Entscheidungsstichwort (Thema)
Gastspielvertrag. § 20 NV Solo
Normenkette
Normalvertrag Solo vom 19. April 1924 i.d.F. vom 9. Juni 1994 § 20; Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht § 2 Abs. 1; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 26. November 1999 – 4 Sa 700/99 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 19. Februar 1999 – 5 Ca 8828/98 – wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten der Berufung und der Revision haben die Klägerinnen zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Bühnenschiedsgerichte zu Recht festgestellt haben, daß auf das Dienstverhältnis der Parteien der Normalvertrag Solo und der Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht uneingeschränkt anwendbar sind.
Die im Aufhebungsverfahren klagenden Städte betreiben eine Theatergemeinschaft. Der Beklagte ist seit 1982 an ihren Bühnen als Opernsänger beschäftigt. Seine Tätigkeit beruhte bis zum Ablauf der Spielzeit 1988/89 auf befristeten, jeweils auf der Grundlage des NV-Solo verlängerten Dienstverträgen. Im Anschluß an diese Spielzeit schlossen die Parteien zunächst vier aneinander anschließende Verträge für je eine Spielzeit, die alle als „Gastspielvertrag” bezeichnet waren. In dem letzten dieser Verträge vom 29. September 1994 heißt es:
„4. Gastspielvertrag
…
§ 1
Die Bühne verpflichtet den Gast in der Zeit vom … bis …,
und zwar
in der Spielzeit 1995/96 (vom 16. August 1995 bis 15. August 1996) für bis zu 15 Vorstellungen
…
der in § 11 genannten Werke/Partien als Opernsänger.
…
§ 3
(1) Die schon vereinbarten Aufführungs- und Probentermine sowie die Partien sind in § 11 dieses Vertrages genannt. Soweit noch keine Termine festgelegt sind, werden sie im gegenseitigen Einvernehmen schriftlich abgestimmt.
(2) Der Gast hat das Angebot eines Termins oder mögliche Änderungen bereits vereinbarter Termine, die ihm die Bühne mitteilt, unverzüglich zu beantworten. Vom Gast nicht unverzüglich bestätigte Terminangebote gelten als abgelehnt.
(3) Soweit die Vereinbarung von Aufführungsterminen im Sinne von § 3 (1) Satz 2 sich als unmöglich erweist, vermindert sich die Zahl der vertraglich vereinbarten Aufführungen entsprechend.
(4) …
§ 11
Besondere Vereinbarungen:
Herr O. ist verpflichtet für Partien aus seinem Repertoire.
Mit dem Honorar gemäß § 2, Ziffer 1 sind auch alle etwaigen Urlaubsansprüche abgegolten.
…”
Die Oper teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 5. Januar 1995 mit, welche Aufführungstermine für ihn vorgesehen und welche Bühnenstücke geplant sind. Das Schreiben enthält die Bitte, einen beigefügten Durchschlag zum Zeichen des Einverständnisses unterschrieben zurückzusenden. Der Beklagte bestätigte die Termine auf dem Vordruck. Der Beklagte unterzeichnete einen weiteren Gastspielvertrag vom 23. November 1996, in dem unter § 11 die geschuldeten Partien sowie die Termine der Vorstellungen genannt sind. Der spätere Prozeßbevollmächtigte des Beklagten machte mit Schreiben vom 23. Dezember 1996 geltend, die bis dahin abgeschlossenen „Gastspielverträge” seien entgegen ihrer Bezeichnung Dienstverträge. Das Dienstverhältnis bestehe somit mangels Nichtverlängerungsmitteilung auch über den 15. August 1996 hinaus fort, und zwar inhaltlich entsprechend den Vereinbarungen im Vertrag vom 29. September 1994. Er erklärte für den Beklagten die Annahme des Gastspielvertragsangebots vom 23. November 1996 „vorbehaltlich einer etwaigen gerichtlichen Feststellung, daß zwischen den Parteien über den 15. August 1996 hinaus ein Dienstverhältnis besteht”. Die Oper beschäftigte den Beklagten tatsächlich wie in dem Angebot vom 23. November 1996 vorgesehen.
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30. Januar 1997 das Bühnenschiedsgericht angerufen und vorgetragen, er habe sich für den Abschluß von Gastspielverträgen deshalb entschieden, weil ihm unter Geltung des Vertrags von 1982 wiederholt Partien außerhalb seines Faches als Iyrischer bis mittlerer italienischer Tenor zugewiesen worden seien. Er habe nicht gewagt, seine vertragliche Verpflichtung, nur Fachpartien zu singen, notfalls gerichtlich durchzusetzen. Er habe eine Nichtverlängerungsmitteilung befürchtet. Aus diesem Grunde habe sich für ihn der Abschluß eines Gastspielvertrags als einzige Lösung dargestellt, nach der er nur zu Partien aus seinem Repertoire verpflichtet ist. Vor dem Bühnenschiedsgericht hat er beantragt,
festzustellen, daß auf das Dienstverhältnis der Parteien der Normalvertrag Solo und der Tarifvertrag über die Mitteilungspflicht uneingeschränkt anwendbar sind.
Die Klägerinnen haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben vorgetragen, der für den Status maßgebliche zuletzt abgeschlossene Vertrag sei nicht der vom 29. September 1994. Vielmehr hätten die Parteien am 17. November 1996 mündlich das vereinbart, was das schriftliche Angebot der Klägerinnen vom 23. November 1996 wiedergebe. Aber auch der Vertrag vom 29. September 1994 sei ein Gastspielvertrag gewesen. Bei dem Schreiben vom 5. Januar 1995 sei es nur noch um die Termine gegangen; die Einsatzmöglichkeiten seien vorher vereinbart gewesen.
Das Bezirksbühnenschiedsgericht hat mit Schiedsspruch vom 4. Juni 1997 der Klage stattgegeben. Es hat angenommen, der Vertrag vom 29. September 1994 sei kein Gastspielvertrag, weil die konkrete Aufgabe, die der Beklagte habe übernehmen sollen, nicht im Vertrag selbst festgelegt worden sei. Auf das Vertragsangebot vom 23. November 1996 komme es nicht an, da ein entsprechender Vertrag nicht zustande gekommen sei.
Das Bühnenoberschiedsgericht hat am 19. Mai 1998 die Berufung der Klägerinnen gegen diesen Schiedsspruch mit im wesentlichen gleicher Begründung zurückgewiesen. Gegen diesen den Klägerinnen am 9. Oktober 1998 zugestellten Schiedsspruch richtet sich die am 21. Oktober 1998 beim Arbeitsgericht eingegangene Aufhebungsklage. Die Klägerinnen haben geltend gemacht, § 20 NV-Solo sei dadurch verletzt, daß die Gastspielverträge nicht als solche angesehen worden seien. § 3 Abs. 2 und § 11 des Gastspielvertrags vom 29. September 1994 seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Hinsichtlich des Vertrags vom 23. November 1996 sei die Grenze der Wortlautauslegung überschritten worden, wenn der Annahmevorbehalt des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten so ausgelegt werde, daß dieser sich nur dann vertraglich gebunden sehen wolle, wenn eine gerichtliche Entscheidung das Nichtbestehen eines Vertrags nach NV-Solo feststellen sollte. § 242 BGB sei verletzt, weil verkannt worden sei, daß der Beklagte auf eigenes Betreiben und aus freien Stücken die Vertragsänderung im Jahr 1988 herbeigeführt und länger als fünf Jahre die Gastspielverträge akzeptiert habe.
Die Klägerinnen haben beantragt,
die Schiedssprüche des Bühnenschiedsgerichts vom 4. Juni 1997 – BSchG 2/97 – und des Bühnenoberschiedsgerichts vom 19. Mai 1998 – BOSchG 22/97 – aufzuheben und die Schiedsklage abzuweisen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Schiedssprüche und das erstinstanzliche Urteil verteidigt.
Das Arbeitsgericht hat die Aufhebungsklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerinnen stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts zur Zurückweisung der Berufung der Klägerinnen.
I. Die Aufhebungsklage ist nicht begründet. Die Bühnenschiedsgerichte haben im Ergebnis richtig entschieden. Ihre Entscheidungen beruhen nicht auf Verletzung einer Rechtsnorm (§ 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG, § 563 ZPO analog). Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts besteht zwischen den Parteien nach Abschluß des Vertrags vom 29. September 1994 kein Gastspielvertrag nach § 20 NV-Solo, sondern ein dem NV-Solo insgesamt unterliegendes Vertragsverhältnis.
1. Entgegen der vom Beklagten in der Revision vertretenen Auffassung folgt dies allerdings nicht schon daraus, daß der am 30. Juni 1982 geschlossene Vertrag sich gemäß § 2 Abs. 1 TVM verlängert und noch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Bühnenoberschiedsgericht fortbestanden hat. In dieser Tarifbestimmung heißt es:
„(1) Das Arbeitsverhältnis endet mit dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Zeitpunkt. Ein mindestens für ein Jahr (Spielzeit) abgeschlossener Arbeitsvertrag verlängert sich zu den gleichen Bedingungen um ein Jahr (Spielzeit), es sei denn, eine Vertragspartei teilt der anderen bis zum 31. Oktober der Spielzeit, mit deren Ablauf der Arbeitsvertrag endet, schriftlich mit, daß sie nicht beabsichtigt, den Arbeitsvertrag zu verlängern (Nichtverlängerungsmitteilung).
…”
Danach hat der Vertrag von 1982 sich zwar mehrfach befristet verlängert. Er ist jedoch mit dem Ende der Spielzeit 1988/1989 ausgelaufen.
Die Parteien haben am 21. April/16. Mai 1988 – und damit innerhalb der Frist des § 2 Abs. 1 TVM – mit Wirkung für die Spielzeit 1989/1990 vorbehaltlos den ersten „Gastspielvertrag” geschlossen. Damit haben sie ihre Vertragsbeziehungen mit Wirkung ab dem 16. August 1989 auf eine neuen Grundlage gestellt. Zugleich haben sie ihren übereinstimmenden Willen deutlich gemacht, den Vertrag vom 30. Juni 1982 nicht verlängern zu wollen. Der Vertrag vom 21. April/16. Mai 1988 hat damit rechtswirksam den Vertrag vom 30. Juni 1982 abgelöst (vgl. BAG 24. September 1986 – 7 AZR 663/84 – BAGE 53, 108; 21. Februar 2001 – 7 AZR 200/00 – zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen zur konkludenten Aufhebung eines unbefristeten früheren Arbeitsverhältnisses durch ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis).
2. Die Schiedsklage ist aber deshalb begründet, weil der Vertrag vom 29. September 1994 entgegen seiner Bezeichnung kein Gastspielvertrag i.S.v. § 20 NV-Solo ist. Die Bühnenschiedsgerichte haben zu Recht angenommen, daß dieser Vertrag sich als Vertrag eines ständigen Bühnenmitglieds nach NV-Solo darstellt. In § 20 NV-Solo heißt es:
- „Auf Gastspielverträge finden die Bestimmungen der §§ 1–19 dieses Vertrages keine Anwendung.
- Gastspielverträge sind Verträge, die der Unternehmer zur Ergänzung seines ständigen Personals und zur Ausgestaltung seines Spielplanes mit Bühnenkünstlern in der Weise abschließt, daß sie nicht als ständige Mitglieder angestellt, sondern nur zur Mitwirkung für eine bestimmte Anzahl von Aufführungen, aber für nicht mehr als zweiundsiebzig während der Spielzeit verpflichtet werden.
- Bei Serientheatern liegt ein Gastspielvertrag nur vor, wenn das dem Gast bewilligte Entgelt die festen Bezüge der meisten an demselben Unternehmen fest angestellten Mitglieder weit übersteigt; in diesem Falle fällt die vorstehend festgesetzte ziffernmäßige Beschränkung der Aufführung fort.
- Weitere Voraussetzungen als der in Absatz 2 und 3 bezeichneten bedarf es zur Annahme des Vorliegens eines Gastspielvertrages nicht. Verträge, die nur zur Umgehung der Anstellung von ständigen Mitgliedern geschlossen werden, gelten nicht als Gastspielverträge.”
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (24. September 1986 – 7 AZR 663/84 – a.a.O.) und der in der Literatur überwiegend vertretenen Auffassung (Hosak Gastverträge darstellender Bühnenkünstler S 31 ff.; Bolwin/Sponer Bühnentarifrecht Stand Mai 2001 § 20 NV-Solo Rn. 27; Kurz Theaterrecht 8. Kapitel Rn. 10), gehört zum Wesen des Gastspielvertrags eines darstellenden Künstlers, daß im Vertrag selbst festgelegt ist oder doch jedenfalls auf Grund des Vertrags einvernehmlich festgelegt werden soll, welche Rolle der Künstler in welchem Bühnenstück spielen soll. Dagegen ist es mit dem Wesen des Gastspielvertrags unvereinbar, wenn es der Theaterleitung überlassen bleiben soll, dem Bühnenkünstler im Rahmen seines Kunstfaches die von ihm zu übernehmenden Aufgaben jeweils zuzuweisen.
b) Die vom Landesarbeitsgericht gegen diese Rechtsprechung erhobenen Einwände überzeugen nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, bei darstellenden Bühnenkünstlern müsse es als wesentliches Kriterium für einen Gastspielvertrag auf die Anzahl der Aufführungen innerhalb der Höchstgrenze ankommen und zudem die Einsatzmöglichkeiten auf das Repertoire des jeweiligen Künstlers beschränkt werden. Die tariflichen Merkmale, wonach Voraussetzung ist, daß der Unternehmer den Vertrag „zur Ergänzung seines ständigen Personals und zur Ausgestaltung seines Spielplans” mit Bühnenkünstlern in der Weise abschließt, daß sie nicht als ständige Mitglieder verpflichtet werden, stehen dieser Auslegung entgegen. Die Tarifmerkmale sind vom Sinn und Zweck der Vorschrift her auszulegen. Mit ihnen soll die Besonderheit des Gastes gegenüber dem ständigen Personal und damit die besondere Qualität des Gastspielvertrags hervorgehoben werden. Für das ständige, mit Normalvertrag angestellte Bühnenmitglied ist aber kennzeichnend, daß es dem Theaterunternehmer grundsätzlich für sämtliche Aufgaben seines Kunstfaches zur Verfügung steht und der Unternehmer ihm daher kraft seines Direktionsrechts die konkrete Aufgabe nach den tariflichen Bestimmungen jeweils zuweisen kann, insbesondere nach § 2 Abs. 1 NV-Solo und § 5 Abs. 1 NV-Solo. Danach braucht der Gegenstand der künstlerischen Dienstleistung nur allgemein dem Kunstfach nach festgelegt zu sein. Die nähere Konkretisierung ist Sache des Arbeitgebers, der nach § 5 Abs. 1 NV-Solo Art und Umfang der Dienste im Rahmen der vertragsgemäßen Begrenzung einseitig bestimmen und mithin von Fall zu Fall einseitig festlegen kann, welche Partie das Bühnenmitglied zu singen hat. Der Gastspielvertrag bildet den Gegensatz hierzu. Er wird vom Theaterunternehmer „zur Ausgestaltung seines Spielplans” geschlossen. Es geht nicht um die Einstellung für ein Kunstfach oder Rollengebiet, sondern um ein Engagement im Hinblick auf „seinen”, d.h. vom Theaterunternehmer bereits konzipierten, konkreten Spielplan. Geht es aber bei dem Engagement des Gastes um die Ausgestaltung eines bestimmten Spielplans, so kann Gegenstand dieses Engagements auch nur eine bestimmte Aufgabe innerhalb dieses Spielplans sein (BAG 24. September 1986 – 7 AZR 663/84 – a.a.O.). Mit dem Wesen des Gastspielvertrags ist es unvereinbar, wenn es der Theaterleitung überlassen bleiben soll, dem Bühnenkünstler im Rahmen seines Kunstfaches oder seines Repertoires die von ihm zu übernehmenden Aufgaben jeweils zuzuweisen (BAG 24. September 1986 – 7 AZR 663/84 – a.a.O. mit Nachweisen).
c) In § 11 des Vertrags der Parteien heißt es: „Herr O. ist verpflichtet für Partien aus seinem Repertoire”. Die Parteien haben damit die vertragliche Pflicht des Beklagten zum Singen sämtlicher Partien seines Repertoires, d.h. der von ihm schon einstudierten Partien, begründet. Den Klägerinnen verblieb das Recht zu bestimmen, welche und wie viele Partien der Beklagte zu singen hatte, denn die Zahl der Partien war nicht festgelegt und das Einverständnis des Beklagten nicht zur Voraussetzung der in § 11 genannten Verpflichtung gemacht. Daraus, daß § 3 vorsieht, die Termine einvernehmlich zu vereinbaren, folgt nichts anderes. Die Parteien selbst haben im Vertrag zwischen der Vereinbarung von Terminen und der Vereinbarung von Partien unterschieden, also zwischen dem Inhalt und dem Zeitpunkt der vertraglichen Verpflichtung. § 3 trägt dabei dem Umstand Rechnung, daß gerade ein nur für eine geringe Zahl von Vorstellungen Verpflichteter noch anderweitig auftreten wird und – selbst wenn er sich zu allen Partien aus seinem Repertoire verpflichtet hat – nicht jeden beliebigen Termin wahrnehmen kann. Demgemäß sind die Parteien für die Terminsvereinbarung entsprechend dem üblichen Sprachgebrauch davon ausgegangen, daß Termine nur abgesagt bzw. nicht bestätigt werden, wenn der vorgeschlagene Zeitpunkt mit anderen Verpflichtungen und Wünschen nicht in Einklang steht. Dem entspricht es auch, daß § 3 Abs. 3 des Vertrags eine Regelung für den Fall vorsieht, daß die Vereinbarung sich als unmöglich erweist.
Das Landesarbeitsgericht hat demgegenüber aus § 3 des Vertrags abgeleitet, es hätte einvernehmlich festgelegt werden sollen, welche Rolle der Beklagte in welchem Stück spielen werde. Durch die Ablehnung von Aufführungsterminen habe es der Beklagte in der Hand gehabt, die an diesen Terminen für ihn vorgesehenen Partien abzulehnen. Die Oper hätte dem Beklagten auf Grund des Vertrags also nicht einseitig die im Rahmen seines Kunstfaches oder auch nur seines Repertoires zu übernehmenden konkreten Aufgaben zuweisen können. Dies überzeugt nicht. Eine Ablehnung von Terminen, weil die zu singende Partie nicht zusagt, ist nach Wortlaut, Sinn und Zweck vom Vertrag nicht gedeckt.
3. Der Vertrag hat im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz, am 10. März 1998, fortbestanden. Eine Nichtverlängerungsmitteilung nach § 2 Abs. 1 des TVM hatte die Oper nicht erklärt. Der Vertrag vom 24. September 1994 ist nicht durch den Vertrag für die Spielzeit 1996/1997 aufgelöst worden. Der Vertrag war trotz des Vorbehalts, den der Beklagte erklärt hatte, wirksam. Die Bühnenschiedsgerichte und die Vorinstanzen haben entgegen der von den Klägerinnen vertretenen Auffassung diesen Vorbehalt zu Recht dahingehend verstanden, daß der Beklagte sich durch ihn die Rechte wahren wollte, die er im vorliegenden Verfahren verfolgt. Er wollte, daß ihm die Rechte aus dem Vertrag vom 29. September 1994 erhalten bleiben und nicht dadurch verloren gehen, daß er sich den Bedingungen des neuen Vertrags unterwirft. Anders konnte seine Erklärung bei verständiger Würdigung nicht verstanden werden.
4. Der Beklagte ist nicht gemäß § 242 BGB daran gehindert, sich auf die Anwendbarkeit des NV-Solo und das Fehlen einer Nichtverlängerungsmitteilung zu berufen.
Ein widersprüchliches Verhalten stellt sich nur dann als Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben und damit als unzulässige Rechtsausübung dar, wenn durch das frühere Verhalten ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist und der Vertragspartner sich auf die bisher eingenommene Haltung der anderen Seite verlassen durfte (BGH 6. März 1985 – IV b ZR 7/84 – NJW 1985, 2589; 5. Juni 1997 – X ZR 73/95 – NJW 1997, 3377, 3379; BAG 11. Dezember 1996 – 5 AZR 708/95 – AP BGB § 242 Unzulässige Rechtsausübung – Verwirkung Nr. 36 = EzA BGB § 242 Rechtsmißbrauch Nr. 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend schon nach dem eigenen Vorbringen der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerinnen nicht zu bejahen (vgl. zur Beweislast nur BGH 5. Dezember 1991 – IX ZR 271/90 – NJW 1992, 834).
Die Klägerinnen haben vorgetragen, der Beklagte selbst sei im Frühjahr 1988 an den Intendanten herangetreten und habe den Wunsch geäußert, ab der Spielzeit 1989/1990 nicht mehr fest an das D. Haus gebunden zu sein, sondern dort nur noch gastweise aufzutreten. Diesem Wunsch sei entsprochen worden. Der Umstand, das die Initiative zum Abschluß der Verträge, wie sie dann in der Folgezeit in ähnlicher Form mehrfach geschlossen wurden, vom Beklagten ausgegangen ist, konnte bei den Klägerinnen kein Vertrauen darauf begründen, der Beklagte werde die sich aus diesen Verträgen für ihn ergebenden Rechte nicht geltend machen. Dabei spielt es auch keine Rolle, daß der Beklagte den Wunsch geäußert hat, bei den Klägerinnen zukünftig nur noch gastweise tätig zu sein. Ein derartiges Verhalten kann rechtlicherweise nicht die Erwartung wecken, der Beklagte werde unabhängig vom Inhalt des dann tatsächlich geschlossenen Vertrags diesen als Gastspielvertrag mit allen Konsequenzen einschließlich des Auslaufens des Vertrags ohne Nichtverlängerungsmitteilung oder Anschlußvertrag behandeln.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl, H. Markwat, Matiaske
Fundstellen
Haufe-Index 1489982 |
ZTR 2002, 389 |