Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzversorgung in Hamburg
Leitsatz (redaktionell)
Vgl. 3 AZR 188/89
Normenkette
ArbGG 1979 § 2 Abs. 1 Nr. 3a; BetrAVG § 18; RuhegeldG Hamburg § 1
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 17.02.1989; Aktenzeichen 4 Sa 65/88) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 14.04.1988; Aktenzeichen 8 Ca 438/87) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 17. Februar 1989 – 4 Sa 65/88 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Das Landesarbeitsgericht meint, für Versorgungsansprüche nach dem Hamburger Ruhegeldgesetz, sei der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben.
Die am 16. Dezember 1925 geborene Klägerin ist Kunsthistorikerin. Sie stand wiederholt aufgrund befristeter Arbeitsverhältnisse in den Diensten der Beklagten. Das letzte Arbeitsverhältnis war vom 1. Juni 1981 bis zum 31. Mai 1986 befristet. Vom 1. Juni 1986 bis zum 30. November 1986 arbeitete die Klägerin weiter in der Kunsthalle der Beklagten; der schriftlich niedergelegte Arbeitsvertrag ist aber zwischen der Klägerin und der A. GmbH (ASD) abgeschlossen.
Anfang 1986 erfuhr die Klägerin, daß sie im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Mai 1986 kein Altersruhegeld von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und nach dem Hamburger Ruhegeldgesetz erhalte. Da sich die Kulturbehörden der Beklagten weigerten, das Arbeitsverhältnis zu verlängern, verschaffte ihr der Verwaltungsleiter der Kunsthalle einen Anstellungsvertrag mit der oben bereits erwähnten ASD als wissenschaftliche Beraterin für die Organisation der L.-Ausstellung zu einem Monatsgehalt von 5.200,– DM brutto, das sie auch zuvor bei der Beklagten bezogen hatte. Seit dem 1. Dezember 1985 bezieht die Klägerin eine Rente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 21. Mai 1987 die Gewährung von Ruhegeld nach dem Hamburger Ruhegeldgesetz ab, weil die Voraussetzungen für den Beginn der Rentenzahlungen durch die BfA erst eingetreten seien, als die Klägerin bereits aus ihren Diensten ausgeschieden sei.
Die Klägerin hat behauptet, ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten habe bis zum 30. November 1986 bestanden. Der Arbeitsvertrag mit der ASD sei nur zum Schein abgeschlossen worden. Sie habe auch nach dem 31. Mai 1986 in denselben Räumen gearbeitet, dasselbe Gehalt bezogen, dieselben Arbeiten verrichtet und sogar den Urlaub bei der Beklagten beantragt.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr beginnend mit dem 1. Dezember 1985 Ruhegeld nach dem Hamburgischen Ruhegeldgesetz in der Fassung vom 11. November 1986 zu gewähren, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Hamburg zu verweisen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, daß in der Zeit vom 1. Juni 1986 bis zum 30. November 1986 ein Arbeitsverhältnis mit ihr bestanden habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen, soweit sie sie auf Schadenersatzansprüche wegen Verletzung der Fürsorgepflicht gestützt, hat. Auf den Hilfsantrag der Klägerin wegen der Versorgungsansprüche hat es den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht verwiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist zulässig. Die Beklagte ist durch die Verweisung des Rechtsstreits aufgrund des Hilfsantrages der Klägerin an das Verwaltungsgericht Hamburg beschwert. Die Klasse ist nicht als unbegründet abgewiesn worden.
II. Die Revision ist begründet. Die Gerichte für Arbeitssachen sind für die Entscheidung über die Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer der Beklagten zuständig.
1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis zuständig. Eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit ist dann gegeben, wenn der Streitgegenstand eine unmittelbare Rechtsfolge des Zivilrechts darstellt. Dagegen liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn der Streitgegenstand eine unmittelbare Folge des öffentlichen Rechts ist. Ob ein Rechtsstreit dem bürgerlichen oder dem öffentlichen Recht zuzuweisen ist, richtet sich, wenn eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Zu dessen Beurteilung kommt es darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der über- und Unterordnung stehen, ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder ob er sich zivilrechtlichen Regeln unterstellt (GmS-OGB BGHZ 97, 312, 313, 314 = NJW 1986, 2359; BGHZ 102, 280, 283 = NJW 1988, 2295, 2296, zu III 1 der Gründe; NJW 1988, 2297, zu III 1 der Gründe)
2. Die Versorgungsansprüche, die die Klägerin geltend macht, sind. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis der Beklagten. Sie werden inhaltlich ausgestaltet durch das Gesetz über die zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte und Arbeiter der Freien und Hansestadt Hamburg (Ruhegeldgesetz – RGG).
a) Nach dem RGG ist die gewährte Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung (§ 1 Abs. 2 RGG) als betriebliche Altersversorgung der Arbeiter und Angestellten der Beklagten ausgestaltet.
In § 1 Abs. 1 RGG ist der Zweck und die Rechtsnatur der Versorgung bestimmt. Hiernach ist die Versorgung ein Zuschuß zu den in §§ 26 und 27 RGG genannten Renten und. Leistungen aus öffentlichen Mitteln. Gewährt werden mithin Zuschüsse zu der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung der Arbeiter und Angestellten. Dagegen wird keine landeseigene Sozialversicherung aufgebaut.
Versorgungsberechtigt sind voll- und teilzeitbeschäftigte Angestellte und Arbeiter (§§ 2, 3 RGG) nach einer Wartezeit in den Diensten der Beklagten von fünf Jahren (§ 4 Abs. 1 RGG). Rechtsgrund der Versorgungsberechtigung sind Arbeitsverhältnisse. Die Entstehung der Versorgungsansprüche ist rein bürgerlichrechtlich ausgestaltet. Wenn die Entstehungsvoraussetzungen vorliegen, erwächst der Anspruch auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung, ohne daß es eines von der Beklagten zu erlassenden Verwaltungsaktes bedarf.
Die im RGG vorgesehenen Leistungen sind Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachten Dienste (BVerfG Urteil vom 15. Juni 1988 – 1 BvL 9/83 –, S. 17).
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts läßt sich aus § 18 BetrAVG nicht ableiten, daß die Versorgungsansprüche dem öffentlichen Recht zugewiesen wurden. Nach § 18 Abs. 3 BetrAVG werden Personen, die mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft aus den Diensten der Beklagten ausscheiden, bei einer Zusatzversorgungseinrichtung versichert. Gerade aus dem Zusammenhang in § 18 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und 5, 6 BetrAVG ergibt sich, daß die privatrechtlichen Zusatzversorgungen im öffentlichen Dienst nach einheitlichen Grundsätzen abgewickelt werden sollen, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt eines Versorgungsfalles endet.
c) Das RGG findet auf die Bediensteten des Landes Hamburg unmittelbare Anwendung. Dagegen wird es in einigen Regiebetrieben der Freien und Hansestadt Hamburg angewendet, wenn die Tarifvertragsparteien seine Anwendung vereinbart haben (Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, Band I, 2. Aufl., § 18 Rz 37). In diesem Falle kann es sich nur im bürgerlich-rechtliche Ansprüche handeln.
d) Aus der Entwicklung der Zusatzversorgung in Hamburg ergibt sich, daß sie bewußt bürgerlich-rechtlich ausgestaltet worden ist.
Im Frühjahr 1920 wurde der Arbeitgeberverband deutscher Gemeinden und Gemeindeverbände gegründet. Am 1. Juli 1920 trat der Manteltarifvertrag zwischen dem genannten Arbeitgeberverband und dem Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter sowie dem Zentralverband der Gemeindearbeiter und Straßenbahner Deutschlands in Kraft. In ihm ist bestimmt, daß sämtlichen beim Dienstantritt im Vollbesitz der Erwerbsfähigkeit befindlichen Arbeitern eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung nach Maßgabe der jeweiligen örtlichen oder bezirksweise erlassenen Bestimmungen zu gewähren ist. Diese Vorbereitungen zum, Manteltarifvertrag haben dazu geführt, daß bereits im Jahre 1919 bei mehr als 320 Gemeinden von über 570 Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern zusätzliche Versorgungsansprüche geschaffen wurden, die in Hamburg die schon im Jahre 1901 geschaffene Sozialversicherung ergänzten (vgl. Mitteilung des Senats Nr. 61 vom 4. Februar 1921, GVBl. 1921 S. 111).
e) In der Rechtsprechung ist immer angenommen worden, daß die Versorgungsansprüche nach dem RGG bürgerlich-rechtlicher Natur sind. Hiervon ist das Bundesarbeitsgericht in seinen Entscheidungen vom 7. Mai 1976 – 3 AZR 267/75 – AP Nr. 173 zu § 242 BGB Ruhegehalt und vom 22. Januar 1958 – 4 AZR 191/56 – AP Nr. 1 zu § 1 Ruhegeld Hamburg ausgegangen. Zu demselben Ergebnis ist das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 18. Dezember 1985 – 1 BvR 1381/85 – sowie vom 15. Juni 1988 – 1 BvL 9/83 – gekommen. Diese Auffassung wird auch von den ordentlichen Gerichten geteilt (OLG Hamburg, Beschluß vom 27. April 1979, FamRZ 1980, 165, 166).
III. Da das Landesarbeitsgericht zu Unrecht den Rechtsstreit verwiesen hat, muß das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtstreit zurückverwiesen werden. Das Landesarbeitsgericht muß die Versorgungsansprüche überprüfen.
Unterschriften
Dr. Heither, Schaub, Griebeling, Fieberg, Paul-Reichart
Fundstellen