Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag wegen mangelnden Bedarfs (Lehrer für untere Klassen)
Normenkette
Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2; BGB §§ 242, 315; KSchG §§ 1, 4, 7
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. Juli 1994 – 3 Sa 664/93 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 2 der Anlage I zum Einigungsvertrag (fortan: Abs. 4 Ziff. 2 EV) stützt.
Die im Jahre 1955 geborene Klägerin ist verheiratet und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Sie war seit dem 1. August 1976 im Schuldienst der ehemaligen DDR als Lehrerin für untere Klassen tätig. Sie arbeitete zuletzt im Schulamtsbezirk M. zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 2.620,33 DM.
Mit Schreiben vom 26. Mai 1992 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 1992. Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin am 27. Mai 1992 zu.
Mit der am 2. Juni 1992 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung und einen Anspruch auf tatsächliche Weiterbeschäftigung geltend gemacht. Die Klägerin ist der Auffassung, für die ausgesprochene Kündigung fehle es an einem Kündigungsgrund, die gesetzlich erforderliche Beteiligung des Bezirkspersonalrats als zuständige Personalvertretung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt und der Beklagte habe die Grundsätze einer sozialen Auswahl mißachtet.
Die Klägerin hat beantragt,
- es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 26.05.1992 zum 31.07.1992 nicht aufgelöst worden ist, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht.
- Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. wird der Beklagte verurteilt, die Klägerin zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Lehrerin weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat behauptet, im Bereich des Schulamtes des Landkreises M. sei im Bereich der Lehrer mit einer Ausbildung für untere Klassen ein Überhang von 41 Vollzeitstellen vorhanden gewesen. An der Grundschule M. habe aufgrund der vorhandenen Klassenzahl, der vorgegebenen Stundentafeln und unter Berücksichtigung etwaiger Abminderungsstunden ausgehend von einer Pflichtstundenzahl von 27 Unterrichtsstunden/wöchentlich ein Bedarf von 14,7 Vollzeitlehrerstellen bestanden. Demgegenüber seien zum Kündigungszeitpunkt an der Grundschule M. 23 Grundschullehrer tätig gewesen, so daß sich ein Überhang von 8,3 Lehrerstellen ergeben habe. Die nach Auffassung des Beklagten grundsätzlich nicht erforderliche Sozialauswahl sei rein vorsorglich anhand der Bewertungsmaßstäbe Dauer der Zugehörigkeit zur Dienststelle, Lebensalter, Familienstand, Anzahl der Unterhaltsberechtigten, Einkünfte von Ehegatten, etwaige Nebenverdienste, Umschulungsmöglichkeiten und andere Berufsaussichten sowie der Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Vorruhestandsgeldes jeweils bezüglich jeder einzelnen Grundschule durchgeführt worden. Darüber hinaus seien Leistungsgesichtspunkte berücksichtigt worden. Dies habe für die Grundschule M. bedeutet, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch Kündigung zu beenden gewesen sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Kündigungsschutzklage nicht stattgegeben werden. Eine Entscheidung über die Wirksamkeit der angefochtenen Kündigung ist dem Senat nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen nicht möglich. Die Sache ist deshalb zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 1 KSchG sozial ungerechtfertigt und unwirksam. Im Rahmen der Bedarfskündigung nach Abs. 4 Ziff. 2 EV sei die Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer unter Beachtung sozialer Elemente nach den Grundsätzen von Treu und Glauben und der Billigkeit unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes und des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorzunehmen. Diesen Grundsätzen habe die Auswahlentscheidung nicht entsprochen, denn der Beklagte habe die Auswahlentscheidung fehlerhaft auf den Bereich der einzelnen Schule beschränkt. Richtigerweise wäre die Auswahlentscheidung auf der Ebene des Schulamtes vorzunehmen gewesen. Damit habe der Beklagte soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt. Eine nachträgliche Ausdehnung der Auswahl auf den gesamten Schulamtsbezirk sei nicht möglich, weil insofern der Bezirkspersonalrat nicht beteiligt worden sei. Dieser sei für die Mitbestimmung zuständig, denn die Kündigung sei durch das Schulamt und nicht durch das Kultusministerium erklärt worden.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
I. Die Antragsbegründung der Kündigungsschutzklage behandelt ausschließlich die Frage, ob die Kündigung vom 26. Mai 1992 wirksam ist. Die Auslegung des Klagantrags ergibt daher, daß die Klägerin nur eine Kündigungsschutzklage im Sinne von §§ 4, 7 KSchG, jedoch keine weitergehende Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erhoben hat (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969).
II. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, weil die Auswahlentscheidung des Beklagten §§ 242, 315 BGB verletzt habe, ist rechtsfehlerhaft.
1. Wie der Senat mit Urteil vom 19. Januar 1995 (– 8 AZR 914/93 – AP Nr. 12 zu Art. 13 Einigungsvertrag) ausgeführt hat, findet § 1 Abs. 3 KSchG auf die nach Abs. 4 Ziff. 2 EV erforderliche Auswahlentscheidung keine Anwendung.
a) Abs. 4 EV ersetzt in seinem Regelungsbereich die allgemeinen Vorschriften des § 1 KSchG. Die Maßgabe des Abs. 4 EV legen sachliche Gründe fest, aus denen eine ordentliche Kündigung unabhängig von § 1 KSchG möglich ist (BAG 71, 221, 224 = AP Nr. 3 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, u I 3 der Gründe; BAGE 72, 361, 364 = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B I 2 der Gründe; BAGE 74, 120, 124 = AP Nr. 8 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu B II 4 a der Gründe; Urteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu II 1 der Gründe; BAGE 76, 142, 145 f. = AP Nr. 21 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu II 3 b aa der Gründe; BAGE 76, 317, 320 f. = AP Nr. 12 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu I 2 b aa der Gründe). § 1 Abs. 3 KSchG bezieht sich demgegenüber schon nach seinem Wortlaut nur auf betriebsbedingte Kündigungen im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Eine Verweisung auf § 1 Abs. 3 KSchG ist in Abs. 4 EV unterblieben.
b) Zu den sachlichen, die Kündigung insgesamt rechtfertigenden Gründen nach Abs. 4 Ziff. 2 EV gehört auch die Frage der Verwendbarkeit und damit die Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers. Die Bestimmung konkretisiert damit nicht etwa nur den Begriff der dringenden betrieblichen Erfordernisse, sondern stellt eine eigenständige und abschließende Regelung zur Rechtfertigung der Kündigung auch im Hinblick auf § 1 Abs. 3 KSchG dar. Das entspricht dem Zweck der Vorschrift, im vielfach überbesetzten öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR die Trennung von nicht mehr benötigten Arbeitnehmern zu erleichtern, Personal einzusparen und den raschen Aufbau einer leistungsfähigen Verwaltung zu gewährleisten. Wollte man in Abs. 4 Ziff. 2 EV nur eine Konkretisierung des § 1 Abs. 2 KSchG sehen, hätte es einer besonderen Regelung kaum bedurft. Zwar ist das Kündigungsschutzgesetz in Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 6 EV im Beitrittsgebiet mit bestimmten hier nicht weiter interessierenden Maßgaben in Kraft gesetzt worden. Gemäß Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 1 EV steht das einer Eigenständigkeit des Sonderkündigungsrechts in Abs. 4 EV aber nicht entgegen.
c) Findet danach § 1 Abs. 3 KSchG auf die Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers bei der Kündigung nach Abs. 4 Ziff. 2 EV keine Anwendung, so unterliegt die Auswahlentscheidung nicht etwa einem freien, der gerichtlichen Überprüfung entzogenen Ermessen des Arbeitgebers. Vielmehr bleibt der Maßstab von Treu und Glauben bestehen, soweit es beim Kündigungsschutz an einer gesetzlichen Konkretisierung fehlt. Der Arbeitgeber darf daher im Rahmen des Abs. 4 EV nicht willkürlich handeln oder besonders schutzwürdige Arbeitnehmer vorrangig entlassen. Er muß seine einseitige, einzelne Arbeitnehmer belastende Auswahlentscheidung nach vernünftigen, sachlichen Gesichtspunkten treffen und billiges Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) wahren. Insbesondere darf er nicht nur eigene Belange berücksichtigen. Bei Anwendung der Generalklauseln der §§ 242, 315 BGB sind das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zur Geltung zu bringen. Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann bei dem Massentatbestand der Bedarfskündigung nicht außer acht bleiben. Der öffentliche Arbeitgeber hat bei der Auswahl deshalb auch die sozialen Gesichtspunkte ausreichend zu berücksichtigen. Dienstliche Gründe und soziale Belange des Arbeitnehmers sind gegeneinander abzuwägen. Eine analoge Anwendung von § 1 Abs. 3 KSchG stellt das nicht dar.
d) Die Bedeutung des Sozialstaatsprinzips verbietet es nach Auffassung des Senats, dienstlichen Auswahlbelangen des Arbeitgebers eine Vorrangtendenz einzuräumen. Solche Belange sind vielmehr in die Abwägung der beiderseitigen Interessen einzustellen. Sie können je nach ihrem Gewicht dazu führen, daß einem nach sozialen Gesichtspunkten an sich schutzwürdigen Arbeitnehmer zu Recht gekündigt wird. Aufgabe der Gerichte ist es, das Gewicht einzelner dienstlicher Auswahlbelange im Verhältnis zu einer höheren sozialen Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers zu bestimmen. Fehlt es an der Darlegung konkreter dienstlicher Belange, so bleibt allein die Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten.
e) Als zu berücksichtigende soziale Gesichtspunkte kommen wie bei § 1 Abs. 3 KSchG zunächst das Lebensalter und die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers in Betracht. Älteren Arbeitnehmern und solchen mit Unterhaltspflichten kommt ein höherer Schutz zu. Demgegenüber tritt die Bedeutung der Dauer der Betriebszugehörigkeit für den Kündigungstatbestand des Abs. 4 Ziff. 2 EV deutlich zurück. Eine freie Wahl des Arbeitsplatzes bestand in der ehemaligen DDR praktisch nicht. Die Berufsausübung im Anschluß an die Ausbildung war weitgehend vorgegeben. Dem Gesichtspunkt der Betriebszugehörigkeit ist daher durch die Berücksichtigung des Lebensalters regelmäßig ausreichend Rechnung getragen.
f) Für die Darlegungs- und Beweislast ergeben sich folgende Grundsätze:
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber im Umfangs einer materiellrechtlichen Auskunftspflicht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz KSchG auf Verlangen des Arbeitnehmers auch im Kündigungsschutzprozeß die Gründe darzulegen, die ihn zu der getroffenen sozialen Auswahl veranlaßt haben. Im übrigen trägt der Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergeben soll, daß der Arbeitgeber bei der Auswahl soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat (BAG Urteil vom 24. März 1983 – 2 AZR 21/82 – BAGE 42, 151, 160 f. = AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B III 2 c der Gründe; Urteil vom 21. Juli 1988 – 2 AZR 75/88 – AP Nr. 17 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu II 2 a, b der Gründe; Urteil vom 15. Juni 1983 – 2 AZR 580/88 – BAGE 62, 116, 125 f. = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu B II 3 b aa der Gründe; Urteil vom 5. Mai 1994 – 2 AZR 917/93 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu II 3 b aa der Gründe; KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 369 ff., 374 ff.).
bb) Auch einen etwaigen Verstoß gegen Treu und Glauben muß der Arbeitnehmer rügen. Ohne seine Behauptung, die Auswahlentscheidung sei fehlerhaft getroffen worden, besteht kein Anlaß für den Arbeitgeber, auf diese Frage einzugehen. Der Arbeitgeber muß von sich aus nur die betrieblichen Gründe darlegen.
cc) Ist der Arbeitnehmer nicht in der Lage, substantiiert zur Auswahl Stellung zu nehmen, so muß der Arbeitgeber die Gründe für die getroffene Auswahl darlegen, wenn der Arbeitnehmer ihn hierzu auffordert. Das entspricht § 242 BGB. Allein der Arbeitgeber, der zwangsläufig die Auswahl getroffen hat, vermag vollständig hierzu vorzutragen. Der Arbeitnehmer kann die „innere Tatsache” der Auswahlentscheidung nicht kennen und müßte weitgehend „ins Blaue hinein” vortragen. An das Auskunftsverlangen sind keine hohen Anforderungen zu stellen.
dd) Kommt der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen des Arbeitnehmers nach, so hat letztlich der Arbeitnehmer einen Verstoß gegen Treu und Glauben zu beweisen. Es geht zu seinen Lasten, wenn er die ungenügende Berücksichtigung sozialer Belange nicht beweisen kann.
g) Für die Beurteilung ist die Situation im Schulamtsbezirk maßgebend, weil der Beklagte in diesem Rahmen Bedarf oder Überhang an einzelnen Schulen durch Versetzungen ausgleichen kann und muß. Die Bedarfslage an den einzelnen Schulen ist demgegenüber zufällig; sie vermittelt kein zutreffendes Bild des wirklichen Bedarfs beim Beklagten. Andererseits wäre eine ausschließlich landesweite Berechnung schon deshalb ungeeignet, weil der Beklagte die Lehrer nicht landesweit beliebig einsetzen kann (vgl. auch BAG Urteile vom 17. Mai 1984 – 2 AZR 109/83 – BAGE 46, 191, 200 ff. = AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu C II, III der Gründe; vom 23. August 1984 – 2 AZR 390/83 –nicht veröffentlicht, zu III 2 der Gründe; ferner Urteil vom 30. Mai 1985 – 2 AZR 321/84 – AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 1 der Gründe).
2. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend angenommen, es komme für die Auswahlentscheidung nicht auf die einzelne Schule, sondern den Schulamtsbezirk an, jedoch übersehen, daß allein eine im Ergebnis fehlerhafte Auswahlentscheidung wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben gemäß §§ 242, 315 BGB unwirksam sein kann. Hierzu bedürfte es der Feststellung konkreter Tatsachen, die die Treuwidrigkeit der streitgegenständlichen Kündigung belegen. Daß der Beklagte die Auswahlentscheidung in einem zu engen Rahmen vorgenommen hat, belegt nicht, daß die Entscheidung, beurteilt nach den Verhältnissen im größeren Rahmen des Schulamtsbezirks, wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unwirksam sein muß.
3. Die Würdigung der Auswahlentscheidung anhand von §§ 242, 315 BGB hat sich allein auf vergleichbare Arbeitnehmer zu beziehen. Insofern hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Dabei sind von den sieben durch die Klägerin benannten Lehrern und Lehrerinnen die Kollegen nicht vergleichbar, die aufgrund der im Vorfeld der auszusprechenden Kündigung auf die Umfrage des Beklagten erklärt haben, sie seien mit dem Wechsel in ein Teilzeitarbeitsverhältnis einverstanden und eine entsprechende Vertragsänderung tatsächlich vollzogen haben. Da die Klägerin kein entsprechendes Angebot zum Abschluß eines Teilzeit-Änderungsvertrages abgegeben hatte, bestand hinsichtlich ihrer Person keine Austauschbarkeit mit den Lehrern bzw. Lehrerinnen, die im Interesse aller Kollegen mit einer Reduzierung ihrer Arbeitszeit einverstanden waren.
4. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts die gegebenenfalls notwendig gewesene Beteiligung der Personalvertretung einer Berücksichtigung der im Beteiligungsverfahren nicht angesprochenen Sozialdaten nicht entgegensteht. Hat der Beklagte der Personalvertretung seine Gründe der Auswahl mitgeteilt, ist es Sache des Arbeitnehmers, die eine Treuwidrigkeit der Kündigung im Sinne einer Einwendung belegenden Tatsachen in den jeweiligen Rechtsstreit einzubringen. Ein „Nachschieben von Kündigungsgründen” liegt hierin nicht, vielmehr macht der Arbeitnehmer die einen Unwirksamkeitsgrund belegenden Tatsachen geltend. Wäre somit die Klägerin in der Lage, eine an einer anderen Grundschule des Schulamtsbezirks M. tätige Lehrkraft zu bezeichnen, die sozial weniger schutzbedürftig als sie ist und über ähnliche Leistungseinschätzungen verfügt, wäre der Beklagte nicht unter dem Gesichtspunkt einer Beteiligung der Personalvertretung gehindert, dem durch substantiierten Sachvortrag entgegenzutreten.
III. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 4 Ziff. 2 EV nicht festgestellt. Dies wird gegebenenfalls anhand der vom Beklagten auch für den Schulamtsbezirk vorgetragenen Daten nachzuholen sein.
IV. Ob der Wirksamkeit der Kündigung personalvertretungsrechtliche Gründe entgegenstehen, kann noch nicht abschließend beurteilt werden.
1. Insofern kommt entscheidende Bedeutung der Frage zu, ob die streitgegenständliche Kündigung vom Kultusministerium vertreten durch den Kreisschulrat H. oder durch das Schulamt des Landkreises M. erklärt worden ist. Das Kündigungsschreiben läßt dies nicht eindeutig erkennen. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Würdigung, es liege eine Kündigung des Schulamtes vor, ausschließlich auf den Briefkopf abgestellt. Außer acht gelassen hat es das vorgeschaltete Verfahren, jedenfalls soweit es der Klägerin erkennbar geworden war, sowie die Unterzeichnung des Kündigungsschreibens durch den Kreisschulrat mit dem aus sich heraus unverständlichen Zusatz „Im Auftrag”. Soweit die Klägerin in der Revision geltend macht, der Kreisschulrat sei nicht der Leiter des Schulamtes und habe aus diesem Grunde nur im Auftrage unterzeichnen können, ist dieser Vortrag neu und von den Vorinstanzen nicht berücksichtigt worden. Wird hingegen von der im Urteil des erkennenden Senats vom 22. Februar 1996 (– 8 AZR 1041/94 – zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung bestimmt) aufgezeigten Rechtslage ausgegangen, daß mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung – vom 17. Mai 1990 – GBl. DDR I S. 255) auf der Ebene der Landkreise untere staatliche Verwaltungsbehörden gebildet wurden, zu denen auch die Schulämter gehörten, die am 3. Oktober 1990 auf die neu entstehenden Länder überführt wurden, wäre der Kreisschulrat als Leiter der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde „Schulamt” anzusehen. Hiervon ausgehend würde die Unterzeichnung mit dem Zusatz „Im Auftrag” keine Vertretung des Schulamtes, sondern des Kultusministeriums ausdrücken. Die insofern notwendige tatsächliche Feststellung wird vom Berufungsgericht nachzuholen sein, denn hätte der Kreisschulrat die Kündigung lediglich namens des Kultusministeriums erklärt, käme die Beteiligung der in diesem Falle zuständigen Personalvertretung „Hauptpersonalrat beim Kultusministerium” nicht in Betracht, weil dieses Gremium zur Zeit des Kündigungsausspruchs noch nicht gebildet worden war.
Hätte hingegen der Kreisschulrat als Amtsleiter des Schulamtes als unterer staatlicher Verwaltungsbehörde die Kündigung erklärt, wäre der „Bezirkspersonalrat” zu beteiligen gewesen, wenn diese Personalvertretung beim Schulamt gebildet worden wäre. Der dem widersprechende Vortrag des Beklagten, der „Bezirkspersonalrat” sei beim Rat für Volksbildung des Rates des Kreises gebildet worden, läßt mangels zeitlicher Präzisierung nicht erkennen, ob der tatsächlich fungierende „Bezirkspersonalrat” nach den Bestimmungen des Personalvertretungsgesetzes der DDR gebildet wurde. Einen Rat des Kreises gab es nur bis zum Inkrafttreten der Kommunalverfassung der DDR vom 17. Mai 1990. Danach bestand, wie bereits ausgeführt, auf Kreisebene das Schulamt als untere staatliche Behörde der DDR. Nach § 116 b Abs. 2 Nr. 1 PersVG-DDR waren die „erstmaligen Wahlen nach diesem Gesetz … in der Zeit vom 13. August bis 12. Oktober 1990” durchzuführen. Die bis zur erstmaligen Wahl der Betriebsräte geltende Übergangsregelung war im öffentlichen Dienst bis zur erstmaligen Wahl eines Personalrats nicht entsprechend anzuwenden (vgl. Urteil des Senats vom 16. Februar 1995 – 8 AZR 639/93 – AP Nr. 2 zu § 30 MantelG DDR, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
Wäre der „Bezirkspersonalrat” nach § 116 b PersVG-DDR für den Bereich des Schulamtes M. ordnungsgemäß gewählt worden, hätte er, entgegen der Auffassung der Revision, seine Funktion nicht dadurch verloren, daß die an seiner Wahl beteiligten Horterzieher in den Dienst kommunaler Träger übergetreten sind. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 22. Februar 1996 (– 8 AZR 1041/94 –) entschieden hat, blieben auch die Arbeitsverhältnisse der Horterzieher von Gesetzes wegen über den 2. Oktober 1990 hinaus unverändert fortbestehen. Sollten sie kraft einzelvertraglicher Vereinbarung den Arbeitgeber gewechselt haben, berührte dies den Fortbestand des „Bezirkspersonalrats” nicht.
2. Kommt das Landesarbeitsgericht in der erneuten Verhandlung zu dem Ergebnis, daß die Kündigung vom Schulamt erklärt worden ist und bei diesem ein gemäß den Bestimmungen des PersVG-DDR gebildeter Bezirkspersonalrat amtierte, wird es festzustellen haben, ob dieser ordnungsgemäß nach §§ 82 Abs. 1, 79 PersVG-DDR vor Ausspruch der Kündigung beteiligt worden ist. Dabei wird das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. zuletzt Urteile des Zweiten Senats vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – AP Nr. 55 zu Anlage I Kap. XIX Einigungsvertrag und vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 1026/94 – AP Nr. 35 zu Art. 20 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Personalrats bereits dann gegeben ist, wenn die Dienststelle dem Personalrat die ihrerseits angestellten Auswahlüberlegungen mitgeteilt hat.
V. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist in vollem Umfange aufzuheben. Das Berufungsgericht hat in Abhängigkeit von seiner erneuten Entscheidung zum Feststellungsantrag auch über den Weiterbeschäftigungsantrag neu zu befinden.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Ma. Schallmeyer, E. Vesper
Fundstellen