Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbau einer planwidrigen Überversorgung
Leitsatz (redaktionell)
Weitgehend Parallelsache zum Urteil vom 28. Juli 1998 – 3 AZR 100/98 –, zur Veröffentlichung vorgesehen
Normenkette
BetrAVG §§ 1, 2 Abs. 1, 5; BGB § 242; BetrVG §§ 76-77, 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 16. Dezember 1997 – 9 (12) Sa 694/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, welche Gesamtversorgungsobergrenzen anzuwenden sind und ob die Klägerin eine ratierliche Kürzung ihrer Betriebsrente hinnehmen muß.
Die am 15. Januar 1937 geborene Klägerin war vom 1. Februar 1958 bis zum 31. März 1992 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Sie schied aufgrund einer im Sozialplan vom 1. Februar 1989 vorgesehenen Frühpensionierung durch Aufhebungsvertrag vom 25./30. September 1991 aus. Im Aufhebungsvertrag heißt es:
„… Die übrigen Abfindungsleistungen und die Altersversorgung ergeben sich aus dem Sozialplan vom 1. Februar 1989, der in allen seinen Teilen für diese Vereinbarung maßgebend ist. …”
Der Sozialplan vom 1. Februar 1989 enthält folgende Regelung:
„Bei Tarifangestellten, deren Altersversorgung sich nach der Altersversorgungsrichtlinie von 1968 richtet, wird die Werksrente so ermittelt, als wenn der Versicherungsfall beim Ausscheiden eingetreten wäre. Die so ermittelte Werksrente wird festgeschrieben und mit Rentenbeginn monatlich ausgezahlt. Voraussetzung hierfür ist, daß der Aufhebungsvertrag bis zum 31.03.1989 abgeschlossen ist. Bei späteren Vertragsaufhebungen wird bei der Berechnung der Anwartschaft grundsätzlich gemäß § 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung als rechnerische Obergrenze nicht das 65., sondern das vollendete 63. Lebensjahr zugrundegelegt.”
Die Beklagte hatte im Jahre 1951 eine betriebliche Versorgung eingeführt, die Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenrenten umfaßte. Die Alters- und Invaliditätsrente der Angestellten betrug nach einer Wartezeit von zehn Jahren 15 % des letzten Grundgehalts. Der Steigerungssatz belief sich für jedes weitere Dienstjahr auf 1 %. Durch die Rentenreform des Jahres 1957 erhöhten sich die meisten Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung wesentlich. Daraufhin nahm die Beklagte in ihre ab 1. Januar 1958 geltenden Richtlinien (RL 58) Gesamtversorgungsobergrenzen auf. Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren durften die Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Altersversorgung insgesamt nur 65 % des letzten Grundgehalts betragen. Dieser Prozentsatz erhöhte sich für jedes weitere Dienstjahr um 0,75 % bis zu höchstens 80 % bei 45 Dienstjahren. Diese Vorschriften wurden unverändert in die Versorgungsrichtlinien vom 6. Mai 1968 (RL 68) übernommen.
Die Beklagte schloß dieses Versorgungswerk zum 31. Dezember 1973 für neu eintretende Arbeitnehmer. Für sie wurden ungünstigere Versorgungsregelungen geschaffen. Den vorher eingestellten Arbeitnehmern teilte die Beklagte mit Schreiben vom 12. Dezember 1974 „zur Wahrung Ihres Besitzstandes” mit, daß sich ihre Altersversorgung nach den Bestimmungen der Richtlinien vom 6. Mai 1968 richte. Seit 1980 versuchte die Beklagte mehrfach, im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die in den RL 68 enthaltenen Gesamtversorgungsobergrenzen entsprechend der Entwicklung der Nettoarbeitseinkommen abzuändern. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung. Die auf Antrag der Beklagten errichtete Einigungsstelle beschloß am 4. Dezember 1993, Abschnitt VIII B 2 a und b RL 68 wie folgt zu ändern:
„2.a) Die Bezüge der Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der betrieblichen Versorgung werden durch Kürzung der Betriebsrente wie folgt begrenzt:
Bei einer Dienstzeit bis zu 25 Jahren auf 59 % des letzten Grundgehaltes. Für jedes weitere Dienstjahr erhöht sich dieser Prozentsatz um 0,6 % bis zu höchstens 71 % bei 45 Dienstjahren. Bezüge der Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die auf freiwilliger Höherversicherung oder freiwilliger Weiterversorgung beruhen, bleiben unberücksichtigt.
2.b) Unabhängig von der Bestimmung in 2.a) wird die betriebliche Rente in jedem Falle mit einem Mindestrentenbetrag in Höhe von 40 % der gemäß 1. ermittelten Erwerbsunfähigkeits- oder Altersrente gewährt; sie darf jedoch zusammen mit der Sozialversicherungsrente 100 % des pensionsfähigen Nettoentgelts nicht überschreiten.”
Mit Schreiben vom 7. September 1992 hatte die Beklagte der ausgeschiedenen Klägerin mitgeteilt, daß sie sich ihre unverfallbare Versorgungsanwartschaft auf 1.126,00 DM belaufe. Im Schreiben vom 3. August 1995 errechnete die Beklagte anhand des Spruchs der Einigungsstelle eine Betriebsrente von 792,00 DM.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe der von der Beklagten ursprünglich errechnete Betrag ohne ratierliche Kürzung und damit eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 1.391,00 DM zu. Die von der Einigungsstelle beschlossenen Änderungen spielten für ihre Versorgungsrechte keine Rolle. Der Aufhebungsvertrag, der auf die Regelungen des Sozialplans vom 1. Februar 1989 verweise, enthalte eine einzelvertragliche Versorgungszusage. Die Abgabenentwicklung habe sich nach dem Abschluß des Aufhebungsvertrags nicht mehr so entscheidend geändert, daß von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gesprochen werden könne. Ein Eingriff in den durch den Aufhebungsvertrag und den Sozialplan erworbenen Besitzstand sei unzumutbar. Im übrigen sei eine seit 1958 eingetretene Überversorgung überhaupt nicht planwidrig gewesen. Die Geschäftsgrundlage der bisherigen Versorgungsordnung sei auch deshalb nicht weggefallen, weil in diesem Zusammenhang die wirtschaftliche Situation der Beklagten zu berücksichtigen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie ab dem Monat Februar 1997 ein monatliches betriebliches Altersruhegeld in Höhe von 1.391,00 DM zu zahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die von ihr nachzuzahlenden Differenzbeträge ab der monatlichen Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Gesamtversorgungsobergrenze sei auch gegenüber der Klägerin wirksam angepaßt worden. Eine planwidrige Überversorgung habe vorgelegen. Dem Aufhebungsvertrag und dem Sozialplan lasse sich nicht entnehmen, daß die Versorgungsregelungen der RL 68 unverändert weitergelten sollten und das Anpassungsrecht der Beklagten ausgeschlossen sein solle. Die Klägerin habe nicht darauf vertrauen dürfen, daß von einem Abbau der Überversorgung abgesehen werde.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht keine höhere Betriebsrente zu.
I. Die Beklagte hat zu Recht die von der Einigungsstelle beschlossene neue Gesamtversorgungsobergrenze angewandt. Die Änderung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ob sie im vorliegenden Fall normativ gilt, kann dahingestellt bleiben. Die Beklagte durfte sie jedenfalls durch Ausübung ihres einzelvertraglichen Gestaltungsrechts auf das Versorgungsverhältnis der Klägerin übertragen. Der Aufhebungsvertrag vom 25./30. September 1991 und der Sozialplan vom1. Februar 1989 ändern daran nichts.
1. Der Spruch der Einigungsstelle ist wirksam. Diese Frage war bereits Gegenstand des Beschlußverfahrens (– 3 ABR 21/95 – AP Nr. 4 zu § 83 a ArbGG 1979). Das Arbeitsgericht hatte dem Antrag des Betriebsrats, die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle festzustellen, nur insoweit stattgegeben, als Abschnitt VIII B 2 b (Mindestversorgung) geändert worden ist. Auf die Beschwerde der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats insgesamt abgewiesen. Der Senat hat die nach Ausscheiden des letzten Betriebsratsmitglieds eingelegte Rechtsbeschwerde mit Beschluß vom 27. August 1996 (– 3 ABR 21/95 –, aaO) als unzulässig verworfen. In den Gründen (aaO, zu B II 3 der Gründe) hat er offengelassen, ob dadurch der Beschluß des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig geworden ist. Auch im vorliegenden Rechtsstreit kommt es nicht darauf an. Ebensowenig spielt es eine Rolle, wie weit die Bindungswirkung reichen würde. Das Landesarbeitsgericht hatte richtig entschieden. Die Einigungsstelle durfte die Gesamtversorgungsobergrenzen absenken.
a) Unschädlich ist es, daß der Spruch der Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung ersetzte und in Rechte aus einer Gesamtzusage eingriff. Die Gesamtzusage ist zwar der einzelvertraglichen Ebene zuzuordnen. Das Günstigkeitsprinzip steht aber einer Betriebsvereinbarung nicht entgegen, soweit die Geschäftsgrundlage der Versorgungszusage weggefallen ist und damit die bisherigen Versorgungsregelungen vertragsrechtlich nicht mehr geschützt sind (vgl. BAG GS Beschluß vom 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42, 75 f. = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, zu C IV 2 und 3 der Gründe). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Entwicklung der Steuern und Sozialversicherungsabgaben hatte zu einer planwidrigen Überversorgung geführt.
b) Ob eine planwidrige Überversorgung vorliegt, hängt von dem in der jeweiligen Versorgungsordnung angestrebten Versorgungsgrad ab. Gesamtversorgungssysteme können auf eine geringfügige Aufstockung der Sozialversicherungsrenten, die Erhaltung des im aktiven Dienst erreichten Lebensstandards oder eine darüber hinausgehende Versorgung ausgerichtet sein. Wenn der Arbeitgeber eine Überversorgung vertraglich verspricht, muß er sie erbringen, ohne sich auf veränderte Gerechtigkeitsvorstellungen berufen zu können (BAG Urteile vom 30. Oktober 1984 – 3 AZR 236/82 – BAGE 47, 130, 136 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung, zu II 1 c der Gründe und vom 23. Oktober 1990 – 3 AZR 260/89 – BAGE 66, 145, 151 f. = AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 2 a und b der Gründe). Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber die Überversorgung nicht bewußt in Kauf genommen, sondern lediglich eine Vollversorgung angestrebt.
aa) Wenn die Versorgungszusage nicht auf einer individuellen Vereinbarung, sondern auf einer allgemeinen Versorgungsordnung beruht, kommt es für die Feststellung des Versorgungszieles auf den Zeitpunkt an, in dem das Versorgungssystem geschaffen worden ist. Bei einer Gesamtzusage ist auf deren Erteilung abzustellen. Sie hat für alle angesprochenen Arbeitnehmer den gleichen Inhalt und die gleiche Bedeutung.
Weder der Aufhebungsvertrag vom 25./30. September 1991 noch der Sozialplan vom 1. Februar 1989 enthalten eine eigenständige Versorgungszusage. Der Sozialplan, auf den der Aufhebungsvertrag verweist, beschränkt sich auf punktuelle Modifizierungen der Versorgungsregelungen. Für die Frage, ob eine Überversorgung vorliegt, ist auf den Erlaß der RL 58/68 abzustellen.
bb) Die RL 58 führten eine Gesamtversorgungsobergrenze ein. Aus ihr ergibt sich, daß die Betriebsrenten lediglich die Sozialversicherungsrenten ergänzen und den bisherigen Lebensstandard in einem gewissen, von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängigen Umfang gewährleisten sollten. Bei einer Überschreitung der Gesamtversorgungsobergrenze war die Betriebsrente zu kürzen. Durch diese Ausgestaltung der Versorgungsordnung wurde der Versorgungsbedarf in den Vordergrund gestellt. Er richtete sich nach dem Einkommen, das die Betriebsrentner als aktive Arbeitnehmer erzielt hatten. Eine geplante Überversorgung läßt sich weder den RL 58 noch den Begleitumständen entnehmen.
(1) Aus den Hinweisen der Beklagten vom 23. Oktober 1958 ergibt sich, daß sie die Betriebsrentner nicht besser stellen wollte als die aktiven Arbeitnehmer, sondern allenfalls den bisherigen Lebensstandard aufrecht erhalten wollte. Die in den RL 58 eingeführte Gesamtversorgungsobergrenze entsprach diesem Versorgungsziel. Damals erschien ein Abschlag von 20 % vom Bruttoarbeitsverdienst als ausreichend, um die Abgabenbelastung auszugleichen, die auf die Arbeitsverdienste vergleichbarer Arbeitnehmer entfiel. Im Urteil vom 10. April 1962 (– 3 AZR 346/61 – BAGE 13, 70, 77 = AP Nr. 83 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu III 3 der Gründe) und im Beschluß vom 8. Dezember 1981 (– 3 ABR 53/80 – BAGE 36, 327, 341 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 b (1) der Gründe) hat das Bundesarbeitsgericht eine Bruttolohnquote von 85 % als geeignete, äußerste Grenze einer Vollversorgung angesehen. Dies entspricht den allgemein zugänglichen statistischen Erkenntnissen, die zu den offenkundigen Tatsachen i. S. d. § 291 ZPO gehören. Im Jahre 1958 lag das Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit bei 85,1 % (Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1964 Abschnitt XXIII 9, S. 554). Die Gesamtversorgungsobergrenze der RL 58 von 80 % lag sogar darunter. Damit trug die Beklagte der Vergütungsstruktur des erfaßten Arbeitnehmerkreises Rechnung.
(2) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß die Versorgungsordnung einen generalisierenden und pauschalierenden Maßstab anwenden darf. Unerheblich ist es, wenn bereits 1958 in fünf Fällen die Steuern und Sozialversicherungsabgaben insgesamt über 20 % lagen. Der gewählte Prozentsatz baute auf einer Schätzung auf, die auf den Regelfall zugeschnitten war. Die Pauschalierung konnte zwar – im Gegensatz zu einer rechnerisch exakten Ermittlung der jeweils letzten Nettoeinkünfte – zu Unter- oder Überversorgungen führen. Dies ändert aber nichts an dem Ziel, die Arbeitnehmer bei Eintritt in den Ruhestand vor Einbrüchen im Lebensstandard zu schützen (vgl. BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 395 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 b (1) der Gründe).
(3) Soweit die RL 58/68 eine Mindestrente von 40 % vorsahen, haben sie allenfalls eine engbegrenzte Überversorgung in Kauf genommen. Der später eingetretene Umfang der Überversorgung war planwidrig. Auch die Mindestversorgung durfte der zwischenzeitlichen Entwicklung angepaßt werden.
(4) Die Beibehaltung der Obergrenze von 80 % des Bruttogehalts in den RL 68 besagt nicht, daß die Beklagte seither Überversorgungen hinnehmen wollte. Schweigen und Untätigkeit enthalten nur in Ausnahmefällen eine Willenserklärung. Soweit Regelungen unverändert bleiben, behalten sie grundsätzlich ihren bisherigen Inhalt. Aus einer planwidrigen Überversorgung wird nicht ohne weiteres eine zugesagte. Eine derartige Umgestaltung der Versorgungsregelung hätte eine entsprechende Änderung der Gesamtzusage vorausgesetzt. Die Beklagte hat keine solche Willenserklärung abgegeben.
Im übrigen hatten sich in der Zeit von 1958 bis zum Erlaß der Richtlinien vom 6. Mai 1968 die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer nicht so erhöht, daß die Beklagte von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgehen mußte. Während die Nettoeinkommen aus unselbständiger Arbeit im Jahre 1958 bei 85,1 % des Bruttoverdienstes lagen, beliefen sie sich im Jahre 1967 auf 81,6 % und im Jahre 1968 auf 80,4 % (Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1969 Abschnitt XXIV 9, S. 503).
cc) Die weitere Entwicklung der gesetzlichen Abzüge führte zum Wegfall der Geschäftsgrundlage. Während sich bei den Arbeitseinkommen der aktiven Arbeitnehmer die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge seit 1958/68 laufend erhöhten, stiegen die Steuern und Sozialversicherungsabgaben der Betriebsrentner nicht in entsprechendem Umfang. Die durchschnittlichen Abzüge beliefen sich 1991 auf insgesamt 31,5 % der Bruttoarbeitsentgelte, so daß die durchschnittlichen Nettoverdienste auf 68,5 % sanken (Essig/Strohm, Wirtschaft und Statistik, 1991, 577, 591). Diese Entwicklung hat sich auch im Jahre 1993 fortgesetzt (vgl. Tabellen in Wirtschaft und Statistik, 1995, 286). Vor allem die Auswirkungen der Steuerprogression und die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge führten dazu, daß die Nettoverdienstquote drastisch abnahm. Die Abzüge lagen um mehr als 50 % über dem Niveau von 1958/68. Überversorgungen waren nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Dies war mit dem Versorgungsziel, das den RL 58/68 zugrunde lag, nicht mehr zu vereinbaren.
c) Wie stark die Beklagte durch die unveränderte Fortzahlung der Betriebsrenten belastet würde, spielt keine Rolle. Der Abbau einer Überversorgung ist weder ein Fall der wirtschaftlichen Notlage noch ein Fall des unverhältnismäßigen Auseinanderklaffens von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzstörung), sondern ein Fall der Zweckverfehlung. Er hängt nicht von der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ab (vgl. BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 394 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 a der Gründe, m.w.N.).
2. Die Gesamtversorgungsobergrenze konnte zwar durch den Spruch der Einigungsstelle geändert werden. Der Geltungsbereich einer Betriebsvereinbarung oder eines Spruchs der Einigungsstelle reicht aber nicht weiter als die Regelungskompetenz der Betriebspartner. Sie können nach herrschender Meinung nicht in die Rechte der Mitarbeiter eingreifen, die bereits aus dem Betrieb ausgeschieden sind (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. u.a. Beschluß vom 16. März 1956 – GS 1/55 – BAGE 3, 1 ff. = AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG 1952; Urteil vom 25. Oktober 1988 – 3 AZR 483/86 – BAGE 60, 78, 82 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, zu I 2 der Gründe; Urteil vom 13. Mai 1997 – 1 AZR 75/97 – AP Nr. 65 zu § 77 BetrVG 1972, zu I der Gründe; zustimmend u.a. Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 77 Rz 72; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 77 Rz 10; Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl., Einl. Rz 246; Höfer, BetrAVG, 4. Aufl., ART Rz 764). Demnach erstrecken sich Änderungen einer Versorgungsordnung durch Betriebsvereinbarung oder Spruch der Einigungsstelle nicht unmittelbar auf die mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft ausgeschiedenen Arbeitnehmer und die Ruheständler. Diese Auffassung wird in der Literatur zunehmend kritisiert (vgl. u.a. Fitting/Kaiser/ Heither/ Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 77 Rz 36 a; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 33; Kreutz, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 153 ff.; Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, Rz 141 ff.; Stege/Weinspach, BetrVG, 7. Aufl., § 77 Rz 28; MünchArbR/Matthes, § 318 Rz 12; Dieterich, NZA 1984, 273, 278; Waltermann, NZA 1996, 357, 363 ff.). Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist oder die Gegenansicht den Vorzug verdient. Jedenfalls war die Beklagte berechtigt, die den ausgeschiedenen Mitarbeitern erteilten Versorgungszusagen so umzugestalten, wie der Spruch der Einigungsstelle es vorsah.
a) Der Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen planwidriger Überversorgung löst ein Anpassungsrecht (Widerrufsrecht) des Arbeitgebers aus (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B IV 1 der Gründe; BAG GS Beschluß vom 16. September 1986 – GS 1/82 –, aaO, zu C IV 3 der Gründe; Blomeyer/ Otto, BetrAVG, 2. Aufl., Einl. Rz 548 ff.; Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, Rz 849 ff.; Höfer, BetrAVG, 4. Aufl., ART Rz 374 ff.). Eine Verhandlungspflicht mit den einzelnen Arbeitnehmern widerspräche dem Inhalt und der Bedeutung der Gesamtzusage. Sie ist auf eine einheitliche Regelung für einen bestimmten Personenkreis gerichtet. Da verschiedene Lösungsmöglichkeiten bestehen (z.B. andere Bruttogesamtversorgungsobergrenzen, mehr oder weniger pauschalierte oder einzelfallbezogene Nettoversorgungsobergrenzen), bedarf es einer rechtsgestaltenden Entscheidung. Sie ist dem Arbeitgeber vorbehalten, weil er die Regelung für die freiwillige Versorgungsleistung geschaffen und nicht mit den einzelnen Arbeitnehmern ausgehandelt hat. Bei der Aufstellung der neuen Verteilungsgrundsätze muß er jedoch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beachten (vgl. BAG GS Beschluß vom 16. September 1986 – GS 1/82 –, aaO, zu C IV 3 der Gründe; BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B I der Gründe). Dies ist geschehen.
b) § 2 Abs. 5 BetrAVG steht dem Anpassungsrecht des Arbeitgebers nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift bleiben Veränderungen der Versorgungsregelung, soweit sie nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers eintreten, außer Betracht. Im Interesse der Rechtssicherheit und Berechenbarkeit ist die im Ausscheidenszeitpunkt geltende Versorgungsordnung zugrunde zu legen. Die sich aus ihr ergebenden Rechte des Arbeitgebers bleiben erhalten. § 2 Abs. 5 BetrAVG dient nicht dazu, Störungen der maßgeblichen Versorgungsordnung festzuschreiben.
Die Wiederherstellung einer vertragsgemäßen Versorgungsordnung stellt i. S. d. § 2 Abs. 5 BetrAVG keine „Veränderung der Versorgungsregelungen” dar. Der Abbau einer planwidrigen Überversorgung verschafft lediglich dem schon bisher angestrebten Versorgungsziel Geltung. Soweit sich der Arbeitgeber auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen kann, braucht er als Schuldner die Versorgungsansprüche nicht in vollem Umfang zu erfüllen. Sie sind kraft Gesetzes eingeschränkt (BAG GS Beschluß vom 16. September 1986 – GS 1/82 –, aaO, zu C IV 2 der Gründe).
c) Die von der Einigungsstelle beschlossene Änderung der Versorgungsordnung setzt die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage um und hält sich dabei in den rechtlich zulässigen Grenzen. Auf diese zulässige Anpassungsregelung konnte die Beklagte bei der Ausübung ihres Gestaltungsrechts zurückgreifen, soweit die Versorgungsrechte nicht unter das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und die Zuständigkeit der Einigungsstelle fielen. Dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprach es, die planwidrige Überversorgung nach einheitlichen Maßstäben abzubauen und die bereits ausgeschiedenen Anwartschaftsberechtigten nicht besser zu behandeln als die betriebstreuen.
3. Die von der Einigungsstelle beschlossenen und von der Beklagten auf die bereits ausgeschiedenen Anwartschaftsberechtigten übertragenen Anpassungsregelungen sind interessengerecht. Sie tragen den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit Rechnung.
a) Mit der Änderung der Gesamtversorgungsobergrenzen hat die Beklagte angemessen auf die zwischenzeitlich eingetretene Überversorgung reagiert. Der Abbau einer Überversorgung rechtfertigt grundsätzlich auch Eingriffe in den erdienten Besitzstand (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u.a. Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80 – BAGE 36, 327, 340 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 b der Gründe; Urteil vom 17. März 1987 – 3 AZR 64/84 – BAGE 54, 261, 273 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 c (1) der Gründe; Urteil vom 27. August 1996 – 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38, 54 = AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu IV 2 b der Gründe; Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B III 2 a der Gründe). Die geänderte Gesamtversorgungsobergrenze ist geeignet, die planwidrige Überversorgung zu beseitigen. Die Anpassungsregelung hält sich im Rahmen der Geschäftsgrundlage, die den RL 58/68 zugrunde lag.
aa) Die Gesamtversorgungsobergrenze wurde entsprechend der zwischenzeitlichen Entwicklung der Abgabenbelastung abgesenkt. Dies entspricht dem Sinn und Zweck des Gesamtversorgungssystems. Es stellt auf den Versorgungsbedarf ab. Er hängt davon ab, welche Beträge den aktiven Arbeitnehmern zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts und ihrer persönlichen Bedürfnisse zur Verfügung standen. Mit der Veränderung der Abgabenbelastung verändert sich auch der Versorgungsbedarf.
bb) Das verfügbare Arbeitseinkommen ist auch bei bruttolohnbezogenen Gesamtversorgungsobergrenzen entscheidend. Bruttoentgelt- und nettoentgeltbezogene Gesamtversorgungsobergrenzen dienen dem gleichen Ziel. Sie legen fest, in welchem Umfang der bisherige Lebensstandard abgesichert werden soll (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B II 3 c der Gründe). Je mehr bei den gesetzlichen Abgaben auf den Einzelfall abgestellt wird, desto genauer wird das Versorgungsziel erreicht. Andererseits ist der Verwaltungsaufwand um so größer, je mehr die individuellen Verhältnisse berücksichtigt werden. Versorgungsordnungen dürfen typisieren und pauschalieren, müssen es aber nicht. Für welchen Weg sich die Betriebspartner entscheiden, ist eine Zweckmäßigkeitsfrage.
Die bruttoentgeltbezogene Gesamtversorgungsobergrenze in den RL 58/68 baute auf einer Schätzung auf. Sie konnte – gemessen an einer rechnerisch exakten Ermittlung der jeweiligen letzten Nettoeinkünfte – zu einer geringfügigen Unter- oder Überversorgung führen. Dies ändert nichts an dem Ziel, dem Arbeitnehmer mit Eintritt in den Ruhestand ein bedarfsorientiertes Einkommen zu sichern. Auch Nettoklauseln müssen nicht exakt, sondern nur annäherungsweise das Versorgungsziel erreichen (BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 395 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 b (1) der Gründe). Im Spruch der Einigungsstelle ist das bisherige Versorgungssystem beibehalten und den veränderten Verhältnissen angepaßt worden.
cc) Die Einigungsstelle hat nicht nur die Abgabenentwicklung bei den aktiven Arbeitnehmern, sondern auch die Abgabenentwicklung bei den Betriebsrentnern berücksichtigt. Während im Jahre 1958 auf die Renten nahezu aller Arbeitnehmer fast keine Abgaben entfielen, müssen die Betriebsrentner nunmehr Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung leisten. Auf die Abgabenlast der Betriebsrentner hat die Einigungsstelle in ihrem Spruch vom 4. Dezember 1993 ausdrücklich hingewiesen und im Ergebnis auf die Nettorentenbezüge abgestellt. Die auf die Betriebsrenten entfallenden Abgaben wurden durch eine fünfprozentige Anhebung der zunächst vorgesehenen Steigerungssätze ausgeglichen. Diese Pauschalierung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
dd) Unerheblich ist es, wieviele Arbeitnehmer die höchstmögliche Beschäftigungsdauer von 45 Dienstjahren erreichen können. Bei geringeren Dienstzeiten sollte nach den RL 58/68 keine Vollversorgung, sondern ein geringerer Versorgungsgrad erreicht werden. Dieser ursprünglich vorgesehene Versorgungsgrad wird durch die Anpassungsregelung wiederhergestellt. Eine die Anpassungsbefugnis begründende „Überversorgung” kann auch insoweit vorliegen, als die Versorgungsordnung nur einen unterhalb der letzten Nettoeinkünfte liegenden Versorgungsgrad angestrebt hat und dieser Versorgungsgrad nunmehr aufgrund der Änderungen im Abgabenrecht planwidrig erheblich überschritten wird (BAG Beschluß vom 23. Septem-ber 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B II 3 a der Gründe).
ee) Ebensowenig spielt es eine Rolle, daß bei einem vorzeitigen Ausscheiden gemäß § 2 Abs. 5 BetrAVG eine fiktiv hochgerechnete Sozialversicherungsrente zugrunde gelegt wird und eine ratierliche Kürzung nach § 2 Abs. 1 BetrAVG erfolgt. Diese gesetzlichen Regelungen sind Bestandteil des Versorgungssystems. Die den Anwartschaftsberechtigten daraus entstehenden Nachteile muß der Arbeitgeber nicht durch planwidrige Erweiterungen der zugesagten Versorgung ausgleichen.
b) Das Vertrauen der Arbeitnehmer auf eine Gesamtversorgung von mehr als 100 % des Nettoeinkommens ist nicht schutzwürdig (ständige Rechtsprechung; BAG Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80 – BAGE 36, 327, 340 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 der Gründe; Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 396 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 1 der Gründe; Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B III 2 a der Gründe). Es besteht kein Anlaß, diese Rechtsprechung zu ändern. Auch im vorliegenden Fall konnten die Begünstigten nicht darauf vertrauen, daß die Arbeitgeberin der Fehlentwicklung nicht mehr begegnen werde.
aa) Ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer hat der Senat selbst dann verneint, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, er beabsichtige, den Altbestand von Versorgungsberechtigten auch künftig zu schonen. Solche Erwartungen müßten in rechtsverbindlicher Weise festgelegt werden, bei einer Betriebsvereinbarung etwa durch den Ausschluß der Kündigung (BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 –, aaO, zu III 2 der Gründe). Die Beklagte hat sich zu keinem Zeitpunkt rechtsgeschäftlich verpflichtet, die Überversorgung beizubehalten. Selbst eine entsprechende Absichtserklärung fehlt.
(1) Den Arbeitnehmern, die bis zum 31. Dezember 1973, d.h. bis zur Schließung des Versorgungswerks eingestellt worden waren, teilte die Beklagte im Schreiben vom 12. Dezember 1974 „zur Wahrung ihres Besitzstandes mit”, daß „sich ihre Altersversorgung nach den Bestimmungen der Richtlinien vom 6. Mai 1968 richtet”. Damit wurde lediglich klargestellt, daß für diesen Personenkreis nicht das neue, ungünstigere Versorgungswerk, sondern die bisherige Versorgungsordnung mit allen ihren Rechten und Pflichten gilt. Daraus läßt sich nicht ableiten, daß die Beklagte auf etwaige Gestaltungsrechte aus den RL 58/68 verzichten wollte. Die Beklagte hat nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie die Rechte der Arbeitnehmer aus den RL 68 verstärken und die Versorgungsziele erweitern wollte.
(2) Das an den Betriebsrat gerichtete Schreiben der Beklagten vom 22. Februar 1979 betraf die Altersversorgung für außertarifliche Angestellte, die nicht unter den Geltungsbereich der RL 58/68 fielen. In diesem Schreiben führte die Beklagte aus, daß der Besitzstandsschutz für die vor dem 1. Januar 1974 eingetretenen Tarifangestellten zu einer Überversorgung dieses Mitarbeiterkreises führe. „Diese in jeder Hinsicht unerwünschte Folge, die seinerzeit aus Rechtsgründen unvermeidbar” gewesen sei, werde „im Rahmen einer auslaufenden Regelung auf den engen Kreis der alten Tarifangestellten beschränkt”. Eine Ausdehnung auf AT-Angestellte komme nicht in Betracht. Die Beklagte hat damit zu erkennen gegeben, daß sie lediglich rechtlichen Pflichten nachkommen, die Überversorgung jedoch nicht billigen wollte, sondern sie ablehnte. Der enge Anwendungsbereich der RL 58/68 erklärt, daß die Beklagte zunächst nicht weiter versuchte, den Abbau der Überversorgung gegen den Widerstand des Betriebsrats durchzusetzen. Die im Jahre 1979 noch bestehenden rechtlichen Unsicherheiten sind eine zusätzliche einleuchtende Erklärung für die Zurückhaltung der Beklagten. Zum einen hatte die Überversorgung noch nicht das gegenwärtige Ausmaß angenommen. Zum anderen lag das Urteil des Senats vom 9. Juli 1985 (– 3 AZR 546/82 – AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung), in dem auch ohne Widerrufsvorbehalt ein Abbau der Überversorgung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zugelassen wurde, noch nicht vor.
(3) Im Schreiben vom 30. Januar 1990 bat die Beklagte die nach den RL 58/68 versorgungsberechtigten Arbeitnehmer um Zustimmung, daß eine ab 1. Januar 1990 neu gewährte übertarifliche Zulage nicht mehr zum pensionsfähigen Einkommen gerechnet werde. Mit diesem Vertragsangebot hat die Beklagte weder ihr Anpassungsrecht ausgeübt noch erklärt, sie werde sich nicht mehr auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Vielmehr sollte verhindert werden, daß die Überversorgung weiter anwächst und der Beklagten noch zusätzliche Belastungen entstehen. Abgesehen davon hat die Klägerin selbst nicht behauptet, daß sie das Angebot der Beklagten angenommen habe.
(4) Die RL 58/68 enthielten keine steuerschädlichen Widerrufsvorbehalte mehr. Von der Aufnahme der steuerunschädlichen Widerrufsvorbehalte wurde abgesehen. Ihnen kommt ohnehin nur deklaratorische Bedeutung zu. Das Fehlen deklaratorischer Widerrufsvorbehalte bedeutet nicht, daß der Arbeitgeber die Anwendbarkeit der allgemeinen Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ausschließen will (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B II 3 b der Gründe).
bb) Ein Vertrauenstatbestand ergibt sich auch nicht daraus, daß die Gesamtversorgungsobergrenzen erst nach längerer Zeit angepaßt wurden (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B III 2 a der Gründe). Unter welchen Voraussetzungen eine Überversorgung vorliegt und abgebaut werden darf, wurde erst nach 1980 durch das Bundesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen geklärt (vgl. BAG Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80 – BAGE 36, 327, 342 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 b (1) der Gründe; Urteil vom 9. Juli 1985 – 3 AZR 546/82 – AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu I 2 b der Gründe). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte seit 1980 mehrfach versucht, wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Überversorgung mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung über die Änderung der RL 68 zu schließen.
4. Die Beklagte hat auf ihr Anpassungsrecht nicht verzichtet. Wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, läßt sich weder dem Aufhebungsvertrag vom 25./26. September 1991 noch dem Sozialplan vom 1. Februar 1989 eine Zusage der Beklagten entnehmen, bestehende Anpassungsrechte nicht auszuüben und die bisherigen Regelungen der RL 68 unverändert anzuwenden.
a) Der Aufhebungsvertrag vom 25./30. September 1991 verweist lediglich auf die im Sozialplan enthaltenen Regelungen zur Altersversorgung, ohne sie zu ergänzen.
b) Der Sozialplan vom 1. Februar 1989 modifiziert bei Frühpensionierungen die Versorgungsrichtlinien von 1968. Er unterscheidet ausdrücklich zwischen Aufhebungsverträgen, die vor dem 31. März 1989 abgeschlossen wurden, und späteren Aufhebungsverträgen. Auf diese Unterscheidung hat auch das Landesarbeitsgericht Köln in dem von der Klägerin vorgelegten Urteil vom 11. Februar 1998 – 9 (4) Sa 906/97 – abgestellt. Nur bei den bis zum 31. März 1989 abgeschlossenen Aufhebungsverträgen wird „die Werksrente so ermittelt, als wenn der Versorgungsfall beim Ausscheiden eingetreten wäre”, und diese Rente dann „festgeschrieben”. Bei späteren Aufhebungsverträgen unterbleibt eine derartige Festschreibung. Die Versorgungsrechte der frühpensionierten Arbeitnehmer werden lediglich insoweit verbessert, als für die Berechnung des Teilanspruchs nach § 2 BetrAVG nicht auf das 65., sondern auf das 63. Lebensjahr abzustellen ist. Weitergehende Ergänzungen der Versorgungsordnung enthält weder der Aufhebungsvertrag noch der Sozialplan, so daß die Anpassungsrechte wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bestehen bleiben. Die nur punktuelle Ergänzung der Versorgungsordnung begründet ebensowenig wie die Auskunft nach § 2 Abs. 6 BetrAVG ein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der Überversorgung. Solange die Versorgungsordnung noch nicht geändert war, mußte die Beklagte ihrer Auskunft die bisherige Versorgungsregelung zugrunde legen. Selbst wenn es zuträfe, daß die Klägerin mit der Überversorgung gerechnet und sich hierauf eingestellt hat, verdiente sie keinen Schutz. Eine Verbesserung des Lebensstandards lediglich aufgrund einer Fehlentwicklung und des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis konnte sie berechtigterweise nicht erwarten (BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 398 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 3 der Gründe).
5. Die Beklagte hat ihr Anpassungsrecht auch nicht verwirkt. Für eine Verwirkung genügt es nicht, daß der Rechtsinhaber längere Zeit sein Recht nicht ausgeübt hat. Außerdem ist erforderlich, daß der von diesem Recht Betroffene nach dem früheren Verhalten des Rechtsinhabers erwarten durfte, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht (vgl. u.a. BAG Beschluß vom 14. November 1978 – 6 ABR 11/77 – AP Nr. 39 zu § 242 BGB Verwirkung, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 6. November 1997 – 2 AZR 162/97 – AP Nr. 45 zu § 242 BGB Verwirkung, zu II 3 b der Gründe). Dieses sog. Umstandsmoment setzt einen Vertrauenstatbestand voraus, der im vorliegenden Fall fehlt.
II. Da die Klägerin vor Erreichen der in der Versorgungsordnung vorgesehenen Altersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, steht ihr nur ein Teilanspruch zu.
1. Die Beklagte durfte die Betriebsrente nach § 2 Abs. 1 BetrAVG ratierlich kürzen. Günstigere vertragliche Regelungen fehlen. Auch der Sozialplan vom 1. Februar 1989 geht von der Anwendung des § 2 Abs. 1 BetrAVG aus und verbessert lediglich den Unverfallbarkeitsfaktor. Statt auf das 65. Lebensjahr ist auf das 63. Lebensjahr abzustellen. Daran hat sich die Beklagte gehalten.
2. Bei der ratierlichen Kürzung ist die Beklagte richtig vorgegangen. Nach § 2 Abs. 1 BetrAVG sind die in den Versorgungsrichtlinien festgelegten Gesamtversorgungsobergrenzen bereits bei der Berechnung des Teilanspruchs zu berücksichtigen. Sie sind nicht erst auf die zeitanteilig ermittelte Rente anzuwenden (BAG Urteil vom 12. November 1991 – 3 AZR 520/90 – BAGE 69, 19, 23 ff. = AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG, zu II 3 der Gründe).
a) Bei der Berechnung der Rente, die dem Versorgungsberechtigten ohne das vorzeitige Ausscheiden zustünde, sind sämtliche Bemessungsgrundlagen zu berücksichtigen. § 2 BetrAVG enthält keine Einschränkungen, wenn Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen sind. Die gesetzliche Vorschrift unterscheidet nicht danach, ob die Versorgungsordnung eine volle oder teilweise Anrechnung der Sozialversicherungsrenten auf die Betriebsrenten oder eine Begrenzung der Gesamtversorgung aus Betriebsrenten und Sozialversicherungsrenten vorsieht. Nach § 2 Abs. 1 BetrAVG sollen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bis zum Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze fortbesteht, und vorzeitig ausscheidende Arbeitnehmer nicht die gleiche Altersversorgung erhalten. Die vorzeitig ausscheidenden Arbeitnehmer müssen eine zeitanteilige Kürzung der Betriebsrente hinnehmen.
b) Von § 2 Abs. 1 BetrAVG kann zwar zugunsten der Anwartschaftsberechtigten abgewichen werden. Die Versorgungsordnung der Beklagten enthält aber keine Anhaltspunkte dafür, daß eine derartige Besserstellung vorzeitig ausscheidender Arbeitnehmer gewollt war. Im Gegenteil: Die vor dem Betriebsrentengesetz erlassene Versorgungsordnung machte die Zahlung von Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrenten davon abhängig, daß der Arbeitnehmer nicht vor Eintritt des Versorgungsfalls aus dem Unternehmen ausschied. Diese Einschränkung verstößt zwar gegen die Unverfallbarkeitsvorschrift des § 1 BetrAVG und ist nach § 17 Abs. 3 BetrAVG, § 134 BGB unwirksam. Aus dieser Regelung ergibt sich aber, daß vorzeitig ausgeschiedene Arbeitnehmer keinesfalls mehr als die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Betriebsrente erhalten sollten.
c) Der Senat hat zwar folgende Auslegungsregel entwickelt: Eine Höchstbegrenzungsklausel ist im Zweifel so auszulegen, daß Teilrenten zunächst unabhängig von der Höchstbegrenzungsklausel zu berechnen sind und die so ermittelten Renten erst bei Überschreiten der Höchstgrenzen zu kürzen sind (BAG Urteil vom 8. Mai 1990 – 3 AZR 341/88 – AP Nr. 18 zu § 6 BetrAVG, zu I 2 b der Gründe, m.w.N.). Diese Auslegungsregel betrifft aber die Berechnung von Teilrenten bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand und bezieht sich nicht auf das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Die Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist nach § 6 BetrAVG ein Versorgungsfall. § 6 BetrAVG regelt nicht, wie die vorgezogene Betriebsrente zu berechnen ist, sondern überläßt dies den Versorgungsordnungen. Die darauf zugeschnittene Auslegungsregel läßt sich nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalles übertragen (BAG Urteil vom 12. November 1991 – 3 AZR 520/90 – BAGE 69, 19, 25 = AP Nr. 26 zu § 2 BetrAVG, zu II 3 b der Gründe). Für diese Fallgestaltung enthält § 2 BetrAVG eine gesetzliche Berechnungsvorschrift.
III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Friedrich, Dr. Michels ist wegen, Ablauf seiner Amtszeit an der Unterschrift verhindert. Dr. Heither, G. Hauschild
Fundstellen