Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsrecht beim Abbau einer Überversorgung
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zum Urteil vom 28. Juli 1998 – 3 AZR 357/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen
Normenkette
Personalvertretungsgesetz für das Land Baden-Württemberg § 79 Abs. 1 Nr. 5; BPersVG § 75 Abs. 3 Nr. 4; Gemeindeordnung für Baden-Württemberg § 43 Abs. 1; BetrAVG § 1; BGB § 242
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.04.1997; Aktenzeichen 3 Sa 7/97) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 04.12.1996; Aktenzeichen 18 Ca 12456/95) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 23. April 1997 – 3 Sa 7/97 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 1996 – 18 Ca 12456/95 – wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt die bisher für das Zusatzruhegeld vorgesehene Versorgungsobergrenze wirksam geändert hat.
Die am 30. Dezember 1933 geborene Klägerin war bis zum 31. Dezember 1993 bei der beklagten Stadt beschäftigt. Seit dem 1. Januar 1994 erhält sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die beklagte Stadt gewährt ihr eine zusätzliche Altersversorgung auf der Grundlage der Ordnung für die Zusatzversorgung der Angestellten und der Arbeiter der Stadt Stuttgart (Zusatzversorgungs-ordnung – ZVO –) in der Fassung vom 1. Juli 1977. Sie wurde am 16. Mai 1955 erlassen. Am 6. März 1967 wurde der Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) abgeschlossen. Daraufhin schuf die beklagte Stadt eine Zusatzversorgungskasse (ZVK) und schloß das bisherige Versorgungswerk. Die Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1968 eingestellt worden waren, konnten zwischen der Versicherung bei der ZVK und der Versorgung nach der ZVO wählen. Die Klägerin entschied sich für die Zusatzversorgung der ZVO.
Die ZVO in der Fassung vom 1. Juli 1977 enthält u.a. folgende Bestimmungen:
„I. Allgemeines
§ 1
Zusatzversorgungsberechtigte
…
(2) Die Stadt behält sich vor, die zugesagten Leistungen zu kürzen, wenn
1. …
2. der Personenkreis, die Beiträge, die Leistungen oder das Pensionierungsalter bei der gesetzlichen Sozialversicherung oder anderen Versorgungseinrichtungen mit Rechtsanspruch sich wesentlich ändern, oder
3. …
…
§ 9
Höchst- und Mindestbetrag des Zusatzruhegeldes
(1) Das Zusatzruhegeld darf zusammen mit laufenden Bezügen aus öffentlichen Kassen 75 v. H. der versorgungsfähigen Dienstbezüge nicht übersteigen. Um den übersteigenden Betrag wird das Zusatzruhegeld gekürzt. Die Bezüge sind mit dem Betrag anzusetzen, mit dem sie zahlbar sind.
…”
Die steigenden Steuern und Sozialversicherungsabgaben bei den Arbeits-einkommen führten dazu, daß in den VersTV-G mit Wirkung zum 1. Januar 1985 eine zusätzliche nettoentgeltbezogene Gesamtversorgungsobergrenze aufgenommen wurde.
Nach längerer Vorbereitungszeit beschloß der Gemeinderat der beklagten Stadt am 22. Juni 1995 eine Änderung der ZVO. In die ZVO wurde ein neuer § 9 Abs. 1 a eingefügt. Er lautet:
„(1a) Das Zusatzruhegeld darf ferner zusammen mit laufenden Bezügen aus öffentlichen Kassen folgende Vomhundertsätze des nach Abs. 1 b errechneten Nettobetrags aus den versorgungsfähigen Dienstbezügen nicht übersteigen:
…”
Der Vomhundertsatz ist von der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit abhängig. Die Staffelung reicht von 80 % bei einer ruhegehaltsfähigen Dienstzeit von zehn Jahren bis zu 100 % bei einer ruhegehaltsfähigen Dienstzeit von 20 Jahren und mehr. Gleichzeitig wurde die Berechnungsgrundlage der Betriebsrente in einem Umfang erhöht, daß damit die den aktiven Arbeitnehmern gezahlte tarifliche Zuwendung berücksichtigt wird.
Der Gesamtpersonalrat wurde über diese Änderung lediglich informiert. Er wurde an der Neuregelung nicht förmlich beteiligt. Mit Schreiben vom 30. Oktober 1995 teilte die beklagte Stadt den Versorgungsberechtigten mit, daß sie die zugesagten Leistungen teilweise widerrufe.
Nach der Neuregelung wäre die Zusatzversorgung der Klägerin von rd. 1.715,00 DM auf rd. 793,00 DM gesunken. Dafür erhielt sie nach § 9 a ZVO einen monatlichen Ausgleich in Höhe von 921,00 DM. Dieser Betrag wird im Laufe der Zeit abgeschmolzen. Er vermindert sich insbesondere, wenn sich das Ruhegeld wegen tariflicher Gehaltssteigerungen erhöht.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Änderung der ZVO sei bereits wegen der fehlenden Zustimmung des Gesamtpersonalrats unwirksam. Zudem seien die Voraussetzungen für eine Kürzung nach § 1 Abs. 2 ZVO nicht gegeben. Diese Bestimmung enthalte eine abschließende Regelung. Auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze könne nicht zurückgegriffen werden. Die Geschäftsgrundlage der bisherigen Versorgungsregelungen sei auch nicht weggefallen. Die beklagte Stadt habe mit einer eventuellen Überversorgung gerechnet. Jedenfalls sei ihr das Problem der sogenannten Überversorgung im öffentlichen Dienst seit langem bekannt gewesen. Die Klägerin habe auf das Fortbestehen der bisherigen Versorgungsregelungen vertrauen dürfen.
Die Klägerin hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, zuletzt beantragt
festzustellen, daß die beklagte Stadt verpflichtet ist, ihr Versorgung nach der ZVO in der Fassung vom 1. Juli 1977 zu leisten.
Die beklagte Stadt hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Gesamtpersonalrat sei nicht förmlich zu beteiligen gewesen. Da der VersTV-G die Zusatzversorgung umfassend regele, sei eine Mitbestimmung nach § 79 Abs. 1 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Baden-Württemberg (LPVG B-W) ausgeschlossen. Zudem liege keine Maßnahme der Dienststelle vor, weil die Änderung der ZVO allein durch den Gemeinderat beschlossen worden sei. Jedenfalls bezüglich der Betriebsrentner habe die Änderung der ZVO nicht der Mitbestimmung unterlegen. Ein Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung könne sich nur auf die aktiven Arbeitnehmer erstrecken. Selbst wenn ein Mitbestimmungsrecht bezüglich der 183 von der ZVO erfaßten, noch aktiven Arbeitnehmer bestanden habe, sei dies für die mehr als 3000 Betriebsrentner ohne Bedeutung gewesen. Das Recht zur Änderung der Gesamtversorgungsobergrenze ergebe sich bereits aus § 1 Abs. 2 Nr. 2 ZVO; denn die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung hätten sich vor allem durch die Rentenreform 1992 wesentlich geändert. Die Neuregelungen in der ZVO seien jedenfalls wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt. Die Umgestaltung der Gesamtversorgungsobergrenze diene der Beseitigung einer strukturellen Fehlentwicklung. Gemessen am ursprünglichen Versorgungsziel sei eine planwidrige Überversorgung eingetreten. Aus der in der ZVO von Anfang an enthaltenen Gesamtversorgungsobergrenze von 75 v. H. ergebe sich aufgrund der früheren Belastungen durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge das maßgebliche Versorgungsziel, nämlich eine Altersversorgung unter 90 % der letzten Nettobezüge. Demgegenüber habe die Gesamtversorgung der Klägerin im Zeitpunkt der Änderung der ZVO mehr als 138 v. H. betragen. Auf die Beibehaltung dieser planwidrigen Überversorgung habe die Klägerin nicht vertrauen dürfen, zumal der Abbau der Überversorgung in den Jahren 1985 bis 1995 mehrfach im Gemeinderat behandelt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten hin abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Klage ist zulässig und entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch begründet. Die Versorgungsansprüche der Klägerin richten sich nach der Zusatzversorgungsordnung (ZVO) in der Fassung vom 1. Juli 1977. Die Neuregelung der Gesamtversorgungsobergrenze vom 22. Juni 1995 ist unwirksam. Die beklagte Stadt verletzte das Mitbestimmungsrecht des Gesamtpersonalrats und überschritt die Grenzen ihres Anpassungsrechts.
I. Die nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Baden-Württemberg (LPVG B-W) erforderliche Zustimmung der zuständigen Personalvertretung ist nicht eingeholt worden. Die Verletzung des Mitbestimmungsrechts wirkt sich auf die Versorgungsrechte der Betriebsrentner aus.
1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 79 Abs. 1 Nr. 5 LPVG B-W sind erfüllt. Die Art und Weise, wie die Gesamtversorgungsobergrenze an die zwischenzeitliche Abgabenentwicklung angepaßt wird, ist eine Frage der Lohngestaltung.
a) Der Begriff „Lohngestaltung” setzt die Schaffung oder Änderung eines vom Einzelfall losgelösten, gruppenbezogenen Systems voraus (BAG Urteil vom 25. Juli 1996 – 6 AZR 179/95 – BAGE 83, 338, 346 = AP Nr. 8 zu § 27 BAT, zu I 2 c der Gründe). Ein derartiger kollektiver Tatbestand liegt vor. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, daß eine generelle, abstrakte Regelung genügt. Unerheblich ist es, daß der betroffene Personenkreis nach der Schließung des Versorgungswerks individualisierbar ist.
b) Der in § 79 Abs. 1 Nr. 5 LPVG B-W verwandte Begriff „Entlohnung” ist ebenso wie in § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG und § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG auszulegen. Darunter ist jede vermögenswerte Leistung des Arbeitgebers aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses zu verstehen (BAG Urteil vom 25. Juli 1996, BAGE 83, 338, 346 = AP, aaO, zu I 2 c der Gründe). Auch eine betriebliche Altersversorgung zählt dazu (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. u.a. Beschluß vom 16. Februar 1993 – 3 ABR 29/92 – BAGE 72, 229, 233 = AP Nr. 19 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu II 1 a der Gründe, m.w.N.).
c) Unerheblich ist es, daß § 79 Abs. 1 Nr. 5 LPVG B-W von Fragen der Lohngestaltung „innerhalb der Dienststelle” spricht und die Änderung der ZVO den gesamten Geschäftsbereich der beklagten Stadt betrifft. § 79 Abs. 1 Nr. 5 LPVG B-W hat die Tatbestände des § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG zusammengefaßt und den im Betriebsverfassungsgesetz verwandten Wortlaut übernommen. Lediglich die Formulierung „betriebliche” Lohngestaltung ist durch die Formulierung Lohngestaltung „innerhalb der Dienststelle” ersetzt worden. Das Wort „betriebliche” konnte nicht übernommen werden, weil sich das LPVG B-W nicht nur auf Betriebe, sondern auch auf Behörden und Verwaltungsstellen erstreckt. Die Wortwahl des § 79 Abs. 1 Nr. 5 LPVG B-W trägt der Terminologie des § 9 Abs. 1 LPVG B-W Rechnung und verwendet folgerichtig den weiteren Begriff „Dienststelle”. Daraus kann keine inhaltliche Einschränkung gegenüber § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG hergeleitet werden. Ebenso wie in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird damit klargestellt, daß nur kollektive Maßnahmen erfaßt werden und einzelfallbezogene Lohnvereinbarungen ausgenommen sind. Ebensowenig wie das Wort „betrieblich” ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats auf Unternehmensebene ausschließt (vgl. u.a. BAG Beschluß vom 14. Juni 1994 – 1 ABR 63/93 – BAGE 77, 86, 90 ff. = AP Nr. 69 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B II der Gründe; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 50 Rz 30 ff., m.w.N.), steht das Wort „innerhalb der Dienststelle” einem Mitbestimmungsrecht des Gesamtpersonalrats entgegen.
d) Im vorliegenden Fall kann offenbleiben, ob sich das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung in Fragen der Lohngestaltung auf die technische Seite der Lohnberechnung beschränkt und die materielle Seite ausgeklammert ist (vgl. BVerwGE 60, 93, 96 f.; BVerwG Beschluß vom 6. Februar 1987 – 6 P 8.84 – BVerwGE 75, 365, 371; BAG Urteil vom 27. Mai 1987 – 4 AZR 613/86 – PersR 1988, 20 f.) Dies erscheint zumindest als sehr zweifelhaft. Unabhängig davon, wie die Frage zu beantworten ist, steht der Personalvertretung jedenfalls bei der auf einem Wegfall der Geschäftsgrundlage beruhenden Anpassung der Versorgungsordnung das Mitbestimmungsrecht nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 LPVG B-W zu.
aa) Im Beschluß vom 6. Februar 1987 (– 6 P 8.84 – BVerwGE 75, 365) hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, daß § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 LPVG NW, der mit § 79 Abs. 1 Nr. 5 LPVG B-W und § 75 Abs. 3 Nr. 4 BPersVG wörtlich übereinstimmt, den betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen des § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG nachgebildet sei und es keinen sachlichen Grund dafür gebe, bei der Anwendung dieser Beteiligungsvorschriften von unterschiedlichen Inhalten auszugehen. Wenn der Gesetzgeber gleichlautende Mitbestimmungstatbestände schafft, spricht dies dafür, daß er auch gleichartige Beteiligungsbefugnisse begründen wollte. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluß vom 6. Februar 1987 (aaO) seine frühere Rechtsprechung, der Begriff „Entlohnung” betreffe nur das Entgelt der Arbeiter, aufgegeben und ausgeführt, die Unterschiede zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Privatwirtschaft machten es nicht erforderlich, den persönlichen Geltungsbereich des Mitbestimmungsrechts des Personalrats bei Fragen der Lohngestaltung gegenüber dem Betriebsverfassungsrecht enger zu fassen. Diese Überlegungen gelten auch für den Inhalt des Mitbestimmungsrechts.
bb) Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats soll ebenso wie das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers ausgerichteten Lohngestaltung schützen, für ein angemessenes, durchsichtiges Lohngefüge sorgen und die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit sichern (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134, 155 f. = AP Nr. 51 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu C II 2 b und c der Gründe). Es ist zumindest äußerst problematisch, im öffentlichen Dienst von einem eingeschränkten Mitbestimmungsrecht auszugehen. Jedenfalls im vorliegenden Fall gibt es dafür keinen überzeugenden Grund.
Bei einer Anpassung der Versorgungsregelungen wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage geht es nicht um sogenannte Lohnpolitik, sondern um die Art und Weise, wie eine Vertragsstörung zu beheben ist. Insoweit besteht ein Regelungsspielraum des Arbeitgebers und ein Beteiligungsbedürfnis der Personalvertretung.
cc) Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 79 Abs. 1 Nr. 5 LPVG B-W bezieht sich ebenso wie das des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht auf die Beurteilung über das Vorliegen und den Umfang einer Überversorgung, sondern nur auf die Art und Weise ihres Abbaus. Derartige Regelungen sind – falls man der einschränkenden Auslegung des BVerwG folgen wollte – der „technischen Seite der Lohngestaltung” zuzuordnen.
2. Eine gesetzliche oder tarifliche Regelung, die nach § 79 Abs. 1 LPVG B-W das Mitbestimmungsrecht ausschließt, besteht nicht. § 79 Abs. 1 LPVG B-W entspricht dem § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG. Der Vorrang tariflicher Vorschriften kommt nur zum Zuge, wenn eine abschließende und vollständige tarifliche Regelung vorliegt, die ein einseitiges Bestimmungsrecht des Arbeitgebers ausschließt (vgl. BVerwGE 50, 186; BVerwG Beschluß vom 31. Januar 1986 – 6 P 5.83 – PersR 1986, 178; BAG Urteil vom 25. Juli 1996 – 6 AZR 179/95 – BAGE 83, 338, 345 = AP Nr. 8 zu § 27 BAT, zu I 2 b der Gründe). Der Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer kommunaler Verwaltungen und Betriebe (VersTV-G) reicht dafür nicht aus. Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, daß die Arbeitnehmer, die eine Anwartschaft nach der ZVO haben, gemäß § 5 Abs. 2 Buchst. b) VersTV-G von der Pflicht zur Versicherung ausgenommen sind. Dieser Ausnahmetatbestand ist bereits dann anwendbar, wenn die anderweitige Ruhelohnordnung gewissen Mindestanforderungen genügt. Der VersTV-G überläßt der jeweiligen Ruhelohnordnung die Ausgestaltung etwaiger Gesamtversorgungsobergrenzen. Die beklagte Stadt mußte deshalb selbst ihre Versorgungsregelungen an die veränderten Umstände anpassen. Sie hat eine eigenständige, vom VersTV-G abweichende Anpassung vorgenommen.
3. Das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung scheitert entgegen der Auffassung des VGH Baden-Württemberg nicht daran, daß der Gemeinderat die Anpassungsregelung beschlossen hat. Der VGH Baden-Württemberg hat im Beschluß vom 10. April 1983 (– 15 S 1347/82 –, n.v.) angenommen, der Personalrat habe nur bei Maßnahmen einer Dienststelle mitzuwirken. Da der Gemeinderat keine Dienststelle sei, stehe dem Personalrat bei den vom Gemeinderat getroffenen Maßnahmen kein Mitbestimmungsrecht zu. Der Senat folgt nicht dieser Ansicht, sondern der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Der Gemeinderat ist zwar keine Dienststelle, weil er keine Beschäftigten i.S. des LPVG B-W hat (BVerwGE 66, 347, 348). Die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretung bestehen aber auch dann, wenn der Gemeinderat die Angelegenheiten berät und die zu treffenden Maßnahmen beschließt. Alleiniger Partner des Mitbestimmungsrechts ist und bleibt der Bürgermeister. Nach § 43 Abs. 1 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg bereitet er die Sitzungen des Gemeinderats vor. Er stellt die Tagesordnung zusammen, legt die für die Verhandlung notwendigen Unterlagen vor und gibt seine Stellungnahme zu den von ihm zur Beschlußfassung vorgelegten Anträgen ab. Wenn mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten auf der Tagesordnung stehen, hat er sie bereits in diesem Stadium dem Personalrat mitzuteilen und die erforderliche Zustimmung zu beantragen (BVerwGE 66, 347, 351). Dies ist unterblieben.
4. Die Zuständigkeit der Personalvertretung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Lohngestaltung auf einer Gesamtzusage beruht und die Gesamtzusage der individualrechtlichen Ebene zuzuordnen ist. Bei einem Wegfall der Geschäftsgrundlage kann auch in individualrechtliche Ansprüche eingegriffen werden. Handelt es sich bei dem Eingriff – wie im vorliegenden Fall – um einen kollektiven Tatbestand, so hat die Personalvertretung mitzubestimmen.
5. Ob sich die Zuständigkeit des Personalrats auch auf die Betriebsrentner erstreckt, ist ebenso zu beantworten wie im Betriebsverfassungsrecht. Die Betriebspartner können nach herrschender Meinung nicht in die Rechte der Mitarbeiter eingreifen, die bereits aus dem Betrieb ausgeschieden sind (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. u. a. Beschluß vom 16. März 1956 – GS 1/55 – BAGE 3, 1 ff. = AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG 1952; Urteil vom 25. Oktober 1988 – 3 AZR 483/86 – BAGE 60, 78, 82 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung, zu I 2 der Gründe; Urteil vom 13. Mai 1997 – 1 AZR 75/97 – AP Nr. 65 zu § 77 BetrVG 1972, zu I der Gründe; zustimmend u. a. Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 77 Rz 72; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 5. Aufl., § 77 Rz 10; Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl., Einl. Rz 246; Höfer, BetrAVG, 4. Aufl., ART Rz 764). Diese Auffassung wird in der Literatur zunehmend kritisiert (vgl. u. a. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 77 Rz 36 a; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 33; Kreutz, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 153 ff.; Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, Rz 141 ff.; Stege/Weinspach, BetrVG, 7. Aufl., § 77 Rz 28; MünchArbR/Matthes, § 318 Rz 12; Dieterich, NZA 1984, 273, 278; Waltermann, NZA 1996, 357, 363 ff.). Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist oder die Gegenansicht den Vorzug verdient.
Auch wenn sich die Zuständigkeit des Personalrats nicht auf die Betriebsrentner bezieht, kann sich die Verletzung des Mitbestimmungsrechts trotzdem auf sie auswirken (BAG Urteil vom 9. Juli 1985 – 3 AZR 546/82 – AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 2 der Gründe). Ist die Neuregelung gegenüber den aktiven Arbeitnehmern wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts unwirksam, so führt dies entsprechend § 139 BGB zur vollständigen Unwirksamkeit auch gegenüber den Betriebsrentnern. Dabei spielt es keine Rolle, daß die Neuregelung erheblich mehr Betriebsrentner als aktive Arbeitnehmer betrifft. Ein Einschnitt allein in die Versorgungsrechte der Arbeitnehmer, die bei Erlaß der Anpassungsregelung aus dem Arbeitsverhältnis mit einer unverfallbaren Anwartschaft ausgeschieden sind oder bereits Betriebsrentner waren, ist mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Der Beklagten kann nicht unterstellt werden, daß sie einen derartigen Rechtsverstoß begehen wollte. Sie hat eine einheitliche Anpassungsregelung geschaffen und gewollt.
II. Auch der Inhalt der Neuregelung hält einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Der beklagten Stadt steht zwar ein Anpassungsrecht zu. Sie hat aber die Grenzen dieses Rechts überschritten.
1. Das Anpassungsrecht der beklagten Stadt ergibt sich daraus, daß die Geschäftsgrundlage der ZVO auf Grund einer planwidrigen Überversorgung weggefallen ist.
a) § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ZVO enthält Widerrufsvorbehalte. Ob sie eng oder weit auszulegen sind, kann offenbleiben. Die Versorgungsordnung enthält keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die allgemeinen Rechtsgrundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht anwendbar sein sollen. Im Zweifel will sich der Schuldner nicht verpflichten, Äquivalenzstörungen und Störungen des Vertragszwecks hinzunehmen, die nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine Vertragsanpassung rechtfertigen würden (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 – AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Ablösung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B II 3 b der Gründe). Im öffentlichen Dienst kommen die besonderen öffentlich-rechtlichen Pflichten des Arbeitgebers, insbesondere zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung hinzu. Sie lassen einen interessenwidrigen Verzicht auf bestehende Rechte als noch unwahrscheinlicher erscheinen.
b) Die Geschäftsgrundlage für die bisherige Gesamtversorgungsobergrenze ist weggefallen, weil die Entwicklung der Steuern und Sozialversicherungsabgaben zu einer planwidrigen Überversorgung geführt hat.
aa) Wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, handelt es sich bei der ZVO um eine Gesamtzusage. Sie schafft eine allgemeine Ordnung, die für alle von ihr erfaßten Arbeitnehmer einheitlich zu beurteilen ist. Welches Versorgungsziel mit der Gesamtversorgungsobergrenze erreicht werden sollte, beurteilt sich nach dem Zeitpunkt, in dem die anzupassende Gesamtversorgungsobergrenze eingeführt wurde. Der Umstand, daß sie später nicht geändert wurde, führt nicht zu einer Verschiebung des für die Geschäftsgrundlage maßgeblichen Zeitpunkts.
bb) Beim Erlaß der ZVO blieben die Nettorenteneinkommen aus der Gesamtversorgung in aller Regel deutlich hinter dem Nettoarbeitseinkommen der aktiven Arbeitnehmer zurück. Während sich bei den Arbeitseinkommen der aktiven Arbeitnehmer die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge fortlaufend erhöhten, stiegen die Steuern und Sozialversicherungsabgaben der versorgungsberechtigten Rentner nicht in entsprechendem Umfang. Daraus ergaben sich ständig steigende Versorgungsgrade, die nicht mehr dem ursprünglichen Versorgungsziel entsprachen. Dieser Fehlentwicklung durfte die Beklagte durch Anpassung der Gesamtversorgungsobergrenzen begegnen.
c) Die Geschäftsgrundlage einer Versorgungsordnung kann auch wegen sehr erheblicher Mehrbelastungen durch nicht vorhersehbare, grundlegende Änderungen des Sozialversicherungsrechts wegfallen (vgl. BAG Urteil vom 22. April 1986 – 3 AZR 496/83 – BAGE 51, 397, 407 = AP Nr. 8 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu III 2 c (3) der Gründe; Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 – AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Ablösung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt). Die Beklagte hat die Änderungen des Sozialversicherungsrechts in der Anlage zu ihrer Revisionserwiderung zusammengestellt. In welchem Umfang sich die wirtschaftliche Belastung der Arbeitgeberin erhöht hat und ob auch dadurch die Geschäftsgrundlage der Versorgungsordnung weggefallen ist, kann offenbleiben. Die Änderungen der Versorgungsordnung müssen auf die jeweilige Geschäftsgrundlage abgestimmt sein. Die Neuregelungen der beklagten Stadt betreffen die Gesamtversorgungsobergrenze. Sie tragen der Abgabenentwicklung Rechnung und dienen dem Abbau einer dadurch entstandenen Überversorgung. Zwischen den von der beklagten Stadt genannten übrigen Änderungen des Sozialversicherungsrechts und der Gesamtversorgungsobergrenze besteht kein ausreichender Zusammenhang.
2. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen planwidriger Überversorgung löst ein Anpassungsrecht (Widerrufsrecht) des Arbeitgebers aus (vgl. BAG Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 – AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Ablösung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B IV 1 der Gründe; BAG GS Beschluß vom 16. September 1986 – GS 1/82 – BAGE 53, 42, 76 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972, zu C IV 3 der Gründe; Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl., Einl. Rz 548 ff.; Griebeling, Betriebliche Altersversorgung, Rz 849 ff.; Höfer, BetrAVG, 4. Auflage, ART Rz 374 ff.). Eine Verhandlungspflicht mit den einzelnen Arbeitnehmern widerspräche dem Inhalt und der Bedeutung der Gesamtzusage. Sie ist auf eine einheitliche Regelung für einen bestimmten Personenkreis gerichtet. Da verschiedene Lösungsmöglichkeiten bestehen (z. B. andere Bruttogesamtversorgungsobergrenzen, mehr oder weniger pauschalierte oder einzelfallbezogene Nettoversorgungsobergrenzen), bedarf es einer rechtsgestaltenden Entscheidung. Sie ist dem Arbeitgeber vorbehalten, weil er die Regelung für die freiwillige Versorgungsleistung geschaffen und nicht mit den einzelnen Arbeitnehmern ausgehandelt hat.
3. Die beklagte Stadt hat weder auf ihr Anpassungsrecht verzichtet noch hat sie es verwirkt.
a) Auf Gestaltungsrechte kann durch einseitige Willenserklärung verzichtet werden (vgl. u.a. Palandt/Heinrichs, BGB, 57. Aufl., § 397 Rz 1, m.w.N.). Allein die längere Nichtausübung eines Rechts enthält noch keinen stillschweigenden Verzicht (BGH Urteil vom 29. November 1995 – VIII ZR 293/94 – AP Nr. 19 zu § 87 c HGB). An die Annahme eines konkludent erklärten Verzichts sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH Urteil vom 22. Juni 1995 – VII ZR 118/94 – NJW-RR 1996, 237, m.w.N.). Mit einem derartigen Verzicht hätte die Beklagte ihre Pflicht zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung verletzt. Dies kann ihr nicht unterstellt werden.
b) Die Beklagte hat ihr Anpassungsrecht auch nicht verwirkt. Für eine Verwirkung genügt es nicht, daß der Rechtsinhaber längere Zeit sein Recht nicht ausgeübt hat. Außerdem ist erforderlich, daß der von diesem Recht Betroffene nach dem früheren Verhalten des Rechtsinhabers erwarten durfte, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht (vgl. u.a. BAG Beschluß vom 14. November 1978 – 6 ABR 11/77 – AP Nr. 39 zu § 242 BGB Verwirkung, zu II 2 der Gründe; BAG Urteil vom 6. November 1997 – 2 AZR 162/97 – AP Nr. 45 zu § 242 BGB Verwirkung, zu II 3 b der Gründe). Dieses sog. Umstandsmoment setzt einen Vertrauenstatbestand voraus, der im vorliegenden Fall fehlt.
aa) Unerheblich ist es, daß die Tarifvertragsparteien bereits zum 1. Januar 1985 die Überversorgung abbauten. Die Gestaltungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien können weiter gehen als das auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützte Anpassungsrecht des Arbeitgebers. Die beklagte Stadt konnte sich zwar über längere Zeit hinweg nicht zu einer bestimmten Problemlösung durchringen. Dies rechtfertigte aber noch nicht die Erwartung, auch in Zukunft werde eine Regelung unterbleiben.
bb) Ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer hat der Senat selbst dann verneint, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, er beabsichtige, den Altbestand von Versorgungsberechtigten auch künftig zu schonen. Solche Erwartungen müßten in rechtsverbindlicher Weise festgelegt werden, bei einer Betriebsvereinbarung etwa durch den Ausschluß der Kündigung (BAG Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 397 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 2 der Gründe). Die Beklagte hat sich zu keinem Zeitpunkt rechtsgeschäftlich verpflichtet, die Überversorgung beizubehalten. Sogar eine entsprechende Absichtserklärung fehlt.
Die Organe der Beklagten hatten sich mehrfach mit der Überversorgung befaßt und niemals zum Ausdruck gebracht, die Überversorgung werde endgültig hingenommen. Die Versorgungsberechtigten mußten damit rechnen, daß das Rechnungsprüfungsamt die Beibehaltung der bisherigen Gesamtversorgungsobergrenze beanstanden und auf eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse drängen werde.
4. Die Gesamtversorgungsobergrenze durfte zwar der zwischenzeitlichen Entwicklung der Steuern und Sozialversicherungsabgaben angepaßt werden. Die Neuregelung mußte sich aber an die ursprüngliche Geschäftsgrundlage halten. Diese Grenze ist überschritten, soweit die neue, nach der Dauer der Dienstzeit gestaffelte Gesamtversorgungsobergrenze nicht nur die planwidrige Überversorgung abbaut, sondern das Ruhegeld noch weiter absenkt. Dieser Rechtsfehler führt nicht nur zur Unwirksamkeit des zu beanstandenden Teils der Staffel, sondern zur Unwirksamkeit der gesamten Anpassungsregelung.
a) Die Einführung einer am ursprünglichen Versorgungsgrad ausgerichteten Nettogesamtversorgungsobergrenze verletzt nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes.
aa) Der Abbau einer Überversorgung rechtfertigt grundsätzlich auch Eingriffe in den erdienten Besitzstand (ständige Rechtsprechung des Senats, Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80 – BAGE 36, 327, 340 f. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu B III 2 b der Gründe; Urteil vom 17. März 1987 – 3 AZR 64/84 – BAGE 54, 261, 273 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 3 c (1) der Gründe; Urteil vom 27. August 1996 – 3 AZR 466/95 – BAGE 84, 38, 54 = AP Nr. 22 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu IV 2 b der Gründe; Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 – AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Ablösung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B III 2 a der Gründe, jeweils m.w.N.). Die Versorgungsberechtigten konnten nicht darauf vertrauen, daß eine Obergrenze, die zu einer Gesamtversorgung von mehr als 100 % des Nettoeinkommens führt, unverändert bleibt. Sie mußten damit rechnen, daß die Arbeitgeberin dieser Fehlentwicklung begegnen werde. Ein Vertrauen in den Fortbestand dieser Überversorgung ist nicht schutzwürdig (ständige Rechtsprechung; BAG Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 3 ABR 53/80 – BAGE 36, 327, 339 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 2 der Gründe; Urteil vom 9. April 1991 – 3 AZR 598/89 – BAGE 67, 385, 396 = AP Nr. 15 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 1 der Gründe; Beschluß vom 23. September 1997 – 3 ABR 85/96 –, aaO, zu B III 2 a der Gründe).
bb) Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, daß sie bereits vor Anpassung der Versorgungsordnung bei der beklagten Stadt ausgeschieden sei, mit der bisherigen Versorgung gerechnet habe und die neuen Gesamtversorgungsobergrenzen zu einer deutlich niedrigeren Betriebsrente führten. Sie konnte nicht erwarten, daß ihr lediglich wegen ihres Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis eine Fehlentwicklung zugute komme und sie – gemessen am ursprünglichen Versorgungsziel – eine überhöhte Betriebsrente erhalten werde. Ihr entsteht auch keine besondere Härte, wenn die Gesamtversorgungsobergrenze auf das Niveau zurückgeführt wird, dessen Überschreitung nicht schutzwürdig ist (BAG Urteil vom 23. Oktober 1990 – 3 AZR 260/89 – BAGE 66, 145, 154 = AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu IV der Gründe). Je höher die Überversorgung war, desto größer müssen die Einschnitte ausfallen (vgl. BAG Urteil vom 12. März 1996 – 3 AZR 963/94 – AP Nr. 1 zu § 3 RuhegeldG Hamburg, zu II 2 c der Gründe).
cc) In den Besitzstand der Betriebsrentner wurde nicht eingegriffen. Er wird durch Zahlung eines Ausgleichsbetrags aufrechterhalten. Lediglich die Rentendynamik ist teilweise beseitigt worden. Die Abschmelzung erstreckt sich über einen längeren Zeitraum. Wie der Senat im Urteil vom 24. August 1993 (– 3 AZR 313/93 – AP Nr. 19 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu II 2 b der Gründe) betont hat, ist dieser Weg des Abbaus der Überversorgung durch Abschmelzung des Ausgleichsbetrags maßvoll und vermeidet Härtefälle.
b) Die Anpassung der Gesamtversorgungsobergrenze muß sich jedoch darauf beschränken, das ursprüngliche Versorgungsziel wiederherzustellen. Das auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützte Anpassungsrecht dient nicht dazu, die Versorgung umzustrukturieren und veränderte Gerechtigkeitsvorstellungen zu verwirklichen (BAG Urteil vom 18. Mai 1977 – 3 AZR 371/76 – BAGE 29, 169, 179 = AP Nr. 175 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu III 2 der Gründe, zum umgekehrten Fall einer von Anfang an vorgesehenen Besserstellung Altgedienter vgl. auch BAG Urteil vom 9. Juli 1985 – 3 AZR 546/82 – AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III 2 der Gründe; Blomeyer/Otto, BetrAVG, 2. Aufl., Einl. Rz 551; Höfer, BetrAVG, 4. Aufl., ART Rz 380). Die Anpassungsregelungen müssen sich an den Grundprinzipien der bisherigen Versorgungsordnung ausrichten. Dies hat die Beklagte nicht ausreichend beachtet.
Die nach der Dauer der Dienstzeit gestaffelte neue Gesamtversorgungsobergrenze führt zumindest in den beiden unteren Stufen zu einer Unterschreitung des ursprünglich angestrebten Versorgungsgrades. Dies läßt sich mit dem notwendigen Abbau der Überversorgung nicht mehr begründen.
aa) Nach dem neu eingefügten § 9 Abs. 1 a ZVO beläuft sich die Gesamtversorgungsobergrenze bei einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 10 Jahren auf 80 % und bei einer versorgungsfähigen Dienstzeit von 11 Jahren auf 82 % des Nettobetrags aus den versorgungsfähigen Dienstbezügen. Die bisher nicht berücksichtigte tarifliche Zuwendung wird entsprechend ihrer jeweiligen Höhe in die Berechnung einbezogen, derzeit mit 1/12. Dadurch erhöht sich der Versorgungsgrad in den beiden ersten Stufen – ausgehend von der ursprünglichen Bemessungsgrundlage – auf 86,40 % bzw. 88,50 %. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, daß eine Verringerung der tariflichen Zulage die Bemessungsgrundlage entsprechend schmälert und zu einer niedrigeren Gesamtversorgungsobergrenze führt.
bb) Nach den im Jahre 1955 bestehenden und damals absehbaren Verhältnissen war ein Versorgungsgrad von etwa 90 % des versorgungsfähigen Nettoeinkommens angestrebt. Im Jahre 1955 belief sich das Nettoeinkommen aus unselbständi-ger Arbeit auf durchschnittlich 85,8 % und im Jahre 1960 auf 84,1 % (Statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1961 S. 550). Danach entsprachen 75 % des Bruttoeinkommens im Jahre 1955 durchschnittlich 87,4 % (100: 85,8 × 75) und im Jahre 1960 durchschnittlich 89,2 % des Nettoeinkommens. Daraus ist zu entnehmen, daß ein Versorgungsgrad von etwa 90 % des Nettoeinkommens erreicht werden sollte.
cc) Die beklagte Stadt wollte den Versorgungsberechtigten mit längerer Dienstzeit einen Teil der Überversorgung belassen. Dagegen sollten die Einschnitte bei den Versorgungsberechtigten mit kürzerer Dienstzeit über den Abbau der Überversorgung hinausgehen. Dies steht mit der bisherigen Versorgungsordnung und ihrer Geschäftsgrundlage nicht mehr im Einklang. Das Anpassungsrecht ermöglicht keine Veränderung der in der Versorgungsordnung enthaltenen Zielvorstellungen. Die ZVO billigte allen Versorgungsberechtigten unabhängig von ihrer Dienstzeit einen Versorgungsgrad von etwa 90 % der laufenden Nettobezüge zu.
c) Auch dieser Rechtsverstoß führt entsprechend § 139 BGB zur Unwirksamkeit der gesamten Anpassung. Die Neuregelungen zur Gesamtversorgungsobergrenze bilden ein geschlossenes System, mit dem bestimmte Einsparungen erzielt werden sollten. Die beklagte Stadt kann die erhöhten Kosten für das Altersruhegeld der Versorgungsberechtigten mit geringerer Dienstzeit dadurch ausgleichen, daß sie bei den Versorgungsberechtigten mit längerer Dienstzeit beim Abbau der Überversorgung weniger großzügig verfährt.
III. Die beklagte Stadt hat nach § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Friedrich, Dr. Michels ist wegen Ablaufs seiner Amtszeit, G. Hauschild
Fundstellen