifvertrag als auch für die danach anzuwendenden „Lohn- und Gehaltstarifverträge für den saarländischen Einzelhandel” versäumt.
bb) Ohne die Benennung einer im Arbeitsverhältnis der Parteien verbindlichen Anspruchsgrundlage und die Feststellung, dass die dort genannten Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind, kann der Klage nicht stattgegeben werden. Dementsprechend ist den Parteien Gelegenheit zu geben, den hierauf bezogenen Sachvortrag zu erbringen. Das Gericht ist dabei nicht verpflichtet, die in Frage kommenden Tarifverträge unter Beachtung von § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. Dies ist nur dann der Fall, wenn es um die normative Wirkung eines Tarifvertrages nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 4 TVG geht (BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 51/14 – Rn. 25 mwN). Dies gilt jedoch nicht, wenn – wie hier – die Anwendung eines Tarifvertrags ausschließlich auf einer individualvertraglichen Vereinbarung beruht (vgl. BAG 8. Juli 2015 – 4 AZR 51/14 – Rn. 25). Ein richterlicher Hinweis auf nach Auffassung des Gerichts insoweit noch fehlenden Sachvortrags ist jedoch nach Art. 103 GG iVm. § 139 Abs. 2 ZPO zu erteilen.
c) Soweit das Berufungsgericht unter Ziff. III der Entscheidungsgründe – möglicherweise lediglich missverständlich – ausgeführt hat, der Anspruch ergebe sich „unmittelbar aus § 3 des Arbeitsvertrages” vom 23. März 1992, ist dies evident unzutreffend. In dieser Vereinbarung ist lediglich ein Betrag von 2.877,71 DM ausdrücklich genannt worden. Hierauf stützt auch das Berufungsgericht seine Auffassung nicht. Sollte es damit gemeint haben, der zuerkannte Anspruch folge aus § 3 des Arbeitsvertrags in Verbindung mit einem aktuellen Lohn- oder Gehaltstarifvertrag, so fehlt es – wie dargelegt – an der erforderlichen, konkreten Angabe des angewandten, in Bezug genommenen Tarifvertrags.
Unterschriften
Eylert, Creutzfeldt, Klose, Plautz, Wuppermann
Fundstellen