Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines Hochschullehrers nach Einigungsvertrag. Sektionsdirektor
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 20 Abs. 1; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4, Nrn. 15a, 15c; PersVG-DDR/BPersVG § 79 Abs. 1; PersVG-DDR/BPersVG § 79 Abs. 4; PersVG-DDR/BPersVG § 82 Abs. 1; PersVG-DDR/BPersVG § 82 Abs. 5; AGB-DDR § 62
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 8. Dezember 1994 – 4 Sa 450/93 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von zwei auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 bzw. Ziff. 2, 3 Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 EV) gestützten ordentlichen Kündigungen.
Der im Jahre 1931 geborene Kläger war seit dem 1. September 1979 Professor für Musikpädagogik/Musikdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Z. Der bei seiner Berufung geschlossene Arbeitsvertrag wurde am 30. Juli 1991 dahingehend geändert, daß die Bestimmungen des BAT-O galten. Eine Berufung des Klägers im Sinne der §§ 52 ff. des Sächsischen Hochschulerneuerungsgesetzes (SächsHEG) vom 25. Juli 1991 (SächsGVBl. S. 261) ist nicht erfolgt.
Der Kläger war von 1963 bis 1971 und on 1978 bis 1982 ehrenamtlicher Abteilungsparteiorganisationssekretär (im folgenden APO-Sekretär) an der Sektion Germanistik/Musikerziehung der Pädagogischen Hochschule Z. 1975/76 besuchte er die Kreisparteischule der SED, 1977 die Sonderschule des Zentralkomitees der SED und 1981/82 die Parteihochschule „Karl-Marx” der SED in Berlin. Von 1982 bis 1990 war er Direktor der oben genannten Sektion.
Mit Schreiben vom 25. September 1992 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1992. Die Kündigung wurde durch den Rektor der Technischen Universität C. ausgesprochen und mit mangelndem Bedarf begründet. Der Hauptpersonalrat beim Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst war vor Ausspruch dieser Kündigung nicht beteiligt worden.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 1992 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis wegen mangelnder persönlicher Eignung zum 31. März 1993. Der Kläger wurde gleichzeitig von seinem Amt als Professor abberufen. Der Beklagte hatte zuvor den Hauptpersonalrat am 14. Juli 1992 über die beabsichtigte Kündigung und Abberufung unterrichtet und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei von 1982 bis 1990 Direktor der Sektion Germanistik/Musikerziehung an der Pädagogischen Hochschule Z. gewesen und habe von September 1981 bis Februar 1982 die Parteihochschule der SED in Berlin besucht. Er habe die SED-Kaderpolitik mit konsequenter Härte durchgesetzt und sei an politisch motivierten Maßnahmen gegen Mitarbeiter beteiligt gewesen. So habe er seine Zustimmung zu dem Antrag eines Kollegen verweigert, der seine Mutter in der Bundesrepublik Deutschland zum 85. Geburtstag habe besuchen wollen. Der Hauptpersonalrat teilte am 4. August 1992 mit, er erhebe keine Einwendungen gegen die Kündigung.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung vom 25. September 1992 sei unwirksam. Sein Arbeitsplatz sei nicht weggefallen. Die Beteiligung der Personalvertretung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Auch die Kündigung vom 29. Oktober 1992 sei unwirksam. Sie könne nur auf die Sachverhalte gestützt werden, die dem Hauptpersonalrat im Schreiben vom 14. Juli 1992 mitgeteilt worden seien. Soweit der Beklagte die mangelnde persönliche Eignung auf die SED-Mitgliedschaft seit 1954, die Tätigkeit als APO-Sekretär, die Besuche der Kreisparteischule und der Sonderschule des Zentralkomitees sowie auf mehrere Auszeichnungen stütze, stelle dies ein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen dar. Die Ausübung der Funktion eines Sektionsdirektors habe nicht notwendigerweise zur aktiven Beteiligung am repressiven System geführt. Ein Sektionsdirektor habe nicht in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken gehabt. Aus der konkreten Amtsführung ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Nichteignung. Die Genehmigung von Besuchsreisen sei Sache des Rektors gewesen. Dieser habe die Sektionsdirektoren beauftragt, mit den Antragstellern Gespräche mit dem Ziel der Antragsrücknahme zu führen. Entgegen einer Richtlinie für die Hochschulen habe er, der Kläger, im Jahre 1983 den Antrag des Kollegen M. schriftlich beantwortet und diesem so erst die Möglichkeit eröffnet, sich direkt an das Volksbildungsministerium zu wenden. Auch aus seiner Tätigkeit als APO-Sekretär könnten keine Anhaltspunkte für eine mangelnde Eignung gewonnen werden. Die Beteiligung des Hauptpersonalrats beim Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die mit Schreiben vom 29. Oktober 1992 ausgesprochene Abberufung sei rechtswidrig, da gem. § 81 SächsHEG ein Bescheid der Personalkommission spätestens nach Ablauf von 18 Monaten ergehen müsse.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung des Beklagten vom 25. September 1992 zum 31. Dezember 1992 noch durch die Kündigung des Beklagten vom 29. Oktober 1992 zum 31. März 1993 beendet worden sei;
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die Abberufung des Beklagten vom 29. Oktober 1992 beendet worden sei, hilfsweise den Rechtsstreit insoweit an das Verwaltungsgericht Chemnitz zu verweisen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 25. September 1992 sei wegen mangelnden Bedarfs gerechtfertigt. Die Pädagogische Hochschule in Z. sei zum 30. September 1992 aufgelöst worden. Sämtliche Stellen dieser Hochschule seien weggefallen. Vor Ausspruch der Kündigung sei der Personalrat der Technischen Universität C. als die zuständige Personalvertretung beteiligt worden. Auch der Personalrat der Pädagogischen Hochschule Z. sei unterrichtet worden und habe vor Ausspruch der Kündigung mitgeteilt, Einwände würden nicht erhoben.
Der Beklagte hat weiter geltend gemacht, die Kündigung vom 29. Oktober 1992 sei wegen mangelnder persönlicher Eignung des Klägers wirksam. Der Kläger habe als Sektionsdirektor langjährig eine Hochschulleitungsfunktion innegehabt und als kommunistischer Hochschullehrer und Genosse Vorbildfunktion ausüben müssen. Zur Umsetzung der hierarchischen Strukturen der SED an den Hochschulen seien hochschulspezifische Leitungsorgane, darunter auch die Sektionsdirektoren, installiert worden, die die Durchsetzung der Führungsrolle der SED garantieren sollten. Der Kläger sei in dieses Amt berufen worden, nachdem er zuvor immer wieder aktiv durch die Übernahme von SED-Parteiämtern in Erscheinung getreten sei. Er sei seit 1954 Mitglied der SED und insgesamt sieben Jahre APO-Sekretär gewesen sowie mehrfach ausgezeichnet worden. Der APO-Sekretär habe der APO-Leitung vorgestanden und die Parteigruppe, insbesondere den Parteigruppenorganisator, überwacht. Er habe der übergeordneten Grundorganisationsleitung über das politische Klima an der Hochschule berichtet und sei von dieser angeleitet worden. Er habe die regelmäßigen Parteiversammlungen geleitet und sei häufig selbst als Referent aufgetreten. Hinzu kämen die verschiedenen Parteischulbesuche. An der Sonderschule des Zentralkomitees und an der Parteihochschule seien nur Spitzenfunktionäre für besondere Aufgaben herangebildet worden. Der Hauptpersonalrat sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Eine Abberufung gem. § 55 SächsHEG sei auch bei Professoren möglich gewesen, die nicht nach den Vorschriften des SächsHEG berufen worden seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Kündigung vom 25. September 1992 sei nach § 79 Abs. 4 PersVG-DDR unwirksam, weil der Beklagte nicht die richtige Personalvertretung beteiligt habe. Der Personalrat der PH Z. sei nicht zu beteiligen gewesen, weil die Entscheidungsbefugnis über Kündigungen nach dem Sächsischen Hochschulstrukturgesetz bei der TU C. gelegen habe. Der Personalrat der TU C. sei nicht zu beteiligen gewesen, weil die beschäftigten Arbeitnehmer der aufzulösenden PH Z. von diesem Personalrat nicht repräsentiert würden. Gemäß § 82 Abs. 5 PersVG-DDR hätte der Hauptpersonalrat beim Staatsminister für Wissenschaft und Kunst beteiligt werden müssen.
Die Kündigung vom 29. Oktober 1992 sei nicht gem. Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt. Die Tätigkeit als Sektionsdirektor habe nicht zwangsläufig eine besondere Identifikation mit den Zielsetzungen des SED-Staates erfordert. Der Sektionsdirektor sei kein hochschulspezifisches Leitungsorgan der SED gewesen. Dessen Aufgaben hätten vornehmlich in dem Bereich Verwaltung und fachwissenschaftliche Forschung und Lehre gelegen. Die politisch-ideologische Qualifizierung und die kommunistische Erziehung der Sektionsmitglieder könnten nicht als besonders vordringliche Aufgaben angesehen werden. Aus der Amtsführung des Klägers ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine persönliche Ungeeignetheit. Die Verweigerung der Besuchsreise könne als neun Jahre zurückliegender einzelner Vorfall die mangelnde persönliche Eignung nicht begründen. Der Kläger habe über den gestellten Antrag nicht zu entscheiden gehabt. Ihm sei vom Rektor nur die Durchführung von Vorgesprächen mit dem Antragsteller übertragen worden. Der Besuch der Parteihochschule sei eine Begleiterscheinung der Mitgliedschaft in der SED gewesen. Soweit der Beklagte die mangelnde persönliche Eignung auch auf die SED-Mitgliedschaft des Klägers, auf dessen Tätigkeit als APO-Sekretär, auf die Besuche der Kreisparteischule und der Sonderschule des Zentralkomitees und auf mehrere Auszeichnungen des Klägers gestützt habe, könne dies die Kündigung nicht begründen. Diese Gründe seien dem Hauptpersonalrat nicht ausdrücklich als Kündigungsgründe mitgeteilt worden. Es sei nicht deutlich geworden, daß auch hiermit die Kündigung begründet werden sollte.
Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht durch die Abberufung beendet worden. Die Abberufungsmöglichkeiten nach den §§ 62 ff. AGB-DDR hätten nur bis zum 31. Dezember 1991 fortbestanden. Eine Abberufung gem. § 55 Abs. 2 Ziff. 5 i.V.m. § 75 Abs. 1 SächsHEG hätte zusätzlich vorausgesetzt, daß der Kläger nicht über die fachliche Kompetenz für seine Arbeitsaufgabe verfügt hätte.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsgerichtlichen Überprüfung im Ergebnis und überwiegend auch in der Begründung stand.
I. Die Kündigung vom 25. September 1992 ist gem. § 79 Abs. 4 PersVG-DDR/BPersVG unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß der Hauptpersonalrat beim Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst gem. § 82 Abs. 5 PersVG-DDR/BPersVG hätte beteiligt werden müssen.
1. Die Beteiligungsrechte des Personalrats gem. § 79 PersVG-DDR/BPersVG finden auch auf Kündigungen gem. Abs. 4 EV Anwendung (ständige Rechtsprechung des BAG seit dem Senatsurteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag). Die gesetzlichen Bestimmungen des PersVG-DDR bzw. des BPersVG sind keine eigenständigen oder abweichenden Regelungen im Sinne der Anlage I zum Einigungsvertrag. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das BPersVG oder das PersVG-DDR vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) nach EV Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 15 a und c Anwendung findet; denn die Regelungen sind inhaltsgleich. Das Sächsische Personalvertretungsgesetz vom 21. Januar 1993 (SächsGVBl. S. 29) findet keine Anwendung, weil es erst am 30. Januar 1993 in Kraft getreten ist.
2. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, daß weder der Personalrat der PH Z. noch der Personalrat der TU C. zu beteiligen waren, sondern der Hauptpersonalrat beim Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst als Stufenvertretung. Denn mit der Durchführung der Auflösung der PH Z. war nicht diese selbst, sondern eine andere Dienststelle, nämlich die TU C., gesetzlich beauftragt (§ 8 Abs. 1 Ziff. 5 Sächsisches Hochschulstrukturgesetz vom 10. April 1992 – SächsHStrG). Damit wurde die Kündigungsmaßnahme von einer Dienststelle getroffen, bei der keine für eine Beteiligung zuständige Personalvertretung vorgesehen war. Nach § 82 Abs. 5 PersVG-DDR/BPersVG war deshalb die Stufenvertretung bei der nächsthöheren Dienststelle, also der Hauptpersonalrat beim Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, zu beteiligen (vgl. für einen insoweit gleichliegenden Fall BAG Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 629/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 2 der Gründe; ebenso BAG Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 639/94 – n.v., zu II 2 der Gründe; Senatsurteil vom 27. Juni 1996 – 8 AZR 219/94 – n.v., zu II 2 der Gründe).
II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Unwirksamkeit der Kündigung vom 29. Oktober 1992 angenommen.
1. Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkts des Beitritts der neuen Bundesländer die in der Anlage I zum Einigungsvertrag vereinbarten Regelungen. Der Kläger gehörte am 3. Oktober 1990 dem öffentlichen Dienst im Beitrittsgebiet an. Zu den demnach auf die Kündigung anwendbaren Regelungen gehörte auch Abs. 4 Ziff. 1 EV, denn durch das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl. I, 1546) ist diese Kündigungsregelung bis zum 31. Dezember 1993 verlängert worden. Das Verlängerungsgesetz ist verfassungsgemäß (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 1996 – 8 AZR 1024/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B II 1 der Gründe).
2. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Die mangelnde persönliche Eignung ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung i.S. des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ist ein Angestellter im Wissenschaftsbereich einer Hochschule beschäftigt und ist diese Tätigkeit mit einem Lehrauftrag verbunden, so sind an ihn ähnlich hohe Anforderungen wie an einen Lehrer zu stellen (BAG Urteil vom 6. Juli 1995 – 8 AZR 827/93 – unveröffentlicht). Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.
Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
Ein Hochschullehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der DDR mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen und daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 3 b der Gründe).
3. Die Tätigkeit des Klägers als Direktor der Sektion Germanistik/Musikerziehung an der PH Z. indiziert die persönliche Ungeeignetheit nicht.
a) Gem. § 25 der Verordnung über die Aufgaben der Universitäten, wissenschaftlichen Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen mit Hochschulcharakter vom 25. Februar 1970 (GBl. DDR II S. 189) hatte der Sektionsdirektor die Sektion nach den Grundsätzen zu leiten, die der Rektor bei der Leitung der Hochschule zu beachten hatte. Nach § 9 Abs. 1 der Verordnung war an der Hochschule das Prinzip der Einzelleitung und der kollektiven Beratung konsequent zu verwirklichen. Der Sektionsleiter hatte die Erkenntnisse der marxistisch-leninistischen Organisationswissenschaft umfassend anzuwenden und die Leitung entsprechend den Erfordernissen einer modernen Wissenschaftsorganisation zu gestalten sowie das Informations- und Kontrollsystem ständig zu vervollkommnen. Er war seinem übergeordneten Leiter verantwortlich und rechenschaftspflichtig und in seinem Verantwortungsbereich für die Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit und für die Wahrung der Staatsdisziplin verantwortlich (§ 10 der Verordnung). Gemäß § 11 der Verordnung war es die Aufgabe der Sektionsdirektoren, dafür zu sorgen, daß die sozialistische Demokratie in allen Arbeitsbereichen konsequent weiterentwickelt wurde, um die schöpferische Initiative der Hochschullehrer, wissenschaftlichen Mitarbeiter, Studenten, Arbeiter und Angestellten bei der Planung, Leitung, Durchführung und Kontrolle der Aufgaben in Erziehung, Ausbildung, Weiterbildung und Forschung zu entfalten. Sie waren verantwortlich für das ständige Zusammenwirken mit der sozialistischen Praxis, insbes. mit Betrieben, Kombinaten und VVB, den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Institutionen und den örtlichen Staatsorganen und Einrichtungen. Der Direktor der Sektion wurde aus dem Kreis der hauptamtlichen Hochschullehrer auf Vorschlag des Rates der Sektion nach Zustimmung durch den Minister bzw. den Leiter des zentralen staatlichen Organs, dem die Hochschule unterstand, vom Rektor eingesetzt bzw. entpflichtet. Er war dem Rektor direkt unterstellt (§ 26 der Verordnung).
b) Ziffer 5 der vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen herausgegebenen Richtlinie zur Leitung der Sektionen legte fest, daß alle organisatorischen und wissenschaftlich-technischen Arbeiten so zu gestalten seien, daß eine hohe Effektivität, Rationalität und Qualität der Arbeit gesichert werde und die Wissenschaftler von leitungsorganisatorischen und verwaltungstechnischen Arbeiten weitgehend entlastet würden. Ziff. 2.1. der Richtlinie nannte acht Punkte, auf die sich der Sektionsdirektor in seiner Leitungstätigkeit zu konzentrieren hatte: 1. die Erfüllung der in den Studienplänen und Lehrprogrammen und in anderen Ausbildungsdokumenten festgelegten Aufgaben in Aus- und Weiterbildung, 2. die Erfüllung des Forschungsplanes und die Gewährleistung der Kontinuität, Qualität und Effektivität der wissenschaftlichen Arbeit, 3. die politisch-ideologische Qualifizierung und die weitere Erhöhung der wissenschaftlichen und erzieherischen Wirksamkeit der Hochschullehrer und wissenschaftlichen Mitarbeiter, 4. die Entwicklung von Führungsdokumenten zur Kaderentwicklung und die Kontrolle der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, 5. die Schaffung von Arbeitsbedingungen und die Entwicklung einer schöpferischen Arbeitsatmosphäre für die Mitarbeiter und Studenten, die hohe Leistungen in Lehre, Studium und Forschung fördern, 6. die konzeptionelle Arbeit zur Entwicklung der Wissenschaftsdisziplinen und Bereiche, 7. die Entwicklung der interdisziplinären und intersektionellen Zusammenarbeit, das Zusammenwirken mit der gesellschaftlichen Praxis und den Partnern im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit, 8. die Anleitung und Kontrolle bei der Gewährleistung der Aufgaben von Ordnung und Sicherheit und der Wahrung der sozialistischen Gesetzlichkeit.
c) Nach der Verordnung vom 25. Februar 1970 und der Richtlinie zur Leitung der Sektionen bezog sich die Tätigkeit des Sektionsdirektors nicht ausschließlich auf den organisatorischen Ablauf des Hochschulgeschehens, war vielmehr auch parteinah ausgerichtet. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß der Sektionsdirektor ein hochschulspezifisches Leitungsorgan gewesen ist, das zur Umsetzung der SED-Strukturen an den Hochschulen installiert wurde. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die wissenschaftliche Arbeit und das Streben nach Spitzenleistungen in Lehre und Forschung sei die primäre Aufgabenstellung der Sektion und des sie vertretenden Sektionsdirektors gewesen. Die Erfüllung der in den Studienplänen und Lehrprogrammen und anderen Ausbildungsdokumenten festgelegten Aufgaben der Aus- und Weiterbildung sowie die Erfüllung des Forschungsplanes und die Gewährleistung einer effektiven wissenschaftlichen Arbeit standen im Vordergrund. Dagegen kam dem Sektionsdirektor nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht überwiegend die Aufgabe zu, die SED-Ideologie an den Hochschulen durchzusetzen. Zwar wurde von ihm auch die politisch-ideologische Qualifizierung durchgeführt. Dies allein indiziert aber nicht die Ungeeignetheit. Auch die Pädagogen hatten sich bei ihrer Bildungs- und Erziehungsarbeit am Programm der SED zu orientieren. Hierin kann noch keine besondere Identifizierung mit dem SED-Staat gesehen werden. Die hervorgehobene Stellung des Sektionsdirektors gab daher ebenso wie das Amt eines Schuldirektors Anlaß zur kritischen Prüfung der persönlichen Eignung, war aber allein nicht geeignet, eine Indizwirkung zu begründen (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – aaO, zu B II 3 a bb der Gründe, m.w.N.).
d) Aus der Amtsführung des Klägers als Sektionsdirektor ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine besondere Identifikation mit den Zielen der SED.
Soweit der Beklagte behauptet hat, der Kläger habe die SED-Kaderpolitik mit konsequenter Härte durchgesetzt und sei an politisch motivierten Maßnahmen gegen Mitarbeiter beteiligt gewesen, hat er dies nicht ausreichend substantiiert. Zwar hat der – unstreitig nicht entscheidungsbefugte – Kläger den Antrag eines Kollegen, seine Mutter in der Bundesrepublik Deutschland zum 85. Geburtstag zu besuchen, nicht befürwortet. Jedoch ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dieser einzelne, zudem lange zurückliegende Vorfall könne die mangelnde persönliche Eignung nicht begründen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat kann insoweit nur prüfen, ob das Berufungsgericht die Rechtsbegriffe selbst verkannt, ob es bei der Subsumtion Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (vgl. nur Senatsurteile vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 68 und 128/93 –, vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – und vom 20. Juni 1995 – 8 AZR 508/93 –, alle n.v.). Dieser eingeschränkten Überprüfung hält die Bewertung im angefochtenen Urteil stand.
4. Der Besuch der Parteihochschule „Karl-Marx” in der Zeit von September 1981 bis Februar 1982 kann die persönliche Nichteignung des Klägers nicht begründen. Ein außergewöhnliches Engagement für die SED liegt hierin nicht. Wenn das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung damit begründet, der Besuch der Parteischule habe höchstens sechs Monate gedauert und zum Zeitpunkt der Kündigung bereits zehn Jahre zurückgelegen, so ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Aus dem Besuch von Lehrveranstaltungen über Kommunismus in dem genannten Umfang läßt sich noch kein Rückschluß auf eine besondere Identifikation mit den Zielen der SED ziehen. Der Beklagte hat seine Behauptung, nur ausgewählte Spitzengenossen hätten die Parteihochschule besucht, nicht hinreichend substantiiert.
5. Soweit der Beklagte die mangelnde persönliche Eignung des Klägers auf die SED-Mitgliedschaft seit 1954, die Besuche der Kreisparteischule und der Sonderschule des Zentralkomitees der SED sowie auf mehrere Auszeichnungen des Klägers stützt, kann dies die Kündigung nicht rechtfertigen. Parteimitgliedschaft und Parteischulbesuche in einem üblichen Rahmen sagen über die Haltung zu den Grundwerten der Verfassung nichts aus. Hinsichtlich der Auszeichnungen des Klägers fehlt es bereits an einem substantiierten Sachvortrag des Beklagten. Es ist nicht zu erkennen, warum aus diesen Auszeichnungen ein besonderes Engagement für die SED folgen soll.
6. Eine mangelnde persönliche Eignung des Klägers ergibt sich nicht aus dessen Tätigkeit als APO-Sekretär. Der entsprechende Vortrag des Beklagten kann aus personalvertretungsrechtlichen Gründen nicht verwertet werden.
a) Im Mitteilungsschreiben des Staatssekretärs N. an den Hauptpersonalrat vom 14. Juli 1992 waren nur die Kündigungsgründe angegeben, die auch im späteren Kündigungsschreiben vom 29. Oktober 1992 aufgeführt wurden. Es fehlte jeder Hinweis darauf, daß die Kündigung auch auf die Tätigkeit als APO-Sekretär gestützt werden sollte.
b) Mit dem Erfordernis der Beteiligung des Personalrats vor Ausspruch einer Kündigung ist es unvereinbar, daß dem Personalrat nicht genannte Kündigungsgründe im Kündigungsschutzprozeß vorgetragen und verwertet werden. Tatsachen dürfen uneingeschränkt nur nachgeschoben werden, wenn sie, ohne den Kündigungssachverhalt wesentlich zu verändern, lediglich der Erläuterung und Konkretisierung der dem Personalrat mitgeteilten Kündigungsgründe dienen (vgl. BAG Urteil vom 18. Dezember 1980 – 2 AZR 1006/78 – BAGE 34, 309 = AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – BAGE 49, 39 = AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, S. 306, Rz 648; Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 4. Aufl., § 102 Rz 110; KR-Etzel, 4. Aufl., § 102 BetrVG Rz 185 b). Das gilt auch dann, wenn der Personalrat aufgrund der ihm mitgeteilten Kündigungsgründe zugestimmt hatte. Ihm darf nicht die Chance genommen werden, zu den letztlich maßgebenden Gründen Stellung zu nehmen.
c) Der Vortrag des Beklagten, der Kläger sei auch APO-Sekretär gewesen, dient nicht nur der Erläuterung und Konkretisierung. Er gibt dem Kündigungssachverhalt überhaupt erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes, vermag ggf. erst die Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung zu rechtfertigen (vgl. BAG Urteil vom 26. Juli 1995 – 2 AZR 421/94 – n.v.). Eine solche Sachverhaltsneubildung ist nicht zulässig.
d) Dem Hauptpersonalrat war die Tätigkeit des Klägers als APO-Sekretär bekannt. Neben dem Mitteilungsschreiben des Staatssekretärs wurden ihm Kopien des Personalfragebogens, des Anhörungsprotokolls der Personalkommission und des ausgefüllten Fragebogens übersandt. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht jedoch festgestellt, für den Hauptpersonalrat sei nicht deutlich gewesen, daß die Kündigung auch mit der Tätigkeit als APO-Sekretär begründet werden sollte. Dem Arbeitgeber steht es frei, ihm bekannte Sachverhalte nicht zur Begründung der Kündigung heranzuziehen. Das Schreiben vom 14. Juli 1992 ist insofern eindeutig.
III. Durch die Abberufung vom 29. Oktober 1992 wurde das Arbeitsverhältnis nicht beendet.
1. Bei Ausspruch der Abberufung waren die die Abberufung regelnden Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuches der DDR nicht mehr in Kraft. Die Geltung der §§ 62 ff. AGB-DDR endete mit Ablauf des 31. Dezember 1991 (vgl. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 c Einigungsvertrag). Damit fehlt es seit dem 1. Januar 1992 an einer gesetzlichen Regelung der Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Abberufung (Senatsurteil vom 16. November 1995 – 8 AZR 864/93 – NZA 1996, 589).
2. Nach § 55 SächsHEG beendet die Abberufung das Dienstverhältnis des Hochschullehrers mit der Hochschule. Die Abberufung wird vom Staatsminister für Wissenschaft und Kunst vorgenommen, ist an bestimmte, im einzelnen geregelte Tatbestände geknüpft und erfolgt mit einer Frist von drei Monaten in der Regel zum Ende des Studienjahres. Die Titelführung bei Abberufung ist in § 56 SächsHEG geregelt. Danach stellt die Abberufung nach den zitierten Vorschriften keine auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses einwirkende arbeitsrechtliche Maßnahme dar. Vielmehr liegt eine hochschulrechtliche Regelung vor, die allein das Rechtsverhältnis als Professor bzw. Hochschuldozent zur Hochschule betrifft. Es geht um die Abberufung von einem bestimmten Amt, nicht um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Rechtsauffassung hat der Beklagte in der Revisionsverhandlung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt. Dem entspricht das Schreiben des Beklagten vom 29. Oktober 1992 (Kündigung des Arbeitsverhältnisses und zugleich Abberufung von dem Amt als Professor). Da die Abberufung die – allein im Streit stehende – Beendigung des Arbeitsverhältnisses weder herbeiführen konnte noch herbeiführen sollte, ist die Wirksamkeit der Abberufung nicht zu prüfen.
C. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch Scholz, Hickler
Fundstellen