Entscheidungsstichwort (Thema)
Sind Sonnabende Urlaubstage?
Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nach Werktagen bemessen, muß er in Arbeitstage umgerechnet werden, wenn die Arbeitszeit für den Arbeitnehmer nicht auf alle Werktage einer Woche verteilt ist.
2. Fehlt in einem Tarifvertrag eine Umrechnungsregelung, sind Werktage und Arbeitstage rechnerisch so in Beziehung zueinander zu setzen, daß bei Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als sechs Arbeitstage die Gesamtdauer des Urlaubs durch die Zahl sechs geteilt und mit der Zahl der Arbeitstage einer Woche multipliziert wird.
Orientierungssatz
Auslegung der §§ 4 und 8 des Manteltarifvertrages für den Berliner Einzelhandel vom 15.07.1977 in der Fassung vom 30.4.1980.
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 14.09.1984; Aktenzeichen 10 Sa 57/84) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 29.03.1984; Aktenzeichen 1 Ca 464/83) |
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem Jahre 1971 bei der Beklagten, einem Lebensmittelfilialbetrieb, als Kommissionierer beschäftigt. Er ist freigestelltes Betriebsratsmitglied. Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ist für ihn wie für die übrigen in der Zentrale der Beklagten tätigen Arbeitnehmer die Arbeitszeit auf die Tage Montag bis Freitag verteilt, während für die in den Verkaufsstellen beschäftigten Arbeitnehmer die Arbeitszeit auf alle sechs Wochentage verteilt ist.
Kraft Vereinbarung finden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifbestimmungen für den Berliner Einzelhandel, darunter insbesondere die des Manteltarifvertrags vom 15. Juli 1977, in der Fassung vom 30. April 1980 (MTV) Anwendung. § 4 MTV lautet auszugsweise:
„§ 4
Regelmäßige Arbeitszeit
1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen beträgt 40 Stunden. Wird die Arbeitszeit an einzelnen Tagen regelmäßig verkürzt, so kann die ausfallende Arbeitszeit auf die übrigen Wochentage zuschlagsfrei verteilt werden. Fällt in die Woche ein gesetzlicher Feiertag, so vermindert sich die Wochenarbeitszeit um die auf diesen Feiertag entfallenden Arbeitsstunden.
…”
Nach der in § 8 Nr. 1 MTV enthaltenen Tabelle betrug die Dauer des Urlaubs im Jahre 1983 für den Kläger 35 Werktage.
§ 8 Nr. 7 und Nr. 8 MTV lauten:
„7. Der Jahresurlaub kann geteilt werden, jedoch sollen dabei einmal mindestens drei Wochen zusammenhängend gewährt und genommen werden.
8. Für Urlaubstage ist das Entgelt zu zahlen, das der Arbeitnehmer erhalten würde, wenn er während dieser Zeit in der regelmäßigen oder der mit ihm vereinbarten Arbeitszeit gearbeitet hätte. …”
Zwischen den Parteien besteht seit langem Streit, wie der Urlaubsanspruch zu berechnen ist. Der Kläger hat im Jahre 1983 wie folgt Urlaub genommen:
von Montag, 3. Januar |
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bis Freitag, 7. Januar, |
= 5 Werktage |
am Dienstag, 21. Februar, |
= 1 Werktag |
von Dienstag, 5. April |
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bis Mittwoch, 6. April, |
= 2 Werktage |
am Dienstag, 9. Mai, |
= 1 Werktag |
von Dienstag, 5. Juli |
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bis Freitag, 29. Juli, |
= 22 Werktage |
von Montag, 3. Oktober |
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bis Donnerstag, 6. Oktober, |
= 4 Werktage |
Unter Einschluß von drei (arbeitsfreien) Sonnabenden im Juli sind das 35 Werktage. Die Beklagte behielt mit der Oktober-Abrechnung das Gehalt für zwei Arbeitstage mit der Begründung ein, der Kläger habe zuviel Urlaub erhalten, weil er die Lage seines Urlaubs so gewählt habe, daß statt fünf nur drei Sonnabende in seine Urlaubszeit gefallen seien.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Auszahlung seines Restgehalts für Oktober 1983. Er meint, es dürften nur drei Sonnabende angerechnet werden.
Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 359,04 DM brutto nebst Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter; die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Zahlung des Restgehalts für Oktober 1983 verneint.
Dem Kläger steht der von der Beklagten einbehaltene Betrag nicht zu, weil er keinen Urlaubsanspruch gegen die Beklagte hatte, der einen Entgeltzahlungsanspruch für die von der Beklagten beanstandete Urlaubnahme an zwei Tagen im Oktober 1983 ausgelöst hätte.
1. a) Nach § 8 Nr. 1 MTV stehen dem Kläger 35 Werktage Urlaub zu. Diese Urlaubsdauer ist an einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden orientiert (§ 4 Nr. 1 MTV). Ist die Arbeitszeit auf alle Wochentage verteilt, bedarf es für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs der Arbeitsbefreiung an jedem Werktag, wenn der Urlaub tarifgerecht jedenfalls für die Dauer von drei Wochen erteilt wird.
Für den Kläger ist die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden nicht auf alle Werktage, sondern auf fünf Arbeitstage mit Ausnahme des Sonnabends verteilt. Eine Urlaubsgewährung durch Freistellung von der Arbeitspflicht an einem Sonnabend kommt für den Kläger nicht in Betracht, weil dieser Tag nach der für ihn maßgeblichen Verteilung der Arbeitszeit ohnehin arbeitsfrei ist. Andererseits kann dies aber auch nicht bedeuten, daß dem Kläger die volle Zahl von Urlaubstagen dann zu gewähren ist, wenn sein Urlaubsanspruch jeweils nur an Arbeitstagen erfüllt wird. Der tarifliche Anspruch ist auf Arbeitsbefreiung an Werktagen gerichtet. Werktage und Arbeitstage sind aber nur identisch, wenn ein Arbeitnehmer an allen Werktagen zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Das trifft für den Kläger nicht zu.
Damit ist für die Beurteilung des Urlaubsanspruchs des Klägers ausgeschlossen, Arbeitstage und Werktage gleichzusetzen. Arbeitstage und Werktage müssen zur Ermittlung der Dauer des Urlaubsanspruchs des Klägers in ein Verhältnis zueinander gesetzt werden, das es ermöglicht, den Anspruch auf Befreiung von der Arbeitspflicht entsprechend der dem Kläger obliegenden Arbeitspflicht zu ermitteln. Daran ändert sich nichts dadurch, daß der Tarifvertrag keine Regelung darüber enthält, wie die Urlaubsdauer zu berechnen ist, wenn der Urlaub nicht zusammenhängend genommen wird (a. A. Bleistein, GK-BUrlG, 4. Aufl., § 3 Rz 37 ff.). Bei gleichem tariflichen Anspruch entstünden sonst für Arbeitnehmer je nach Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit Ansprüche auf Arbeitsbefreiung mit einer unterschiedlichen Dauer von Arbeitstagen.
b) Hiervon ist im Grundsatz auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen, meint dann aber, zur gleichmäßigen Behandlung aller Arbeitnehmer müsse gefordert werden, daß bei einer Urlaubsgewährung nach Werktagen bei den in einer Fünf-Tage-Woche beschäftigten Arbeitnehmern in je sechs Urlaubstagen ein arbeitsfreier Samstag oder gegebenenfalls ein sonstiger arbeitsfreier Werktag enthalten ist (vgl. ebenso Dersch/Neumann, BUrlG, 6. Aufl., § 3 Rz 34 m. w. N.). Entsprechende Regelungen seien im übrigen auch in zahlreichen Urlaubs- und Manteltarifverträgen enthalten, in denen die Tarifvertragsparteien einen Urlaub nicht nach Arbeits-, sondern nach Werktagen vereinbart haben.
c) Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der hier zu beurteilende MTV enthält keine Regelung über Einbeziehung von arbeitsfreien Tagen in die Berechnung der Urlaubsdauer. Im übrigen berücksichtigt das Landesarbeitsgericht mit seinen Erwägungen nicht die gesetzlichen und tariflichen Möglichkeiten der Verteilung der Arbeitszeit (vgl. § 4 Nr. 1 MTV).
Gegen die Anrechnung von arbeitsfreien Sonnabenden auf den Urlaubsanspruch spricht, daß Gegenstand des Urlaubsanspruchs die Befreiung von Arbeitspflichten ist, an einem arbeitsfreien Sonnabend aber gerade keine Arbeitspflicht besteht, von der ein Arbeitnehmer zu befreien wäre. Eine Einbeziehung von arbeitsfreien Sonnabenden ist allenfalls dann tatsächlich möglich, wenn der Urlaub über einen Zeitraum genommen wird, der einen Sonnabend oder mehrere arbeitsfreie Werktage einschließt. Das führt aber schon dann nicht weiter, wenn ein Arbeitnehmer – wie es nach § 8 Nr. 7 MTV zulässig ist (vgl. ebenso § 7 Abs. 2 Satz 2 BUrlG) – Teile seines Urlaubs auf einzelne Tage verteilt, die nicht an einen arbeitsfreien Werktag anschließen.
Rechtlich bestehen gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts vor allem deshalb Bedenken, weil danach der Urlaubsanspruch in seiner Gesamtdauer nur nach der jeweiligen zeitlichen Lage bestimmt werden kann, also jeweils nur, nachdem er zeitlich festgelegt oder ganz oder zum Teil genommen worden ist. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber muß aber die Urlaubsdauer von vornherein erkennbar sein, auch dann, wenn ein Arbeitnehmer nur an einzelnen Arbeitstagen Urlaub begehrt.
Vorliegend hat der Kläger, ohne daß dies nach dem MTV rechtlich beanstandet werden könnte, insgesamt viermal von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, an einem oder an zwei bis vier Arbeitstagen Urlaub zu nehmen. Unter diesen Umständen ist unklar, welcher Sonnabend einzubeziehen wäre.
d) Kommt eine Einbeziehung arbeitsfreier Werktage zur Bestimmung der Urlaubsdauer bei unterschiedlicher Verteilung der Arbeitszeit daher nicht in Betracht, muß die Berechnung des Urlaubs nach Merkmalen geschehen, bei deren Zugrundelegung von vornherein feststeht, in welchem Umfang der Urlaubsanspruch bei Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als sechs Werktage in der Woche entsteht. Die Dauer des Urlaubs muß unabhängig von seiner jeweiligen zeitlichen Lage bestimmt werden.
Für den gesetzlichen Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, daß einer Urlaubsdauer von 18 Werktagen, wenn sie auf fünf Arbeitstage einer Woche bezogen wird, eine Urlaubsdauer von 15 Arbeitstagen entspricht (BAGE 45, 199 = AP Nr. 15 zu § 13 BUrlG). Das ist im Schrifttum nicht auf Kritik gestoßen. Für den tariflichen Urlaubsanspruch sind die gleichen Grundsätze wie für den gesetzlichen Urlaubsanspruch anzuwenden. Daher sind bei Fehlen einer tariflichen Umrechnungsregelung Werktage und Arbeitstage rechnerisch so in Beziehung zueinander zu setzen, daß bei Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als sechs Arbeitstage die Gesamtdauer des Urlaubs durch die Zahl sechs geteilt und mit der Zahl der Arbeitstage einer Woche multipliziert wird. Auf den vorliegend zu beurteilenden Anspruch nach § 8 Nr. 1 MTV übertragen bedeutet dies, daß dem Kläger jedenfalls nicht mehr Urlaubstage zustehen, als die Beklagte bereit ist zu vergüten. Rechnerisch entsprechen einer Zahl von 35 Werktagen 29,16 Arbeitstage. Eine Urlaubsdauer von 30 Arbeitstagen errechnet sich erst bei einem Urlaubsanspruch von 36 Werktagen.
Die Beklagte hat dem Kläger 30 Arbeitstage als Urlaubstage vergütet. Der Kläger hat an insgesamt 32 Arbeitstagen Urlaub genommen. Damit stand ihm ein Urlaub am 5. und 6. Oktober 1983 nicht zu. Entsprechend scheidet daher für beide Arbeitstage ein Urlaubsentgeltanspruch aus. Die Beklagte hat sich zu Recht geweigert, für diese Tage dem Kläger Entgelt zu zahlen.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts auch nicht dadurch entstanden, daß die Beklagte seiner Erklärung vom 28. September 1983, er melde für die Zeit vom 3. Oktober bis zum 6. Oktober 1983 Urlaub an, nicht widersprochen habe, und er demzufolge der Arbeit ferngeblieben sei.
Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt dargelegt, daß der Urlaubsanspruch ein Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Freistellung von den aufgrund des Arbeitsverhältnisses entstehenden Arbeitspflichten ist (vgl. zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 14. Mai 1986 - 8 AZR 604/84 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Zwar obliegt es dem Arbeitgeber als Schuldner des Anspruchs, den Urlaub zu erteilen und damit den Anspruch zu erfüllen. Es ist aber auch möglich, daß der Arbeitnehmer im Einverständnis mit dem Arbeitgeber die Lage des Urlaubs jeweils selbst bestimmt.
Dies entsprach unstreitig der Handhabung im Betrieb der Beklagten. Die Beklagte hat mit Rücksicht darauf, daß der Kläger als freigestelltes Betriebsratsmitglied seiner Arbeitspflicht durch seine Betriebsratstätigkeit nachkommt, weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber den anderen Betriebsratsmitgliedern auf die zeitliche Lage des Urlaubs Einfluß genommen. Hierdurch ist dem Kläger aber nicht die Befugnis eingeräumt, selbständig über die Dauer seines Urlaubsanspruchs zu befinden und etwa über die ihm zustehende Urlaubszeit hinaus berechtigt Urlaub zu nehmen. Dies folgt nicht zuletzt auch daraus, daß gerade über die Gesamtdauer des dem Kläger zustehenden Urlaubs zwischen den Parteien seit langem Uneinigkeit besteht.
War dem Kläger nur gestattet, seinen Urlaub im Rahmen des ihm zustehenden Anspruchs selbst zu bestimmen, hätte es einer rechtsgeschäftlichen Erklärung der Beklagten bedurft, um den Anspruch des Klägers auf weitere zwei Urlaubstage zu begründen. Für eine solche Erklärung ist nichts vorgetragen. Soweit der Kläger meint, die Beklagte habe der Urlaubsanmeldung nicht widersprochen, kommt es darauf nicht an. Dies ist keine Erklärung der Beklagten.
Unterschriften
Michels-Holl, Dr. Leinemann, Dr. Peifer, Dr. Weiss, Schmidt
Fundstellen
BAGE 54, 141-147 (LT1-2) |
BB 1987, 1672 |
BB 1987, 1672-1672 (LT1-2) |
BB 1987, 335 |
DB 1987, 1151-1151 (LT1-2) |
NJW 1987, 1904 |
JR 1987, 440 |
NZA 1987, 462-464 (LT1-2) |
RdA 1987, 190 |
AP BUrlG § 13, Nr. 30 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 1640 Nr. 292 (LT1-2) |
EzA BUrlG § 3, Nr. 18 (LT1-2) |
MDR 1987, 698-698 (LT1-2) |