Entscheidungsstichwort (Thema)
Gehaltserhöhung und Gleichbehandlung
Orientierungssatz
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist dann verletzt, wenn der Arbeitgeber ohne sachlichen Grund einen Arbeitnehmer von einer allgemeinen betrieblichen Gehaltserhöhung ausschließt.
2. Besteht arbeitgeberseitig die Regelung, diejenigen Arbeitnehmer von einer Gehaltserhöhung auszuschließen, die unzureichende Leistungen erbracht haben, so kann dies ein sachlicher Grund sein.
Normenkette
GG Art. 3; BGB § 242; ZPO § 286
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 18.03.1987; Aktenzeichen 7 Sa 1136/86) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 12.09.1986; Aktenzeichen 14 Ca 5214/86) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin ab 1. April 1986 aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Gleichbehandlung eine monatliche Gehaltserhöhung schuldet.
Die Beklagte, ein internationaler Rückversicherungsmakler, beschäftigt 40 Arbeitnehmer. Die am 4. November 1940 geborene Klägerin ist seit dem 1. Oktober 1966 bei ihr als Angestellte tätig, zunächst als Fremdsprachensekretärin, seit dem 1. April 1972 als Chefsekretärin. Sie bezieht 14 Monatsgehälter. Die Vergütung der Klägerin wurde seit 1977 jedes Jahr erhöht. Der Betrag der Gehaltssteigerung lag zwischen 200,-- DM (1977, 1982) und 75,-- DM (1985) monatlich. Mit Einschluß der letzten Erhöhung beliefen sich die Bezüge der Klägerin seit dem 1. April 1985 auf 3.775,-- DM brutto. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin eine weitere Erhöhung ab 1. April 1986 in Höhe von 135,90 DM.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe seit 20 Jahren in jedem Jahr die Gehälter der Mehrzahl der Angestellten prozentual angehoben. Von der seit dem 1. April 1986 wirksam gewordenen Erhöhung um 3,6 % - entsprechend der tariflichen Gehaltserhöhung - ausgenommen habe die Beklagte nur sie, die Klägerin, und zwei noch in der Probezeit befindliche Angestellte. In dem Erhöhungsbetrag sei auch ein Grundbetrag zum Kaufkraftausgleich enthalten. Ein sachlicher Grund dafür, sie, die Klägerin, von der Gehaltssteigerung auszuschließen, bestehe nicht. Das ergebe sich auch aus folgendem: Die Beklagte habe eine ihr zum 31. Dezember 1986 ausgesprochene Kündigung im Kündigungsschutzprozeß zurückgenommen. Weiter habe die Beklagte ihr unter dem 22. Juli 1986 ein Zwischenzeugnis erteilt und ihr darin größte Zufriedenheit mit ihren Leistungen bescheinigt.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 475,75 DM
brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 31. August
1986 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem
1. September 1986 über den bisher monatlich
gezahlten Bruttobetrag von 3.775,-- DM hinaus
monatlich weitere 135,90 DM für die Zeit des
Bestehens des Arbeitsverhältnisses der Parteien
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat bestritten, die Gehälter ihrer Mitarbeiter zum 1. April 1986 prozentual entsprechend dem Tarifvertrag angehoben zu haben. Eine Tarifbindung liege bei ihr (was im übrigen unstreitig ist) nicht vor. Sie hat vorgetragen, sie überprüfe in jedem Frühjahr die Arbeitsleistung jedes einzelnen Arbeitnehmers. Komme sie dabei zu dem Ergebnis, daß die Arbeitsleistung eines Mitarbeiters eine Gehaltserhöhung rechtfertige, dann werde sie vorgenommen. Ergebe die Prüfung, daß die Leistung des Mitarbeiters eine Anhebung nicht rechtfertige, dann unterbleibe sie. Die Gehälter würden bei Erhöhungen nicht einfach allgemein prozentual angehoben. Vielmehr gewähre sie entsprechend dem Ergebnis der Leistungsbewertung eine Zulage zur bisherigen Vergütung in Höhe von 25,-- DM, 50,-- DM, 75,-- DM oder 100,-- DM. Im Jahre 1986 habe sie bei sieben Arbeitnehmern die Gehälter nicht erhöht. Ähnliches sei in der Vergangenheit bei drei bis sieben Arbeitnehmern geschehen.
Auch zum 1. April 1986 habe sie die Gehaltsanhebung allein unter Leistungsgesichtspunkten vorgenommen. Dies habe sie den einzelnen Mitarbeitern auch verschiedentlich erläutert, so besonders der Betriebsratsvorsitzenden, als diese mit der ihr gewährten Erhöhung nicht einverstanden gewesen sei. Die Leistungen der Klägerin hätten eine Anhebung nicht gerechtfertigt. Die Klägerin habe ihre Aufgaben nur schleppend erfüllt und sich sogar geweigert, ihr übertragene Aufgaben zu erledigen. Das der Klägerin ausgestellte Zwischenzeugnis entspreche nicht in allen Teilen der Wahrheit; es sei nur auf Wunsch der Klägerin und nach langen Erörterungen erteilt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Klägerin ihr Klageziel weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Es läßt sich gegenwärtig noch nicht abschließend beurteilen, ob der Klägerin der erhobene Anspruch zusteht oder nicht. Die Sache bedarf vielmehr näherer Aufklärung. Dazu ist die Zurückverweisung an die Vorinstanz erforderlich.
I. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß als Anspruchsgrundlage für die Klage nur der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz in Betracht kommt. Bei seinen weiteren Überlegungen hat das Landesarbeitsgericht jedoch die Tragweite dieses Grundsatzes verkannt.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, im Bereich der Entlohnung könne der Gleichbehandlungsgrundsatz allenfalls eingeschränkt gelten. In der Privatwirtschaft sei der Arbeitgeber rechtlich frei, zwei Arbeitnehmer für die gleiche Arbeit zu einem ganz unterschiedlichen Lohn einzustellen. Er könne daher rechtlich auch nicht gehindert sein, im weiteren Verlauf der Arbeitsverhältnisse die Arbeitnehmer unterschiedlich zu entlohnen. Allenfalls wenn er aus Gründen des Kaufkraftverlustes Lohnerhöhungen vornehme, könne er an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sein. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergebe sich jedoch kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, daß die Gehaltserhöhungen der Beklagten vom 1. April 1986 ab ganz oder zum Teil den Zweck hätten, einen Kaufkraftverlust auszugleichen. Das gehe zu Lasten der Klägerin.
Diese Begründung wird von der Revision im Ergebnis zu Recht angegriffen.
II. 1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder eine Gruppe von Arbeitnehmern von einer allgemein begünstigenden Regelung ohne sachlichen Grund auszunehmen (so BAG ständig, vgl. nur das Senatsurteil vom 9. Juni 1982: BAGE 39, 132, 135 = AP Nr. 51 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu 2 der Gründe). Das gilt auch bei freiwilligen Gehaltserhöhungen, wenn sie auf einer allgemeinen Regelung des Arbeitgebers beruhen (vgl. BAGE 39, 132, 135 = AP aaO, zu 2 a der Gründe; ferner BAGE 49, 346, 353 = AP Nr. 76 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 2 der Gründe). Eine solche allgemeine Regelung liegt im Streitfalle vor, wobei die Parteien lediglich darüber streiten, wie diese Regelung im einzelnen gestaltet ist.
a) Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe mit Wirkung vom 1. April 1986 allen Mitarbeitern eine Gehaltserhöhung entsprechend der Tariferhöhung von 3,6 % gewährt. Lediglich bei ihr, der Klägerin, und bei zwei Angestellten, die sich noch in der Probezeit befänden, habe die Beklagte eine Ausnahme gemacht. Die Beklagte hat dieses Vorbringen bestritten. Der Vortrag der Klägerin legt jedoch eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Falle der Klägerin schlüssig dar. Das Landesarbeitsgericht hätte diesem Vorbringen daher nachgehen und Beweis erheben müssen. Dabei wäre die weitere Frage zu prüfen, ob der Beklagten ein sachlich rechtfertigender Grund zur Seite gestanden hat, die Klägerin von der - von ihr behaupteten - allgemein begünstigenden Regelung auszunehmen.
b) Die Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, sie habe - wie in jedem Frühjahr - zum 1. April 1986 die Leistungen ihrer Arbeitnehmer im einzelnen überprüft und nach dem Ergebnis dieser Überprüfung eine Gehaltserhöhung, abgestuft in vier Gruppen, vorgenommen. Dabei seien sieben Arbeitnehmer - darunter die Klägerin - von einer Gehaltserhöhung ausgeschlossen worden. Im Falle der Klägerin liege der Grund in ihren unzureichenden Leistungen. Auch mit diesem Vorbringen wird eine allgemeine Regelung des Arbeitgebers schlüssig vorgetragen. Das Landesarbeitsgericht hätte daher - je nach Ergebnis der Beweisaufnahme zu dem Vorbringen der Klägerin - prüfen müssen, ob der Vortrag der Beklagten zutrifft und ob vor allem ihre Behauptung richtig ist, die Leistungen der Klägerin seien unzureichend gewesen. In diesem Zusammenhang hätte das Landesarbeitsgericht auch die Tatsache berücksichtigen müssen, daß die Beklagte der Klägerin unter dem Datum des 22. Juli 1986 ein Zwischenzeugnis mit einer bestimmten Aussage über die Leistungen der Klägerin ausgestellt hat.
2. Da es an jeder Sachaufklärung fehlt, ist eine abschließende Sachentscheidung gegenwärtig nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat zu einseitig auf das oben erwähnte Urteil des Siebten Senats (BAGE 49, 346 = AP Nr. 76 zu § 242 BGB Gleichbehandlung) abgestellt und die Frage des Kaufkraftverlustes in den Vordergrund seiner Überlegungen gerückt. Darum geht es nach dem Vortrag der Parteien aber nicht. Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden, damit dieses die erforderlichen Beweise erhebt und dann aufgrund seiner Feststellungen die Frage der Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes im Falle der Klägerin noch einmal überprüft.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dörner
Prof. Dr. Krems Polcyn
Fundstellen