Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellungsanspruch eines Taxifahrers. Überführungsfahrt
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 164, 276, 823; ZPO §§ 67, 233
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 24.01.1992; Aktenzeichen 15 Sa 714/90) |
ArbG Göttingen (Urteil vom 09.02.1990; Aktenzeichen 3 Ca 402/89) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers und seines Streithelfers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 24. Januar 1992 – 15 Sa 714/90 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Freistellungsanspruch des Klägers aus einem Verkehrsunfall.
Der Kläger ist Postbediensteter. In genehmigter Nebentätigkeit war er als Taxifahrer tätig und fuhr seit Januar 1989 verschiedentlich für die Beklagten. Er durfte 40 % der Schichteinnahme als Entgelt behalten, welches die Beklagten pauschal versteuerten.
Die Beklagten betreiben als Gesellschafter bürgerlichen Rechts ein Taxiunternehmen. Sie waren Mitglieder der Taxi-Besitzer-Vereinigung Göttingen (TBV), eines Zusammenschlusses verschiedener Taxiunternehmer, der eine Taxifunkzentrale betreibt. Auch die Streithelfer der Parteien sind Mitglieder der TBV.
Am 16. Mai 1989 fuhr der Kläger das Taxi des Streithelfers der Beklagten. Gegen 21.00 Uhr bestellte der Kunde G., ein Mitarbeiter der Bertelsmann AG, ein Taxi mit zwei Fahrern für eine Überführungsfahrt. Diesen Auftrag nahm der Taxifahrer C. an, der beim Streithelfer des Klägers beschäftigt ist; der Kläger stieg zu ihm in das Taxi. Beide begaben sich zu dem Kunden, der sie beauftragte, sein Fahrzeug, dessen Halterin die Bertelsmann AG ist, zum Hotel „Stadt Hannover” zu bringen. C. fuhr mit der Taxe voraus, der Kläger folgte ihm mit dem Kundenfahrzeug. Beide fuhren die Groner-Tor-Straße in Richtung Berliner Straße. Die Lichtzeichenanlage an der Berliner Straße zeigte für beide grünes Licht. C. bog mit der Taxe nach rechts in die Berliner Straße ein. Als er die Taxe abbremste, weil ein Radfahrer mit unbeleuchtetem Fahrrad die für ihn Rotlicht zeigende Ampelanlage überfuhr, fuhr der Kläger mit dem Kundenfahrzeug auf die Taxe auf. Dabei wurde das Kundenfahrzeug beschädigt. Die Bertelsmann AG nimmt den Kläger auf Schadensersatz in Höhe von 8.611,74 DM in Anspruch.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagten seien am 16. Mai 1989 seine Arbeitgeber gewesen. Er sei für die Schicht ab 17.00 Uhr eingeteilt gewesen. Nach vergeblichem Warten an der Übergabestelle habe er den Beklagten zu 1) angerufen; dieser habe erklärt, das vorgesehene Fahrzeug sei noch unterwegs, er könne sich aber in der Zentrale ein anderes Taxi aushändigen lassen.
Daß es sich um ein Taxi des Streithelfers der Beklagten gehandelt habe, habe er nicht bemerkt. Deshalb habe er die Schichteinnahme dem Beklagten zu 1) ausgehändigt. Auch bei der Überführungsfahrt sei er für die Beklagten tätig geworden, da er den Auftrag nicht habe ablehnen dürfen. Ihm sei nicht bekannt gewesen, daß er die Vergütung hierfür in voller Höhe hätte behalten dürfen, weshalb er sie anteilig abgeführt hätte. Die Beklagten müßten ihn daher von dem berechtigten Schadensersatzanspruch der Bertelsmann AG freistellen, da er den Auffahrunfall im Rahmen seiner gefahrgeneigten Tätigkeit lediglich leicht fahrlässig verursacht habe. Er sei nämlich dem Taxifahrer C., der mit einer Geschwindigkeit von etwa 25 km/h nach rechts abgebogen sei, im Abstand von 15 m gefolgt. Wegen der plötzlich vollzogenen Gewaltbremsung bis zum Stillstand der Taxe habe er das Kundenfahrzeug nicht mehr gänzlich abbremsen können.
Der Streithelfer des Klägers hat seinen Fahrern untersagt, bei Überführungsfahrten das Fremdfahrzeug zu führen. Er hat in Abrede gestellt, daß der Kläger bei der Überführungsfahrt zu ihm in arbeitsrechtliche Beziehungen getreten sei. Sein Fahrer C. habe keine überhastete Vollbremsung durchgeführt. Der Kläger sei vielmehr zu dicht aufgefahren und habe den Unfall daher grob fahrlässig verursacht.
Der Kläger und sein Streithelfer haben beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von der Forderung der Bertelsmann AG in Gütersloh aus dem Verkehrsunfall vom 16. Mai 1989 in Göttingen freizustellen.
Die Beklagten und ihr Streithelfer haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben geltend gemacht, der Kläger habe sich am 16. Mai 1989 um eine zusätzliche Schicht bemüht. Da keines ihrer Fahrzeuge frei gewesen sei, habe der Beklagte zu 1) den Kläger an den Streithelfer der Beklagten vermittelt. Darauf sei der Kläger ausdrücklich aufmerksam gemacht worden; auch habe er die Taxe an der Taxennummer erkannt. Die dazu bevollmächtigte Zentralistin Schur habe die Wagenschlüssel übergeben. Die Beklagten haben ferner die Auffassung vertreten, sie hafteten keinesfalls für die Überführungsfahrt, die nicht in ihrem Interesse durchgeführt worden sei und die der Kläger hätte ablehnen können. Die Unfallschilderung des Klägers sei unwahrscheinlich, da ein Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von 25 km/h bei trockener Fahrbahn nur einen Bremsweg von 3,4 m habe.
Der Streithelfer der Beklagten hat eine Vollmacht der Zentralistin S. bestritten. Er hat vorgetragen, er sei nicht Vertragspartner des Klägers geworden, da er ihn zuvor nicht kennengelernt und anschließend nur den Umschlag mit dem Abrechnungszettel und der Schichteinnahme in der Taxenzentrale vorgefunden habe. Für die Überführungsfahrt sei entweder ein Vertragsverhältnis unmittelbar zwischen dem Kläger und dem Kunden zustande gekommen, oder der Kläger sei für seinen Streithelfer tätig geworden, als er in das Taxi des Fahrers C. zugestiegen sei. Der Streithelfer der Beklagten hat ferner die Unfallschilderung des Klägers und die Schadenshöhe bestritten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehren der Kläger und sein Streithelfer die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagten und ihr Streithelfer beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig, da dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren ist.
1. Der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers ist statthaft. Der Kläger hat am 12. Juni 1992 Revision eingelegt. Die Frist für die Revisionsbegründung lief gemäß den §§ 74 Abs. 1, 72 Abs. 5 ArbGG, 554 Abs. 2, 222 Abs. 2 ZPO bis einschließlich 13. Juli 1992 (Montag). Die Revisionsbegründung ist erst am 17. Juli 1992 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen und war somit verspätet.
Die Revisionsbegründung durch den Streithelfer des Klägers wahrt die Revisionsbegründungsfrist nicht. Zwar handelt es sich bei der Revision des Klägers und seines Streithelfers um ein einheitliches Rechtsmittel; die Rechtsmittelbegründung des Streithelfers wirkt nach § 67 ZPO zugleich als solche der Hauptpartei (BAG Urteil vom 18. Oktober 1990 – 2 AZR 172/90 – AP Nr. 88 zu § 613 a BGB, zu A 2 der Gründe; BGH Urteil vom 28. März 1985 – VII ZR 317/84 – NJW 1985, 2480; BGH Urteil vom 21. Mai 1987 – VII ZR 296/86 – NJW 1988, 712; BGH Beschluß vom 10. November 1988 – VII ZB 8/88 – NJW 1989, 1357 f; Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 67 Rz 6; Zöller/Vollkommer, ZPO, 18. Aufl., § 67 Rz 5; MünchKommZPO-Schilken, § 67 Rz 6). Doch ist die Revisionsbegründung des Streithelfers des Klägers erst am 15. Juli 1992 und damit ebenfalls erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangen. Dabei bleibt ohne Belang, daß der Streithelfer die Revision innerhalb eines Monats nach seiner Revisionseinlegung vom 17. Juni 1992 begründet hat; denn diese Revisionseinlegung war verspätet, da das Urteil des Landesarbeitsgerichts dem Kläger am 15. Mai 1992 zugestellt worden war. Der Lauf der Rechtsmittelfrist beginnt nämlich mit der Zustellung an die Hauptpartei (BAG Beschluß vom 17. August 1984 – 3 AZR 597/83 – AP Nr. 2 zu § 67 ZPO, zu II der Gründe; BAG Urteil vom 16. September 1986 – 3 AZR 72/85 – AP Nr. 4 zu § 67 ZPO, zu II 1 der Gründe; BGH Urteil vom 15. Juni 1989 – VII ZR 227/88 – NJW 1990, 190; BGH Beschluß vom 4. Oktober 1990 – IX ZB 78/90 – NJW 1991, 229; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 67 Rz 5). Dem Umstand, daß das Urteil des Landesarbeitsgerichts dem Streithelfer erst am 18. Mai 1992 zugestellt worden ist, kommt daher keine Bedeutung zu. Einen Wiedereinsetzungsantrag hat der Streithelfer nicht gestellt.
Der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers ist auch im übrigen zulässig, da er nach Form und Inhalt dem § 236 Abs. 1 und 2 ZPO entspricht und die Fristen des § 234 ZPO gewahrt sind.
Der Antrag ist begründet, da der Kläger ohne sein Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Revision einzuhalten (§ 233 ZPO). Durch die anwaltliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers, die eidesstattliche Versicherung seiner Bürovorsteherin und die Vorlage der Kopien von Verfügungen und Kalendereinträgen ist der Sachverhalt, der zur Versäumung der Revisionsbegründungsfrist geführt hat, glaubhaft gemacht (§§ 236 Abs.2, 294 ZPO). Danach hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers am 25. Juni 1992 verfügt, die Frist zur Revisionsbegründung mit einer Vorfrist von drei Tagen auf den 10. Juli 1992 zu notieren. Die Bürovorsteherin hat dann die Akte mit dem Vermerk „notiert” wieder vorgelegt. Sie hat aber im Kalender statt des 20.Juli 1992 versehentlich den 17. Juli 1992 und dementsprechend die Vorfrist auf den 14. Juli 1992 eingetragen. Daher wurde die Akte dem Rechtsanwalt erst am 14. Juli 1992 wieder vorgelegt, als die Revisionsbegründungsfrist bereits abgelaufen war.
Demnach trifft ein Verschulden allein die Bürovorsteherin.
Der Prozeßbevollmächtigte darf sich darauf verlassen, daß bestimmt erteilte Anweisungen vom Büropersonal befolgt werden (BAG Urteil vom 9. Januar 1990 – 3 AZR 528/89 – AP Nr. 16 zu § 233 ZPO 1977, zu I 1 der Gründe; BGH Urteil vom 21. Dezember 1988 – VII ZR 84/88 – NJW 1989, 2393, 2394; BGH Beschluß vom 27. November 1990 – VI ZB 22/90 – NJW 1991, 1179). Das gilt insbesondere auch für die schriftliche Anordnung, eine bestimmt berechnete Frist im Fristenkalender zu notieren (BAGE 36, 66, 71 = AP Nr. 11 zu § 72 a ArbGG 1979, zu III der Gründe). Zu verlangen, der Rechtsanwalt müsse sich den Fristenkalender zur Kontrolle vorlegen lassen, hieße die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht zu überspannen. Im Interesse eines rationellen Bürobetriebs genügt es, wenn sich der Rechtsanwalt die Akte mit dem Erledigungsvermerk vorlegen läßt. Der Kläger hat auch glaubhaft gemacht, daß die Bürovorsteherin an sich zuverlässig ist und die Fristenkontrolle bisher stets gewissenhaft erledigt hat. Damit war der Fehler für den Prozeßbevollmächtigten des Klägers praktisch nicht vermeidbar; denn der Rechtsanwalt darf und muß im Interesse seiner eigentlichen anwaltschaftlichen Aufgaben gewisse einfache Verrichtungen auf sein geschultes und zuverlässiges Büropersonal zur selbständigen Erledigung übertragen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 51. Aufl., § 233 Rz 146 ff. MünchKommZPO-Feiber, § 233 Rz 75, 91; Zöller/Greger, a.a.O., § 233 Rz 23 Stichwort: Büropersonal). Dessen Verschulden ist der Partei nicht zuzurechnen, da es sich nicht um Vertreter handelt (§§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 ZPO).
B. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Freistellungsanspruch gegen die Beklagten, sondern allenfalls gegen seinen Streithelfer. Wenn ein Arbeitnehmer in Verrichtung seiner Dienste einem Kunden des Arbeitgebers schuldhaft einen Schaden zufüge, so hafteten er und sein Arbeitgeber im Außenverhältnis als Gesamtschuldner. Habe es sich um gefahrgeneigte Arbeit gehandelt und habe der Arbeitnehmer weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt, müsse ihn sein Arbeitgeber im Innenverhältnis nach dem Grad der Fahrlässigkeit anteilig oder in vollem Umfang freistellen. Unterstellt, der Kläger sei am 16. Mai 1989 als Aushilfsfahrer Arbeitnehmer gewesen, unterstellt, er hafte der Bertelsmann AG für den Sachschaden an dem von ihr gehaltenen Fahrzeug und unterstellt, er habe bei der gefahrgeneigten Überführungsfahrt lediglich leicht fahrlässig gehandelt, so hafteten die Beklagten weder im Innen- noch im Außenverhältnis; denn der Kunde der Überführungsfahrt sei weder ihr Kunde noch der Kunde ihres Streithelfers, sondern der Kunde des Streithelfers des Klägers gewesen. Ob der Kläger am 16. Mai 1989 Aushilfsfahrer der Beklagten oder ihres Streithelfers gewesen sei, könne dahinstehen; denn im Rahmen der Überführungsfahrt sei er weder für die Beklagten noch für ihren Streithelfer tätig geworden sondern für seinen eigenen Streithelfer. Zwar akzeptiere die TBV Überführungsfahrten im wirtschaftlichen Interesse ihrer Mitglieder, und ein Teil ihrer Mitglieder gestatte oder verlange, daß ihre Fahrer für Überführungsfahrten ihr Taxi stehenließen und in ein fremdes Taxi zustiegen; jedoch sei die Überführungsfahrt ein Geschäft desjenigen Taxenunternehmers, dessen Taxi für die Überführungsfahrt engagiert werde. Der Taxenunternehmer könne den Auftrag nur durchführen, wenn er einen zweiten Fahrer zur Verfügung habe, sei es einen eigenen Fahrer oder einen von einem anderen Unternehmen entliehenen Fahrer, was möglich sei, weil ein Teil der Mitglieder der TBV im Gesamtinteresse damit einverstanden sei. Der entliehene Fahrer, der mit der Verleihung einverstanden sein müsse, trete für die Überführungsfahrt in die betriebliche Organisation des fremden Taxenunternehmers, denn er werde als sein Erfüllungsgehilfe bei der Durchführung des Auftrags tätig. Dem Kunden gegenüber hafteten Unternehmer und entliehener Fahrer gesamtschuldnerisch. Sei der Fahrer als Arbeitnehmer tätig und werde er als solcher im Rahmen eines echten Leiharbeitsverhältnisses entgeltlich oder unentgeltlich entliehen, so habe er im Innenverhältnis gegenüber dem Entleiher nach den Grundsätzen der gefahrgeneigten Arbeit einen Freistellungsanspruch.
II. Diesen Ausführungen kann der Senat weder in der maßgeblichen Begründung noch im Ergebnis folgen.
1. Schädigt der Arbeitnehmer in Ausübung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit einen außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden Dritten, so haftet er diesem nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen (§§ 823 ff., 276 BGB). Für eine Beschränkung der Haftung des Arbeitnehmers nach Maßgabe der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur gefahrgeneigten Arbeit ist zu Lasten außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehender Dritter kein Raum. Das entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofs und wird auch in der Literatur ganz überwiegend vertreten (vgl. nur BGH Urteil vom 19. September 1989 – VI ZR 349/88 – AP Nr. 99 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu II 2 a dd der Gründe, mit umfangreiflihen Nachweisen). Die Rechtsprechung zur eingeschränkten Haftung des Arbeitnehmers bei gefahrgeneigter Arbeit beruht nämlich nicht zur übergreifenden, sondern auf spezifisch arbeitsvertraglichen Erwägungen. Die eigentliche Begründung liegt in den das Arbeitsverhältnis beherrschenden Treue- und Fürsorgepflichtgedanken, mit nen es sich nicht vertrüge, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit Schäden und Ersatzansprüchen belasten würde, die sich aus der besonderen Gefahr und Eigenart der ihm übertragenen Arbeit geben (so ausdrücklich Beschluß des Großen Senats vom 5. September 1957, BAGE 5, 1, 8 = AP Nr. 4 zu §§ 898, 899 RVO, III 1 der Gründe; vgl. auch Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, 4. Aufl., § 19 II 1 f, S. 228 f.; Kohte, Arbeitnehmerhaftung und Arbeitgeberrisiko, 1981, S. 131 ff., 226 ff.). Diese Begründung versagt im Verhältnis zu einem außerhalb des Arbeitsverhältnisses stehenden Dritten (BGH, a.a.O., zu II 2 a cc der Gründe).
2. Zum Ausgleich für die unbeschränkte Außenhaftung steht dem Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen ein Freistellungsanspruch gegen seinen Arbeitgeber zu. Damit soll der Arbeitnehmer Rücksicht auf den Treue- und Fürsorgepflichtgedanken und die gemessene Risikoverteilung im Arbeitsverhältnis so gestellt werden, als hätte er den Arbeitgeber unmittelbar geschädigt (vgl. BAG, a.a.O.; zum Freistellungsanspruch allgemein siehe etwa BAG Urteil vom 18. Januar 1966 – 1 AZR 247/63 – AP Nr. 37 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu III der Gründe; Denck, Der Schutz des Arbeitnehmers vor der Außenhaftung, 1980, S. 254 ff.; Gamillscheg/Hanau, Die Haftung des Arbeitnehmers, 2. Aufl., S. 89 ff., jeweils m.w.N.). Der Freistellungsanspruch findet seine Grundlage also in denselben Erwägungen, die auch für die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung im Innenverhältnis gelten; er setzt nicht voraus, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Außenverhältnis als Gesamtschuldner haften (so aber offenbar Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 52 VII 2, S. 313).
Da der Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber der Haftung im Arbeitsverhältnis folgt, erscheint es nicht gerechtfertigt, an dem Merkmal der Gefahrgeneigtheit der Arbeit als Voraussetzung einer Freistellung festzuhalten. Vielmehr sollten die Umstände, die die Gefahrgeneigtheit einer Arbeit begründen, nur bei der Bewertung des Verschuldens berücksichtigt werden. Für die Haftungsbeschränkung im Wege der Freistellung würde es dann ausreichen, daß das schadensstiftende Ereignis durch eine Tätigkeit ausgelöst wurde, die durch den Betrieb veranlaßt war und aufgrund des Arbeitsverhältnisses ausgeübt wurde (vgl. den Vorlagebeschluß des erkennenden Senats vom 12. Oktober 1989, BAGE 63, 120, 123 f. = AP Nr. 98 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu B II der Gründe; auch schon Beschluß des Dritten Senats vom 12. Februar 1985, BAGE 49, 1, 3 ff. = AP Nr. 86 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu B I 1 der Gründe; zuletzt Beschluß des Großen Senats vom 12. Juni 1992 – GS 1/89 – NZA 1993, 547 ff., zu II, III der Gründe). Ob auf die Gefahrgeneigtheit der Arbeit verzichtet werden kann, darf im Streitfalle dahingestellt bleiben. Denn der Kläger übte, als er das Taxi fuhr, eine gefahrgeneigte Arbeit im Sinne der herkömmlichen Rechtsprechung aus. Die Tätigkeit eines Kraftfahrers ist in der Regel gefahrgeneigt, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen können (vgl. nur BAGE 57, 55, 58 = AP Nr. 93 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu B II 1 der Gründe, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts; Schiff, Das Arbeitsverhältnis im Taxigewerbe, Diss. Freiburg 1979, S. 163 ff.). Solche Umstände sind hier nicht ersichtlich, zumal der Kläger ein fremdes Fahrzeug führte.
Um den Arbeitgeber nicht mit dem allgemeinen Lebensrisiko des Arbeitnehmers zu belasten, muß die Tätigkeit, die zu dem Schaden geführt hat, aufgrund des Arbeitsverhältnisses betrieblich veranlaßt sein. Betrieblich veranlaßt sind dabei solche Tätigkeiten des Arbeitnehmers, die ihm für den Betrieb übertragen worden sind, die er im Interesse des Betriebs ausführt oder die in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen (vgl. BAG GS Beschluß vom 12. Juni 1992, a.a.O., zu B III 5 der Gründe; BAGE 19, 41 = AP Nr. 1 zu § 637 RVO; BAG Urteil vom 14. März 1974 – 2 AZR 155/73 – AP Nr. 8 zu § 637 RVO; BGH Urteil vom 2. März 1971 – VI ZR 146/69 – AP Nr. 6 zu § 637 RVO).
3. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob der Kläger, wenn er am 16. Mai 1989 in einem Arbeitsverhältnis zu den Beklagten stand, auch die Überführungsfahrt in dem bezeichneten Sinne in Ausübung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit durchgeführt hat.
a) Das Landesarbeitsgericht wird weiter aufzuklären haben, ob es von dem erklärten Willen der Beteiligten gedeckt ist, anzunehmen, das Arbeitsverhältnis desjenigen Fahrers, der in ein fremdes Taxi zusteige, werde unterbrochen oder komme zum Ruhen. Für eine Unterbrechung oder ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses bedürfte es entsprechender rechtsgeschäftlicher Erklärungen der Vertragsparteien.
b) Geht man mit dem Landesarbeitsgericht von einer Arbeitnehmerüberlassung aus, so bleibt die Arbeitgeberstellung der Beklagten hierdurch unberührt. Ein (echtes) Leiharbeitsverhältnis liegt vor, wenn der Taxifahrer von seinem Arbeitgeber gelegentlich zur Arbeitsleistung an einen anderen Unternehmer überlassen wird (vgl. nur BAG Urteil 5. Mai 1988 – 8 AZR 484/85 – AP Nr. 2 zu § 831 BGB, zu B II 3 a der Gründe; Becker/Wulfgramm, AÜG, 3. Aufl., Einleitung Rz 22 ff., Art. 1 § 1 Rz 30; Heinze, ZfA 1976, 183; Sandmann/Marschall, AÜG, Stand: November 1991, Einleitung Anm. 8, 14; Schaub, a.a.O., § 120 I 1, S. 918 f.). Ob im Streitfalle ein Überlassungsvertrag zwischen den Taxiunternehmern anzunehmen ist, kann dahingestellt bleiben. Der Kläger wäre im Falle eines Verleihs Arbeitnehmer der Beklagten geblieben. Der verliehene Arbeitnehmer wird während der Überlassung weiterhin in Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber seinem Arbeitgeber tätig. Ein Freistellungsanspruch gegenüber den Beklagten würde durch die Annahme eines echten Leiharbeitsverhältnisses also gerade nicht ausgeschlossen. Ob daneben eine Einschränkung der Haftung gegenüber dem Entleiher (vgl. Becker/Wulfgramm, a.a.O., Art. 1 § 11 Rn 37; Becker, NJW 1976, 1827, 1828) und damit zusammenhängend ein Freistellungsanspruch gegenüber dem Entleiher in Betracht kommt, ist im Streitfalle nicht zu entscheiden.
c) Bei der Überführungsfahrt am 16. Mai 1989 wäre der notwendige innere Zusammenhang zwischen Arbeitsverhältnis und Tätigkeit des Klägers gewahrt gewesen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht unterbrochen worden wäre oder geruht hätte. Der Kläger hat aufgrund des Arbeitsverhältnisses eine durch den Betrieb seines Arbeitgefahrs veranlaßte Tätigkeit erbracht.
Das Landesarbeitsgericht führt aus, der Besteller der Überführungsfahrt sei (allein) Kunde des Streithelfers des Klägers gewesen, die Fahrt sei dessen Geschäft gewesen. Das mag richtig sein. Es ändert aber nichts daran, daß der Kläger gegenüber seinem Arbeitgeber in Erfüllung seines Arbeitsvertrags gehandelt haben könnte. Die Annahme von Überführungsfahrten, auch als zweiter Fahrer, war dem Kläger nicht verboten. Die in der TBV zusammengefaßten Taxiunternehmer führten solche Fahrten, zu denen notwendig ein Fahrzeug mit zwei Fahrern gehört, ohne weiteres aus; dabei wurden keine Unterschiede gemacht, ob die beiden Fahrer bei demselben oder bei verschiedenen Taxiunternehmern beschäftigt waren. Der Kläger ist zu keiner Zeit darauf hingewiesen worden, die etwaige Tätigkeit als zweiter Fahrer bei einer Überführungsfahrt sei seine Privatsache. Das mußte sich dem Kläger auch keinesfalls aufdrängen. Die Überführungsfahrten werden nämlich im gemeinsamen Interesse der Taxiunternehmer durchgeführt. Legt der Unternehmer auf Überführungsfahrten keinen Wert, so muß er das gegenüber dem Arbeitnehmer klarstellen, sie eventuell einschränken oder ganz verbieten. Dem steht der Hinweis der Beklagten auf die ungeregelte Vergütungsfrage nicht entgegen. Wenn Taxiunternehmer von der Forderung nach einer Abrechnung der Überführungsfahrt gegenüber dem zweiten Fahrer absehen, weil eine Kontrolle ohnehin schwer möglich ist, so steht das der betrieblichen Veranlassung der Tätigkeit nicht unbedingt entgegen. Ebensowenig kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer die Überführungsfahrt, etwa wegen der Haftungsrisiken, ablehnen kann. Der Fall der vom Arbeitgeber zumindest gebilligten Überführungsfahrt liegt demnach völlig anders als etwa der Fall der Schwarzfahrt oder der verbotswidrigen Personenbeförderung (vgl. hierzu BGH Urteil vom 3. November 1964 – VI ZR 82/64 – BB 1965, 62 f.).
III. Das Landesarbeitsgericht muß zunächst aufklären, ob zwischen den Parteien am 16. Mai 1989 ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Nach dem bisherigen Vortrag der Parteien wurden jeweils für eine Schicht kurzfristige Vertragsverhältnisse abgeschlossen. Ob es sich dabei um Arbeitsverhältnisse gehandelt hat, ist nach den Maßstäben der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29. Mai 1991 (– 7 ABR 67/90 –, zu B II 2 b der Gründe) zu bestimmen (vgl. BAG Beschluß vom 8. April 1992 – 7 ABR 56/91 – EzA § 20 BetrVG Nr. 15 zu derselben Taxi-Besitzer-Vereinigung). Zu beachten ist, daß die Parteien und ihre Streithelfer während der Vertragsverhältnisse und auch noch in den Vorinstanzen übereinstimmend von Arbeitsverhältnissen ausgegangen sind.
Für die Frage, ob der Vertrag am 16. Mai 1989 zwischen dem Kläger und den Beklagten zustande gekommen ist, wird es u.a. darauf ankommen, welche Erklärungen der Beklagte zu 1) am 16. Mai 1989 abgegeben hat und wie diese aus der Sicht des Klägers zu verstehen waren (§§ 133, 157 BGB). Ein Vertrag zwischen dem Kläger und dem Streithelfer der Beklagten kommt insbesondere in Betracht, wenn schlüssige Erklärungen der Zentralistin S. festgestellt werden können, die dem Streithelfer der Beklagten zuzurechnen sind.
Der Umfang der Freistellung richtet sich nach den Maßstäben, die der Senat in ständiger Rechtsprechung zugrunde legt (vgl. nur BAGE 57, 55 = AP Nr. 93 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Daher ist zunächst der Grad des Verschuldens des Klägers aufzuklären, wobei zu beachten ist, daß selbst im Falle einer groben Fahrlässigkeit eine anteilige Freistellung von der Haftung in Betracht kommt (BAGE 63, 127 = AP Nr. 97 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers).
Unterschriften
Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Mikosch, Dr. Haible, Mache
Fundstellen