Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang

 

Orientierungssatz

1. Entscheidend für den Betriebsübergang eines Einzelhandelsgeschäfts im Sinne des § 613a BGB ist, ob der Kundenkreis erhalten bleibt. Der Kundenkreis des Einzelhandelskaufmanns wird geschaffen durch die Geschäftslage, die Betriebsform sowie durch ein bestimmtes Warensortiment. Deshalb müssen insbesondere die Bestandteile des Betriebs auf den Erwerber übergehen, die es ermöglichen, den Kundenkreis zu halten.

2. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzuheben. Deshalb spricht bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebs eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stillegungsabsicht (BAG Urteil vom 27.9. 1984, 2 AZR 309/83 = AP Nr 39 zu § 613a BGB).

3. Der Betrieb kann auch von einem Pächter stillgelegt werden (BAG Urteil vom 26.2.1987, 2 AZR 768/85 = DB 1987, 991).

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 04.02.1987; Aktenzeichen 7 Sa 1057/87)

ArbG Köln (Entscheidung vom 07.08.1986; Aktenzeichen 6 Ca 4440/86)

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit 1980 Verkäuferin in dem sich in K in der K-Straße befindenden "H-Markt". Der Beklagte hatte diesen Betrieb am 13. September 1982 aufgrund der Vereinbarung vom 10. September 1982 von der Nebenintervenientin übernommen und mit ca. achtzehn Arbeitnehmern betrieben. Die Klägerin ist von dem Beklagten untertariflich entlohnt worden. Ab Ende 1985 bemühte sich der Beklagte aus gesundheitlichen Gründen bei der Nebenintervenientin um eine Rücknahme des Betriebs. Da nach Ansicht des Beklagten eine Rücknahmevereinbarung per 1. April 1986 erzielt wurde, am 1. April 1986 jedoch eine Rücknahme nicht stattfand, warf der Beklagte am 4. April 1986 abends den Betriebsschlüssel in den Briefkasten der Nebenintervenientin. Am 17. April 1986 fand eine gemeinsame Begehung des Betriebes statt und am 19. April 1986 führte die Nebenintervenientin mit Hilfe der Angestellten des Betriebes eine Inventur durch. Mit Schreiben vom 23. April 1986 kündigte die Streitverkündete dem Beklagten fristlos den Untermietvertrag mit der Aufforderung, innerhalb von sieben Tagen die Geschäftsräume zu räumen, sowie mit der Ankündigung, anderenfalls das Ladenlokal in Besitz zu nehmen und aufgrund Geschäftsführung ohne Auftrag und aus Gründen der Schadensminderungspflicht die noch vorhandene Ware durch Verkauf zu verwerten und die Einrichtungsgegenstände, die Eigentum des Beklagten waren, im Rahmen des Geschäftsbetriebes zu nutzen. Die Nebenintervenientin hat nach einer Renovierung ab Anfang Juni 1986 die Verkaufstätigkeit in dem Laden mit dem bisherigen Personal fortgeführt. Sie schloß mit der Klägerin einen neuen Arbeitsvertrag. Der Beklagte kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 16. Mai 1986 vorsorglich zum 30. Juni 1986.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin vom Beklagten die Differenz zum Tarifgehalt für die Monate Oktober 1985 bis März 1986 (je 474,-- DM bzw. 500,-- DM) und Lohn für die Monate April bis Juni 1986 jeweils in Höhe von 1.490,70 DM geltend gemacht.

Im Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 7. August 1986 haben die Parteien unstreitig gestellt, daß bis zum 4. April 1986 an die Klägerin Lohn gezahlt worden ist.

Das Arbeitsgericht hat die Klage wegen der Lohndifferenzen für Oktober und November 1985 abgewiesen, ihr für die Monate Dezember 1985 bis März 1986 in Höhe von 1.947,-- DM stattgegeben, sowie wegen der Lohnansprüche für April bis Juni 1986 mit der Begründung abgewiesen, dafür hafte nicht der Beklagte, weil der Betrieb am 4. April 1986 auf die Firma H übergegangen sei.

Mit der Berufung hat die Klägerin das Differenzgehalt in Höhe von 447,-- DM für Oktober und November 1985 sowie ihre Lohnansprüche für die Monate April bis Juni 1986 in Höhe von jeweils 1.490,70 DM weiterverfolgt. Sie hat die Ansicht vertreten, das Einzelhandelsgeschäft des Beklagten sei nicht durch Rechtsgeschäft auf die H KG übergegangen, da der Betrieb des Beklagten am 4. April 1986 endgültig stillgelegt worden sei. Da vom Beklagten am 4. April 1986 die Schlüssel für die Geschäftsräume in den Briefkasten der H KG geworfen worden seien, habe er selbst den weiteren Zugang zur Mietsache für sich und seine Mitarbeiter verhindert. Mit der Abgabe der Schlüssel habe sich der Beklagte der Verfügungsmacht über das Geschäft zu einem Zeitpunkt begeben, in dem ein Übernehmer für das Geschäft noch nicht festgestanden habe. Die Schlüsselabgabe stelle deutlich den Fall einer endgültigen Betriebsabgabe dar. Der Beklagte habe den Mitarbeitern am 2. April 1986 erklärt, er müsse sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen und werde das Geschäft keinesfalls weiterführen. Er habe die Mitarbeiter ans Arbeitsamt verwiesen und damit die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehende Produktionsgemeinschaft aufgegeben. Die Miet- und Lieferverträge zwischen der Firma H und dem Beklagten hätten zum Zeitpunkt der Geschäftsaufgabe noch eine Laufzeit von ca. fünf Jahren gehabt. Ein Gesichtspunkt, unter dem die Firma H verpflichtet gewesen wäre, den Beklagten aus diesen Verträgen zu entlassen und das Geschäft zu übernehmen, sei nicht ersichtlich. Insbesondere sei hierüber zu keinem Zeitpunkt eine vertragliche Übereinkunft erzielt worden. Nachdem der Beklagte die Mieträume fluchtartig verlassen hatte, habe die Firma H sich aufgrund ihres im Mietvertrag eingeräumten Rechtes in den Besitz der Mietsache gesetzt und das vorgefundene Eigentum des Beklagten aus Gründen ihrer Schadensminderungspflicht sichergestellt. Die Inbesitznahme der fristlos gekündigten Betriebsräume stelle jedoch einen Realakt und keine rechtsgeschäftliche Übernahme dar.

Die Klägerin hat in der Berufungsinstanz beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin über

die durch Urteil vom 17. August 1986 zugesprochenen

1.947,-- DM brutto nebst 10 % Zinsen seit

dem 28. Juni 1986 hinaus weitere 5.366,10 DM

brutto nebst 4 % Zinsen von dem entsprechenden

Nettobetrag zu zahlen abzüglich Arbeitslosengeldes

für die Zeit vom 22. April bis 31. Mai 1986 in

Höhe von 521,50 DM.

Der Beklagte hat die Ansprüche der Klägerin auf die Lohndifferenz für die Monate Oktober und November 1985 anerkannt sowie im übrigen beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe seinen Mitarbeitern bereits nach Aufnahme der Übernahmeverhandlungen mit der Firma H mitgeteilt, er werde den zum 1. September 1982 von der Firma H übernommenen Geschäftsbetrieb an die Firma H zurückgeben, da er selbst von einer Fortsetzung der geschäftlichen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen absehen müsse. Das Geschäft werde von der Firma H zum 1. April 1986 übernommen und von dieser selbst fortgeführt. Damit stehe fest, daß er zwar für seine eigene Person, nicht aber für den Bestand des lebenden Geschäftsbetriebes einen Aufgabe- oder Einstellungswillen gehabt habe. Der Beklagte und die H KG hätten seit 1985 in Verhandlungen über eine vorzeitige Betriebsrückgabe gestanden. Der Beklagte sei durch ein Hüftleiden bedingt gezwungen gewesen, eine vorzeitige Aufgabe seiner beruflichen Existenz ins Auge zu fassen. Bei den Übernahmeverhandlungen habe Streit über die Vergütung des Inventars bestanden. Am 19. März 1986 habe die H KG zum ersten Mal einen konkreten Übernahmeplan an den Beklagten übergeben. In diesem Aktenvermerk sei als Übergabezeitpunkt der 1. April 1986 fest vorgegeben gewesen und zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden. Aus der Übergabe dieses Übernahmeplanes habe der Beklagte geschlossen, die H KG habe sich zu einer Übernahme zu seinen Bedingungen entschlossen. Sei aber die Firma H kurz vor dem verabredeten Übernahmezeitpunkt nicht mehr bereit gewesen, das Altinventar zu vergüten, sondern nur das Neuinventar sowie den Warenbestand und habe sie folglich das Leistungsangebot des Beklagten, den Betrieb zum 1. April 1986 zu übergeben, abgelehnt, so habe sie sich seit diesem Zeitpunkt in Annahmeverzug befunden. Der Beklagte sei daher berechtigt gewesen, die Schlüssel zu diesem Betrieb der H KG mit Ablauf des 3. April 1986 durch Einwurf in deren Briefkasten zu übergeben. Der Betrieb sei auch für die übernehmende H KG funktionstüchtig geblieben. Diese Feststellung werde erhärtet durch die Tatsache, daß die H KG nach - bereits Anfang 1986 geplanter und ab März 1986 öffentlich angekündigter - Renovierung unter Übernahme des Gesamtinventars sowie der durch die Firma H selbst im Rahmen der Inventur vom 19. April 1986 ermittelten Warenbestände das Geschäft weiter fortgeführt habe. Es stelle kein Indiz für die Betriebsaufgabe dar, wenn er, der Beklagte, nach Ablauf des 3. April 1986 seinen Angestellten empfohlen habe, im Falle der ausbleibenden Lohnzahlungen durch die H KG zum Arbeitsamt zu gehen. Dieses sei lediglich eine Fürsorgemaßnahme gegenüber der Klägerin und den übrigen Angestellten gewesen.

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 1.947,-- DM nebst Zinsen zu zahlen und die Kosten zu 26/100 dem Beklagten und 74/100 der Klägerin auferlegt.

Die H KG ist dem Rechtsstreit in der Berufungsinstanz auf seiten der Klägerin beigetreten, nachdem die Klägerin ihr den Streit verkündet hatte. Sie hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen und die Ansicht vertreten, der Geschäftsbetrieb sei nicht durch Rechtsgeschäft auf die Streitverkündete übergegangen. Der Beklagte habe sämtliche Schlüssel in einer Nacht- und Nebelaktion in den Briefkasten der Streitverkündeten gelegt und damit zu erkennen gegeben, daß er den Geschäftsbetrieb stillgelegt habe. Der betriebsinterne Aktenvermerk der Streitverkündeten vom 19. März 1986 sei rein vorsorglich erstellt, aber nicht ausgeführt worden.

Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin den Beklagten zur Zahlung der Lohndifferenz für die Monate Oktober und November 1985 (je 447,-- DM) verurteilt, sowie zur Zahlung des Lohns für April 1986 in Höhe von 894,42 DM (18/30 von 1.490,70 DM). Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

Mit der für die Klägerin eingelegten Revision verfolgt die Streithelferin die Zahlung des restlichen Lohns für April 1986 in Höhe von 596,28 DM (12/30 von 1.490,70 DM) sowie für Mai 1986 in Höhe von 1.490,70 DM weiter. Der Beklagte beantragt mit seiner Anschlußrevision, das Urteil des Landesarbeitsgerichts insoweit aufzuheben, als es den Beklagten für die Zeit vom 1. bis 4. April 1986 zur Zahlung eines über 66,67 DM hinausgehenden Entgelts verurteilt hat.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Auf die Anschlußrevision des Beklagten war das Urteil des Landesarbeitsgerichts insoweit aufzuheben, als es den Beklagten zur Zahlung verurteilt hat, die den Betrag von 1.660,42 DM brutto übersteigt.

A. Revision der Klägerin

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Anspruch der Klägerin an den Beklagten auf Lohn für April 1985 (richtig: 1986) bestehe für die Zeit bis zum 18. April, da der Betrieb am 19. April 1986 auf die Streitverkündete übergegangen sei.

Ein Arbeitsverhältnis gehe gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht schon zum vereinbarten Zeitpunkt eines Betriebsübergangs (Verpflichtungsgeschäft) auf den Erwerber über, sondern erst mit dem tatsächlichen Übergang (Vollzugsgeschäft). Selbst wenn man unterstelle, daß die Firma H am 1. April 1986 verpflichtet gewesen sei, den Betrieb zu übernehmen, sei es zu diesem Zeitpunkt nicht zu einem Betriebsübergang gekommen, da diese Verpflichtung von ihr nicht erfüllt worden sei. Auch am 4. April 1986 sei der Betrieb noch nicht auf die Firma H übergegangen. Der Schlüsseleinwurf des Beklagten sei noch kein Betriebsübergang im Sinne von § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Schlüsseleinwurf vom 4. April 1986 enthalte aber lediglich ein Angebot an die Firma H, den Besitz des Betriebes zu übernehmen. Daß die Firma dieses Angebot bereits am 4. April 1986 angenommen hätte, sei nicht ersichtlich. Auch in der gemeinsamen Begehung am 17. April 1986 hätten die Vertreter der Firma H eine Annahme des Angebots nicht zum Ausdruck gebracht.

Die Durchführung der Inventur unter Einsatz der Angestellten des Betriebes am 19. April 1986 habe jedoch erkennen lassen, daß die Firma H nunmehr das Angebot annehmen und den Betrieb habe besitzen wollen. Denn üblicherweise führe nur ein Betriebsbesitzer eine Inventur durch. Damit sei der Betriebsübergang im Sinne von § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB vollzogen worden. Die Vorschrift lasse jeglichen rechtsgeschäftlichen Übergang genügen. Das Angebot, den Besitz über Gegenstände zu übernehmen, und die Annahme dieses Angebots sei aber ein Rechtsgeschäft.

II. Diesen Ausführungen hat der Senat im Ergebnis folgen können.

1. Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch um die Verpflichtung des Beklagten zur Lohnzahlung an die Klägerin für die Zeit vom 19. April bis 31. Mai 1987, da die Anschlußrevision des Beklagten nur die Höhe der Zahlungsverpflichtung für die Zeit vom 1. bis 4. April 1986 mit dem Einwand der teilweisen Erfüllung angreift, der Beklagte also seine grundsätzliche Verpflichtung, bis zum 18. April 1986 Lohn zu zahlen, anerkannt hat. Entscheidend ist daher, ob der Betrieb spätestens am 19. April 1986 auf die Streitverkündete übergegangen ist. Unerheblich ist, ob der Betrieb möglicherweise schon zu einem früheren Zeitpunkt übergegangen ist.

2. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, der Betrieb des Beklagten sei gemäß § 613 a Abs. 1 BGB auf die Streitverkündete übergegangen.

a) Für den Begriff des Betriebes im Sinne des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB ist vom allgemeinen Betriebsbegriff auszugehen. Danach machen die sächlichen und immateriellen Betriebsmittel einen Betrieb dann aus, wenn der neue Inhaber mit ihnen und mit Hilfe der Arbeitnehmer bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann. Nicht erforderlich ist, daß der Betriebsinhaberwechsel auch zu einem Wechsel des Eigentums führt; es genügt, wenn dem Erwerber eine Nutzungsberechtigung auf Zeit zusteht, wie etwa bei Pacht oder Nießbrauch. Ebenso wenig ist es erforderlich, daß ausnahmslos alle Wirtschaftsgüter, die bisher zu einem Betrieb gehört haben, auf den neuen Betriebsinhaber übergehen. Unwesentliche Bestandteile des Betriebsvermögens bleiben außer Betracht (BAGE 48, 376, 387 = AP Nr. 43 zu § 613 a BGB, zu B III 1 a der Gründe). Entscheidend ist, ob die Veräußerung einzelner bzw. einer Summe von Wirtschaftsgütern vorliegt oder die des Betriebes. Das hängt entscheidend davon ab, ob der neue Inhaber mit den übernommenen Betriebsmitteln den Betrieb oder einen Betriebsteil im wesentlichen unverändert fortführen kann. Die Trennung eines Teils vom ganzen Betrieb darf dessen Charakter nicht in der Weise ändern, daß es sich nur noch um Einzelgegenstände handelt (BAGE 48, 365, 371 = AP Nr. 42 zu § 613 a BGB, zu II 1 der Gründe).

aa) Der Senat hat in seinem Urteil vom 30. Oktober 1986 (- 2 AZR 696/85 - NZA 1987, 382, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) erstmals entschieden, welche materiellen und immateriellen Betriebsmittel eines Einzelhandelsgeschäftes auf den Erwerber übergehen müssen, um noch einen funktionsfähigen Betrieb annehmen zu können (vgl. auch Senatsurteil vom 26. Februar 1987 - 2 AZR 321/86 - NZA 1987, 589).

Bei der Frage, welche Betriebsmittel auf den Nachfolger übergehen müssen, um von einem Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB ausgehen zu können, muß auf den arbeitstechnischen Zweck eines Ladengeschäftes abgestellt werden, der darin besteht, mit Hilfe von Arbeitnehmern Ware vom Großhändler oder Erzeuger anzukaufen und an den Endverbraucher zu verkaufen. Entscheidend für den Betrieb eines Ladengeschäftes sind damit zum einen die Lieferverträge und zum anderen die Rechtsbeziehungen zu der Kundschaft, die jeweils die angebotene Ware kauft. Da die Rechtsbeziehungen des Einzelhandelskaufmanns zu seinen Kunden in der Regel eine Vielzahl von einzelnen Rechtsgeschäften sind, die täglich neu mit einzelnen Stammkunden oder Laufkunden abgeschlossen werden, kommt es für einen Betriebsübergang bei Ladengeschäften entscheidend darauf an, ob der Erwerber rechtsgeschäftlich die Voraussetzungen erworben hat, um diese täglichen auf den Absatz seiner Waren gerichteten Rechtsgeschäfte zukünftig in derselben oder ähnlichen Art und Weise abschließen zu können. Entscheidend für den Betriebsübergang eines Ladengeschäftes ist also, ob der Kundenkreis erhalten bleibt. Der Kundenkreis des Einzelhandelskaufmanns wird jedoch geschaffen durch die Geschäftslage, die Betriebsform sowie durch ein bestimmtes Warensortiment.

Deshalb müssen insbesondere die Bestandteile des Betriebes auf den Erwerber übergehen, die es ermöglichen, den Kundenkreis zu halten. Wegen der Geschäftslage sind dabei die Betriebsräume von großer Bedeutung. Der Erwerber muß auch das gleiche bzw. ein gleichartiges Warensortiment führen, wobei die Übernahme des vorhandenen Warenbestandes ein gewichtiges Indiz für die Fortführung des bisherigen Sortiments ist. Fehlt es daran, spricht dieses jedoch nicht ohne weiteres gegen einen Betriebsübergang, denn eine Übernahme der Waren ist in der Regel dann ausgeschlossen, wenn diese für den kurzfristigen Verkauf bestimmt sind (Lebensmittelgeschäft). Oftmals wird der Warenbestand auch deshalb nicht übernommen, weil anläßlich der Betriebsübernahme Renovierungsarbeiten bzw. Dekorationsänderungen erfolgen, die zu einer vorübergehenden Geschäftsschließung führen. Das schließt einen Betriebsübergang dann nicht aus, wenn der Erwerber in der Lage ist, sich das gleiche Warensortiment alsbald zu beschaffen und hiervon auch Gebrauch macht.

bb) Nach § 613 a Abs. 1 BGB tritt ein Pächter, der den Betrieb im Anschluß an die beendete Pacht eines früheren Pächters pachtet, in die Rechte und Pflichten der mit dem ersten Pächter bestehenden Arbeitsverhältnisse ein (BAGE 35, 104 = AP Nr. 24 zu § 613 a BGB, zu 2 b der Gründe). Der Senat hat sich in seinem Urteil vom 26. Februar 1987 (- 2 AZR 768/85 - DB 1987, 991) dieser Rechtsprechung angeschlossen und darüber hinaus entschieden, wenn die Arbeitsverhältnisse auf den neuen Pächter übergingen, der den Betrieb im Anschluß an die beendete Pacht eines früheren Pächters pachtete, so gelte dies erst recht für den Rückfall des Betriebes auf den Verpächter. Werde richtigerweise in der Einräumung der Nutzungsbefugnis an den Pächter ein Betriebsübergang gesehen, dann könne für den gegenläufigen Akt nichts anderes gelten. Dieser Betriebsübergang erfolge auch aufgrund eines Rechtsgeschäftes, nämlich bei einer Beendigung der Betriebsüberlassung auf Zeit durch die Vereinbarung einer Befristung oder auflösenden Bedingung. Kündige der Pächter oder Verpächter den Pachtvertrag oder schlössen die Parteien einen Aufhebungsvertrag, erfolge der Betriebsübergang durch Kündigung bzw. Aufhebungsvertrag (aaO, zu B II 3 der Gründe).

b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ergibt, daß das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat, der Betrieb sei von dem Beklagten auf die Streithelferin übergegangen.

aa) Die Streithelferin hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nach einer Renovierung ab Anfang Juni 1986 die Verkaufstätigkeit in dem Laden mit dem bisherigen Personal fortgeführt. Das Warensortiment hat sich nicht geändert. Der Beklagte hat zumindest einen Teil seiner Waren von der Streithelferin, bei der es sich um eine Lebensmittel-Vertriebs-Gesellschaft handelt, geliefert bekommen. Das ergibt sich auch aus dem Kündigungsschreiben der Streitverkündeten an den Beklagten vom 23. April 1986, worin von einer noch nicht bezahlten Forderung aus "Warenlieferung" die Rede ist.

Da somit davon auszugehen ist, daß der Betrieb in demselben Geschäftslokal, in derselben Betriebsform und mit dem gleichen Warensortiment von der Streitverkündeten weitergeführt worden ist, sind die Kriterien, die an den Übergang eines Einzelhandelsgeschäftes zu stellen sind, erfüllt.

bb) Der Betriebsübergang ist auch durch Rechtsgeschäft erfolgt.

Die Streithelferin hat den Unterpachtvertrag über das Ladenlokal am 23. April 1986 fristlos gekündigt. Eine derartige Kündigung stellt ein Rechtsgeschäft dar (vgl. Senatsurteil vom 26. Februar 1987, aaO). Darüberhinaus kann auch aufgrund der tatsächlichen Übernahme der Betriebsmittel (Geschäftslokal, Warensortiment und Betriebsform) im Wege des Anscheinsbeweises davon ausgegangen werden, daß die Übernahme aufgrund eines Rechtsgeschäftes erfolgt ist. Nach dem Urteil des Fünften Senats vom 15. Mai 1985 (- 5 AZR 276/84 - BAGE 48, 345 = AP Nr. 41 zu § 613 a BGB) spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß eine rechtsgeschäftliche Betriebsübernahme im Sinne von § 613 a BGB vorliegt, wenn der Arbeitnehmer darlegt, daß der in Anspruch genommene Betriebserwerber die wesentlichen Betriebsmittel nach Einstellung des Geschäftsbetriebes des bisherigen Geschäftsinhabers verwendet, um einen gleichartigen Geschäftsbetrieb zu führen.

Die Streitverkündete und der Beklagte haben auch über die Betriebsübernahme verhandelt. Daß diese Verhandlung zunächst Ende März gescheitert ist, ist unerheblich. Allein aufgrund der Tatsache, daß die Streithelferin die Betriebsmittel tatsächlich übernommen und damit das Geschäft fortgeführt hat, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß eine Einigung zwischen den Parteien zustande gekommen ist. Ob diese rechtsgeschäftliche Vereinbarung rechtswirksam war, ist unerheblich (vgl. BAG Urteil vom 6. Februar 1985 - 5 AZR 411/83 - AP Nr. 44 zu § 613 a BGB). Insbesondere ist unschädlich, daß zum Zeitpunkt der tatsächlichen Übernahme durch die Streithelferin noch keine Einigkeit in allen Punkten der Betriebsübernahme erzielt worden ist. Auch wenn die Parteien sich möglicherweise erst Monate später darüber geeinigt haben, in welcher Höhe die Streithelferin das Inventar oder den Warenbestand zu vergüten hatte, liegt der Übernahme des Marktes doch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zugrunde, nämlich insoweit ein Kaufvertrag in Verbindung mit Aufhebungsverträgen in bezug auf Pacht- bzw. Warenlieferungsverträgen.

cc) Entgegen der Ansicht der Revision hat der Beklagte auch nicht den Geschäftsbetrieb vor Übergang auf die Streithelferin stillgelegt.

Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Weiterverfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne aufzuheben. Entscheidend ist somit zunächst die auf einem ernstlichen Willensentschluß des Arbeitgebers beruhende Aufgabe des Betriebszwecks, die nach außen in der Auflösung der Betriebsorganisation zum Ausdruck kommt. Der Arbeitgeber muß endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Die Stillegung muß ferner für eine unbestimmte, nicht unerhebliche Zeitspanne erfolgen, anderenfalls liegt nur eine unerhebliche Betriebspause oder Betriebsunterbrechung vor. Deshalb spricht bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebes eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stillegungsabsicht (vgl. Senatsurteil vom 27. September 1984 - 2 AZR 309/83 - BAGE 47, 13 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu B III 2 der Gründe, m.w.N.).

Der Senat hat mit Urteil vom 26. Februar 1987 (- 2 AZR 768/85 - aaO) entschieden, daß der Betrieb auch von einem Pächter stillgelegt werden kann. Danach ist für die Stillegung eines Betriebes während eines Pachtverhältnisses zu berücksichtigen, daß der Pächter nicht legitimiert ist, das Betriebsgrundstück und die Betriebsmittel samt Inventar zu veräußern, also den Betrieb so zu zerschlagen, wie dies der Eigentümer könnte. Aus diesem Grunde muß es für eine Betriebsstillegung durch den Pächter genügen, wenn dieser die Stillegungsabsicht unmißverständlich kund gibt, die Betriebstätigkeit vollständig einstellt, allen Arbeitnehmern kündigt, den Pachtvertrag zum nächstmöglichen Termin kündigt und die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, daß der Beklagte den Geschäftsbetrieb stillgelegt hat.

Der Beklagte hatte keine Stillegungsabsicht. Er ging davon aus, die Streithelferin werde das Geschäft fortführen. Das hat sie auch getan. Aus dem Einwurf des Schlüssels in den Briefkasten kann vorliegend nicht auf eine Stillegungsabsicht geschlossen werden. Zwar hat der Beklagte sich damit der Möglichkeit begeben, die Verkaufstätigkeit fortzuführen. Er ging jedoch davon aus, daß die Streithelferin die Verkaufstätigkeit weiterführt. Zum Zeitpunkt der Schlüsselübergabe bestand noch ein funktionsfähiger Betrieb. Die Streitverkündete hätte am 4. April 1986 die Verkaufstätigkeit wieder aufnehmen können. Der Beklagte hatte zu diesem Zeitpunkt weder die Betriebsmittel, über die er verfügen konnte (Inventar und Warenbestand), veräußert noch den Arbeitnehmern gekündigt.

Auf eine Stillegungsabsicht kann auch nicht aufgrund des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 16. Mai 1986 geschlossen werden. Zwar führt der Beklagte hierin aus, er habe den Betrieb zum 2./3. April 1986 geschlossen und werde ihn auch nicht fortführen, darin liegt jedoch nicht das Zugeständnis, er habe die Absicht gehabt, den Betrieb zu diesem Zeitpunkt endgültig einzustellen bzw. er habe den Betrieb zu diesem Zeitpunkt endgültig eingestellt. In dem Schreiben wird nämlich weiter ausgeführt, der Beklagte gehe davon aus, daß die Streithelferin aufgrund einer zwischen ihnen bestehenden Vereinbarung verpflichtet sei, den Betrieb zu übernehmen und das Arbeitsverhältnis fortzuführen. Insofern hat der Beklagte die Kündigung auch nur vorsorglich ausgesprochen. Für eine Betriebsstillegung durch den Beklagten kommt es nicht darauf an, ob dieser die Absicht hatte, den Betrieb nicht mehr persönlich fortzuführen, sondern darauf, ob er die Absicht hatte, den Betrieb zu zerschlagen. Eine derartige Absicht kann jedoch aus dem Verhalten des Beklagten nicht hergeleitet werden.

Da die Streitverkündete das Geschäft Anfang Juni wiedereröffnet und die Verkaufstätigkeit weitergeführt hat, spricht zudem eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stillegungsabsicht (vgl. Senatsurteil vom 27. September 1984, aaO, zu B III 3 b bb der Gründe).

3. Mit dem Landesarbeitsgericht ist auch davon auszugehen, daß der Betrieb spätestens am 19. April 1986 auf die Streitverkündete übergegangen ist.

a) Maßgeblich für den Zeitpunkt des Betriebsübergangs ist nach überwiegender Meinung nicht der Abschluß der einzelnen Verpflichtungsgeschäfte, sondern der Zeitpunkt, zu dem der Betriebserwerber die betriebliche Organisation übernimmt und den Betrieb im eigenen Namen fortführt (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 1986 - 2 AZR 68/85 - ZIP 1986, 1595, zu B V 2 der Gründe, m.w.N.) bzw. nach objektiver Betrachtungsweise die Möglichkeit für den Betriebserwerber besteht, die betriebliche Organisations- und Leitungsgewalt auszuüben (Senatsurteil vom 27. November 1986 - 2 AZR 706/85 - unveröffentlicht, zu B II 3 der Gründe).

b) Die Streitverkündete hat am 19. April 1986 unter Einsatz der (ehemaligen) Arbeitnehmer des Beklagten eine Inventur durchführen lassen. Mit dem Landesarbeitsgericht kann davon ausgegangen werden, daß hierin die Ausübung der betrieblichen Organisations- und Leitungsgewalt durch die Streitverkündete zu sehen ist. Insbesondere der Einsatz des Personals zeigt, daß die Streitverkündete die betriebliche Organisation übernommen hat, denn sie hat insoweit das ihr als Arbeitgeberin zustehende Direktionsrecht ausgeübt.

Der Ausübung der betrieblichen Organisations- und Leitungsgewalt lag auch keine verbotene Eigenmacht zugrunde, selbst wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Einigung über alle Punkte der Betriebsübernahme vorlag. Die Fortführung des Betriebs fand jedenfalls nicht gegen den Willen des Beklagten statt. Nach dessen Willen sollte die Streitverkündete den Betrieb vom 4. April 1986 an weiterführen. Die tatsächliche Ausübung der Leitungsgewalt am 19. April 1986 durch die Streitverkündete entsprach somit auch dem Willen des ehemaligen Betriebsinhabers.

B. Anschlußrevision des Beklagten

I. Die Parteien haben zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 7. August 1986 erklärt, es sei zwischen den Parteien unstreitig, daß bis zum 4. April 1986 an die Klägerin Lohn gezahlt worden sei. Eine Einschränkung des Zahlungsantrages um 4/30 des eingeklagten April-Lohns in Höhe von 1.490,70 DM ist jedoch nicht erfolgt. Das Arbeitsgericht ist in seinem Urteil ersichtlich von der Erfüllung bis zum 4. April 1986 ausgegangen, indem es ausgeführt hat, die Klägerin habe gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Lohn für die Monate April (ab 5. April 1986) ..., da der Betrieb am 4. April 1986 auf die Firma H übergegangen sei. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin wiederum für April das volle Gehalt in Höhe von 1.490,70 DM verlangt. Auch in der Berufungsinstanz ist zwischen den Parteien eine Lohnzahlung des Beklagten für die Zeit vom 1. bis 4. April auf der Basis der von der Beklagten in der Vergangenheit an die Klägerin gezahlten monatlichen Vergütung in Höhe von 960,-- DM brutto unstreitig gewesen.

II. Ist unstreitig, daß der Beklagte an die Klägerin für die Zeit vom 1. bis 4. April 1986 4/30 von 960,-- DM = 128,-- DM Vergütung gezahlt hat, der Klägerin jedoch für diese Zeit ein Tariflohn in Höhe von 4/30 von 1.490,70 DM = 198,76 DM zustand, muß der Beklagte für die Zeit vom 1. bis 4. April 1986 noch eine Restvergütung in Höhe von 70,76 DM zahlen. Soweit der Beklagte von einer Monatsdifferenz zum Tarifgehalt in Höhe von 500,-- DM ausgeht, übersieht er, daß das Tarifgehalt ab April 1986 um 30,70 DM angehoben worden ist.

Für die Zeit vom 5. bis 18. April sind von dem Beklagten noch 14/30 von 1.490,70 DM = 695,66 DM zu zahlen, so daß sich die Gesamtvergütungspflicht für die Zeit vom 1. bis 18. April 1986 auf 766,42 DM beläuft. Da das Landesarbeitsgericht den Beklagten für diese Zeit zur Zahlung von 894,42 DM verurteilt hat, war das Urteil in Höhe der bereits gezahlten 128,-- DM aufzuheben.

C. Die Kosten des Revisionsverfahrens waren der Streithelferin nach § 101 ZPO aufzuerlegen.

Hillebrecht Dr. Weller Ascheid

Thieß Binzek

 

Fundstellen

Dokument-Index HI437677

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