Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhere Vergütung als Schadensersatz

 

Normenkette

GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.12.1999; Aktenzeichen 2 Sa 7/99)

ArbG Heilbronn (Urteil vom 18.11.1998; Aktenzeichen 7 Ca 402/98)

 

Tenor

  • Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. Dezember 1999 – 2 Sa 7/99 – teilweise aufgehoben.
  • Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn – Kammern Crailsheim – vom 18. November 1998 – 7 Ca 402/98 – wird zurückgewiesen, soweit der Beklagte zur Zahlung von 290,58 DM nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit 13. August 1998 verurteilt wurde.
  • Die weitergehende Revision des Klägers wird zurückgewiesen.
  • Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 17/20 und der Beklagte zu 3/20 zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von dem Beklagten für die Zeit ab Januar 1996 eine höhere als die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung, weil der Beklagte verpflichtet gewesen sei, das für den Kläger günstigere diözesane Arbeitsrecht anzuwenden.

Der Kläger ist seit dem 16. August 1993 bei dem Beklagten als pädagogischer Mitarbeiter im Kolping-Bildungszentrum S… beschäftigt. Er betreut Berufsvorbereitungskurse für Jugendliche.

Im Arbeitsvertrag vom 30. August 1995 heißt es ua.:

“3. Besondere Pflichten

3.1 Die Mitarbeit beim Kolping-Bildungswerk erfordert von allen Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen, daß ihre Lehrinhalte und ihre persönliche Lebensführung dem Selbstverständnis des Trägers und seinem kirchlichen Charakter nicht widersprechen.

5. Vergütung

5.1 Herr M… erhält eine monatliche Vergütung von 4.611,71 DM (E 8) gemäß dem Vergütungsgruppenverzeichnis des Kolping-Bildungswerks vom 01. Mai 1995.

Die Grundvergütung des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin erhöht sich um den Prozentsatz, um den sich das Tarifgehalt des Öffentlichen Dienstes bei Tariferhöhungen verändert.

6. Weihnachtsgratifikation

6.1 Der/die MitarbeiterIn erhält eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehaltes.

…”

Die Deutsche Bischofskonferenz hat am 22. September 1993 eine “Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse” (GrO) beschlossen. Diese trat in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, in der der Beklagte seinen Sitz hat, am 1. Januar 1994 in Kraft. Sie lautet auszugsweise wie folgt:

“Artikel 2 Geltungsbereich

(1) Diese Grundordnung gilt für Arbeitsverhältnisse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei den Dienststellen, Einrichtungen und sonstigen selbständig geführten Stellen – nachfolgend als Einrichtung(en) bezeichnet,–,

a) der Diözesen,

b) der Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen,

c) der Verbände von Kirchengemeinden,

d) der Diözesancaritasverbände und deren Gliederungen, soweit sie öffentliche juristische Personen des kanonischen Rechts sind,

e) der sonstigen öffentlichen juristischen Personen des kanonischen Rechts.

(2) Diese Grundordnung ist auch anzuwenden im Bereich der sonstigen kirchlichen Rechtsträger und ihrer Einrichtungen, unbeschadet ihrer Rechtsform sowie des Verbandes der Diözesen Deutschlands und des Deutschen Caritasverbandes. Die vorgenannten Rechtsträger sind gehalten, die Grundordnung für ihren Bereich rechtsverbindlich zu übernehmen.

Artikel 7 Beteiligung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen

(1) Das Verhandlungsgleichgewicht ihrer abhängig beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Abschluß und Gestaltung der Arbeitsverträge sichert die katholische Kirche durch das ihr verfassungsmäßig gewährleistete Recht, ein eigenes Arbeitsrechts-Regelungsverfahren zu schaffen. Rechtsnormen für den Inhalt der Arbeitsverhältnisse kommen zustande durch Beschlüsse von Kommissionen, die mit Vertretern der Dienstgeber und Vertretern der Mitarbeiter paritätisch besetzt sind. Die Beschlüsse dieser Kommissionen bedürfen der bischöflichen Inkraftsetzung für das jeweilige Bistum. Das Nähere, insbesondere die jeweiligen Zuständigkeiten, regeln die KODA-Ordnungen. Die Kommissionen sind an diese Grundordnung gebunden.

…”

Für die Diözese Rottenburg-Stuttgart galt eine Bistums-KODA-Ordnung, nach deren § 3 die KODA (Kommission zur Regelung des Diözesanen Arbeitsrechts) bei der Gestaltung des Arbeitsvertragsrechts der Diözese, der Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen, der Verbände und Kirchengemeinden und der sonstigen kirchlichen Einrichtungen in einer Rechtsform des öffentlichen oder privaten Rechts mitwirkt. Die Bistums-KODA hat am 31. August 1981 beschlossen, daß für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter der in § 3 der Bistums-KODA-Ordnung genannten Anstellungsträger der BAT Bund/Land und der Vergütungstarifvertrag nach dem Stand vom 1. Mai 1981 gelten, soweit vom Bischof keine eigenen Regelungen gemäß der Bistums-KODA-Ordnung in Kraft gesetzt werden. Am 30. September 1981 setzte der Bischof den Beschluß vom 31. August 1981 in Kraft.

Der Beklagte betreibt im Bereich der Diözese Rottenburg-Stuttgart eine Vielzahl von Bildungseinrichtungen. Die Satzungen mit Stand September 1989 und Juli 1996 lauten auszugsweise wie folgt:

“§ 1 Name und Sitz

Der Verein führt den Namen

“Kolping-Bildungswerk, Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart e.V.”.

Er hat den Sitz in Stuttgart.

§ 2 Zweck

2.1 Zweck des Kolping-Bildungswerkes ist, im Geiste Adolph Kolpings,

2.1.1 jeder/jedem Bildungsfähigen und Bildungswilligen eine ihrer/seinen Anlagen entsprechende Bildung zu ermöglichen;

2.1.2 das Kolpingwerk Diözesanverband Rottenburg durch Bildungsangebote und Beratung in Bildungsfragen zu unterstützen. Solche Maßnahmen führt das Kolping-Bildungswerk über die Kolpingsfamilien, Bezirksverbände und über den Diözesanverband des Kolpingwerks durch.

2.2 Die für jedermann offenen Bildungsangebote verstehen sich als Teil der Erwachsenenbildung in katholischer Trägerschaft im Sinne des Erwachsenenbildungsgesetzes von Baden-Württemberg.

§ 8 Vorstand

8.1 Der Vorstand besteht aus der/dem Vorsitzenden und weiteren sechs Mitgliedern. Sie werden von der Mitgliederversammlung auf die Dauer von drei Jahren gewählt, davon zwei Mitglieder aus einem Vorschlag des Diözesanvorstandes des Kolpingwerkes. Die Mitglieder müssen dem Kolpingwerk angehören.

…”

Das bischöfliche Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart forderte den Beklagten mehrfach erfolglos auf, die in Art. 2 Abs. 2 GrO vorgesehene verbindliche Übernahme zu erklären. In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung vom 23. Januar 1998 beschloß der Beklagte, die Grundordnung nicht zu übernehmen und künftig das Betriebsverfassungsgesetz anzuwenden; in der Folgezeit wurde auch ein Betriebsrat gewählt. Am 23. Januar 1998 wurde darüber hinaus die Satzung in mehreren Punkten geändert. Die Mitgliederversammlung beschloß eine Änderung des Namens dahingehend, daß der Zusatz “Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart” entfällt. § 2 erhielt folgende Fassung:

“2.1 Zweck des Kolping-Bildungswerkes ist, im Geiste Adolph Kolpings,

2.1.1 Bildungsfähigen und Bildungswilligen einen ihren Anlagen entsprechende Bildung zu ermöglichen;

2.1.2 das Kolpingwerk durch Bildungsangebote und Beratung in Bildungsfragen zu unterstützen.

2.2 Die für alle offenen Bildungsangebote verstehen sich als Teil der Erwachsenenbildung im Sinne des Erwachsenenbildungsgesetzes von Baden-Württemberg.”

§ 8.1 wurde wie folgt geändert:

“Der Vorstand besteht aus der/dem Vorsitzendem und weiteren sechs Mitgliedern. Sie werden von der Mitgliederversammlung auf die Dauer von drei Jahren gewählt, davon zwei Mitglieder aus einem Vorschlag des Vorstandes des Kolpingwerkes Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart. Die Mitglieder des Vorstandes sollen Mitglieder des Kolpingwerkes sein.”

Das bischöfliche Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat unter dem 7. Dezember 1999 auf die Anfrage des Landesarbeitsgerichts erklärt, der Beklagte sei nach der Satzungsänderung vom 23. Januar 1998 keine Einrichtung mehr, die als sonstiger kirchlicher Rechtsträger im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GrO anzusehen sei.

Mit Schreiben vom 2. Dezember 1997 hat der Kläger Vergütung nach Vergütungsgruppe IVa BAT geltend gemacht sowie die Differenz zwischen der bisherigen Vergütung und der sich aus Vergütungsgruppe IVa BAT ergebenden für die Zeit ab Januar 1996.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IVa BAT. Der Beklagte sei auf Grund seiner Ausrichtung und seiner Verflechtungen mit Einrichtungen der katholischen Kirche verpflichtet, die GrO sowie die KODA-Beschlüsse anzuwenden. Dies gelte zumindest bis zur Satzungsänderung im Jahr 1998.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 27.386,44 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus 21.904,97 DM ergebenden Nettobetrag seit 13. August 1998 sowie 4 % Zinsen aus dem sich aus 5.479,47 DM ergebenden Nettobetrag seit 17. März 1999

und

884,60 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 13. August 1998 zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung nach BAT. Er sei zu keinem Zeitpunkt ein kirchlicher Rechtsträger gewesen, jedenfalls nicht mehr nach der Satzungsänderung vom Februar 1998. Weder habe er einer kirchlichen Aufsicht oder einem Visitationsrecht unterlegen noch finanzielle Zuschüsse seitens der Kirche erhalten. Den Leitungsund Kontrollorganen des Vereins gehörten keine Priester an; Satzungsänderungen bedürften nicht der Zustimmung der Kirche. Außerdem habe er sich in der Vergangenheit nicht an die Vorschriften der GrO gehalten weder hinsichtlich des Verfahrens noch hinsichtlich der Einstellungsvoraussetzungen. Er beschäftige sowohl Mitarbeiter katholischer und evangelischer Konfession als auch konfessionslose Mitarbeiter, was bei einer kirchlichen Einrichtung nicht möglich sei. Selbst wenn er als sonstiger kirchlicher Träger anzusehen wäre, führe dies nicht automatisch zur Anwendbarkeit des BAT.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat nur teilweise Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und zur Zurückweisung der Berufung des Beklagten, soweit dieser zur Zahlung von 290,58 DM nebst Zinsen verurteilt wurde. Die weitergehende Revision des Klägers ist unbegründet.

I. Der Kläger hat nach Ziff. 6.1 des Arbeitsvertrags gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines vollen Monatsentgelts als Weihnachtsgratifikation. Mit dem Einwand, nach Ziff. 5.1 Satz 2 des Arbeitsvertrags seien die Gehaltserhöhungen an diejenigen des öffentlichen Dienstes gekoppelt, kann der Beklagte nicht durchdringen. Aus dieser Bestimmung kann nicht geschlossen werden, die Festschreibung der Zuwendung auf die Entgelthöhe von 1994, wie sie sich aus der Protokollnotiz Nr. 1 zum Zuwendungstarifvertrag ergibt, gelte ebenfalls. Der Kläger hat somit Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 290,58 DM als Differenz zwischen seiner Grundvergütung in Höhe von 4.671,66 DM und dem als Zuwendung geleisteten Betrag von 4.381,08 DM.

II. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

1. Der Kläger hat auf Grund fehlender Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag keinen vertraglichen Anspruch darauf, nach der Anlage 1a Abschnitt G für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst zum BAT-KODA vergütet zu werden.

2. Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung. Der Beklagte hat dadurch, daß er die GrO und die Bestimmungen zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen nicht übernommen hat, keine Pflicht aus dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis verletzt. Dies folgt daraus, daß der Beklagte während des Anspruchszeitraums kein sonstiger kirchlicher Rechtsträger iSv. Art. 2 Abs. 2 GrO war, und außerdem als ein solcher seinen Arbeitnehmern gegenüber nicht verpflichtet gewesen wäre, die Grundordnung zu übernehmen.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zur Bestimmung der unter Art. 2 Abs. 2 GrO fallenden Einrichtungen sei grundsätzlich auf die zu § 118 Abs. 2 BetrVG entwickelten Kriterien abzustellen. Dem ist zu folgen. In beiden Normen geht es um die Reichweite des Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts der Kirche (vgl. zu § 118 Abs. 2 BetrVG: BAG 14. April 1988 – 6 ABR 36/86 – BAGE 58, 92, 102). Entsprechend wird auch der Begriff des sonstigen kirchlichen Rechtsträgers in der Literatur verstanden (vgl. die Beispiele bei Dütz NJW 1994, 1369, 1374). Eine der Kirche zuzuordnende Einrichtung liegt demgemäß vor, wenn die Einrichtung ihrem Zweck nach auf die Verwirklichung eines kirchlichen Auftrages gerichtet und ein Mindestmaß an Einflußmöglichkeiten der Amtskirche gegeben ist (BAG 14. April 1988 – 6 ABR 36/86 – aaO S 102 f.; 24. Juli 1991 – 7 ABR 34/90 – BAGE 68, 170, 175; 30. April 1997 – 7 ABR 60/95 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 60 = EzA BetrVG 1972 § 118 Nr. 66).

aa) Die Identität der Zielsetzung zwischen dem Auftrag der katholischen Kirche und dem Zweck des Beklagten ist zu bejahen. Darüber sind die Parteien einig. Nach seiner Satzung – auch in den älteren Fassungen – ist Zweck des Beklagten die Erwachsenenbildung im Geiste Adolph Kolpings. In seiner Arbeit orientiert der Beklagte sich an den Prinzipien der katholischen Soziallehre/christlichen Gesellschaftslehre. Somit ist die Arbeit des Beklagten auf die Verwirklichung eines christlichen Auftrags gerichtet. Nach dem Selbstverständnis der christlichen Kirchen, beschränkt sich Religionsausübung nicht nur auf den Bereich des Glaubens und des Gottesdienstes, sondern auch auf die Entfaltung zu Freiheit und Wirksamkeit in dieser Welt (BAG 30. April 1997 – 7 ABR 60/95 – aaO). Dazu gehört auch die Bildung jüngerer und älterer Menschen.

bb) Es fehlt aber an dem erforderlichen Mindestmaß an Einflußmöglichkeiten der Amtskirche.

(1) Der ordnende und verwaltende Einfluß der Kirche muß nicht maßgeblich oder beherrschend und auch nicht satzungsmäßig abgesichert sein. Die verfaßte Kirche wird insbesondere bei historisch gewachsenen Verbänden, die sich trotz der fehlenden Inkorporation als Teil der Kirche verstanden und stets ihre Zugehörigkeit zur Amtskirche betont und danach gehandelt haben, weniger direkt verwalten als etwa neuzeitliche, von Laien ins Leben gerufene Einrichtungen. Feststehen muß allerdings, daß die verfaßte Kirche die Möglichkeit hat, einen etwaigen Dissens zwischen Kirche und Einrichtung bei der Ausübung der religiösen, hier der bildenden Tätigkeit, zu unterbinden. Die Religionsgemeinschaft muß sich in Fragen der Ausübung der jeweiligen religiösen Betätigung gegenüber der Einrichtung durchsetzen können. Nur wenn das gewährleistet und damit gesichert ist, daß die eigenen Gesetze der Kirche bei der Betätigung der Lebens- und Wesensäußerung durchgesetzt werden können, rechtfertigt es sich, einen Betrieb von den Konfrontationen staatlicher Betriebsverfassung zu befreien (BAG 14. April 1988 – 6 ABR 36/86 – aaO; 30. April 1997 – 7 ABR 60/95 – aaO). Diese Voraussetzungen sind auch zu fordern, wenn kirchliche Normen in solchen Betrieben wirksam werden sollen.

Der Senat hat in der auch vom Kläger angeführten Entscheidung vom 14. April 1988 (– 6 ABR 36/86 – aaO) das erforderliche Mindestmaß an Einflußmöglichkeiten bejaht, obwohl im konkreten Fall den im Kolpingwerk tätigen Priestern nicht die alleinige Regelungsbefugnis oder auch nur die Mehrheit in den entscheidenden Gremien zugestanden war. Als entscheidend hat er angesehen, daß angesichts der programm- und statusmäßigen Verbindung auf personellem Gebiet unter Berücksichtigung der Geschichte des Kolpingwerks und des daraus entstandenen Selbstverständnisses gewährleistet war, daß das Kolpingwerk priesterliche oder bischöfliche Hinweise auf eine Diskrepanz zwischen den Auffassungen der Amtskirche und der Ausübung religiöser Betätigung in einer Untergliederung des Verbandes nicht mißachten werde.

(2) Eine entsprechende Einflußmöglichkeit der Amtskirche ist im Falle des Beklagten trotz dessen Verbindung zum Kolpingwerk nicht gegeben. Dagegen spricht die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Entwicklung, die der Beklagte im Laufe der Zeit genommen hat.

Der Beklagte ist nicht Mitglied des Kolpingwerks. Zu diesem gehören gemäß § 5 der Satzung des Kolpingwerks Deutschland die Mitglieder der Kolping-Familien. Diese bilden gemäß § 3 Abs. 2 der Satzung des Kolpingwerks Deutschland in einem räumlich zugeordneten Bereich den Bezirksverband, im Bereich eines Bistums den Diözesanverband und in der Bundesrepublik Deutschland das Kolpingwerk Deutschland.

Der Beklagte fällt zwar unter § 21 des Generalstatuts des internationalen Kolpingwerks, da er Rechtsträger einer Einrichtung ist, die den Namen Kolping führt. Nach Absatz 2 dieser Bestimmung kann ihm deshalb die Fortführung der Namensbezeichnung untersagt werden, wenn er sich nicht mehr statutengemäß verhält und sein Verhalten dem Wesen, Ziel und Ansehen des Kolpingwerkes abträglich ist. Dabei ist zu beachten, daß das Kolpingwerk Deutschland sich gemäß § 21 Abs. 1 seiner Satzung als privater Verein von Gläubigen entsprechend cc 321 ff. CIC versteht, der kirchlichen Aufsicht gemäß can 305 CIC unterliegt und nach seinem Programm (Ziff. 13) Priester und Laien partnerschaftlich zusammenarbeiten.

Anders als in dem vom Senat mit Urteil vom 14. April 1988 (– 6 ABR 36/86 – aaO) entschiedenen Fall sind beim Beklagten keine Priester als Mitglieder in hervorgehobener Position vorgeschrieben. Zwar war bis zur Satzungsänderung bestimmt, daß die Vorstandsmitglieder dem Kolpingwerk anzugehören hatten, in dem vorrangig Laien tätig sind. Der Vorstand des Beklagten mußte und muß jedoch nicht aus Priestern bestehen. Auch die nach § 8.1 Satz 2 der Satzung alter und neuer Fassung aus einem Vorschlag des Diözesanvorstandes bzw. Diözesanverbandes zu wählenden Vorstandsmitglieder müssen keine Priester sein. Daß tatsächlich vorliegend der Präses des Diözesanverbandes im Vorstand ist, ist keine zwingende Folge der Regelung in § 8 der Satzung. Außerdem haben die vom Kolpingwerk Diözesanverband bzw. Diözesanvorstand vorgeschlagenen Mitglieder keine Mehrheit im Vorstand. Es besteht mithin beim Beklagten zwar eine personelle Verflechtung mit dem Kolpingwerk als einem katholischen Verein und damit indirekt mit der verfaßten Kirche. Daß letztere sich trotz des Fehlens entsprechender satzungsgemäßer Befugnisse in Fragen der Ausübung der religiösen Betätigung gegenüber dem Beklagten durchsetzen könnte, kann aber nicht angenommen werden.

Das vom Landesarbeitsgericht festgestellte Verhalten des Beklagten, das sich in der Satzungsänderung im Januar 1998 niedergeschlagen hat, bestätigt dies. Der Beklagte ist der mehrfachen Aufforderung der Diözesanverwaltung, die Grundordnung zu übernehmen, nicht nachgekommen. Er hat geltend gemacht, der Kirche nicht zugeordnet und demgemäß kein sonstiger Rechtsträger iSv. Art. 2 Abs. 2 GrO zu sein. Diese Lockerung der Bindung an Kirche und Kolpingwerk hat der Beklagte durch die Satzungsänderung dokumentiert. Seitdem fehlt im Namen des Beklagten der Hinweis auf die Untergliederung des Kolpingwerks, die sich an den Grenzen des Bistums orientiert; die Mitgliedschaft im Kolpingwerk ist für Vorstandsmitglieder nicht mehr zwingend. Weiterhin ist die Erwähnung von Kolping-Familien, Kolping-Bezirksverband und Kolping-Diözesanverband entfallen, also Verbindung und Zusammenarbeit mit dem Kolpingwerk nicht mehr durch die früheren Nennungen hervorgehoben. Schließlich ist in der geänderten Satzung kein Hinweis mehr auf die katholische Kirche enthalten, nachdem unter Ziff. 2.2 “in katholischer Trägerschaft” gestrichen worden ist. Insgesamt hat damit der Beklagte eine Distanz zur verfaßten Kirche gezeigt, die die Annahme verbietet, er werde sich kirchlichem Rat auch ohne satzungsmäßig abgesicherten Einfluß beugen und in der Grundordnung enthaltene Grundsätze zur Beschäftigung im kirchlichen Dienst beachten, die elementare kirchliche Wertvorstellungen widerspiegeln.

Dem Kläger ist auch nicht darin zu folgen, die Einordnung des Beklagten als sonstiger Rechtsträger sei erst mit der Satzungsänderung entfallen. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, daß die Satzungsänderung nur der Ausdruck der Entwicklung ist, die der Beklagte durchlaufen hat und für die Beurteilung nicht allein entscheidend ist.

b) Aus Art. 2 Abs. 2 GrO, wonach die sonstigen Rechtsträger gehalten sind, die Grundordnung rechtsverbindlich zu übernehmen, folgt keine dem Kläger gegenüber einzuhaltende Verpflichtung des Beklagten, sich entsprechend zu verhalten.

Die Amtskirche könnte gegenüber dem Beklagten – wenn man ihn denn als vom Geltungsbereich erfaßt ansehen würde – die Übernahme der Grundordnung nicht verlangen. Art. 2 Abs. 2 GrO begründet für die autonomen kirchlichen Bereiche lediglich eine Obliegenheit, deren Verletzung nachteilige Folgen haben kann. So ist die Befugnis, sich katholisch zu nennen, abhängig vom Einverständnis der Amtskirche, Unterstützung durch verfaßte kirchliche Stellen könnte versagt werden. Schließlich gibt es grundgesetzlich garantierte Selbstbestimmungsbefugnisse iSv. Art. 140 GG/Art. 137 Abs. 3 WRV nur für kirchliche Verbände und Einrichtungen in Übereinstimmung mit der verfaßten Kirche (Dütz aaO S 1374 rechte Spalte). Übernimmt ein unter Art. 2 Abs. 2 GrO fallender Rechtsträger die GrO nicht, so kann er für seine arbeitsrechtlichen Beziehungen nicht mehr die Zuordnung zur katholischen Kirche in Anspruch nehmen (Richardi NZA 1994, 19, 24). Der auf diese Rechtsfolgen beschränkte Inhalt der Verpflichtung nach Art. 2 Abs. 2 GrO schließt es aus, mit dem Arbeitsgericht anzunehmen, es handele sich bei der Grundordnung um Normen mit Schutzwirkung zugunsten der Arbeitnehmer. Zwar ist anerkannt, daß gesetzliche Vorschriften, die dem Arbeitnehmerschutz dienen, diesen Schutzvorschriften inhaltlich entsprechende vertragliche Pflichten begründen (BAG 10. März 1976 – 5 AZR 34/75 – AP BGB § 618 Nr. 17 = EzA BGB § 618 Nr. 2; ErfK/Preis 2. Aufl. BGB § 611 Rn. 877). Der Grundordnung fehlt eine derartige Ausrichtung jedoch. Wird diese entsprechend Art. 2 Abs. 2 GrO von einer Einrichtung nicht übernommen, gilt kirchliches Arbeitsrecht nicht. Dadurch werden die betroffenen Arbeitnehmer nicht benachteiligt, weil ihnen alle Schutzmöglichkeiten des allgemeinen Arbeitsrechts bis hin zum Arbeitskampf zur Verfügung stehen. Daher verbietet sich auch die Annahme, die Fürsorgepflicht des kirchlichen Arbeitgebers verpflichte diesen den Arbeitnehmern gegenüber zur Übernahme der Grundordnung.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, D. Knauß, Schäferkord

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1492005

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