Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsgegenklage. Erfüllung einer Auskunftsverpflichtung. Bedeutung einer Fristsetzung nach § 61 Abs. 2 ArbGG im Anschluß an BAG Urteil vom 4. Oktober 1989 – 4 AZR 396/89 – BAGE 63, 91
Leitsatz (amtlich)
- Wird der Beklagte nach § 61 Abs. 2 ArbGG zur Auskunftserteilung und für den Fall der Nichterfüllung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt und wird dieses Urteil im Rechtsmittelzug bestätigt, so kann er die Auskunft auch noch innerhalb der Frist nach Zustellung des den Rechtsstreit beendenden Urteils erteilen.
- Die fristgerechte Auskunftserteilung begründet eine Einwendung gegen den in einem Urteil nach § 61 Abs. 2 ArbGG festgestellten Entschädigungsanspruch, die durch Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden kann.
Normenkette
ZPO § 767; ArbGG § 61 Abs. 2; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1991 – 16 Sa 655/91 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Versäumnisurteil.
Die Beklagte (ZVK) ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Auf ihren Antrag wurde der damalige Beklagte und jetzige Kläger durch Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 6. Juni 1988 verurteilt,
der ZVK auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
wieviel Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten
Januar bis Juli 1985
in dem Betrieb beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen des Baugewerbes in den genannten Monaten angefallen sind,
für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an die ZVK folgende Entschädigung zu zahlen:
DM 39.200,--.
Das Versäumnisurteil wurde dem Kläger am 16. Juni 1988 zugestellt. Auf seinen Einspruch hob das Arbeitsgericht Wiesbaden mit Urteil vom 7. September 1988 das Versäumnisurteil auf und wies die Klage ab. Auf die Berufung der ZVK wurde das erstinstanzliche Urteil mit Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 15. September 1989 abgeändert und das Versäumnisurteil vom 6. Juni 1988 aufrechterhalten. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil wurde dem Kläger am 27. November 1989 zugestellt. Die ZVK hatte bereits im September 1989 eine abgekürzte Urteilsausfertigung erhalten.
Mit Schreiben vom 19. Dezember 1989 übersandte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers dem Prozeßbevollmächtigten der ZVK unter Bezugnahme auf das Urteil und die gewünschte Auskunft ein an die ZVK gerichtetes Schreiben des Steuerberaters des Klägers vom 18. Dezember 1989. In dem Schreiben waren die im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Juli 1985 beim Kläger beschäftigten Arbeitnehmer namentlich angegeben und ihnen zugeordnete Geldbeträge aufgeführt. Das Schreiben vom 19. Dezember 1989 und die Anlage gingen beim Prozeßbevollmächtigten der ZVK am 22. Dezember 1989 ein. Dieser reichte die Schriftstücke an die ZVK weiter, die sie am 27. Dezember 1989 erhielt.
Die ZVK betreibt die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des im Versäumnisurteil vom 6. Juni 1988 titulierten Entschädigungsanspruchs.
Der Kläger vertritt die Auffassung, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil sei unzulässig. Er habe seine Auskunftsverpflichtung fristgerecht erfüllt. Die Frist zur Auskunftserteilung sei mit Zustellung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils in Lauf gesetzt worden. Zumindest sei eine Auskunftserteilung noch bis zur Rechtskraft dieses Urteils zulässig gewesen. Die Auskunft sei nicht auf dem vorgeschriebenen Formular erteilt worden, da die ZVK ihm ein solches trotz entsprechender Bemühungen nicht zur Verfügung gestellt habe.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 6. Juni 1988 (3 Ca 1469/88) unzulässig ist.
Die ZVK hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil sei hinsichtlich der Entschädigungssumme weiterhin zulässig. Der Kläger habe die Auskunft nicht fristgerecht erteilt, so daß die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Entschädigungsanspruchs betrieben werden könne. Die sechswöchige Frist zur Auskunftserteilung sei durch die Zustellung des Versäumnisurteils am 16. Juni 1988 in Lauf gesetzt worden. Da innerhalb dieser Frist die Auskunft nicht erteilt worden sei, habe sich der Auskunftsanspruch in den Entschädigungsanspruch umgewandelt. Die Auskunftserteilung mit Schreiben vom 19. Dezember 1989 sei deshalb verspätet.
Im übrigen sei die Auskunft nicht entsprechend den tarifvertraglichen Bestimmungen und dem Tenor des Versäumnisurteils erteilt worden. Der Kläger habe nicht das vorgeschriebene Formular verwendet, nicht die monatlichen Bruttolohnsummen und nicht die Beitragshöhe mitgeteilt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der ZVK zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die ZVK weiterhin Klageabweisung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht angenommen, die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 6. Juni 1988 sei hinsichtlich der Entschädigungssumme unzulässig, da der Kläger den Auskunftsanspruch erfüllt habe.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klage sei als Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO zulässig. Sie sei auch begründet, da dem im Versäumnisurteil vom 6. Juni 1988 titulierten Anspruch der ZVK auf Zahlung einer Entschädigungssumme eine Einwendung i.S. von § 767 Abs. 2 ZPO entgegenstehe. Durch die Erteilung der Auskunft mit Schreiben vom 19. Dezember 1989 habe der Kläger den Auskunftsanspruch, der Grundlage für die Verurteilung zur Zahlung der Entschädigungssumme sei, erfüllt.
Die Auskunftserteilung, die die ZVK am 27. Dezember 1989 erhalten habe, sei fristgerecht erfolgt. Zwar sei zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung die im Versämnisurteil vom 6. Juni 1988 gesetzte Frist von sechs Wochen nach Zustellung dieses Urteils am 16. Juni 1988 bereits abgelaufen gewesen. Die Auskunft könne vom Schuldner mit Erfüllungswirkung aber auch nach Ablauf der im Versäumnisurteil gesetzten Frist bis zum Eintritt der Rechtskraft erteilt werden. Dies sei der Fall gewesen, da die Rechtskraft des landesarbeitsgerichtlichen Urteils erst mit Ablauf des 27. Dezember 1989 eingetreten sei. Deshalb habe materiellrechtlich kein Entschädigungsanspruch entstehen können, so daß die Zwangsvollstreckung hinsichtlich dieses Anspruches unzulässig geworden sei.
Die Auskunftserteilung habe auch dem Tenor des Versäumnisurteils entsprochen. Dieser sei dahingehend auszulegen, daß die Entschädigungszahlung nur für den Fall einer inhaltlich nicht ausreichenden Auskunft geschuldet werde. Werde eine inhaltlich ausreichende Auskunft nicht in der begehrten Form, d.h. auf dem “vorgeschriebenen Formular” erteilt, werde dadurch trotzdem der Auskunftsanspruch erfüllt. Im Schreiben vom 19. Dezember 1989 und seiner Anlage seien die Fragen, wieviele gewerbliche Arbeitnehmer in den Monaten Januar bis Juli 1985 im Betrieb beschäftigt gewesen seien und in welcher Höhe die Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer angefallen sei, ausreichend beantwortet worden. Zwar habe der Kläger nicht die Höhe der Beitragssumme mitgeteilt. Diese sei jedoch durch die ZVK durch eine einfache Rechenoperation (19,9 % der angegebenen Bruttolohnsumme) unschwer zu ermitteln gewesen. Dies reiche zur Erfüllung der Auskunftsverpflichtung aus.
II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung zuzustimmen.
1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, daß die Klage als Vollstreckungsgegenklage nach § 767 Abs. 1 ZPO zulässig ist. Der Kläger erhebt eine Einwendung, die den durch das Versäumnisurteil festgestellten Anspruch auf Zahlung der Entschädigungssumme betrifft, dessen Vollstreckung die ZVK betreibt.
2. Die Klage ist auch begründet. Indem der Kläger die Erfüllung des Auskunftsanspruchs geltend macht, erhebt er eine Einwendung gegen den titulierten Entschädigungsanspruch. Bei einer Verurteilung nach Maßgabe des § 61 Abs. 2 ArbGG begründet die Erfüllung des Anspruchs auf Vornahme der Handlung binnen der vom Gericht bestimmten Frist eine Einwendung gegen den Entschädigungsanspruch, die dessen Vollstreckung entgegensteht. Dies folgt daraus, daß die Verurteilung zur Entschädigungszahlung nach § 61 Abs. 2 ArbGG nur für den Fall der Nichterfüllung des Anspruchs auf Vornahme der Handlung, die vorliegend in der Auskunftserteilung besteht, innerhalb der bestimmten Frist erfolgt.
3. Der Kläger hat seine Verpflichtung zur Auskunftserteilung mit Schreiben vom 19. Dezember 1989, das der ZVK nebst Anlage am 27. Dezember 1989 zuging, innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist erfüllt.
a) Die Erfüllung ist nach Schluß der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 15. September 1989 eingetreten. Sie begründet damit eine Einwendung, die nach § 767 Abs. 2 ZPO zulässigerweise mit der Vollstreckungsgegenklage geltend gemacht werden kann.
b) Die Erfüllung der Auskunftsverpflichtung ist innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist erfolgt. Diese lief erst sechs Wochen nach Zustellung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils ab.
Nach der Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts wird bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung und zur Zahlung einer Entschädigung für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist nach Maßgabe des § 61 Abs. 2 ArbGG die Frist auch noch durch die Zustellung des den Rechtsstreit beendenden Urteils in Lauf gesetzt (BAG Urteil vom 4. Oktober 1989 – 4 AZR 396/89 – BAGE 63, 91, mit zustimmenden Anmerkungen von Schwab, AR-Blattei, D, Zwangsvollstreckung E 47 und Schreiber, SAE 1991, 78).
An dieser Rechtsprechung hält der Senat, der nunmehr für Rechtsstreitigkeiten, in denen eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien Partei ist, zuständig ist, fest. Bei einer Verurteilung nach Maßgabe des § 61 Abs. 2 ArbGG kann der Beklagte nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozeßrechts und des Arbeitsgerichtsverfahrens (§§ 64, 72 ArbGG) auch gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung Rechtsmittel einlegen und in den Rechtsmittelinstanzen das Bestehen eines Auskunftsanspruchs bestreiten. Entgegen der Auffassung der ZVK wandelt sich der Auskunftsanspruch nicht schon mit Ablauf einer während des Rechtsstreits erstmalig vom Gericht bestimmten Frist in den Entschädigungsanspruch um.
Die Verurteilung zur Entschädigungszahlung setzt nach § 61 Abs. 2 ArbGG stets die Verurteilung zur Auskunftserteilung voraus. Damit würde in den Rechtsmittelinstanzen die Grundlage für eine Verurteilung zur Zahlung der Entschädigung entfallen, wenn sich der Auskunftsanspruch nach Ablauf einer erstinstanzlich gesetzten Frist schon endgültig in den Entschädigungsanspruch “umwandeln” würde (vgl. BAGE 63, 91).
Rechtsgrundlage für die Verurteilung zur Zahlung der Entschädigung ist § 61 Abs. 2 ArbGG. Danach kann die Verurteilung zur Zahlung der Entschädigungssumme nur für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist erfolgen. Für eine “Umwandlung” des Auskunftsanspruchs in den Entschädigungsanspruch nach Fristablauf ohne Auskunftserteilung fehlt es damit an einer Rechtsgrundlage.
Wird die Auskunftsverpflichtung innerhalb der Frist nicht erfüllt, geht dadurch der Auskunftsanspruch nicht unter. Dies folgt schon daraus, daß in § 61 Abs. 2 Satz 2 ArbGG nur die Vollstreckbarkeit des Auskunftsanspruchs ausgeschlossen wird. Ginge der Auskunftsanspruch nach Fristablauf unter, so wäre der Ausschluß seiner Vollstreckung überflüssig, weil ein nicht existierender Anspruch auch nicht vollstreckt werden kann. Da sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung mit Rechtsmitteln wehren kann, muß ihm die Möglichkeit verbleiben, den Auskunftsanspruch innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist auch dann zu erfüllen, wenn nach Ausschöpfung seiner Rechtsmittel endgültig feststeht, daß er zur Auskunft verpflichtet ist. Demgemäß wird die Frist zur Auskunftserteilung auch noch durch das Urteil in Lauf gesetzt, das den Rechtsstreit rechtskräftig beendet.
Ist die vom Gericht bestimmte Frist länger als die Rechtsmittelfrist, ist eine Erfüllung des Auskunftsanspruchs, entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, auch nach Eintritt der Rechtskraft möglich. Die Rechtskraft hat für die Auskunftsverpflichtung nur insoweit Bedeutung, als nunmehr zwischen den Parteien endgültig feststeht, daß eine Auskunftsverpflichtung besteht. Auch wenn diese nicht fristgerecht erfüllt wird, bleibt der Auskunftsanspruch bestehen. Der Kläger kann allerdings in diesem Falle nur die Entschädigungssumme vollstrecken, weil die Vollstreckung hinsichtlich des Auskunftsanspruchs nach § 61 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ausgeschlossen ist. Da der Auskunftsanspruch aber noch besteht, kann er eine verspätete Auskunftserteilung noch an Erfüllungs Statt annehmen.
Wird die Auskunftsverpflichtung innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist erfüllt, entsteht kein Anspruch auf die Entschädigungssumme, da die Verurteilung zur Entschädigungszahlung nach § 61 Abs. 2 ArbGG nur für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Auskunftsverpflichtung erfolgt. Deshalb ist eine Vollstreckung der Entschädigungssumme in diesem Fall unzulässig.
Soweit das Landesarbeitsgericht meint, daß die Vollstreckung von Urteilen nach Maßgabe des § 61 Abs. 2 ArbGG praktisch nicht möglich sei, wenn die Frist zur Auskunftserteilung auch noch durch das den Rechtsstreit beendende Urteil in Lauf gesetzt wird, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Für die Art und Weise der Zwangsvollstreckung kommt es nicht darauf an, ob die Vollstrekkung aus einem vorläufig vollstreckbaren oder einem rechtskräftigen Urteil durchgeführt wird. Erhält das Vollstreckungsorgan vom Gläubiger ein vorläufig vollstreckbares erstinstanzliches Urteil, in dem der Schuldner zur Auskunftserteilung verpflichtet und für den Fall der Nichterfüllung innerhalb von sechs Wochen nach Urteilszustellung zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt wird, so kann anhand der Zustellung des Urteils überprüft werden, ob die Frist abgelaufen ist und für den Fall der Nichterfüllung der Auskunftsverpflichtung die Entschädigungssumme (vorläufig) vollstreckt werden. Wird das Urteil rechtskräftig, steht fest, daß dem Gläubiger die Entschädigungssumme endgültig zusteht. Legt der Schuldner Rechtsmittel gegen die Verurteilung nach Maßgabe des § 61 Abs. 2 ArbGG ein und wird die erstinstanzliche Verurteilung bestätigt, so kann der Schuldner seine Auskunftsverpflichtung noch innerhalb der bestimmten Frist nach Zustellung dieses Urteils erfüllen. Ansonsten käme der erstinstanzlich vorläufig vollstreckbaren Verurteilung eine rechtskraftgleiche Wirkung zu, die mit den allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozeßrechts und dem Wesen der Rechtskraft, die nicht vor Erledigung eines zulässigen Rechtsmittels eintreten kann, unvereinbar wäre (vgl. BAGE 63, 91).
Erfüllt der Schuldner die Auskunftsverpflichtung innerhalb der Frist, hat der Gläubiger die vorläufig vollstreckte Entschädigungssumme zurückzuzahlen. Entgegen der Auffassung der ZVK tritt dadurch kein unzumutbares Risiko für den Gläubiger bei einer Vollstreckung eines Urteils nach § 61 Abs. 2 ArbGG ein. Erhebt ein Kläger eine Klage nach Maßgabe des § 61 Abs. 2 ArbGG, so läßt er dem Beklagten bei einer Verurteilung die Wahl, ob er seiner Pflicht zur Auskunftserteilung innerhalb der Frist nachkommt oder die Frist ablaufen läßt und dann nur noch die Entschädigungssumme schuldet. Da der Beklagte ein solches Urteil mit Rechtsmitteln angreifen kann, bleibt ihm diese Wahlmöglichkeit unabhängig davon, in welcher Instanz seine Verurteilung letztlich erfolgt. Vollstreckt der Gläubiger aus einem nur vorläufig vollstreckbaren Urteil, so geht er, wie jeder andere Gläubiger auch, das Risiko ein, daß die Entscheidung im Rechtsmittelzug aufgehoben wird und er die vorläufig vollstreckte Entschädigungssumme zurückzahlen muß. Daß ein Anspruch auf eine Entschädigungssumme, die vorläufig vollstreckt wurde, endgültig nicht entsteht, wenn der Schuldner die Auskunft erst nach einer Verurteilung durch das Rechtsmittelgericht erteilt, beruht somit auf den Besonderheiten einer Klage nach § 61 Abs. 2 ArbGG. Diese Klageart hat die ZVK aber selbst gewählt. Den sich daraus nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen ergebenden Konsequenzen kann deshalb nicht dadurch begegnet werden, daß dem Schuldner die Möglichkeit genommen wird, den in erster Linie geltend gemachten Auskunftsanspruch auch noch nach einer Verurteilung im Rechtsmittelzug zu erfüllen.
Demgemäß konnte der Kläger die Auskunft noch bis zum Ablauf von sechs Wochen nach Zustellung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils erteilen. Der Kläger ist durch Versäumnisurteil vom 6. Juni 1988 nach Maßgabe des § 61 Abs. 2 ArbGG verurteilt worden. Dieses Urteil war vorläufig vollstreckbar. Mit Urteil vom 7. September 1988 hat das Arbeitsgericht das Versäumnisurteil aufgehoben. Damit lag von diesem Zeitpunkt an keine vollstrekkungsfähige Entscheidung mehr vor. Erst mit Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 15. September 1989 wurde die Verurteilung durch das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Damit stand erst aufgrund des landesarbeitsgerichtlichen Urteils fest, daß der Kläger zur Auskunftserteilung und für den Fall der Nichterfüllung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieses Urteils, die am 27. November 1989 erfolgte, zur Entschädigungszahlung verpflichtet war.
4. Der Kläger hat seine Auskunftsverpflichtung gemäß Ziffer 1.1 des Tenors des Versäumnisurteils vom 6. Juni 1988 mit Schreiben vom 19. Dezember 1989, das nebst der Anlage der ZVK am 27. Dezember 1989 und damit vor Ablauf der sechswöchigen Frist zuging, erfüllt.
Welche Anforderungen an die Erfüllung der tariflichen Auskunftsverpflichtung zu stellen sind, haben die Tarifvertragsparteien in § 27 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) im Rahmen der ihnen zustehenden Rechtssetzungsautonomie im einzelnen geregelt. Diese Regelung sieht u.a. vor, daß der Einzugsstelle monatlich oder vier- bzw. fünfwöchentlich (Abrechnungszeitraum) spätestens bis zum 15. des folgenden Monats, auf einem von der Einzugsstelle zur Verfügung zu stellenden Formular die Bruttolohnsumme für den Abrechnungszeitraum zu melden ist. Auf dem Formular hat der Arbeitgeber ferner anzugeben:
- Name, Anschrift und Betriebskontonummer,
- den für den Abrechnungszeitraum fällig gewordenen Sozialkassenbeitrag für gewerbliche Arbeitnehmer,
- …
- jeweils die Zahl aller von diesem Tarifvertrag erfaßten gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Betriebes für den Abrechnungszeitraum.
Nach § 27 Abs. 5 VTV ist die Verpflichtung zur Beitragsmeldung erst mit der vollständigen und richtigen Erteilung der Auskünfte erfüllt.
Darauf, ob der Kläger diesen Anforderungen mit seiner Auskunftserteilung in vollem Umfange genügt hat, kommt es jedoch nicht entscheidend an. Maßgebend für die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 6. Juni 1988 hinsichtlich der Entschädigungssumme ist vielmehr, ob der Kläger der Verurteilung zur Auskunftserteilung nach Ziffer 1.1 des Versäumnisurteils nachgekommen ist. Zur Auslegung des Tenors ist allerdings der Sachvortrag der ZVK hinsichtlich der tariflichen Grundlagen der Auskunftsverpflichtung mit heranzuziehen.
a) Danach hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 19. Dezember 1989 nebst Anlage die ausgeurteilte Auskunftsverpflichtung erfüllt. In dem Schreiben des Steuerberaters, das als Anlage dem Schreiben des Klägers vom 19. Dezember 1989 beigefügt war, sind die in den Monaten Januar bis Juli 1985 beschäftigten Arbeitnehmer aufgeführt und ihnen unterschiedliche Geldbeträge zugeordnet. Damit hat der Kläger dem Tenor des Versäumnisurteils insoweit genügt, als er die Anzahl der Arbeitnehmer und die von ihnen im Klagezeitraum insgesamt erzielte Bruttolohnsumme angegeben hat. Aus dem Schreiben des Klägers vom 19. Dezember 1989 geht nämlich hervor, daß er mit der beigefügten Aufstellung seines Steuerberaters die “gewünschte Auskunft” erteilen wollte. Deshalb mußte die ZVK davon ausgehen, daß es sich bei den Arbeitnehmern um solche handelte, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten und daß die angegebenen Geldbeträge den Bruttolohn auswiesen. Dabei bezieht sich die Bruttolohnsumme allerdings jeweils auf den Gesamtverdienst eines Arbeiters in den Monaten Januar bis Juli 1985. Dies reicht jedoch entgegen der Auffassung der ZVK zur Erfüllung der Auskunftsverpflichtung nach Ziffer 1.1 des Versäumnisurteils aus. Das Versäumnisurteil enthält nämlich keine Verurteilung zur Mitteilung der Bruttolohnsumme bezogen auf jeden Kalendermonat, sondern legt ausdrücklich die Verpflichtung fest, die Bruttolohnsumme mitzuteilen, die insgesamt in den genannten Monaten angefallen ist.
b) Die ZVK wendet gegen die Erfüllung ferner ein, daß die Auskunft nicht auf dem “vorgeschriebenen Formular” erfolgt ist und die Beitragshöhe nicht angegeben wurde. Auch damit kann sie keinen Erfolg haben.
Durch die tarifliche Festlegung der Art und des Umfangs der Auskunftspflicht soll sichergestellt werden, daß die ZVK die ihr übertragenen Aufgaben auch im Rahmen des anfallenden Massenbetriebes erledigen kann. Dem trägt der Umstand Rechnung, daß die Auskunft auf dem vorgeschriebenen Formular zu erteilen und auch die Beitragshöhe anzugeben ist. Zutreffend führt das Landesarbeitsgericht jedoch aus, daß die Verurteilung zur Auskunftserteilung nach dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung, die bei der Auslegung des Tenors des Urteils zu berücksichtigen ist, dazu dient, vom tarifunterworfenen Arbeitgeber die Auskünfte zu erhalten, die die ZVK in die Lage versetzen, ihre tariflichen Aufgaben hinsichtlich des Beitragseinzugs zu erfüllen. Zur Geltendmachung des Beitragseinzugs reicht aber die Angabe der Anzahl der Arbeitnehmer und die von ihnen erzielte Bruttolohnsumme aus. Die ZVK kann daraus durch eine einfache Rechenoperation (hier: 19,9 v. H. der Bruttolohnsumme) die Beitragshöhe ermitteln. Sie ist auch ohne weiteres in der Lage, die erteilte Auskunft ohne die Verwendung des vorgeschriebenen Formulars ihrer Beitragsberechnung zugrunde zu legen. Der Gesichtspunkt der ansonsten notwendigen Verfahrensvereinfachung greift dann nicht durch, wenn ohnehin ein Rechtsstreit hinsichtlich der Frage der Tarifunterworfenheit geführt und die Auskunft im Zuge dieses Rechtsstreits erteilt wird. Im übrigen hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, daß ihm entgegen der Regelung in § 27 Abs. 1 VTV trotz entsprechender Aufforderungen von der ZVK kein Formular zur Verfügung gestellt worden ist.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Kähler, Seyd
Fundstellen
Haufe-Index 846720 |
NZA 1993, 520 |