Normenkette
BAT § 44 Abs. 1 Nr. 3, § 69; LUKG BW § 2 Abs. 3 Nr. 1; ZPO §§ 139, 286
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.09.1988; Aktenzeichen 13 Sa 10/88) |
ArbG Mannheim (Teilurteil vom 27.11.1987; Aktenzeichen 11 Ca 221/87) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. September 1988 – 13 Sa 10/88 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war als Beamter auf Zeit Hochschulassistent an der Universität Bielefeld. Seit dem 15. Dezember 1984 war er bei der Beklagten in M. wissenschaftlicher Mitarbeiter für den Bereich linguistische Pragmatik. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 18. Dezember 1984 bestimmte sich das Arbeitsverhältnis „in Anlehnung an die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen”. Für die Dauer der bis zum 14. Dezember 1986 befristeten Beschäftigung ließ der Kläger sich aus dem Beamtenverhältnis beurlauben. Der Kläger zog nicht mit seiner Familie von Bielefeld nach M. um. Er erhielt von der Beklagten Trennungsgeld.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 1986 bot die Beklagte dem Kläger die unbefristete Einstellung an. Der Kläger verlangte, ihm vor Unterzeichnung des weiteren Arbeitsvertrags Umzugskostenvergütung zuzusagen. Die Beklagte ersuchte das Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg, von dem sie bezuschußt wird und demgegenüber sie verpflichtet ist, die für das Land Baden-Württemberg geltenden Vorschriften einzuhalten, die Angelegenheit von dem zuständigen Referat prüfen zu lassen. Noch bevor das Ministerium abschließend Stellung genommen hatte, unterschrieb der Kläger den neuen Arbeitsvertrag und schied aus dem Beamtenverhältnis aus. Im Gegensatz zur Beklagten vertrat das Ministerium die Auffassung, eine Umzugskostenzusage könne nicht erteilt werden, weil ein besonderes dienstliches Interesse an der Einstellung des Klägers nicht vorliege. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1986 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf die fehlende Zustimmung des Ministeriums die Umzugskostenzusage ab. Im April 1987 zog der Kläger mit seiner Familie von Bielefeld nach M. um.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BAT in Verb. mit § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Landesumzugskostengesetzes (LUKG BW) i.d.F. vom 4. März 1975 (GBl BW S. 176) Anspruch auf Zahlung von Umzugskostenvergütung in Höhe der ihm – unstreitig – entstandenen Kosten. Das nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 BAT erforderliche dringende dienstliche Bedürfnis der Beklagten an seiner Einstellung ergebe sich schon daraus, daß die Beklagte in dem Schriftwechsel mit dem Ministerium die Auffassung vertreten habe, die Voraussetzungen der Zusage lägen vor. Es sei sachfremd, wenn die Beklagte zur Begründung ihrer ablehnenden Entscheidung allein auf die fehlende Zustimmung des Ministeriums verweise. Außerdem werde er ungleich behandelt. Anderen wissenschaftlichen Mitarbeitern habe die Beklagte bei der Einstellung stets Umzugskostenvergütung zugesagt. Der Kläger hat, soweit in der Revisionsinstanz erheblich, beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.831,90 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juni 1987 zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Zusage auf Zahlung von 6.831,90 DM Umzugskosten zu erteilen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, das dringende dienstliche Bedürfnis liege nicht vor. Dies ergebe sich aus der Stellungnahme des Ministeriums und daraus, daß der Kläger letztlich doch den neuen Arbeitsvertrag unterschrieben habe, ohne die Entscheidung über seinen Antrag abzuwarten. Aber selbst wenn das dringende dienstliche Bedürfnis bejaht werde, stehe dem Kläger der Anspruch nicht zu. Vielmehr liege die Entscheidung in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Die Ablehnung beruhe auf sachbezogenen Erwägungen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Eine einheitliche Handhabung der Erstattung von Umzugskosten gebe es in ihrem Betrieb nicht. Die vom Kläger angeführten Fälle seien nicht vergleichbar.
Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil dem Hilfsantrag des Klägers entsprochen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Teilurteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage, soweit diese Gegenstand der Berufung war, zu Recht als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zusage der Umzugskostenvergütung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, es könne dahinstehen, wie der Tarifbegriff des „dringenden dienstlichen Bedürfnisses” zu bestimmen sei und ob die sonstigen Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BAT vorlägen. Diese Tarifnorm verweise rechtswirksam auf das für Beamte geltende Umzugskostenrecht. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 LUKG BW brauche aber der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes auch dann keine Umzugskostenvergütung zuzusagen, wenn die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen. Der Arbeitnehmer habe nur Anspruch darauf, daß sich der Arbeitgeber bei der Entscheidung nicht von sachfremden Überlegungen leiten lasse und die gleichen Grundsätze wie bei Beamten beachte. Die Beklagte habe nicht rechtswidrig entschieden. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe die Beklagte weder die tariflichen und gesetzlichen Voraussetzungen der Zusage zugestanden noch die sie begründenden Tatsachen unstreitig gestellt, indem sie dem Ministerium gegenüber den Wunsch geäußert habe, die Zusage zu erteilen. Nicht zu beanstanden sei, daß die Beklagte sich bei der Ermessensentscheidung von dem Bestreben habe leiten lassen, ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Land Baden-Württemberg einzuhalten. Auch habe die Beklagte den Kläger nicht ungleich behandelt. Es sei schon zweifelhaft, ob die in Betracht kommenden Fälle zahlenmäßig ausreichten, um das „Bestehen einer bestimmten Ordnung” festzustellen. Jedenfalls habe der Kläger nicht vorgetragen, daß die drei von ihm zum Vergleich herangezogenen Fälle auch tatsächlich vergleichbar gewesen seien.
II. Diese Ausführungen halten jedenfalls im Ergebnis revisionsgerichtlicher Prüfung stand.
1. Als Grundlage für die vom Kläger begehrte Umzugskostenzusage kommt nach der Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrags, die mit der in § 2 des befristeten Arbeitsvertrags vom 18. Dezember 1984 übereinstimmt, § 44 BAT in Betracht. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung sind für die Gewährung von Umzugskostenvergütung die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen mit den im einzelnen in den Nummern 1 bis 5 aufgeführten Maßgaben sinngemäß anzuwenden. Beschäftigt ein Arbeitgeber, wie z.B. die Beklagte, keine Beamten, so sind die für die Beamten der Sitzgemeinde des. Arbeitgebers geltenden Vorschriften maßgebend (§ 2 des Arbeitsvertrags in Verb. mit § 69 BAT). Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht somit angenommen, daß der Anspruch des Klägers nach dem Landesumzugskostengesetz für das Land Baden-Württemberg zu beurteilen ist, soweit nicht die genannte Tarifnorm besondere Regelungen trifft.
Nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 LUKG BW kann die Umzugskostenvergütung zugesagt werden für Umzüge aus Anlaß der Einstellung an einem anderen Ort als dem bisherigen Wohnort, sofern ein besonderes dienstliches Interesse an der Einstellung vorliegt. Das Gesetz räumt dem Dienstherrn ein Handlungsermessen ein, wenn die Voraussetzungen des unbestimmten Rechtsbegriffs „besonderes dienstliches Interesse” vorliegen. In § 44 Abs. 1 Nr. 3 BAT haben die Tarifpartner wegen der unterschiedlichen Formulierungen der Umzugskostengesetze im Bund und in den Ländern anstelle des besonderen dienstlichen Interesses ein dringendes betriebliches Interesse gefordert und die Voraussetzungen der Erstattungszusage darüber hinaus verschärft. Die Zusage der Umzugskostenerstattung darf bei der Einstellung nur erteilt werden, wenn der Angestellte den Arbeitsplatz zur Befriedigung eines „dringenden dienstlichen Bedürfnisses” auf die Dauer von mindestens zwei Jahren besetzen soll.
2. Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß die Beklagte nicht zur Erteilung der Zusage verpflichtet war.
a) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Voraussetzungen des Klageanspruchs nur bezogen auf den Zeitpunkt des Abschlusses des unbefristeten Arbeitsvertrags (1986) geprüft. Der Vortrag des Klägers ist eindeutig auf die Tatsachen gerichtet, die den Anspruch für einen Umzug in diesem Zeitpunkt begründen. Ob der Kläger bei der ersten Einstellung im Jahr 1984 einen Anspruch auf Zusage der Umzugskosten gehabt hätte, ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß offenbleiben kann, ob die Einstellung des Klägers, wie dieser meint, einem dringenden dienstlichen Bedürfnis der Beklagten entsprach, oder ob der Beklagten darin zu folgen wäre, daß ein solches nicht bestand oder jedenfalls dadurch entfallen ist, daß der Kläger den unbefristeten Arbeitsvertrag unterschrieben hat, ohne die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung der Zusage abzuwarten. Auch wenn man das dringende dienstliche Bedürfnis der Beklagten an der Einstellung des Klägers unterstellt, steht diesem kein Anspruch auf Zusage der Umzugskostenvergütung zu.
b) Die Zusage wäre nicht die einzige ermessensfehlerfreie Entscheidung gewesen, die die Beklagte treffen konnte.
Verweist ein Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes – wie hier § 44 BAT – auf die für die Beamten des Arbeitgebers geltenden Bestimmungen, so soll den Arbeitnehmern insoweit dieselbe Rechtsstellung wie den Beamten eingeräumt werden. Hinsichtlich der Voraussetzungen, des Umfangs und der Dauer der zu gewährenden Leistungen soll der Arbeitnehmer nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden als der vergleichbare Beamte. Soweit die Leistungsgewährung nach den für Beamte geltenden Vorschriften im Ermessen des Dienstherrn steht, gelten auch für den Arbeitnehmer nicht die zu § 315 BGB, sondern die zum Verwaltungsermessen entwickelten Grundsätze; dabei müssen Beamte und Arbeitnehmer gleich behandelt werden (vgl. BAGE 41, 47 = AP Nr. 7 zu § 44 BAT; BAG Urteil vom 16. Januar 1985 – 7 AZR 270/82 – AP Nr. 9 zu § 44 BAT).
Ohne eine positive Ermessensentscheidung kann ein Anspruch nur gegeben sein, wenn im Einzelfall jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre (vgl. Kopp, VwGO, 8. Aufl., § 114 Rz 6, m.w.N.). Das ist hier jedoch nicht der Fall.
aa) Die Beklagte hatte sich nicht durch ihr Verhalten dem Kläger gegenüber in ihrem Ermessen gebunden.
Dadurch, daß die Beklagte dem Ministerium gegenüber die Auffassung vertreten hat, die Umzugskostenvergütung sei zuzusagen, hat sie sich dem Kläger gegenüber nicht zu einer positiven Entscheidung über den Antrag verpflichtet. Die Beklagte hat dem Kläger zu keinem Zeitpunkt in Aussicht gestellt, er erhalte die Zusage unabhängig von der Stellungnahme des Ministeriums. Eine entsprechende Tatsachenbehauptung hat der Kläger auch nicht aufgestellt.
bb) Aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung war die Beklagte nicht verpflichtet, ihre Ermessensentscheidung in einer dem Antrag des Klägers stattgebenden Weise auszuüben.
Die Schranken der Ermessensausübung sind überschritten, wenn der Arbeitgeber von seiner bisher in vergleichbaren Fällen eingehaltenen und auch weiterhin beabsichtigten ständigen Praxis abweicht (vgl. dazu Kopp, a.a.O., m.w.N.). Einen solchen Verstoß hat die Beklagte jedoch entgegen der Auffassung des Klägers nicht begangen.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde die Zusage von Umzugskostenvergütung bei Neueinstellungen im Betrieb der Beklagten wie folgt gehandhabt: Im Jahr 1981 erhielten zwei Mitarbeiter eine Erstattungszusage. Ein weiterer Mitarbeiter (H.) erhielt 1986 eine Pauschalvergütung von 5.000,– DM. Ein vierter, der seit 1. April 1987 für zwei Jahre eingestellt wurde, erhielt keine Umzugskostenzusage, statt dessen aber Trennungsgeld wie der Kläger. Ein fünfter, seit dem 1. Juni 1987 ebenfalls befristet beschäftigter Mitarbeiter (N.) hat keinerlei Zusage auf Leistungen erhalten. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht diesen Feststellungen entnommen, daß es an einer einheitlichen Praxis im Betrieb der Beklagten fehlte.
Der Kläger hat die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in revisionsrechtlich erheblicher Weise angegriffen. Auf S. 7 der Revisionsbegründung rügt der Kläger, das Landesarbeitsgericht habe nicht beachtet, daß nur Einstellungen in etwa gleiche Positionen vergleichbar seien, dazu habe die Beklagte in der Berufungsbegründung vorgetragen. Soweit der Kläger damit beanstandet, das Landesarbeitsgericht habe § 286 ZPO verletzt, ist seine Rüge unbegründet. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beruhen auf dem von dem Kläger bezeichneten und von ihm nicht bestrittenen Vortrag auf S. 7 und 8 der Berufungsbegründung. Die Rüge einer Verletzung des § 139 ZPO, die der Kläger offenbar in diesem Zusammenhang auf S. 8 der Revisionsbegründung ausdrücklich erhebt, ist unzulässig. Der Kläger hat nicht vorgetragen, welche Frage das Berufungsgericht ihm hätte stellen sollen und was er daraufhin behauptet hätte.
Da es an der einheitlichen Handhabung im Betrieb der Beklagten fehlte, bedarf es keiner Stellungnahme zu der am Ende des angefochtenen Urteils erörterten Frage, welche Anforderungen an den auf die Vergleichbarkeit der übrigen Fälle gerichteten Vortrag des Klägers zu stellen gewesen wären.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Freitag, Schliemann, Carl, Spiegelhalter
Fundstellen