Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht des Arbeitgebers;. Ausübung nach billigem Ermessen. Vertragsauslegung
Orientierungssatz
Weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Abschluß des Arbeitsvertrags oder bei Übertragung einer anderen Tätigkeit auf eine für den Arbeitsbereich des Arbeitnehmers geltende betriebliche Regelung über Zeit und Ort des Beginns und Endes der täglichen Arbeit hin, wird die zu diesem Zeitpunkt bestehende betriebliche Regelung nicht Inhalt des Arbeitsvertrags. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Festlegung von Ort und Zeit der Arbeitsleistung wird dadurch nicht eingeschränkt. Dies gilt auch, wenn die bei Vertragsschluß bestehende betriebliche Regelung über längere Zeit hinweg beibehalten wird und der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht insoweit keinen Gebrauch macht. Dadurch allein tritt weder eine Konkretisierung der Arbeitspflicht ein noch entsteht eine entsprechende betriebliche Übung.
Normenkette
BGB §§ 611, 315 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. Juni 1999 – 4 (16) Sa 603/99 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine Anordnung über Beginn und Ende der täglichen Arbeit vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt ist, und über die Wirksamkeit einer vorsorglich erklärten Änderungskündigung.
Der Kläger ist seit dem 24. Juli 1972 bei der Beklagten beschäftigt. Er war zunächst als Omnibusfahrer eingesetzt. Auf Grund gesundheitlicher Probleme ist er seit dem 17. Januar 1992 als Kontrollschaffner im sogenannten geteilten Dienst mit einer täglichen Arbeitszeit von 6.00 Uhr bis 10.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 17.42 Uhr tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 17. Januar 1992 der Bundes-Manteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) und die zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.
Der Kläger nahm bis zum 31. Dezember 1997, ebenso wie die anderen Kontrollschaffner der Beklagten, die Arbeit in der Weise auf, daß er bei Dienstbeginn an der seiner Wohnung nächstgelegenen Haltestelle (Entfernung ca. 5 Fußminuten) in ein Fahrzeug der Beklagten einstieg und dort seine Kontrolltätigkeit begann. Später traf er mit zwei weiteren Kollegen zusammen, mit denen er gemeinsam kontrollierte. Entsprechend verfuhr er bei Dienstende. Diese betriebliche Regelung war dem Kläger und den übrigen Kontrollschaffnern jeweils bei der Einstellung bzw. der Übernahme der Tätigkeit als Kontrollschaffner mitgeteilt worden. Ende Dezember 1997 wies die Beklagte mit Zustimmung des Betriebsrats den Kläger und die übrigen Kontrollschaffner an, die tägliche Arbeit ab dem 1. Januar 1998 am Betriebshof aufzunehmen und zu beenden und von Dienstbeginn an in Gruppen zu kontrollieren. Der dem Kläger zugewiesene Betriebshof M ist von seiner Wohnung aus mit den Linienfahrzeugen der Beklagten in ca. einer Stunde, mit dem PKW, den der Kläger benutzt, in ca. 35 – 40 Minuten zu erreichen. Am 14. Januar 1998 bescheinigte der werksärztliche Dienst dem Kläger, die Zeit der „An- und Abfahrtswege sollte sich möglichst in Grenzen halten und 10 Stunden … nicht überschreiten”. Nachdem mehrere Kontrollschaffner gegen die Änderungsanordnung vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf geklagt hatten und dieses in einem Verfahren festgestellt hatte, daß die Anordnung nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt sei, sprach die Beklagte zum Zwecke einer entsprechenden Änderung der Arbeitsbedingungen ua. gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 30. April 1998 eine außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist bis zum 31. Dezember 1998 aus. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist, an.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Änderungsanordnung sei vom Direktionsrecht der Beklagten nicht gedeckt. Die Beklagte habe ihm bei der Einstellung zugesagt, die tägliche Arbeit mit dem Einstieg in eine Bahn oder einen Bus an der der Wohnung nächstgelegenen Haltestelle beginnen und entsprechend beenden zu können. Diese Zusage sei – zumindest durch die jahrelange Praxis – Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden. Da bei allen Kontrollschaffnern so verfahren worden sei, sei eine betriebliche Übung entstanden, von der sich die Beklagte nicht einseitig lösen könne. Die Anordnung entspreche nicht billigem Ermessen. Die dadurch entstandenen längeren Wegezeiten seien ihm auch angesichts seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zuzumuten. Die Maßnahme sei entgegen der Behauptung der Beklagten nicht erforderlich. Weder seien erhöhte Einnahmen noch Fortschritte bei der Sicherheit der Kontrolleure zu erzielen. Die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung sei unwirksam.
Der Kläger hat beantragt
- festzustellen, daß die Anordnung der Beklagten unwirksam ist, wonach der Dienst des Klägers am Betriebshof M zu beginnen und zu enden habe,
- festzustellen, daß die Änderungskündigung der Beklagten vom 30. April 1998 unwirksam ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die bis zum 31. Dezember 1997 bei Kontrollschaffnern praktizierte Regelung über Dienstbeginn und -ende sei nicht Inhalt des Arbeitsvertrags geworden. Sie habe den Kläger, ebenso wie die übrigen Kontrollschaffner, lediglich auf die damals für Kontrollschaffner geltende betriebliche Arbeitszeitregelung hingewiesen. Eine betriebliche Übung sei nicht entstanden. Die Anordnung entspreche billigem Ermessen. Sie sei Teil eines Pakets zur Kostensenkung. Ferner solle die Reorganisation eine größere Kontrollintensität und höhere Einnahmen sowie den Schutz der Kontrolleure, die sich verstärkt Angriffen von Fahrgästen ausgesetzt sähen, bewirken. Die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung sei wirksam.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat ab dem 1. Januar 1998 die tägliche Arbeit am Betriebshof aufzunehmen und zu beenden. Dies hat die Beklagte am 22. Dezember 1997 wirksam angeordnet. Darauf, ob die Änderungskündigung wirksam war, die die Beklagte vorsorglich ausgesprochen hat, kommt es nicht an. Zutreffend haben das Arbeitsgericht und ihm folgend das Landesarbeitsgericht den Antrag zu 2. als unechten Hilfsantrag angesehen, über den, da der Antrag zu 1. ohne Erfolg bleiben mußte, nicht zu entscheiden war.
I. Nach § 15 Abs. 1 BMT-G II beginnt und endet die Arbeitszeit an dem vorgeschriebenen Arbeitsplatz, bei wechselnden Arbeitsplätzen an dem jeweils vorgeschriebenen Arbeits- oder Sammelplatz. Nach § 7 der Sondervereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a) BMT-G für Arbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben ist Arbeitsplatz iSd. § 15 Abs. 1 BMT-G das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz.
1. Der Kläger unterfällt als Kontrollschaffner der genannten Sondervereinbarung. Sein Arbeitsplatz ist daher der jeweilige Bus oder die Bahn, in der er die Kontrolltätigkeit ausübt. Da er in unterschiedlichen, ständig wechselnden Fahrzeugen kontrolliert, ist der Arbeitsplatz das ihm jeweils zur Kontrolle zugewiesene Fahrzeug. Diese Zuweisung bestimmt der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts. Die Anordnung vom 22. Dezember 1997 war vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt.
2. Das Direktionsrecht ermöglicht dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im einzelnen nach Zeit, Art und Ort zu bestimmen. Es gehört zum wesentlichen Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt sein. Soweit es besteht, darf es nur nach billigem Ermessen iSd. § 315 Abs. 3 BGB ausgeübt werden(ständige Rechtsprechung vgl. etwa BAG 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30; 23. Juni 1993 – 5 AZR 337/92 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 42 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 13; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 45 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 16; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 802/94 – AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 9 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 33; 7. Dezember 2000 – 6 AZR 444/99 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Das Direktionsrecht der Beklagten hinsichtlich der Festlegung von Zeit und Ort der Arbeitsaufnahme durch den Kläger ist weder durch Tarifvertrag noch durch eine einzelvertragliche Vereinbarung oder durch betriebliche Übung eingeschränkt.
II. Der BMT-G II schränkt das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Festlegung von Ort und Zeit der Arbeitsleistung nicht ein. Hinsichtlich der Festlegung der Fahrzeuge, in denen die geschuldete Tätigkeit zu erbringen ist, und, ab wann dies zu geschehen hat, gibt es keine einschränkende tarifliche Regelung(vgl. Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G II Stand Juli 2001 § 14 Erl. 13; BAG 7. Dezember 2000 – 6 AZR 444/99 – aaO, zu II der Gründe).
III. Die bis zum 31. Dezember 1997 geltende betriebliche Regelung über die Aufnahme und Beendigung der täglichen Arbeit für Kontrollschaffner ist nicht Inhalt des Arbeitsvertrags geworden.
1. Der schriftliche Arbeitsvertrag enthält eine solche Vereinbarung nicht. Auch mündlich wurde insoweit nichts vereinbart. Der Kläger hat vorgetragen, ihm sei vor Aufnahme der Tätigkeit als Kontrollschaffner zugesagt worden, daß er die tägliche Arbeit in der Weise beginnen könne, daß er bei Dienstbeginn an der seiner Wohnung nächstgelegenen Haltestelle in einen Bus oder eine Bahn einsteige und in dem betreffenden Fahrzeug die Kontrolltätigkeit aufnehme und bei Dienstschluß entsprechend verfahre. Das Landesarbeitsgericht hat dies nicht als einzelvertragliche Vereinbarung gewertet, sondern lediglich als Hinweis auf die seinerzeit geltende betriebliche Regelung angesehen. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Auslegung sog. nichttypischer Willenserklärungen, um die es sich vorliegend handelt, obliegt dem Tatrichter. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht der Tatsacheninstanz die wesentlichen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB beachtet, nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen und den Tatsachenstoff vollständig verwertet hat(st. Rspr. vgl. BAG 26. Mai 1992 – 9 AZR 27/91 – AP HGB § 74 Nr. 63 = EzA HGB § 74 Nr. 54, zu 2 der Gründe; 22. September 1992 – 1 AZR 235/90 – BAGE 71, 164, 171; 2. Juni 1987 – 3 AZR 626/85 – BAGE 55, 309, 314 mwN).
b) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung stand. Rechtsfehler der genannten Art sind weder ersichtlich noch von der Revision aufgezeigt. Daß die Beklagte vor Aufnahme der Tätigkeit als Kontrollschaffner durch den Kläger eine Erklärung des Inhalts abgegeben hätte, die damals für Kontrollschaffner geltende Regelung werde auch in Zukunft – zumindest für ihn – beibehalten, hat der Kläger selbst nicht vorgetragen. Die Erklärung der Beklagten bestand nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts aus dem Hinweis auf die damals geltende betriebliche Regelung für Kontrollschaffner. Damit haben die Parteien jedoch nur vereinbart, daß die Aufnahme und Beendigung der täglichen Arbeit nach der jeweils geltenden betrieblichen Regelung erfolgen soll. Eine solche Vereinbarung ist nicht dahingehend auszulegen, daß die zu diesem Zeitpunkt geltende Praxis unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Regelung unverändert für dieses Arbeitsverhältnis gelten soll. Ist ein Arbeitnehmer an der Beibehaltung einer solchen Praxis interessiert, muß er mit seinem Arbeitgeber eine Vereinbarung darüber treffen, daß diese für ihn unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Regelung gelten soll(BAG 23. Juni 1992 – 1 AZR 57/92 – AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 1 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 12 zur Lage der täglichen Arbeitszeit; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 802/94 – AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 9 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 33; 7. Dezember 2000 – 6 AZR 444/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu III 1 der Gründe). Daß dies vereinbart worden wäre, hat der Kläger selbst nicht behauptet.
2. Die Arbeitspflicht hatte sich nicht auf die bis zum 31. Dezember 1997 geltende betriebliche Regelung konkretisiert, noch ist eine dahingehende betriebliche Übung entstanden. Dies hat der erkennende Senat bereits in mehreren Parallelverfahren durch Urteile vom 7. Dezember 2000 entschieden. Auf die dortige Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen(vgl. – 6 AZR 444/99 – aaO, zu III 2 und 3 der Gründe). Allein daraus, daß die Beklagte die bis zum 31. Dezember 1997 geltende Regelung jahrelang unverändert gelassen hatte, konnten der Kläger und die übrigen Kontrollschaffner nicht schließen, die Beklagte werde diese Regelung auch künftig unverändert beibehalten und auf die Ausübung ihres Direktionsrechts verzichten. Dazu hätte es weiterer Umstände bedurft. Solche Umstände hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen.
IV. Die Ausübung des Direktionsrechts durch die Beklagte entspricht billigem Ermessen (§ 315 Abs. 3 BGB).
1. Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind(st. Rspr. vgl. etwa BAG 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30, zu II 2 b aa der Gründe; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – aaO, zu I 1 der Gründe). Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Diese ist in der Revisionsinstanz uneingeschränkt überprüfbar(BAG 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – aaO; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – aaO; 24. April 1996 – 5 AZR 1031/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 48 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 18, zu 1 der Gründe; 17. Dezember 1997 – 5 AZR 332/96 – BAGE 87, 311, 317). Die Billigkeitskontrolle ist allerdings in erster Linie Aufgabe der Tatsacheninstanz, weil es bei ihr darum geht, die besonderen tatsächlichen Gegebenheiten eines Falles festzustellen und zu würdigen. Stehen die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen jedoch fest, kann das Revisionsgericht die Beurteilung selbst vornehmen(BAG 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – aaO; 24. April 1996 – 5 AZR 1031/94 – aaO; 17. Dezember 1997 – 5 AZR 332/96 – aaO; 7. Dezember 2000 – 6 AZR 444/99 – aaO, zu IV 1 der Gründe).
2. Das Landesarbeitsgericht hat es als ohne weiteres einsichtig angesehen, daß durch die gemeinsame Aufnahme der Kontrolltätigkeit am Betriebshof die Kontrolldichte erhöht und damit die Effektivität des Kontrolldienstes verbessert wird. Schutzwürdige Belange des Klägers seien durch die Anordnung der Beklagten nicht betroffen, da er keinen Anspruch darauf habe, eine für ihn zufällig günstigere Regelung über den Ort des Dienstbeginns bzw. des Dienstendes künftig beizubehalten.
Diese Würdigung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die längeren Wegezeiten, die der Kläger nunmehr täglich aufzuwenden hat, und damit seine Belange bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht berücksichtigt. Dies ändert jedoch nichts daran, daß die Anordnung der Beklagten im Ergebnis billigem Ermessen entspricht. Diese Entscheidung konnte der Senat selbst treffen, da die für die Abwägung erforderlichen Tatsachen feststehen.
Die Beklagte hat die Anordnung im wesentlichen mit wirtschaftlichen Erwägungen begründet und vorgetragen, die gemeinsame Kontrolle während der gesamten Arbeitszeit solle eine höhere Kontrollintensität bewirken, wodurch höhere Beförderungsentgelte erzielt werden könnten. Damit sprechen erhebliche wirtschaftliche Gesichtspunkte für die von der Beklagten getroffene Anordnung. Zwar hat der Kläger bestritten, daß die Verlagerung von Dienstbeginn und Dienstende auf den Betriebshof geeignet sei, die Kontrollintensität sowie die Einnahmen aus Beförderungsentgelten zu steigern und daß der von der Beklagten erstrebte Erfolg tatsächlich eingetreten sei. Dieses Bestreiten ist jedoch nicht erheblich. Ob die von der Beklagten prognostizierte Steigerung der Einnahmen aus Beförderungsentgelten in der Zeit ab dem 1. Januar 1998 tatsächlich eingetreten ist, spielt für die Interessenabwägung keine Rolle. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, kann dies nicht nur darauf beruhen, daß die angeordnete Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks ungeeignet war, sondern auch andere Ursachen haben. Deshalb kann bei der vorzunehmenden Abwägung nur auf die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts und nicht auf die tatsächliche nachträgliche Entwicklung abgestellt werden. Das Interesse der Beklagten bestimmt sich daher ausschließlich danach, ob im Dezember 1997 bei objektiver Betrachtung unter Zugrundelegung der betrieblichen Verhältnisse und der voraussichtlichen weiteren Entwicklung vernünftigerweise davon ausgegangen werden konnte, durch die Verlagerung von Dienstbeginn und Dienstende in den Betriebshof könnte eine erhöhte Kontrollintensität erreicht und dadurch höhere Beförderungsentgelte erzielt werden. Dies ist – wie das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat – der Fall. Daß die gleichzeitige Kontrolle durch mehrere Schaffner intensiver ist als durch einen Schaffner, ist ohne weiteres nachvollziehbar. Zwar kann der einzelne Schaffner bei gemeinsamen Kontrollen nicht mehr Fahrgäste kontrollieren als bei Einzelkontrollen. Wird ein Fahrzeug jedoch von mehreren Schaffnern gleichzeitig kontrolliert, ist die Chance, sich der Kontrolle zu entziehen, für Fahrgäste ohne gültigen Fahrausweis geringer als bei der Anwesenheit nur eines Schaffners. Daraus rechtfertigt sich die Prognose, daß auf diese Weise höhere Beförderungsentgelte zu erzielen sind, sei es durch erhöhte Beförderungsentgelte durch Fahrgäste, die ohne gültige Fahrerlaubnis angetroffen werden oder dadurch, daß sich weniger Fahrgäste dem Risiko aussetzen, beim „Schwarzfahren” ertappt zu werden und deshalb den Fahrpreis vor Fahrtantritt entrichten.
Hinter dem Interesse der Beklagten an einer effektiveren Nutzung der Arbeitszeit der Kontrollschaffner und der dadurch zu erwartenden Steigerung der Beförderungsentgelte muß das Interesse des Klägers, unter Beibehaltung der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Regelung tägliche Wegezeiten von ca. 140 bis 160 Minuten einzusparen, zurücktreten. Wegezeiten in dieser Größenordnung halten sich – jedenfalls unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Kläger auf eigenen Wunsch im geteilten Dienst arbeitet und deshalb die Wegezeiten täglich zweifach anfallen – im Rahmen des üblichen und sind ihm deshalb zumutbar. Dies gilt auch unter Berücksichtigung seiner nicht näher dargelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Nach der werksärztlichen Bescheinigung vom 14. Januar 1998 soll sich die Zeit der „An- und Abfahrtswege … möglichst in Grenzen halten und 10 Stunden … nicht überschreiten”. Gemeint ist damit offensichtlich die tägliche Arbeitszeit einschließlich der Wegezeiten. Durch die Aufnahme und Beendigung der Tätigkeit am Betriebshof M wird die empfohlene tägliche Beanspruchung von maximal 10 Stunden nur unwesentlich überschritten. Der Kläger arbeitet täglich von 6.00 Uhr bis 10.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 17.42 Uhr. Er hat daher einschließlich der maximalen Wegezeit von 160 Minuten täglich 10 Stunden und 22 Minuten aufzuwenden. Unter Zugrundelegung einer Wegezeit von 140 Minuten fallen täglich Zeiten von 10 Stunden und 2 Minuten an. Damit wird der Kläger durch die Anordnung der Beklagten nur geringfügig mehr beansprucht als werksärztlich vorgeschlagen. Dies könnte zudem nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts, auf die das Landesarbeitsgericht verwiesen hat, vermieden werden, wenn der Kläger entsprechend dem Angebot der Beklagten die Arbeit im ungeteilten Dienst am Betriebshof T aufnehmen und beenden würde. Da der Kläger auf dieses Angebot nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts nicht eingegangen ist, sondern ohne weitere Begründung auf der Fortführung der bis zum 31. Dezember 1997 geübten Praxis beharrt hat, sind die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers nicht geeignet, das Interesse der Beklagten an der Änderung der Arbeitsbedingungen zu verdrängen.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, D. Knauß, Schäferkord
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.07.2001 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
SAE 2002, 159 |
PersR 2002, 89 |