Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall: 80% oder 100%
Leitsatz (amtlich)
Nach § 10 Ziff. 2 des Rahmentarifvertrages für Landarbeiter landwirtschaftlicher Betriebe in Bayern vom 7. Mai 1992 haben Arbeitnehmer bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100%.
Normenkette
Rahmentarifvertrag für Landarbeiter landwirtschaftlicher Betriebe in Bayern vom 7. Mai 1992 § 10 Ziff. 2; Rahmentarifvertrag für Landarbeiter landwirtschaftlicher Betriebe in Bayern vom 7. Mai 1992 § 10 Ziff. 3; EFZG § 4 Abs. 1 S. 1 n.F.
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 18. März 1998 – 9 Sa 817/97 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 18. Juni 1997 – 16 Ca 1607/97 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Kläger ist bei dem beklagten Land seit dem 10. März 1990 als Mechaniker in der Versuchsgüterverwaltung beschäftigt. Im November 1996 war er an sieben Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Das beklagte Land leistete Entgeltfortzahlung in Höhe von 80 % der regelmäßigen Vergütung. Der Kläger verlangt Fortzahlung in voller – rechnerisch unstreitiger – Höhe.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Rahmentarifvertrag für Landarbeiter landwirtschaftlicher Betriebe in Bayern von 7. Mai 1992 (RTV) Anwendung. § 10 des Tarifvertrages enthält Regelungen über „Arbeitsversäumnis und Lohnfortgewährung”. Die Vorschrift lautet auszugsweise wie folgt:
„1. …
2. Ist der Arbeitnehmer infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er gegen seinen Arbeitgeber Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen nach dem Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) vom 27. Juli 1969.
3. Lohn wird nur für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit gezahlt. Nur in folgenden Fällen wird der Lohn ohne Arbeitsleistung fortgezahlt, jedoch nur in Höhe des tatsächlichen Lohnausfalles:
- bis zu zwei Tagen
- …
- bis zu einem Tag
- bei schwerer Erkrankung in der Familie (Ehegatte, Kinder) sofern der Arzt bescheinigt, daß die Anwesenheit des Arbeitnehmers zur vorläufigen Pflege unbedingt erforderlich war;
- …”
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, § 10 Nr. 2 RTV stelle eine konstitutive tarifliche Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall dar. Die Vorschrift sei eine statische Verweisung auf das Lohnfortzahlungsgesetz vom 27. Juli 1969.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 228,83 DM brutto zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat die Auffassung vertreten, bei § 10 Nr. 2 RTV handele es sich nicht um eine eigenständige Tarifregelung, sondern um eine dynamische Verweisung auf das jeweils geltende Gesetz zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt das beklagte Land seinen Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben dem Klageantrag zu Unrecht entsprochen. Die Höhe der dem Kläger zustehenden Entgeltfortzahlungen bestimmt sich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EFZG in seiner seit dem 1. Oktober 1996 geltenden Fassung. Aus § 10 Nr. 2 RTV folgt nichts anderes. Die Bestimmung stellt keine eigenständige Regelung durch eine statische Verweisung auf das Lohnfortzahlungsgesetz dar. Den dem Kläger gesetzlich zustehenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung hat das beklagte Land unstreitig erfüllt. Die Klageforderung besteht nicht.
I. Vor dem Inkrafttreten des Entgeltfortzahlungsgesetzes am 1. Juni 1994 gab es für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für Arbeiter und Angestellte unterschiedliche Rechtsgrundlagen. Für Arbeiter galt das „Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz)” vom 27. Juli 1969, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1988. Angestellte hatten nach § 616 Abs. 2 BGB, § 63 HGB und § 133 c GewO Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall. Durch das Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26. Mai 1994 wurde die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für Arbeiter und Angestellte auf eine einheitliche gesetzliche Grundlage gestellt. Dabei blieb die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts zunächst unverändert. Durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1476) wurde die Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall herabgesetzt. Sie beträgt nunmehr nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EFZG „80 vom Hundert des dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts”.
Bestehende tarifliche Regelungen sind durch das Gesetz vom 25. September 1996 nicht aufgehoben worden. Der Gesetzgeber wollte in bestehende Tarifverträge nicht eingreifen (vgl. BT-Drucks. 13/4612, S. 2; Buchner, NZA 1996, 1177, 1179/80).
II. Nach § 10 Nr. 2 RTV vom 7. Mai 1992 hat ein gewerblicher Arbeitnehmer bei Krankheit „Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts … nach dem Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall (Lohnfortzahlungsgesetz) vom 27. Juli 1969”. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, darin liege eine konstitutive tarifliche Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
§ 10 Nr. 2 RTV stellt keine statische Verweisung auf das in ihm genannte Lohnfortzahlungsgesetz und darum keine inhaltlich eigenständige tarifliche Regelung dar. Es handelt sich entweder um einen bloßen Hinweis auf das geltende Gesetzesrecht, bei dem schon jeglicher Normsetzungswille der Tarifvertragsparteien fehlt, oder es handelt sich um eine Tarifnorm, die jedoch als dynamische Verweisung auch für die Tarifunterworfenen nur die jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung für anwendbar erklärt. Als Tarifnorm im Sinne einer statischen Verweisung auf das Lohnfortzahlungsgesetz in seiner ursprünglichen Fassung vom 27. Juli 1969 kann § 10 Nr. 2 RTV dagegen nicht verstanden werden. Dies ergibt die Auslegung der Bestimmung.
1. Die Regelung richtet sich nicht an die Tarifvertragsparteien selbst, sondern an die Tarifunterworfenen. Ihre Auslegung betrifft deshalb den normativen Bereich des Tarifvertrages. Dessen Auslegung richtet sich nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Daß deren Anwendung voraussetze, es müsse die Normqualität der auszulegenden tariflichen Bestimmung bereits feststehen (so Menssen, AuR 1998, 234), ist nicht zutreffend. Es geht darum, wie Dritte – die Tarifunterworfenen und die Gerichte – die Bestimmung zu verstehen haben. Die Frage nach ihrem Inhalt und die Frage danach, ob es sich um eine Norm handelt, lassen sich nicht trennen. Beide sind nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung zu beantworten (zutreffend Kamanabrou, RdA 1997, 22, 23; zu den Auslegungsgrundsätzen im einzelnen vgl. BAG Urteile vom 16. Juni 1998 – 5 AZR 67/97 –, – 5 AZR 638/97 – und 1. Juli 1998 – 5 AZR 545/97 – sämtlich zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Im Rahmen ihrer Rechtsprechung zur tariflichen Übernahme gesetzlicher Kündigungsfristen haben der Zweite und der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts für tarifliche Verweisungen auf gesetzliche Vorschriften die Auslegungsregel entwickelt, im Zweifel seien diese Verweisungen – ebenso wie die wort- oder inhaltsgleiche Übernahme des Gesetzestextes – deklaratorisch. Wenn nicht gegenteilige Anhaltspunkte vorlägen, sei davon auszugehen, daß es den Tarifvertragsparteien lediglich darum gegangen sei, eine unvollständige Darstellung der Rechtslage zu vermeiden und die Tarifgebundenen im Interesse von Klarheit und Übersichtlichkeit möglichst umfassend zu unterrichten (BAGE 40, 102 = AP Nr. 133 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Beschluß vom 28. Januar 1988 – 2 AZR 296/87 – AP Nr. 24 zu § 622 BGB; BAG Urteil vom 4. März 1993 – 2 AZR 355/92 – AP Nr. 40 zu § 622 BGB). Die Literatur hat sich dem Bundesarbeitsgericht für die Auslegung von Verweisungen- nicht so für die Auslegung von wörtlichen oder inhaltsgleichen Übernahmen des Gesetzestextes – im Ergebnis weitgehend angeschlossen (Buchner, NZA 1996, 1177, 1182; Kamanabrou, RdA 1997, 22, 27; Rieble, RdA 1997, 134, 140; Giesen, RdA 1997, 193, 201, Fußnote 93; K. Gamillscheg, Anm. zu BAG Urteil vom 5. Okto-ber 1995, SAE 1996, 274, 278; Bengelsdorf, Anm. zu BAG AP Nr. 48 zu § 622 BGB; Wiedemann, Anm. zu BAG AP Nr. 133 zu § 1 TVG Auslegung).
Auch der erkennende Senat ist der Rechtsprechung des Zweiten und Siebten Senats hinsichtlich der Auslegung tariflicher Verweisungen gefolgt (Urteil vom 16. Juni 1998 – 5 AZR 67/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Mit einer Verweisung auf geltende – ohnehin anwendbare – gesetzliche Vorschriften bringen die Tarifvertragsparteien in aller Regel zum Ausdruck, daß nur das Gesetz und nicht der Tarifvertrag maßgeblich sein soll. Dabei macht es keinen Unterschied, ob allgemein auf „die gesetzlichen Bestimmungen” oder auf bestimmte Gesetze, z. B. das Lohnfortzahlungsgesetz bzw. die für Angestellte geltenden gesetzlichen Vorschriften verwiesen wird, oder ob es heißt, der Arbeitnehmer habe Anspruch auf Fortzahlung „des Gehalts” oder „seiner Bezüge” nach Maßgabe bestimmter gesetzlicher Vorschriften. Ob sich die Verweisung als bloßer Hinweis oder als Tarifnorm im Sinne einer dynamischen Verweisung darstellt, kann dabei im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen sein. Individualrechtlich sind die Rechtsfolgen die gleichen.
3. Nach Maßgabe dieser Grundsätze stellt § 10 Nr. 2 RTV keine statische Verweisung dar. Es finden sich weder in der Regelung selbst noch an anderer Stelle des Tarifvertrags hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß sich die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Tarifunterworfenen nicht nach den jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften, sondern ausschließlich nach dem in Bezug genommenen Lohnfortzahlungsgesetz vom 27. Juli 1969 richten soll. Dies gilt auch dann, wenn mit dem Landesarbeitsgericht angenommen wird, daß die tarifliche Bestimmung nicht lediglich informieren und auf die Gesetzeslage nur hinweisen will, sondern Regelungs-charakter hat. Es handelt sich unter dieser Voraussetzung um eine dynamische Verweisung auf das Lohnfortzahlungsgesetz.
a) Wortlaut und Wortsinn von § 10 Nr. 2 RTV zeigen, daß die Tarifvertragsparteien auf das Lohnfortzahlungsgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung verwiesen haben. „Das Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall (Lohnfortzahlungsgesetz) vom 27. Juli 1969” ist, solange es dieses Gesetz gibt, stets der Inbegriff derjenigen seiner Vorschriften, die aktuell gelten. Der Umstand, daß das Verkündungsdatum ausdrücklich genannt wird, ändert daran nichts. Auf diese Weise ist das Lohnfortzahlungsgesetz lediglich amtlich exakt bezeichnet worden. Die Bezeichnung war auch im Zeitpunkt des Tarifabschlusses am 7. Mai 1992 noch korrekt. Daß jedwede zukünftige Änderung des Gesetzes von der Verweisung ausgenommen sein sollte, läßt sich dem Wortlaut der Tarifvorschrift nicht entnehmen. Des ausdrücklichen sprachlichen Zusatzes, es sollten die „jeweiligen” Vorschriften des Gesetzes gelten, bedurfte es dafür nicht. Für die Ansicht, es sei in § 10 Nr. 2 RTV auf das Lohnfortzahlungsgesetz ausschließlich in seiner ersten und ursprünglichen Fassung verwiesen worden, gibt es auch ohne diesen Zusatz keine sprachliche Begründung. Darüber, wie die Tarifbestimmung auszulegen wäre, wenn ihr Text nach den Worten „… bis zur Dauer von sechs Wochen” enden würde und den anschließenden Verweis auf das Lohnfortzahlungsgesetz nicht enthielte, war nicht zu entscheiden. So, wie sie formuliert ist, konnte die tarifliche Regelung jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem dieses Gesetz außer Kraft trat und durch das Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26. Mai 1994 ersetzt wurde, nicht als statische Verweisung verstanden werden.
b) Etwas anderes folgt auch nicht aus sonstigen Umständen. Zwar kann sich der Wille zur Schaffung einer eigenständigen Regelung auch bei Verweisungsvorschriften nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergeben. Dazu bedarf es jedoch besonders deutlicher Anhaltspunkte (BAG Urteil vom 16. Juni 1998 – 5 AZR 67/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Daran fehlt es hier.
Im tariflichen Gesamtzusammenhang kommt allenfalls den Regelungen in § 10 Nr. 3 RTV weitere Bedeutung zu. In den dort aufgeführten Fällen wird Arbeitnehmern der Lohn ohne Arbeitsleistung bis zu zwei Tagen fortgezahlt. Die Höhe der Lohnfortzahlung beträgt in diesen Fällen 100 %. Die betreffenden Regelungen sind – auch nach den Grundsätzen des Zweiten und Siebten Senats – insoweit eigenständig (konstitutiv), als sie einen über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehenden Anspruch gewähren. Der konstitutive Charakter eines Teils eines einheitlichen Regelungsbereichs läßt jedoch keinen Schluß auf den entsprechenden Charakter der übrigen Teile der Regelung zu. Den Tarifvertragsparteien steht es frei, von ihrer Befugnis zur eigenständigen Normsetzung nur für einen Teilbereich Gebrauch zu machen und im übrigen ohne Absicht zur normativ selbständigen Regelung auf die gesetzlichen Bestimmungen zu verweisen (BAG Urteil vom 14. Februar 1996 – 2 AZR 166/95 – AP Nr. 21 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie; BAG Urteil vom 16. Juni 1998 – 5 AZR 67/97 –). Es besteht auch kein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch, wenn im Anwendungsbereich des § 10 Nr. 3 RTV das Entgelt für die Ausfallzeit in voller Höhe, im Krankheitsfall nach § 10 Nr. 2 RTV dagegen nur in geringerem Umfange weitergezahlt wird. Auch der Gesetzgeber hat die Höhe der Entgeltfortzahlung nur im Krankheitsfall herabgesetzt. Der ursprüngliche § 616 Abs. 1 BGB ist gleichgeblieben. Unter den dortigen Voraussetzungen erhält der Arbeitnehmer weiterhin Entgeltfortzahlung in voller Höhe, soweit nichts anderes vereinbart wurde (§ 619 BGB). Falls sie ihre Regelungen in § 10 RTV nunmehr für unangemessen halten, haben die Tarifvertragsparteien jederzeit die Möglichkeit, eine einheitliche Regelung für beide Fälle zu schaffen.
c) Eine eigenständige tarifliche Regelung liegt ebensowenig deshalb vor, weil der Arbeitnehmer nach § 10 Nr. 2 RTV einen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts „hat”, er nach § 1 Abs. 1 LohnFG dagegen den Anspruch auf Arbeitsentgelt nur „nicht verliert”. Die unterschiedliche Formulierung hat jedenfalls dann keine inhaltlichen Auswirkungen, wenn – wie in § 10 Nr. 2 RTV der Fall – anschließend gleichwohl auf das Lohnfortzahlungsgesetz verwiesen wird.
d) Hat § 10 Nr. 2 RTV ursprünglich auf das Lohnfortzahlungsgesetz in seiner jeweils geltenden Fassung verwiesen, so wird aus dieser Verweisung mit dem Außerkrafttreten des Gesetzes zum 1. Juni 1994 keine normativ selbständige Regelung. Eine ursprünglich nur dynamische Verweisung oder ein bloßer Hinweis auf das bei Tarifabschluß geltende Gesetzesrecht kann nicht allein mit dessen Wegfall nachträglich zu einer statischen Verweisung und konstitutiven Regelung werden. Dazu bedürfte es klarer Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien nach Änderung der Gesetzeslage einen entsprechenden Regelungswillen gehabt hätten (BAG Urteil vom 16. Juni 1998 – 5 AZR 67/97 –). Allein der Umstand, daß die Tarifvertragsparteien § 10 Nr. 2 RTV nach dem Außerkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes nicht geändert, sondern die bisherigen Formulierungen beibehalten haben, stellt ein solches Anzeichen nicht dar.
§ 10 Nr. 2 RTV enthält keine statische Verweisung auf das in Bezug genommene Gesetzesrecht und stellt keine inhaltlich eigenständige Tarifnorm dar. Nach Außerkrafttreten des Lohnfortzahlungsgesetzes bezieht sich die tarifliche Verweisung in § 10 Nr. 2 RTV auf das Entgeltfortzahlungsgesetz und auch auf dieses in seiner jeweils geltenden Fassung. Danach hat der Kläger Anspruch auf Entgeltfortzahlung nur in Höhe von 80 %. Die Klageforderung besteht nicht.
Unterschriften
Reinecke, Kreft, Mikosch, Reinders, Sappa
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.11.1998 durch Clobes, Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1999, 324 |
DB 1999, 747 |
ARST 1999, 139 |
NZA 1999, 500 |
RdA 1999, 295 |
SAE 1999, 295 |
AP, 0 |