Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen MfS-Tätigkeit - konspirative Wohnung
Orientierungssatz
Außerordentliche Kündigung einer Lehrerin nach dem Einigungsvertrag wegen Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit (Klage stattgegeben).
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen
Landesarbeitsgerichts vom 17. Juni 1997 - 7 Sa 1244/96 -
hinsichtlich des angefochtenen Teiles aufgehoben.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Leipzig vom 15. November 1996 - 12 (13) Ca 13889/95 - abgeändert
und - auch zur Klarstellung - wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien
durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 13.
Dezember 1995 nicht beendet worden ist.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 60.000,00 DM
nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Januar 1996 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Ziffer 2 der Anlage I zum Einigungsvertrag (fortan: Abs. 5 Ziff. 2 EV) bzw. § 626 BGB/§ 54 BAT-O stützt. Des weiteren begehrt die Klägerin Zahlung einer in einem Aufhebungsvertrag vereinbarten Abfindung.
Die Klägerin war seit August 1958 als Lehrerin im Schuldienst der ehemaligen DDR und später des Beklagten beschäftigt.
Nach mehreren Kontaktgesprächen mit dem Ministerium für Staatssicherheit (im folgenden: MfS) unterzeichnete die Klägerin am 29. September 1983 eine handschriftliche Verpflichtungserklärung.
Am 18. März 1991 verneinte die Klägerin in einem ihr vom Beklagten vorgelegten Vordruck unter anderem folgende Fragen:
"1.1.
Haben Sie jemals offiziell oder inoffiziell, hauptamtlich oder
sonstwie für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für
Nationale Sicherheit der ehemaligen DDR gearbeitet?
ja/nein
Wenn ja: In welcher Weise, wo und von wann bis wann? Aus welchen
Gründen wurde die Tätigkeit beendet?
1.2.
Haben Sie gelegentlich oder unentgeltlich, über mittelbare
Kontakte im Wege einer Verpflichtung als Reisekader oder über
Kontakte, zu denen Sie als Mitarbeiter örtlicher Staatsorgane, als
Leiter oder auf Grund gesellschaftlicher Funktionen verpflichtet
waren, für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale
Sicherheit der DDR gearbeitet?
ja/nein
Wenn ja: In welcher Weise, wo und von wann bis wann? Aus welchen
Gründen wurddiese Kontakte beendet?
1.3.
Falls die Fragen 1.1. und 1.2. mit nein beantwortet werden; Haben
Sie solche Kontakte gehabt, die zu Ihrer Anwerbung führen sollten,
was sie aber ablehnten?
ja/nein
Wenn ja: Wann und zu welcher Aufgabe sollten Sie verpflichtet
werden?"
Im September 1995 vereinbarten die Parteien die Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 1995. Der Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 60.000,00 DM.
Am 29. November 1995 erhielt das Oberschulamt Leipzig den die Klägerin betreffenden Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (fortan: BStU) vom 6. September 1995. Dieser lautet wie folgt:
"1. IM-Kategorie
IMK/KW (Inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung und des
Verbindungswesens/Konspirative Wohnung)
2. Deckname:
"Caren"
3. Hauptabteilung/Abteilung:
BV (Bezirksverwaltung) Leipzig, Abteilung VI
4. Führungsoffiziere:
Unterleutnant O
Leutnant V
5. Umfang der Akten:
(kombinierte Personal- und Arbeitsakte) 1 Band/313 Seiten
6. a) Vorlauf des IM-Vorgangs:
13.08.1982 bis 29.09.1983
6. b) Kontaktphase:
17.08.1983 bis 29.09.1983
7. Zeitraum der IM-Erfassung:
29.09.1983 bis 23.12.1986
8. Persönliche Verpflichtung:
Es liegt eine persönliche Verpflichtung vom 29.09.1983 vor -
Anlage 1.1
9. Ziel der Werbung nach Darstellung des
Staatssicherheitsdienstes:
Frau A sollte als IMK/KW-Inhaber und zur Gewinnung operativ
bedeutsamer Informationen genutzt werden.
10. Grundlage der Werbung aus Sicht des
Staatssicherheitsdienstes:
politisch-ideologische Überzeugung - Anlage 1.2
11. Übertragene Aufgaben:
Absicherung von Treffen in der IMK/KW
12. Geburtstagspräsente im Wert von 77,20 M und Frau A hat
200,00 M für eine weitere Person entgegengenommen -
Anlagen 1.3, 1.4
12. zur KW-Ausstattung 97,25 M - Anlage 1.3
12. c) Vergütung:
entfällt
13. Auszeichnungen durch den Staatssicherheitsdienst:
nicht ersichtlich
14. Grund für die Beendigung der Tätigkeit nach Darstellung
des Staatssicherheitsdienstes:
familiäre Gründe - Anlage 1.5
15. Art und Anzahl der Berichte:
2 Treffberichte des Führungsoffiziers
16. Inhalt der Berichte:
keine Berichte vorhanden
17. Bemerkungen:
Frau A nahm vor der Werbung an zwei Kontaktgesprächen teil.
Die Gespräche wurden zunächst unter der Legende "negative
Jugendliche im Wohngebiet" geführt. Beim Kontaktgespräch am
12.09.1983 erklärten sich die IMK/KW-Inhaber bereit, das MfS
zu unterstützen - Anlage 1.6
Die Verpflichtung erfolgte am 29.09.1983 - Anlage 1.1, 1.7.
In der vorhandenen Akte befinden sich zwei Treffberichte, als
Beispiel dazu - Anlage 1.8 vorgesehene
Informationsbeschaffungen durch Frau A gehen aus dem
vorliegenden Material nicht hervor. Als positiv bewertete das
MfS die mietfreie Nutzung der KW.
Zur Einschätzung der inoffiziellen Zusammenarbeit aus der
Sicht des MfS wird eine Beurteilung als Teil des
Auskunftsberichts vom 23.05.1984 dieser Auskunft beigefügt -
Anlage 1.2.
Während des Zeitraums der IM-Erfassung wurden laut Aktenlage
zwei inoffizielle Mitarbeiter in der KW getroffen - Anlage
1.5."
In einem Personalgespräch am 5. Dezember 1995 stellte die Klägerin eine Tätigkeit für das MfS in Abrede. Sie habe lediglich ein Kinderzimmer dem MfS vermietet. Zum Geburtstag ihres Mannes hätte es einmal 200,00 Mark und einmal eine Schallplatte gegeben. Die Verpflichtung habe sie geschrieben, aber als Mietvertrag verstanden.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 1995 erklärte der Beklagte die Anfechtung des Aufhebungsvertrages. Ebenfalls mit Schreiben vom 7. Dezember 1995 hörte der Beklagte den Bezirkspersonalrat für Förder-, Grund- und Mittelschulen beim Oberschulamt Leipzig zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Der Bezirks-personalrat äußerte mit Schreiben vom 12. Dezember 1995 Bedenken.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem ihr am 14. Dezember 1995 zugegangenen Schreiben vom 13. Dezember 1995 außerordentlich fristlos unter Berufung auf Abs. 5 Ziff. 2 EV, § 626 BGB und § 54 BAT-O.
Mit der am 20. Dezember 1995 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Aufhebungsvertrag geltend gemacht. Die Zahlung der vereinbarten Abfindung hat sie mit der am 22. Januar 1996 eingereichten Klageerweiterung eingefordert.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das Überlassen eines Zimmers sei keine bewußte finale Tätigkeit für das MfS gewesen. Die Zusammenarbeit mit dem MfS habe sie als Mietverhältnis aufgefaßt und die Verpflichtungserklärung sei ihr als Mietvertrag in Erinnerung. Die Zusammenarbeit sei erfolgt, weil sie und ihr Ehemann Angst vor Repressalien gehabt und sich bedroht gefühlt hätten. Das Zimmer sei lediglich bis zur Geburt ihres Enkelkindes im Juni 1984 genutzt worden. Nach ihrer Erinnerung hätten zwei bis drei Treffen in diesem Zimmer stattgefunden. Die Nutzung sei beendet worden, nachdem die Klägerin und ihr Ehemann vorgegeben hätten, daß sie das Zimmer für ihre Tochter benötigten. Sie hätten dem MfS einen Wohnungsschlüssel verweigert. Sie sei nie SED-Mitglied gewesen. Geldzuwendungen habe sie nicht erhalten. Die Personalratsanhörung sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Dem Personalrat sei insbesondere der Abschluß des Aufhebungsvertrages nicht mitgeteilt worden. Die Anfechtung des Aufhebungsvertrages greife in Ermangelung eines Anfechtungsgrundes nicht durch.
Die Klägerin hat, soweit in der Revisionsinstanz noch erheblich, beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht
durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 13.
Dezember 1995 beendet wurde,
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 60.000,00 DM
nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Januar 1996 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die Klägerin sei wissentlich und willentlich für das MfS tätig geworden. Sie habe dem MfS ein Zimmer zur Verfügung gestellt, das in der Zeit von Dezember 1983 bis Dezember 1986 insgesamt 22mal von zwei verschiedenen inoffiziellen Mitarbeitern genutzt worden sei. Dies werde durch drei Treffberichte des Führungsoffiziers bestätigt. Aufgrund der Stellung der Klägerin als Grundschullehrerin sei eine Weiterbeschäftigung unzumutbar. Die Kündigung sei auch wegen der erwiesenen Unaufrichtigkeit gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Klägerin hat das Bundesarbeitsgericht mit Beschluß vom 19. März 1998 die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet.
A. Die vom Beklagten erklärte außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst.
I. Die Kündigung ist nicht gemäß Abs. 5 Ziff. 2 EV gerechtfertigt.
1. Die Klägerin war zwar bewußt für das MfS tätig, indem sie ein Zimmer ihrer Wohnung aufgrund einer Verpflichtungserklärung mehrfach für konspirative Treffen des MfS zur Verfügung stellte, doch bedarf es einer Einzelfallprüfung, ob ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint. Abs. 5 Ziff. 2 EV ist keine "Mußbestimmung". Nicht jedem, der für das MfS tätig war, ist zu kündigen. Das individuelle Maß der Verstrickung bestimmt über die außerordentliche Auflösbarkeit des Arbeitsverhältnisses. In der Regel wird mit der Bedeutung der früheren Tätigkeit und der Stellung des Beschäftigten beim MfS die Notwendigkeit einer außerordentlichen Kündigung korrespondieren. Je größer das Maß der Verstrickung, desto unwahrscheinlicher ist die Annahme, dieser Beschäftigte sei als Angehöriger des öffentlichen Dienstes der Bevölkerung noch zumutbar. Maßgebend ist, ob das Vertrauen der Bürger in die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei Bekanntwerden der Tätigkeit für das MfS in einer Weise beeinträchtigt würde, die das Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar macht.
2. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Tätigkeit der Klägerin für das MfS mache dem Beklagten das Festhalten an dem Arbeitsverhältnis mit der Klägerin unzumutbar, hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Das Landesarbeitsgericht hat den unbestimmten Rechtsbegriff der Unzumutbarkeit verkannt und die wesentlichen Umstände des Einzelfalles nicht berücksichtigt. Es unterscheidet nicht die Tätigkeit für das MfS und die Einzelfallprüfung. Das Landesarbeitsgericht führt lediglich allgemein aus, daß jegliche aktive Mitarbeit für das MfS den Repressionsapparat des SED-Staates unterstützt habe. Wer sich daran beteiligt habe, hätte in die Lage kommen können, sein persönliches Umfeld zu bespitzeln mit nicht absehbaren Folgen für die Betroffenen. Dem Arbeitgeber sei es deshalb in der Regel nicht zumutbar, einen derartigen Arbeitnehmer zu beschäftigen. Wer zu DDR-Zeiten seine Mitbürger im Auftrag des MfS bespitzelt habe, werde regelmäßig das erforderliche Vertrauen der Mitbürger nicht rechtfertigen können.
b) Bei diesen Erwägungen handelt es sich um keine Einzelfallprüfung, sondern um eine abstrakte Rechtfertigung des in Abs. 5 Ziff. 2 EV normierten Kündigungsgrundes. Das Landesarbeitsgericht zieht allein aus der Tätigkeit für das MfS den Schluß, die Weiterbeschäftigung dieses Arbeitnehmers sei regelmäßig unzumutbar. Diese Verknüpfung widerspricht dem Gesetzeswortlaut.
c) Die Klägerin war nur in geringem Umfang für das MfS tätig, selbst wenn das zweitinstanzliche Vorbringen des Beklagten zum Umfang der Tätigkeit und die neu vorgelegten Treffberichte bei der Beurteilung als wahr unterstellt und damit berücksichtigt werden. Die Klägerin hat danach ein Zimmer ihrer Wohnung über einen Zeitraum von drei Jahren zu konspirativen Zwecken zur Verfügung gestellt. Berichte in erheblicher Anzahl und Umfang hat sie in dieser Zeit jedoch nicht abgegeben. Die Treffberichte vom 1. Dezember 1983 und 9. Oktober 1984 behandeln nur Fragen der Durchführung der konspirativen Treffen in der Wohnung der Klägerin und hier insbesondere die Wahrung der Konspiration. Lediglich der Treffbericht vom 13. Dezember 1986 enthält persönliche Angaben über eine dritte Person, bei der es sich nach dem Inhalt offenbar um die Tochter der Klägerin handelt. Aber diese Angaben werden dadurch relativiert, daß gleichzeitig die Treue dieser Person zur DDR herausgestellt wird. Zugunsten der Klägerin ist weiter zu berücksichtigen, daß es sich um einen einmaligen Vorgang gehandelt hat und der Bericht keine persönlichen Einschätzungen enthält. Im übrigen hat auch der BStU diesen Treffbericht nicht als Berichtstätigkeit gewertet. Nach dem Einzelbericht (Nr. 16) lagen keine Berichte vor. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht die freiwillige Abkehr der Klägerin vom MfS nicht genügend gewürdigt, so daß die Gesamtschau der entlastenden Momente die Annahme rechtfertigt, eine Weiterbeschäftigung der Klägerin erscheine als zumutbar.
II. Die außerordentliche Kündigung ist nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt. Die von dem Beklagten geltend gemachte Falschbeantwortung rechtfertigt jedenfalls nicht die erklärte außerordentliche Kündigung. Die Falschbeantwortung der Frage nach einer Tätigkeit für das MfS kann zwar ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB/§ 54 BAT-O sein, doch hat die Klägerin diesen Grund nicht verwirklicht.
a) Die im Personalfragebogen unter 1.1. und 1.2. gestellten Fragen sind zulässig und vom Arbeitnehmer wahrheitsgemäß zu beantworten (Senatsurteil vom 7. September 1995 - 8 AZR 828/93 - BAGE 81, 15, 23 ff. = AP Nr. 24 zu § 242 BGB Auskunftspflicht, zu II 3 der Gründe zur hier verwendeten Frage des Beklagten). Unzulässig war hingegen die Frage 1.3. Der Arbeitnehmer muß zu erfolglosen Anwerbungsversuchen seitens des MfS keine Auskunft geben, weil ein Zusammenhang weder mit der geschuldeten Leistung noch überhaupt mit der gegenseitigen Pflichtenbindung im Arbeitsverhältnis besteht (vgl. Senatsurteil vom 7. September 1995, aaO, S. 26, zu II 3 c der Gründe).
b) Die Verneinung der Fragen 1.1. und 1.2. durch die Klägerin war nicht wahrheitswidrig. Ausdrücklich hat der Beklagten nicht gefragt, ob die Klägerin für das MfS "tätig gewesen" ist, sondern ob sie für dieses "gearbeitet" hat. Angesichts dieser vom Gesetzeswortlaut abweichenden Formulierung kann der Klägerin nicht als Unaufrichtigkeit vorgeworfen werden, wenn sie unter dem Zurverfügungstellen eines Zimmers keine Arbeitsleistung verstanden hat.
III. Die Umdeutung der außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung kommt nicht in Betracht. Der zuständige Personalrat ist allein zu einer außerordentlichen Kündigung angehört worden und hat dieser nicht ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt (vgl. BAG Urteil vom 16. März 1978 - 2 AZR 424/76 - BAGE 30, 176 = AP Nr. 15 zu § 102 BetrVG 1972; Senatsurteile vom 17. Juli 1997 - 8 AZR 677/95 -, n.v., zu II 3 der Gründe, und vom 17. September 1998 - 8 AZR 91/97 -, n.v., zu II 4 der Gründe).
B. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus dem Aufhebungsvertrag einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von 60.000,00 DM. Dieser Anspruch ist in vollem Umfang entstanden und nicht wegen Anfechtung der auf Abschluß des Aufhebungsvertrages gerichteten Willenserklärung des Beklagten untergegangen. Die erklärte Anfechtung ist weder gemäß § 119 Abs. 2 BGB noch gemäß § 123 Abs. 1 BGB begründet.
I. Für die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB fehlt es an dem Irrtum des Beklagten über eine verkehrswesentliche persönliche Eigenschaft der Klägerin. In der Rechtsprechung (vgl. nur BAG Urteil vom 21. Februar 1991 - 2 AZR 449/90 - AP Nr. 35 zu § 123 BGB, zu II 4 e der Gründe, m.w.N.) werden Umstände als wesentliche Eigenschaften der Person anerkannt, die entweder die Person selbst kennzeichnen oder ihre wirtschaftliche Lage. Die MfS-Tätigkeit als solche ist keine verkehrswesentliche Eigenschaft. Wie der vorliegende Fall zeigt, berechtigt nicht jede Tätigkeit für das MfS zur Kündigung.
II. Die Anfechtung ist auch nicht wegen einer arglistigen Täuschung der Klägerin bei Abschluß des Aufhebungsvertrages (§ 123 BGB) begründet. Es liegt schon keine Täuschung durch die Klägerin vor.
1. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, daß er im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages auf die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen im Erklärungsbogen vertraut habe, begründet dies keine Täuschung durch Vorspiegelung von Tatsachen. Die von dem Beklagten geltend gemachte Täuschungshandlung war zum Zeitpunkt der Abgabe des Erklärungsbogens im Jahre 1991 nicht dazu bestimmt, den Beklagten zur Abgabe einer Willenserklärung, gerichtet auf den Abschluß des Aufhebungsvertrages, zu bestimmen. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch keine Partei vorausahnen, daß es einmal zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages kommen werde.
2. Es liegt auch keine Täuschung durch Verschweigen der MfS-Tätigkeit im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages vor. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht bestand. Entscheidend ist, ob der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung verlangen durfte (BGH Urteil vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 224/87 - NJW 1989, 763, 764; BGH Urteil vom 13. Dezember 1991 - III ZR 333/89 - NJW-RR 1991, 439, 440). Grundsätzlich ist es Sache jeder Partei, ihre eigenen Interessen selbst wahrzunehmen. Es besteht daher keine allgemeine Pflicht, alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teiles von Bedeutung sein können (BGH Urteil vom 28. April 1971 - VIII ZR 258/69 - NJW 1971, 1795, 1799). Ungünstige Eigenschaften der Person brauchen grundsätzlich nicht offengelegt zu werden.
Nach diesen Grundsätzen bestand bei Abschluß des Aufhebungsvertrages für die Klägerin keine Offenbarungspflicht über ihre Verbindung zum MfS. Wenn der Beklagte nicht deutlich gemacht hat, daß er nur mit unbelasteten Arbeitnehmern Aufhebungsverträge abschließt, hätte er vor Abschluß des Aufhebungsvertrages die BStU-Auskunft abwarten, die Klägerin nochmals befragen oder gar diese Bedingung bzw. einseitige Vorstellung zum Gegenstand des Aufhebungsvertrages selbst machen müssen.
III. Die Abfindungsforderung ist weder als Brutto- noch als Nettobetrag zu bezeichnen. Ob und in welchem Umfang diese Abfindung der Sozialversicherungspflicht und der Besteuerung unterliegt, ist nicht zu entscheiden. Diese Entscheidung wäre weder für den Sozialversicherungsträger noch die Finanzbehörde bindend.
IV. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB. Eine Mahnung war gemäß § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB entbehrlich, weil die Leistung kalendermäßig bestimmt war.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
Ascheid Dr. Wittek Müller-Glöge
E. Schmitzberger Scholz
Fundstellen