Entscheidungsstichwort (Thema)

Opernchormitglieder. Vergütung für Konzerte;. Zusätzliche Vergütung für Opernchormitglieder bei Mitwirkung in Konzerten. Tarifauslegung. Tarifrecht öffentl. Dienst. Theater in öffentlicher Trägerschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Verhältnis zu bisheriger Rechtsprechung:

Fortsetzung der Rechtsprechung des erkennenden Senats aus dem Urteil vom 20. Juli 2000 (– 6 AZR 56/99 – AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 56 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 10).

 

Orientierungssatz

1. Konzerte im Sinne des NV Chor sind musikalische Darbietungen in nicht szenischer Form, die im Tarifsinne weder als konzertante Aufführung musikalischer Bühnenwerke noch als Bunte Programme anzusehen sind.

2. Die konzertante Aufführung musikalischer Bühnenwerke iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d Doppelbuchst. aa NV Chor erfordert die Aufführung des gesamten Bühnenwerks unter Verzicht auf die szenische Darstellung. Werden in einer Veranstaltung lediglich Teile musikalischer Bühnenwerke dargeboten, handelt es sich nicht um die konzertante Aufführung musikalischer Bühnenwerke, sondern um ein Konzert iSd. NV Chor.

3. Ein Buntes Programm iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 NV Chor liegt nur vor, wenn das Programm außer musikalischen Werken auch Darbietungen anderer Art enthält.

 

Normenkette

BGB § 611; Normalvertrag Chor (NV Chor) §§ 11, 4

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 13.10.1999; Aktenzeichen 2 Sa 819/99)

ArbG Köln (Urteil vom 25.02.1999; Aktenzeichen 8 Ca 1401/98)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. Oktober 1999 – 2 Sa 819/99 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerinnen tragen die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob den (Aufhebungs-)Beklagten für die Mitwirkung an einer als „Neujahrskonzert” bezeichneten Veranstaltung am 1. Januar 1997 eine Sondervergütung nach § 11 Abs. 2 Normalvertrag Chor vom 11. Mai 1979 (NV Chor) zusteht.

Die Beklagten sind Mitglieder des Opernchors der von den Klägerinnen gemeinsam betriebenen Vereinigten Städtischen Bühnen K. Auf die Arbeitsverhältnisse findet kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit oder einzelvertraglicher Vereinbarung der NV Chor Anwendung. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

㤠4

Mitwirkungspflicht

(1) Das Opernchormitglied ist im Rahmen seines Kunstfaches verpflichtet, bei allen Veranstaltungen (Aufführungen und Proben) der im Arbeitsvertrag bezeichneten Bühne(n) mitzuwirken. Hierin sind auch auswärtige Gesamtgastspiele, Festspiele, Werbeveranstaltungen, Bunte Programme, Matineen und durch Hörfunk oder Fernsehen übertragene Ensembledarbietungen inbegriffen. Soweit eine Oper oder Operette die Mitwirkung eines Opernchores vorsieht, ist dieser grundsätzlich mit Mitgliedern aus dem Opernchor der Bühne(n) zu besetzen.

Dabei ist das Opernchormitglied verpflichtet

  1. zu Gesangs- und Sprechchordienst,
  2. zum Singen in einem anderen Kunstfach (Stimmgruppe), wenn dieses Kunstfach mit dem vereinbarten Kunstfach (Stimmgruppe) stimmverwandt und die Übernahme nach Stimmlage und Dauer der Beanspruchung nicht stimmschädigend ist,
  3. zum Singen in einer fremden Sprache, jedoch nicht in einer anderen als der Originalsprache des Librettos,
  4. zur Mitwirkung

    1. bei konzertanten Aufführungen von musikalischen Bühnenwerken,
    2. bei Konzerten aus besonderen Anlässen (z.B. besonderen Jubiläen).

(2) Das Opernchormitglied ist darüber hinaus zu den folgenden Arbeitsleistungen verpflichtet:

  1. zur Übernahme von kleineren Rollen oder Partien, im Schauspiel jedoch nur, wenn es im Arbeitsvertrag vereinbart ist,
  2. zur Mitwirkung bei Pantomimen und Tanzleistungen,
  3. zur Mitwirkung bei Statisterie oder Komparserie, wenn sie aus künstlerischen Gründen, beim Schauspiel jedoch nur als Ausnahme, gerechtfertigt oder im Einzelfall im Benehmen mit dem Opernchorvorstand vorgesehen ist. …
  4. zur Mitwirkung bei Schauspielaufführungen in den Fällen, in denen die gesangliche Leistung eines Berufschores vorgesehen ist,
  5. zu zwei Konzerten je Spielzeit, auch soweit diese Konzerte vom Rechtsträger oder vom wirtschaftlichen Träger des Theaters veranstaltet oder mitveranstaltet werden.

Protokollnotizen:

3. Musikalische Bühnenwerke sind nicht nur Werke aus dem Repertoire der Bühne(n), für die das Opernchormitglied angestellt ist.

4. Unter „Konzert” (bzw. „Konzerte”) ist nicht die einzelne Konzertveranstaltung, sondern die jeweilige Konzerteinstudierung einschließlich einer oder mehrerer Aufführungen zu verstehen.

§ 10

Vergütung

(1) Das Opernchormitglied hat Anspruch auf ein festes monatliches Gehalt nach Maßgabe eines besonderen Tarifvertrages (Chorgagentarifvertrag).

§ 11

Besondere Vergütungen

(1) Mit dem festen Gehalt sind die von dem Opernchormitglied nach diesem Tarifvertrag zu erbringenden Arbeitsleistungen abgegolten, soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt.

(2) Neben dem festen Gehalt erhält das Opernchormitglied zusätzlich für

  1. die Mitwirkung in einer zweiten oder dritten an demselben Tage stattfindenden Vorstellung je eine Vergütung von mindestens einer halben Tagesgage,
  2. Sonderleistungen nach § 4 Abs. 2

    1. bei der Übernahme kleinerer Rollen oder Partien eine angemessene Vergütung,
    2. bei der Mitwirkung in Pantomimen und bei Tanzleistungen eine angemessene Vergütung,
    3. bei der Mitwirkung in der Statisterie oder Komparserie den Betrag, den die Bühne an Statisten oder an Komparsen als Vergütung ohne Fahrtkosten oder sonstige Kostenentschädigung zahlt, sofern im Arbeitsvertrag nichts anders vereinbart ist,
    4. bei der Mitwirkung in Konzerten je nach der Belastung der Opernchormitglieder aufgrund des aufzuführenden Werkes eine Vergütung von ein bis vier Tagesgagen,

…”

Am 1. Januar 1997 fand unter Beteiligung des Opernchors ein „Neujahrskonzert” statt. Die Beklagten hatten bei dieser Veranstaltung insgesamt 31 Minuten lang Ausschnitte aus vier Opern und Operetten des laufenden Repertoires vorzutragen. Das Programm bestand ausschließlich aus musikalischen Darbietungen. Die Beklagten verlangten von den Klägerinnen für ihre Mitwirkung eine zusätzliche Vergütung von je 220,00 DM; dies entspricht 1 1/2 Tagesgagen. Nachdem die Klägerinnen die Zahlung abgelehnt hatten, haben die Beklagten Schiedsklage vor dem Bühnenschiedsgericht für Opernchöre erhoben. Dieses hat der auf Zahlung von je 220,00 DM brutto gerichteten Klage durch Schiedsspruch vom 16. April 1997 (BSchG C 1/97) stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Bühnenoberschiedsgericht für Opernchöre die Entscheidung durch Schiedsspruch vom 16. September 1997 (OSchG C 1/97) teilweise abgeändert, die Klägerinnen verurteilt, den Beklagten je eine Tagesgage von 147,00 DM brutto zu zahlen und die Schiedsklage im übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Bühnenoberschiedsgericht ausgeführt, bei dem „Neujahrskonzert” habe es sich um ein sondervergütungspflichtiges Konzert im Sinne von § 4 Abs. 2 Buchst. e, § 11 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd NV Chor gehandelt. Als Sondervergütung sei je eine Tagesgage angemessen. Dagegen wenden sich die Klägerinnen mit der vorliegenden Aufhebungsklage.

Die Klägerinnen haben die Auffassung vertreten, der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts beruhe auf der Verletzung von § 4 Abs. 1 Buchst d Doppelbuchst. aa, § 4 Abs. 2 Buchst. e und § 11 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd NV Chor. Die Auslegung des Tarifvertrags ergebe, daß es sich bei der hier streitigen Veranstaltung nicht um ein Konzert, sondern um die konzertante Aufführung musikalischer Bühnenwerke und gleichzeitig um ein Buntes Programm gehandelt habe. Ein Anspruch auf Sondervergütung bestehe daher nicht.

Die Klägerinnen haben beantragt,

den Schiedsspruch des Bühnenschiedsgerichts für Opernchöre vom 16. April 1997 – BSchG C 1/97 – gänzlich und den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts für Opernchöre vom 16. September 1997 – OSchG C 1/97 – teilweise aufzuheben und die Schiedsklage der Aufhebungsbeklagten in vollem Umfang abzuweisen.

Die Beklagten haben die Abweisung der Aufhebungsklage beantragt und die Auffassung vertreten, das „Neujahrskonzert” sei ein sondervergütungspflichtiges Konzert iSd. NV Chor gewesen. Ein Buntes Programm liege nur vor, wenn die Programmteile aus Darbietungen unterschiedlicher Kunstgattungen bestünden. Bei dem „Neujahrskonzert” seien jedoch ausschließlich musikalische Werke dargeboten worden. Es habe sich nicht um die konzertante Aufführung musikalischer Bühnenwerke gehandelt. Dafür sei erforderlich, daß ein gesamtes musikalisches Bühnenwerk aufgeführt werde. Bei dem „Neujahrskonzert” seien jedoch ausschließlich Teile verschiedener musikalischer Bühnenwerke dargeboten worden.

Die Vorinstanzen haben die Aufhebungsklage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Aufhebungsklage abgewiesen. Der Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts beruht nicht auf einer fehlerhaften Auslegung des NV Chor. Bei dem „Neujahrskonzert” handelte es sich um ein Konzert iSd. § 4 Abs. 2 Buchst. e NV Chor. Für die Mitwirkung hieran steht den Beklagten nach § 11 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd NV Chor die der Höhe nach nicht mehr streitige Sondervergütung von je einer Tagesgage zu.

1. Nach § 11 Abs. 2 Buchst. b NV Chor erhält das Opernchormitglied neben dem festen Gehalt für Sonderleistungen nach § 4 Abs. 2 NV Chor eine zusätzliche Vergütung. Diese beträgt nach § 11 Abs. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd NV Chor bei der Mitwirkung in Konzerten je nach Belastung der Opernchormitglieder ein bis vier Tagesgagen. Was unter dem Begriff „Konzert” zu verstehen ist, läßt sich dem Wortlaut des NV Chor nicht eindeutig entnehmen. Der erkennende Senat hat sich mit der Auslegung dieses Tarifbegriffs im Urteil vom 20. Juli 2000 (– 6 AZR 56/99 – AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 56 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 10) befaßt und dazu folgendes ausgeführt:

„Der Begriff „Konzert” ist im NV Chor nicht eigenständig definiert. Zwar ist in der Protokollnotiz Nr. 4 zu § 4 NV Chor klargestellt, daß unter „Konzert” (bzw. „Konzerte”) nicht die einzelne Konzertveranstaltung, sondern die jeweilige Konzerteinstudierung einschließlich einer oder mehrerer Aufführungen zu verstehen ist. Dies gibt aber keinen Aufschluß darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Veranstaltung ein Konzert iS des Tarifvertrags ist. Deshalb ist der Inhalt des Tarifbegriffs „Konzert” im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei ist von dem allgemeinen bzw. dem fachspezifischen Sprachgebrauch auszugehen. Dieser ist nicht einheitlich. Unter „Konzert” wird zum einen eine „aus mehreren Sätzen bestehende Komposition für ein oder mehrere Soloinstrumente und Orchester” verstanden(vgl. Brockhaus/Riemann Musik-Lexikon; Duden Das Große Wörterbuch der Deutschen Sprache 2. Aufl.; Wahrig Deutsches Wörterbuch 6. Aufl.). Zum anderen bedeutet „Konzert” die „Aufführung eines oder mehrerer Musikwerke”(Duden aaO; Wahrig aaO; Honegger/Massenkeil Das Große Lexikon der Musik) bzw. „eine musikalische Zusammenkunft, bei der darbietungsmäßig musiziert wird”(Brockhaus/Riemann aaO). Die Tarifvertragsparteien sind von der letztgenannten, veranstaltungsbezogenen Bedeutung des Begriffs ausgegangen. Sie haben einen Klarstellungsbedarf hinsichtlich des Umfangs der mit einem Konzert verbundenen Verpflichtungen gesehen und somit veranstaltungsbezogen gedacht. Dafür spricht bereits die Protokollnotiz Nr. 4 zu § 4 NV Chor. Hätte zum Ausdruck gebracht werden sollen, daß mit „Konzert” iSd. Tarifbestimmung nur Musikwerke gemeint sind, die in der Musikliteratur als solche bezeichnet werden (zB Violinkonzert, Klavierkonzert etc.), hätte es im Hinblick auf den den sachkundigen Tarifvertragsparteien bekannten uneinheitlichen Sprachgebrauch nahegelegen, dies ausdrücklich zu bestimmen. Daß sie den Begriff „Konzert” nicht werkbezogen gemeint, sondern damit die Art der Veranstaltung bezeichnet haben, ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Normen und dem daraus zu ermittelnden Sinn und Zweck der Regelung, die bei der Tarifauslegung ebenfalls zu berücksichtigen sind(st. Rspr., vgl. BAG 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308; 12. November 1997 – 10 AZR 206/91 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 1; 28. Mai 1998 – 6 AZR 349/96 – AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 52 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 5; 16. Juli 1998 – 6 AZR 672/96 – AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 27).

a) Die Tarifvertragsparteien haben in § 4 NV Chor die Mitwirkungspflichten der Opernchormitglieder geregelt. Diese Regelung ist umfassend. Sie bezieht sich auch auf die Veranstaltung „Konzert”.

Nach § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 NV Chor ist das Opernchormitglied im Rahmen seines Kunstfachs verpflichtet, bei allen Veranstaltungen (Aufführungen und Proben) der im Arbeitsvertrag bezeichneten Bühne(n) mitzuwirken. Der Begriff der Veranstaltung wird durch die in § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 NV Chor genannten Beispiele weiter konkretisiert. Danach sind Veranstaltungen auch auswärtige Gesamtgastspiele, Festspiele, Werbeveranstaltungen, Bunte Programme, Matineen und durch Rundfunk oder Fernsehen übertragene Ensembledarbietungen. Konzerte werden hier zwar nicht erwähnt. Auch sie sind aber „Veranstaltungen”. Dies ergibt sich daraus, daß in § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 und in Abs. 2 NV Chor die Mitwirkungspflichten der Opernchormitglieder erkennbar abschließend bestimmt sind und damit sichergestellt werden soll, daß es keine Darbietungen der Bühne gibt, die zwar den Gesang eines Opernchors erfordern, an denen die Opernchormitglieder aber nicht verpflichtet sind mitzuwirken.

b) § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 NV Chor regelt, zu welchen Arbeitsleistungen das Opernchormitglied inhaltlich verpflichtet ist. Dazu gehören der Gesangs- und Sprechchordienst (Buchst. a), das Singen in einem anderen als dem vertraglich vereinbarten Kunstfach (Stimmgruppe), sofern dieses Kunstfach stimmverwandt und die Übernahme nicht stimmschädigend ist (Buchst. b) und das Singen in einer fremden Sprache, soweit es sich um die Originalsprache des Librettos handelt (Buchst. c). Schließlich besteht nach § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d NV Chor eine Mitwirkungspflicht bei konzertanten Aufführungen musikalischer Bühnenwerke (Doppelbuchst. aa) und bei Konzerten aus besonderen Anlässen (Doppelbuchst. bb). Bei den in § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 NV Chor aufgezählten Verpflichtungen handelt es sich daher um berufstypische Mitwirkungspflichten, die dem Berufsbild des Opernchormitglieds entsprechen.

Demgegenüber regelt § 4 Abs. 2 NV Chor Mitwirkungspflichten, die über die typischen Arbeitspflichten eines Opernchormitglieds hinausgehen. Dies ergibt sich aus § 11 Abs. 2 Buchst. b NV Chor. Dort haben die Tarifvertragsparteien diese Tätigkeiten als „Sonderleistungen” bezeichnet. Dazu gehört unter bestimmten Voraussetzungen die Übernahme kleinerer Rollen oder Partien (Buchst. a) und die Mitwirkung bei Pantomimen und Tanzleistungen bzw. Statisterie und Komparserie (Buchst. b und c) sowie bei Schauspielaufführungen, in denen die gesangliche Leistung eines Berufschores vorgesehen ist (Buchst. d). Zudem sind Opernchormitglieder zu zwei Konzerten je Spielzeit verpflichtet (Buchst. e).

Dieser Aufzählung ist zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien die Mitwirkungspflichten der Opernchormitglieder abschließend regeln und diese verpflichten wollten, an allen Darbietungen der Bühne mitzuwirken, die den Gesang eines Chores erfordern. Dies folgt insbesondere aus der Mitwirkungspflicht an den in § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 NV Chor genannten Veranstaltungen sowie aus der ausdrücklich erwähnten Mitwirkungspflicht bei konzertanten Aufführungen musikalischer Bühnenwerke und bei Schauspielaufführungen, sofern die gesangliche Leistung eines Berufschors vorgesehen ist. Daraus ergibt sich, daß der Tarifbegriff „Konzert” nicht im Sinne einer Werkbezeichnung zu verstehen ist, sondern die Art der Veranstaltung meint. Andernfalls wären von der tariflich bestimmten Mitwirkungspflicht nicht alle musikalischen Werke erfaßt, bei denen die Mitwirkung eines Chors vorgesehen ist. Die Darbietung musikalischer Werke, denen keine szenische Gestaltung zu Grunde liegt und die auch keine aus mehreren Sätzen bestehende Komposition für ein oder mehrere Solo-Instrumente und Orchester sind, wären von der Mitwirkungspflicht nicht erfaßt. Eine solche … Auslegung würde der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts widersprechen, nach der im Zweifel der Tarifauslegung der Vorzug gegeben werden muß, die zu einer vernünftigen, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt(vgl. BAG 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308, 316 mwN). Ein solches Auslegungsergebnis wäre auch mit der Mitwirkungspflicht der Opernchormitglieder bei „Konzerten aus besonderen Anlässen (z.B. besonderen Jubiläen)” gemäß § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d Doppelbuchst. bb NV Chor nicht zu vereinbaren. Gerade bei solchen Veranstaltungen werden üblicherweise unterschiedliche musikalische Stücke dargeboten, die nicht unbedingt und ausschließlich Konzerte im Sinne einer solchen Werkbezeichnung sind. Demnach meint der Begriff „Konzert” im Sinne des Tarifvertrags die Darbietung musikalischer Werke in nicht szenischer Form.”

Diese Auslegung des Begriffs „Konzert” gilt auch für den vorliegenden Fall. Das Vorbringen der Klägerinnen gibt keine Veranlassung zu einer Änderung der Rechtsprechung. Danach war das „Neujahrskonzert” ein Konzert iSd. NV Chor, da unstreitig ausschließlich Musikstücke in nicht szenischer Form dargeboten wurden.

2. Bei dem „Neujahrskonzert” handelte es sich nicht um die konzertante Aufführung von musikalischen Bühnenwerken iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d Doppelbuchst. aa NV Chor. Unter der konzertanten Aufführung musikalischer Bühnenwerke ist deren Aufführung unter Verzicht auf die szenische Darstellung, also reduziert auf die musikalische Präsentation, zu verstehen. Dazu gehört die Aufführung von Teilen solcher Werke, um die es hier geht, nicht. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Tarifvertrags. Dieser spricht ausdrücklich von „Bühnenwerken” und nicht von Teilen derselben. Werden in einer Veranstaltung lediglich Teile musikalischer Bühnenwerke dargeboten, handelt es sich nicht um die konzertante Aufführung musikalischer Bühnenwerke, sondern um ein Konzert iSd. Tarifvertrags(vgl. Senat 20. Juli 2000 – 6 AZR 56/99 – aaO, zu 2 a und b der Gründe).

3. Ebensowenig war das Neujahrskonzert ein Buntes Programm iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 NV Chor. Bei dieser Veranstaltung wurden ausschließlich musikalische Werke in nicht szenischer Form dargeboten. Diese Art der Veranstaltung erfüllt den Tarifbegriff „Konzert”. Da die Tarifvertragsparteien die Mitwirkung in Konzerten in § 4 Abs. 2 Buchst. e NV Chor gesondert geregelt haben, kann ein Konzert nicht gleichzeitig ein Buntes Programm iSd. § 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 NV Chor sein. Ein Buntes Programm liegt daher nur vor, wenn das Programm außer musikalischen Werken auch Darbietungen anderer Art enthält(Senat 20. Juli 2000 – 6 AZR 56/99 – aaO, zu 3 der Gründe).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Armbrüster, Gräfl, Friedrich, Gebert, Erika Holzhausen

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 26.04.2001 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

NZA 2002, 352

ZTR 2002, 184

PersR 2002, 185

NJOZ 2002, 680

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