Entscheidungsstichwort (Thema)
NATO-Bedienstete. Abfindung. Weihnachtsgeld
Normenkette
BGB §§ 125-126; EGBGB Art. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. November 1994 – 6 Sa 432/94 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin verlangt nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Beklagten eine Abfindung und ein anteiliges Weihnachtsgeld.
Die Klägerin war vom 15. Juni 1983 bis zum 30. September 1992 als Reinigungskraft im NATO-Bunker Kindsbach tätig. Sie ist nicht Mitglied einer Gewerkschaft. In dem zuletzt mit der Central Army Group (CENTAG)/Heeresgruppe Mitte, einer NATO-Dienststelle mit Sitz in Heidelberg, abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 27. September 1991 ist u.a. vereinbart:
„ALLGEMEINE BESCHAEFTIGUGSBEDINGUNGEN
1. Das Arbeitsverhältnis unterliegt den Bestimmungen des Tarifvertrages fuer die bei den Stationierungsstreitkraeften der Entsendestaaten im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschaeftigten Arbeitnehmer (TVAL II) vom 16. Dezember 1966 in seiner jeweils gueltigen Fassung, sofern in dem die Dienststellen der NATO betreffenden Anhang (TV NATO) nichts anderes bestimmt ist.
…
5. Es besteht Einvernehmen darueber, dass kuenftige Aenderungen oder Ergaenzungen der persoenlichen Beschaeftigungsbedingungen im Rahmen dieses Arbeitsvertrages der Schriftform beduerfen. Durchfuehrung und Bestaetigung der jeweiligen Massnahme erfolgen durch die Zivilpersonalabteilung namens der Beschaeftigungsdienststelle unter Wahrung der einschlaegigen gesetzlichen, tariflichen und einzelarbeitsvertraglichen Kuendigungs- bzw. Ankuendigungsfristen.
…”
Der Tarifvertrag vom 16. Dezember 1966 für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland – TV AL II – bestimmt in § 1:
„Geltungsbereich
…
1. Dieser Tarifvertrag gilt für die Arbeitnehmer bei den belgischen, britischen, kanadischen und US-Stationierungsstreitkräften in der Bundesrepublik Deutschland – mit Ausnahme der im § 2 bezeichneten Arbeitnehmer.
…”
Der Tarifvertrag vom 7. Dezember 1984 für die Arbeitnehmer bei den Dienststellen der internationalen militärischen Hauptquartiere (Intern. HQ) in der Bundesrepublik Deutschland – TV NATO – bestimmt u.a.:
„§ 1
Geltungsbereich des TV NATO
Dieser Tarifvertrag findet Anwendung auf diejenigen zivilen Arbeitnehmer, deren Beschäftigungsverhältnis sich auf Art. 8 des Ergänzungsabkommens vom 13. März 1967 über die Einrichtung und den Betrieb internationaler militärischer Hauptquartiere in der Bundesrepublik Deutschland gründet (zivile Arbeitskräfte).
§ 2
Arbeitsbedingungen; Anwendung des TV AL II
1. Die Beschäftigungsverhältnisse im Geltungsbereich dieses Tarifvertrages bestimmen sich nach den einschlägigen Regelungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) in der am 1. Januar 1985 geltenden Fassung, soweit in den Anlagen 1 und 2 keine abweichenden Vereinbarungen getroffen sind.
…”
Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche Arbeitgeberkündigung, weil der Bunker geschlossen wurde. Die Klägerin hat von der Beklagten eine Abfindung nach dem Tarifvertrag vom 6. Dezember 1991 über zusätzliche Leistungen bei Entlassungen wegen Truppenreduzierungen (TV ZL) verlangt. Dort heißt es u.a.:
„§ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich der Tarifverträge TVAL II/TV AL II (Frz) fallen, eine anrechenbare Beschäftigungszeit von mindestens 2 Jahren erreicht haben und in einem Beschäftigungsverhältnis auf unbestimmte Dauer stehen.
…
§ 4
Abfindungszahlung
1. Wird das Beschäftigungsverhältnis aus den in § 2 Ziffer 1 TV Soziale Sicherung genannten Gründen durch Kündigung seitens des Arbeitgebers oder durch schriftlichen Auflösungsvertrag aus diesen Gründen beendet, so erhalten Arbeitnehmer, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, folgende Abfindungszahlung:
…
b) Arbeitnehmer, die wenigstens eine der Voraussetzungen nach vorstehendem Absatz a nicht erfüllen und die keine ihnen gemäß Anhang 0 Ziffer I TV AL II/TV AL II (Frz) angebotene unbefristete Weiterbeschäftigung abgelehnt haben, erhalten für jedes volle Jahr der anrechenbaren Beschäftigungszeit 1/3 des letzten regelmäßigen monatlichen Arbeitsverdienstes …”
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der TV ZL finde auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung, weil dieses sich nach den Bestimmungen des TV AL II richte. Außerdem hat sie gemeint, sie könne von der Beklagten für das Kalenderjahr 1992 ein anteiliges (9/12) Weihnachtsgeld nach Anhang W zum TV AL II verlangen, wobei sie außerdem vorträgt, diese Zahlung sei ihr von der Personaldezernentin W. vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses mündlich zugesagt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß ihr ein Abfindungsanspruch gemäß § 4 Ziff. 1 b des Tarifvertrages vom 6. Dezember 1991 über zusätzliche Leistungen bei Entlassungen wegen Truppenreduzierung (TV ZL) zusteht,
- die Beklagte zu verurteilen, ihr für das Kalenderjahr 1992 ein anteiliges (9/12) Weihnachtsgeld nach Maßgabe der tariflichen Bestimmungen (Anhang W zum TV AL II) zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der TV ZL finde auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung, weil er nur für solche Arbeitnehmer gelte, die unter den Geltungsbereich des TV AL II fielen, nicht jedoch für die bei der NATO beschäftigten Arbeitnehmer. Die Arbeitsbedingungen dieser Arbeitnehmer seien im TV NATO geregelt. Der Klägerin steht auch kein anteiliges Weihnachtsgeld zu. Eine Zusage sei ihr nicht gemacht worden. Im übrigen fehle es auch an der tariflichen Schriftform.
Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des anteiligen Weihnachtsgeldes stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Abfindung nach § 4 Abs. 1 Buchst. b TV ZL, weil dieser Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht anwendbar ist.
Tarifbindung liegt nicht vor, da die Klägerin nicht Mitglied einer Gewerkschaft ist. Kraft Bezugnahme in dem zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 27. September 1991 finden auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des TV AL II in dessen jeweils gültiger Fassung Anwendung, sofern in dem die Dienststellen der NATO betreffenden Anhang (TV NATO) nichts anderes bestimmt ist. Der TV ZL, auf den die Klägerin ihren Anspruch stützt, ist aber weder Teil des TV AL II noch des TV NATO. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
Der TV ZL gehört nicht zum Hauptteil des TV AL II und ist auch nicht Teil der Anhänge des TV AL II. Er ist vielmehr ein eigenständiges Tarifwerk. Dies ergibt sich daraus, daß sein Geltungsbereich sich nicht nur auf Arbeitnehmer bezieht, die unter den TV AL II fallen, sondern auch auf solche, für die der Tarifvertrag vom 16. Dezember 1966 für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland – TV AL II (Frz) – gilt, und damit auf ein für die Beschäftigten bei den französischen Stationierungsstreitkräften geltendes Tarifwerk, auf das die Arbeitsvertragsparteien nicht Bezug genommen haben. Der TV ZL wird auch nicht durch die dynamische Verweisungsklausel im Einzelarbeitsvertrag erfaßt. Die Arbeitsvertragsparteien haben durch die Bezugnahme im Arbeitsvertrag vom 27. September 1991 nur die jeweiligen Änderungen des TV AL II zum Gegenstand ihrer Vereinbarung gemacht, nicht aber den in diesem Zeitpunkt noch nicht bekannten TV ZL vom 6. Dezember 1991.
Den Tarifvertragsparteien war durchaus bekannt, daß bei den NATO-Dienststellen beschäftigte Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Abfindung nach dem TV ZL hatten. Für diese Arbeitnehmer wurde erst am 26. November 1993 der Tarifvertrag über die Zahlung von Abfindungen im Geltungsbereich des TV NATO (TV NATO-ZvA) geschlossen, der Abfindungsregelungen enthält, die mit denen im TV ZL vergleichbar sind. Der TV NATO-ZvA findet aber auf das Arbeitsverhältnis der am 30. September 1992 ausgeschiedenen Klägerin keine Anwendung. Er ist erst am 1. Januar 1994 in Kraft getreten. Rückwirkung haben die Tarifvertragsparteien ihm nicht beigelegt (§ 3 Nr. 1 TV NATO-ZvA).
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zahlung eines anteiligen Weihnachtsgeldes für 1992.
a) Nach Ziff. 1 Buchst. a der Bestimmungen über das Weihnachtsgeld in Anhang W zum TV AL II wird das Weihnachtsgeld in jedem Kalenderjahr an Arbeitnehmer gezahlt, die am 31. Oktober beschäftigt sind und eine ununterbrochene Beschäftigungszeit von mindestens sechs Monaten bei den Stationierungsstreitkräften desselben Entsendestaates erreicht haben. Da die Klägerin am 30. September 1992 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausschied, steht ihr der tarifliche Anspruch nicht zu.
b) Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aufgrund einzelvertraglicher Zusage. Wegen unstreitig fehlender Schriftform ist die vom Arbeitsgericht angenommene mündliche Zusage eines anteiligen Weihnachtsgeldes rechtsunwirksam.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der geltend gemachte Anspruch eine übertarifliche Leistung betrifft. Ihre Zusage konnte nur in einer Nebenabrede im Sinne von § 4 Abs. 1 Buchst. b TV AL II erfolgen, die zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedurft hätte. Hierbei kann offenbleiben, ob Nebenabreden als Vereinbarungen zu definieren sind, die weder die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers noch die Gegenleistung des Arbeitgebers unmittelbar zum Gegenstand haben, oder als vom tariflichen Regelungssystem abweichende ungewöhnliche Absprachen (zum Streitstand vgl. Urteil des Senats vom 13. November 1986 – 6 AZR 567/83 – AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Für die angeblich zugesagte Abweichung von der tariflichen Stichtagsregelung trifft beides zu.
Die fehlende Schriftform führt nach § 4 Ziff. 1 Buchst. b TV AL II, Art. 2 EGBGB, § 125 und § 126 BGB zur Unwirksamkeit der Vereinbarung (vgl. BAGE 29, 182 = AP Nr. 4 zu § 4 BAT). Für eine unzulässige Rechtsausübung durch die Beklagte hat die Klägerin nichts vorgetragen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Schmidt, Lenßen, Matiaske
Fundstellen