Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag zur Vertretung
Orientierungssatz
1. Die befristete Einstellung eines Arbeitnehmers zur Vertretung eines zeitweilig ausfallenden Mitarbeiters ist regelmäßig sachlich gerechtfertigt.
2. Teil des Sachgrunds der Vertretung ist die Prognose über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des Vertretenen.
3. Es dürfen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen oder sich keine erheblichen Zweifel dafür aufdrängen, daß der Vertretene seine Arbeit nicht wieder aufnehmen wird. Sofern nicht besondere Umstände vorliegen, kann der Arbeitgeber grundsätzlich davon ausgehen, daß die vertretene Stammkraft an den Arbeitsplatz zurückkehren will.
Normenkette
BGB § 620
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 15. Februar 2000 – 3 Sa 1781/99 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die 40jährige Klägerin war bei dem beklagten Land im Bereich der Polizeibehörde L. in der Zeit vom 12. November 1986 bis zum 10. Juli 1999 auf Grund von fünf befristeten Verträgen angestellt. Nach den schriftlichen Arbeitsverträgen bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für das beklagte Land geltenden Fassung. In allen Verträgen war vereinbart, daß die Klägerin als Aushilfsangestellte nach SR 2 y BAT zur Vertretung der beurlaubten Frau H. beschäftigt wird. Im letzten Arbeitsvertrag vom 27. Februar 1996 heißt es insoweit „mit Wirkung vom 11. Juli 1996 als Aushilfsangestellte zur Vertretung von Frau Regierungsangestellten H. für die Zeit bis zum 10. Juli 1999”.
Frau H. befand sich bis zum 10. Juli 1999 im Sonderurlaub gemäß § 50 Abs. 2 BAT, um ihre 1986 und 1989 geborenen Kinder zu betreuen. In ihrem letzten Verlängerungsantrag vom 2. Januar 1996 hatte Frau H. mitgeteilt:
„….da mein Sonderurlaub am 10. Juli 1996 ausläuft, bitte ich Sie um eine weitere Verlängerung um drei Jahre. Momentan sehe ich mich außer Stande, meine Kinder während der Ferienzeiten ständig sich selbst zu überlassen, da auch sonst keine Aufsichtsperson verfügbar ist. Ich denke, daß ich nach diesen drei Jahren dann wieder uneingeschränkt zum Dienst erscheinen kann.”
Unter dem 11. Januar 1996 wurde dem Antrag auf Sonderurlaub um weitere drei Jahre bis zum 10. Juli 1999 entsprochen. Damit verbunden war der Hinweis, daß die zwölfjährige Höchstdauer der Beurlaubung erreicht sei.
Im Oktober 1998 teilte das beklagte Land der Klägerin mit, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 10. Juli 1999 hinaus sei nicht beabsichtigt. Auf die Anfrage des beklagten Landes, ob Frau H. ihre Tätigkeit am 11. Juli 1999 wieder aufnehmen wolle, kündigte diese das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 1999. Die freigewordene Angestelltenstelle wurde anderweitig besetzt.
Mit ihrer am 9. Dezember 1998 beim Arbeitsgericht Solingen eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung des letzten Vertrages geltend gemacht, hilfsweise ihre Wiedereinstellung verlangt. Sie hat die Ansicht vertreten, nach dem objektiven Geschehensablauf habe es zum Zeitpunkt des Abschlusses des letzten Zeitvertrages an konkreten Anhaltspunkten für die Prognose gefehlt, Frau H. werde ihre Arbeit überhaupt bzw. in dem bisherigen Umfang aufnehmen. Angesichts des langjährigen Beschäftigungsverhältnisses mit der Klägerin sei das beklagte Land zu einer besonders sorgfältigen Prüfung eines nur vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs verpflichtet gewesen. Zu keiner Zeit sei jedoch eine Rückfrage bei Frau H. erfolgt, ob sie ernsthaft zurückkehren wolle. Angesichts des Umstands, daß in den persönlichen Umständen von Frau H. keine Änderung eingetreten sei (Ehemann vollzeitbeschäftigt; 2 minderjährige Kinder), hätten sich hieran schon 1996 erhebliche Zweifel aufdrängen müssen. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, daß kein einziger Fall bekannt sei, in dem ein Angestellter des Polizeipräsidiums L. nach einer acht- oder zwölfjährigen Beurlaubung den Dienst wieder aufgenommen habe. Die Berufung auf die Befristung durch das beklagte Land sei zudem rechtsmißbräuchlich, weil sich das beklagte Land durch die Angabe eines bestimmten Grundes für die Befristung selbst gebunden habe. Durch die Angabe, daß die Befristung zur Vertretung von Frau H. erfolgt sei, habe das beklagte Land zu erkennen gegeben, daß die Klägerin schon 1996 unbefristet eingestellt worden wäre, wenn das Ausscheiden von Frau H. damals oder später festgestanden hätte. Jedenfalls stehe ihr ein Wiedereinstellungsanspruch zu.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß zwischen den Parteien über den 10. Juli 1999 hinaus ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des letzten unbefristeten Arbeitsvertrages vom 27. Februar 1996 besteht;
- hilfsweise festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, sie auf der Grundlage der befristeten Arbeitsbedingungen mit Wirkung ab 11. Juli 1999 unbefristet wieder einzustellen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat vorgetragen, bei Vertragsschluß sei nicht absehbar gewesen, daß Frau H. ihre Arbeit nicht wieder aufnehmen werde. Ihre Mitteilung vom 2. Januar 1996 habe im Gegenteil ihre Rückkehr an den Arbeitsplatz vermuten lassen. Für den mit einer ergänzenden Nachfrage bei Frau H. verbundenen Eingriff in die Privatsphäre habe die rechtliche Handhabe gefehlt.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin nur noch ihren Hauptantrag weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die allein der Befristungskontrolle unterliegende Befristung des letzten Arbeitsvertrags vom 27. Februar 1996 durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt ist und damit das Arbeitsverhältnis zum 10. Juli 1999 beendet hat.
1. Die Einstellung eines Arbeitnehmers zur Vertretung eines zeitweilig ausfallenden Mitarbeiters ist in ständiger Senatsrechtsprechung als Befristungsgrund anerkannt. Der sachliche Rechtfertigungsgrund einer solchen Befristungabrede liegt darin, daß der Arbeitgeber bereits zu dem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis(vgl. zB 11. November 1998 – 7 AZR 328/97 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 204 = EzA BGB § 620 Nr. 155; 6. Dezember 2000 – 7 AZR 262/99 – EzA BGB § 620 Nr. 172).
2. Teil des Sachgrunds der Vertretung ist eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters. Es dürfen also keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der zu vertretende Mitarbeiter seinen Dienst nicht wieder antreten wird. Diese Prognose hat sich grundsätzlich nur darauf zu beziehen, ob der zu vertretende Mitarbeiter seinen Dienst wieder antreten wird, nicht aber auch auf den Zeitpunkt dieser Rückkehr und damit nicht auf die Dauer des Vertretungsbedarfs(BAG 22. November 1995 – 7 AZR 252/95 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 178 = EzA BGB § 620 Nr. 138; 11. November 1998 – 7 AZR 328/97 – aaO).
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin muß sich die Prognose auch nicht darauf erstrecken, ob der zu vertretende Mitarbeiter seine Tätigkeit im vollen Umfang wieder aufnehmen wird. Denn auch wenn die Stammkraft nur in reduziertem Umfang wieder tätig wird, entfällt hiermit der Vertretungsbedarf im bisherigen Umfang. Da der Arbeitgeber entscheiden darf, ob, wie und in welchem Umfang er den durch die Abwesenheit einer Stammkraft entstehenden Vertretungsbedarf abdecken will, ist er nicht gehindert, nur für die Zeit des vollständigen Ausfalls der Stammkraft befristet eine Vertretungskraft einzustellen(BAG 6. Dezember 2000 – 7 AZR 262/99 – aaO).
4. Die Häufigkeit der Befristungen und die bisherige Gesamtbefristungsdauer können Indizien für das Fehlen eines Sachgrunds sein. Das gilt auch in Vertretungsfällen. Da sich hier die Prognose des Arbeitgebers nur auf den Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die zu erwartende Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters, nicht dagegen auch auf deren Zeitpunkt zu erstrecken braucht, kann die wiederholte Befristung wegen einer sich mehrfach verlängernden Verhinderung der zu vertretenden Stammkraft der Prognose des künftigen Wegfalls des Vertretungsbedarfs nur dann entgegenstehen, wenn sich erhebliche Zweifel daran aufdrängen müssen, ob die Stammkraft ihre Tätigkeit überhaupt wieder aufnehmen wird(BAG 11. November 1998 – 7 AZR 328/97 –; 6. Dezember 2000 – 7 AZR 262/99 – jeweils aaO). Sofern nicht besondere Umstände vorliegen, kann der Arbeitgeber grundsätzlich davon ausgehen, daß die zu vertretende Stammkraft zurückkehren wird. Er braucht daher vor Abschluß des befristeten Vertrags mit der Vertretungskraft grundsätzlich keine Erkundigungen über die gesundheitliche Entwicklung des Erkrankten oder die Planungen des beurlaubten Arbeitnehmers einzuholen(BAG 21. Februar 2001 – 7 AZR 200/00 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 226).
5. Auf der Grundlage dieser Senatsrechtsprechung ist dem Landesarbeitsgericht in seiner Würdigung zu folgen, daß sich dem beklagten Land keine erheblichen Zweifel an dem Rückkehrwillen von Frau H. aufdrängen mußten. Dies ergibt sich insbesondere aus deren Schreiben vom 2. Januar 1996. Hier heißt es ausdrücklich, daß sich Frau H. „momentan” außer Stande sehe, ihre Kinder sich selbst zu überlassen. Noch deutlicher ist der sich anschließende Hinweis, sie denke, daß sie nach diesen drei Jahren wieder uneingeschränkt zum Dienst erscheinen könne. Angesichts dessen kommt der Behauptung der Klägerin, es sei kein einziger Fall bekannt, in dem ein Angestellter des Polizeipräsidiums L. nach einer acht- oder zwölfjährigen Beurlaubung den Dienst wieder aufgenommen habe, keine Bedeutung zu. Denn wegen der eindeutigen Aussage der Frau H. konnte das Land auf die behaupteten Erfahrungswerte nicht abstellen.
6. Die Berufung des beklagten Landes auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 10. Juli 1999 verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Berufung auf eine an sich wirksame Befristung kann zwar rechtsmißbräuchlich sein, wenn der befristet eingestellte Arbeitnehmer auf Grund des Verhaltens des Arbeitgebers berechtigterweise davon ausgehen konnte, er werde im Anschluß an den Zeitvertrag weiter beschäftigt werden. Allein seine subjektive Erwartung genügt indes nicht. Vielmehr ist erforderlich, daß der Arbeitgeber durch sein Verhalten bei Vertragsschluß oder während der Dauer des Zeitvertrags objektiv einen Vertrauenstatbestand schafft(vgl. zB BAG 16. März 1989 – 2 AZR 325/88 – AP BeschFG 1985 § 1 Nr. 8 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 7; 10. Juni 1992 – 7 AZR 346/91 – EzA BGB § 620 Nr. 116).
Hieran fehlt es vorliegend. Ein Vertrauenstatbestand ergibt sich entgegen der Annahme der Klägerin insbesondere nicht aus dem Umstand, daß in dem Arbeitsvertrag ein bestimmter Grund für die Befristung angegeben wurde („zur Vertretung von Frau Regierungsangestellten H.”). Ein Erklärungsinhalt dahingehend, daß die Klägerin bei Wegfall dieses Grundes unbefristet eingestellt werden sollte, ist dieser Formulierung nicht zu entnehmen.
7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Linsenmaier, Dr. Koch, Hökenschnieder
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.06.2001 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
ARST 2002, 43 |
NZA 2002, 168 |
ZTR 2002, 137 |
EzA |
PersR 2002, 137 |
NJOZ 2002, 379 |
SPA 2002, 6 |