Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines Betriebsratsmitglieds
Leitsatz (amtlich)
Ein Betriebsratsmitglied genießt den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG auch dann, wenn zwar bereits vor Ausspruch der Kündigung durch Beschluß des Arbeitsgerichts seine Nichtwählbarkeit (hier: wegen Status eines leitenden Angestellten) festgestellt worden war, diese gerichtliche Entscheidung aber erst später rechtskräftig geworden ist.
Normenkette
KSchG 1969 §§ 15, 2, 4; ArbGG §§ 85, 87; BetrVG 1972 § 24 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 19.03.1982; Aktenzeichen 4 Sa 17/82) |
ArbG Neumünster (Urteil vom 17.11.1981; Aktenzeichen 3 Ca 839/81) |
Tenor
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 19. März 1982 – 4 Sa 17/82 – wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die im Jahre 1936 geborene Klägerin ist seit 1. Juni 1969 bei der Beklagten als Ärztin beschäftigt. Die Beklagte ist eine Stiftung des Privatrechts. Nach § 1 Abs. 3 der Stiftungssatzung vom 19. Mai 1967 betrieb sie Grundlagenforschung; die Tuberkulose war in wissenschaftlicher und praktischer Hinsicht Schwerpunkt ihrer Aufgaben. Gemäß § 2 der Satzung in der Fassung vom 14. Juni 1979 ist der Stiftungszweck “medizinisch-naturwissenschaftliche Forschung. Zur Erfüllung dieser Aufgabe unterhält die Stiftung das Institut für E… in B….”
Die Klägerin war zunächst gemäß Vertrag vom 1. September 1969 Oberärztin der Klinischen Abteilung des Instituts. Mit Vertrag vom 15. Mai 1972 und später mit Vertrag vom 1. Februar 1973 wurde sie als Leitende Oberärztin weiterbeschäftigt und nach VergGr. I BAT vergütet. In der Folgezeit entstand zwischen den Parteien Streit darüber, ob die Klägerin durch mündlichen Vertrag vom 1. Juli 1977 zur Leitenden Ärztin bestellt worden war. Das Arbeitsgericht Neumünster stellte durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 9. Dezember 1980 – 3 Ca 758/80 – fest, daß das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin als Leitende Ärztin der Klinischen Abteilung des Forschungsinstituts (Abteilungsleiterin) über den 11. Juli 1980 hinaus unbefristet fortbesteht.
Durch Bescheid des Versorgungsamtes Lübeck vom 27. Februar 1981 wurde die Klägerin als Schwerbehinderte mit einer MdE von 70 % anerkannt.
In der am 2. und 3. April 1981 bei der Beklagten durchgeführten Betriebsratswahl wurde die Klägerin für die Gruppe der Angestellten in den Betriebsrat gewählt. Zuvor hatte das Arbeitsgericht Neumünster durch Beschluß vom 1. April 1981 – 3 BV 7/81 – auf Antrag der Beklagten festgestellt, daß der Klägerin für die Betriebsratswahl die aktive und passive Wahlberechtigung fehle, da sie leitende Angestellte im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG sei. Die hiergegen von der Klägerin als Antragsgegnerin dieses Beschlußverfahrens eingelegte Beschwerde wies das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein durch Beschluß vom 12. Oktober 1981 – 5 Ta BV 13/81 – zurück. Die Klägerin legte gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in diesem Beschluß Beschwerde ein, die das Bundesarbeitsgericht durch Beschluß vom 15. Januar 1982 – 6 ABN 21/81 – als unzulässig verwarf. Ein von der Beklagten anhängig gemachtes Wahlanfechtungsverfahren hat das Arbeitsgericht bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorbezeichneten Beschlußverfahrens ausgesetzt.
Mit Schreiben vom 29. Juni 1981 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristgerecht zum 31. Dezember 1981 und bot ihr die Weiterbeschäftigung als Leitende Oberärztin zu den Bedingungen des Vertrages vom 1. Februar 1973 bei unveränderten Bezügen an. Zuvor hatte die Hauptfürsorgestelle – der Kreisausschuß des Kreises Segeberg – durch Bescheid vom 25. Juni 1981 auf Antrag der Beklagten die Zustimmung zu der beabsichtigten Änderungskündigung erteilt. Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 6. Juli 1981 Widerspruch ein.
Mit der am 7. Juli 1981 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Änderungskündigung gewandt. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 1981, der zusammen mit der am 16. Juli 1981 zugestellten Klageschrift am 15. Juli 1981 an die Beklagte abgesandt wurde, erklärte sie vorsorglich die Annahme des in der Änderungskündigung enthaltenen Angebots zur Weiterbeschäftigung unter dem Vorbehalt, daß die Kündigung wirksam und nicht sozial ungerechtfertigt sei.
Die Klägerin hat vorgetragen, daß die Änderungskündigung im Hinblick auf ihre Mitgliedschaft im Betriebsrat bereits wegen Verstoßes gegen § 15 KSchG unwirksam sei. Es liege ferner auch keine rechtswirksame Zustimmung der Hauptfürsorgestelle vor, da ihr Widerspruch gegen den Zustimmungsbescheid aufschiebende Wirkung habe. Die Kündigung verstoße somit auch gegen den Sonderkündigungsschutz des § 12 SchwbG. Schließlich sei die Kündigung auch sozial ungerechtfertigt. Die Klägerin hat demgemäß beantragt festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung der Beklagten vom 29. Juni 1981 unwirksam sei.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, die Klägerin könne sich nicht auf den Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 1 KSchG berufen, da das Arbeitsgericht bereits vor Durchführung der Betriebsratswahl die Nichtwählbarkeit der Klägerin für diese Wahl festgestellt habe. Die Kündigung habe ferner nach Erteilung des Zustimmungsbescheids der Hauptfürsorgestelle wirksam ausgesprochen werden können, auch wenn die Klägerin später hiergegen Widerspruch eingelegt habe. Die Änderung der Arbeitsbedingungen der Klägerin sei im Hinblick auf die Änderung des Stiftungszwecks durch die Satzungsänderung vom 14. Juni 1979 auch sozial gerechtfertigt. Spezialkenntnisse auf dem Gebiet der Tuberkulose reichten nicht mehr aus, um in maßgeblicher Stellung die Aufgaben des Instituts zu erfüllen. Die Klinik könne in die medizinisch-naturwissenschaftliche Forschung nicht in dem erforderlichen Umfang einbezogen werden, solange die Klägerin als Leitende Ärztin die ärztliche Endverantwortung trage.
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat zu Recht geprüft, ob die ordentliche Kündigung der Beklagten nach § 15 Abs. 1 KSchG zulässig ist, obwohl die Klägerin gemäß § 2 KSchG rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG die in dem Kündigungsschreiben vom 29. Juni 1981 angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt angenommen hat. Die Klägerin hat nicht den eingeschränkten Klageantrag nach § 4 Satz 2 KSchG gestellt, sondern allgemein die Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten geltend gemacht. Zumindest bei einer solchen umfassenden Antragstellung sind aber wie bei der Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG auch bei der Änderungsschutzklage alle Unwirksamkeitsgründe zu prüfen (vgl. BAG 35, 17 = AP Nr. 10 zu § 15 KSchG 1969, vor I der Gründe m.w.N.). Deshalb wird auch die Frage, ob die Änderungskündigung nach § 15 KSchG überhaupt zulässig ist, nach dem Antrag der Klägerin vom Streitgegenstand des vorliegenden Änderungsschutzverfahrens erfaßt.
II. Wie das Berufungsgericht weiter richtig erkannt hat, erlischt die Mitgliedschaft eines in den Betriebsrat gewählten Arbeitnehmers gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erst mit der Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Beschlusses, durch den seine von Anfang an bestehende Nichtwählbarkeit festgestellt worden ist, und erst zu diesem Zeitpunkt verliert er den Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG. Es ist deshalb zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, die vor Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts über die Feststellung der Nichtwählbarkeit der Klägerin zum Betriebsrat ausgesprochene Änderungskündigung der Beklagten sei rechtsunwirksam.
1. Vom Schrifttum wird die Ansicht des Berufungsgerichts einhellig geteilt (vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 24 Rz 35 und 40; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 13. Aufl., § 24 Rz 30 und 32; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 24 Rz 33a und 37; Thiele, GK-BetrVG, 2. Bearbeitung Juni 1979, § 24 Rz 40 und 42; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 24 Rz 25 und 28; Kammann/Hess/Schlochauer, BetrVG, § 24 Rz 32 und 34; KR-Etzel, § 15 KSchG Rz 11, § 103 BetrVG Rz 20). Ihr ist aus den nachstehend dargelegten Gründen zu folgen.
2. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung “eines Mitglieds des Betriebsrats” oder eines Mitglieds der weiteren dort aufgeführten Betriebsvertretungen unzulässig. Da die Vorschrift keine näheren Bestimmungen darüber enthält, wann und wie lange ein Arbeitnehmer Mitglied des Betriebsrats ist, muß zur Auslegung auf die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes zurückgegriffen werden, in denen diese Fragen geregelt sind. Dies rechtfertigt sich daraus, daß der gegenüber dem früheren Recht wesentlich erweiterte Sonderkündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder durch § 123 Nr. 3 BetrVG 1972 in das Kündigungsschutzgesetz eingefügt worden ist. Deshalb ist auch § 15 Abs. 1 KSchG im Zusammenhang mit den Vorschriften des Betriebsverfassungsgegesetzes zu sehen und zu würdigen (so bereits für den Sonderkündigungsschutz von Wahlbewerbern nach § 15 Abs. 3 – früher Abs. 2 – KSchG zur Auslegung des Begriffs der “Aufstellung des Wahlvorschlags” BAG 26, 116 = AP Nr. 1 zu § 626 BGB Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, zu I 3a der Gründe, bestätigt durch BAG 28, 30 = AP Nr. 1 zu § 15 KSchG 1969 Wahlbewerber, zu I 3 der Gründe). Die Dauer des Sonderkündigungsschutzes von Betriebsratsmitgliedern richtet sich deshalb nach den Vorschriften der §§ 21 bis 24 BetrVG über die Amtszeit des Betriebsrats (so auch Hueck, KSchG, 10. Aufl., § 15 Rz 16).
3. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erlischt die Mitgliedschaft im Betriebsrat durch “gerichtliche Entscheidung” über die Feststellung der Nichtwählbarkeit nach Ablauf der in § 19 Abs. 2 bezeichneten Frist, es sei denn, der Mangel liegt nicht mehr vor. Eine solche Entscheidung hat im Streitfall das Arbeitsgericht Neumünster in dem am 1. April 1981 verkündeten Beschluß getroffen. Dieser Beschluß war jedoch im Zeitpunkt des Ausspruchs der Änderungskündigung der Beklagten gemäß § 87 Abs. 3 ArbGG noch nicht rechtskräftig, da die Klägerin hiergegen Beschwerde eingelegt und das Landesarbeitsgericht das Rechtsmittel erst durch Beschluß vom 12. Oktober 1981 zurückgewiesen hat. Damit konnten auch die Mitgliedschaft der Klägerin im Betriebsrat und der Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 1 KSchG nicht früher enden. Ob dieser Kündigungsschutz bei Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts, die ebenfalls aufschiebende Wirkung hat (§ 72a Abs. 4 Satz 1, § 92a Satz 2 ArbGG), in jedem Falle erst durch die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts entfällt, auch wenn die Beschwerde offensichtlich unzulässig ist (vgl. zum früheren Recht der Divergenzrevision BAG 31, 253 = AP Nr. 12 zu § 103 BetrVG 1972, zu I 3 der Gründe), kann hier offen bleiben.
a) Während bei einem nachträglich eintretenden Verlust der Wählbarkeit, z.B. durch Versetzung in einen anderen Betrieb oder Beförderung zum leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG, die Mitgliedschaft im Betriebsrat gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG durch den Eintritt dieser Tatsache endet, führt eine bereits von Anfang an bestehende Nichtwählbarkeit nach Nr. 6 dieser Bestimmung nur dann zum Verlust der Mitgliedschaft, wenn sie durch gerichtliche Entscheidung festgestellt ist. Tatbestandsvoraussetzung ist in diesem Fall nicht die fehlende Wählbarkeit, sondern deren gerichtliche Feststellung. Entgegen der Ansicht der Revision stellt diese im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren zu treffende Entscheidung (§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ArbGG; vgl. BAG 16, 1; Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 2a Rz 12; Dietz/Richardi, aaO, § 24 Rz 41) nicht lediglich die nach dem materiellen Recht bereits eingetretene Rechtslage fest, wie z.B. das Urteil im Kündigungsschutzprozeß die soziale Rechtfertigung der Kündigung, sondern wirkt rechtsgestaltend (so zutreffend Thiele, aaO, § 24 Rz 40; für die insoweit gleichlautende Vorschrift des § 24 BetrVG 1952: BAG Beschluß vom 13. Juli 1962 – 1 ABR 1/61 – AP Nr. 2 zu § 24 BetrVG).
b) Wie hieraus folgt, wird diese Entscheidung erst mit Eintritt ihrer Rechtskraft wirksam, und die Mitgliedschaft im Betriebsrat erlischt deshalb erst von diesem Zeitpunkt an.
aa) Für diese Auslegung des § 24 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sprechen die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über die Vollstreckbarkeit der im Beschlußverfahren ergehenden Entscheidungen und den Eintritt ihrer Wirksamkeit.
Nach § 85 Abs. 1 ArbGG findet die Zwangsvollstreckung aus rechtskräftigen Beschlüssen der arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren statt. Noch nicht rechtskräftige Beschlüsse im Beschlußverfahren sind demgemäß auch nicht vorläufig vollstreckbar. Der sachliche Grund für diese Regelung liegt darin, daß die vorläufige Vollstreckung von Entscheidungen in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten meist nicht mehr vollständig beseitigt werden kann (BAG 28, 233 = AP Nr. 8 zu § 103 BetrVG 1972, zu B I 5a der Gründe). Wie der Senat in dieser Entscheidung weiter ausgeführt hat, hat diese Überlegung nicht nur verfahrensrechtliche Bedeutung, sondern betrifft auch die sonstigen Wirkungen der im Beschlußverfahren noch nicht rechtskräftig getroffenen Regelungen. Könnte der Arbeitgeber somit bereits vor Rechtskraft der Entscheidung über die Nichtwählbarkeit eines Betriebsratsmitglieds eine Kündigung wirksam aussprechen, würde dem noch nicht rechtskräftigen Beschluß des Arbeitsgerichts eine vorläufige materiellrechtliche Wirkung zugebilligt und damit eine kraft Gesetzes ausgeschlossene einstweilige Entscheidungswirkung zuerkannt werden. Aus diesen Gründen hat es der Senat in der vorstehend zitierten Entscheidung abgelehnt, daß der Arbeitgeber aufgrund einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung über die Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds eine – schwebend unwirksame – Kündigung aussprechen kann.
Wie der Senat in dieser Entscheidung weiter ausgeführt und näher begründet hat, wird diese Ansicht durch die aufschiebende Wirkung der Beschwerde (§ 87 Abs. 3 ArbGG) gegen eine Entscheidung im Beschlußverfahren bestätigt. Da die Vollstreckung aus Entscheidungen im Beschlußverfahren ohnehin erst möglich ist, wenn sie rechtskräftig geworden sind, kann sich die Bedeutung des § 87 Abs. 3 ArbGG nur auf die materiellrechtlichen Wirkungen noch nicht rechtskräftiger Beschlüsse beziehen. Sonst wäre diese Vorschrift überflüssig oder nur als Klarstellung der Rechtsfolgen aus § 85 ArbGG zu verstehen. Mit der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde soll gewährleistet werden, daß durch die Entscheidung im Beschlußverfahren die gestörte Ordnung im Betrieb wiederhergestellt wird und eine Befriedung eintritt. Dieser Zweck ist nur durch endgültige, d.h. unanfechtbare Entscheidungen zu erreichen. Die mit der Beschwerde angegriffene vom Arbeitsgericht getroffene Regelung kann deswegen zunächst nicht durchgeführt werden.
bb) Da die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Nichtwählbarkeit eines Betriebsratsmitglieds rechtsgestaltenden Charakter hat, werden diese aus § 85 Abs. 1 und § 87 Abs. 3 ArbGG gezogenen Folgerungen durch die Wirkung bestätigt, die ein Gestaltungsurteil hat. Ein solches Urteil ist weder vollstreckungsbedürftig noch vollstreckungsfähig. Die materiellrechtliche Gestaltungswirkung tritt vielmehr regelmäßig erst mit der formellen Rechtskraft des Urteils ein. Erst zu diesem Zeitpunkt werden die materiellrechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien geändert, weil ein rückwirkender Eingriff in bestehende Rechtslagen die Rechtssicherheit beeinträchtigt (vgl. dazu ebenfalls das vorstehend zitierte Senatsurteil, zu B I 6a der Gründe m.w.N.; für § 24 BetrVG 1952 ebenso BAG Beschluß vom 13. Juli 1962, aaO).
4. Diese Auslegung des § 24 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG und des § 15 Abs. 1 KSchG widerspricht auch nicht dem Zweck des Sonderkündigungsschutzes für Betriebsratsmitglieder. Dieser Kündigungsschutz soll die Unabhängigkeit der Betriebsratsmitglieder und der übrigen in § 15 Abs. 1 KSchG genannten Betriebsverfassungsorgane für die Ausübung ihres Amtes und die Kontinuität der Amtsführung des Betriebsverfassungsorgans als Gremium während der Wahlperiode sichern (vgl. Hueck, aaO, § 15 Rz 2; KR-Etzel, § 15 KSchG Rz 9 und 10). Zu Unrecht macht die Revision deshalb geltend, § 15 KSchG diene nicht den Interessen des einzelnen Betriebsratsmitglieds, sondern den kollektiven Interessen der Belegschaft, denen es widerspreche, wenn sie durch einen Amtsträger wahrgenommen würden, der wegen fehlender Wählbarkeitsvoraussetzungen hierzu nicht in der Lage sei. Wie ausgeführt, hat der Gesetzgeber für die Frage der Dauer des Sonderkündigungsschutzes amtierender Betriebsratsmitglieder in § 15 Abs. 1 KSchG keine eigenständige Regelung getroffen, sondern ist insoweit von den einschlägigen Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes ausgegangen. Die Rechtsfolge des Erlöschens der Mitgliedschaft im Betriebsrat wegen einer bereits von Anfang an fehlenden Wählbarkeit hat das Betriebsverfassungsgesetz jedoch in § 24 Abs. 1 Nr. 6 in bewußtem Gegensatz zu dem später eintretenden Verlust der Wählbarkeit gemäß Nr. 4 dieser Bestimmung von der gerichtlichen Feststellung der Nichtwählbarkeit abhängig gemacht. Da diese im Beschlußverfahren zu treffende Entscheidung jedoch im Interesse der Rechtssicherheit und des Betriebsfriedens sowie im Hinblick auf ihre gestaltende Wirkung erst mit dem Eintritt der Rechtskraft für die Zukunft wirkt, hat der Gesetzgeber das betroffene Betriebsratsmitglied bis zu diesem Zeitpunkt wie ein rechtmäßig gewähltes Betriebsratsmitglied schützen und die Kontinuität der Arbeit des Betriebsrats sichern wollen.
5. Unzutreffend ist schließlich auch die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretene Auffassung der Revision, die Vorschrift des § 24 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil das Arbeitsgericht die Nichtwählbarkeit der Klägerin bereits vor der Durchführung der Betriebsratswahl und damit auch vor Ablauf der zweiwöchigen Wahlanfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 BetrVG festgestellt habe, so daß es wie im Falle des Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift auf das Vorliegen der Nichtwählbarkeit und nicht auf ihre gerichtliche Feststellung ankomme.
Im Schrifttum wird allerdings auch die Ansicht vertreten, der Antrag auf Feststellung der Nichtwählbarkeit sei frühestens nach Ablauf der Wahlanfechtungsfrist zulässig (Thiele, aaO, § 24 Rz 36; Kammann/Hess/Schlochauer, aaO, § 24 Rz 30; Stege/Weinspach, BetrVG, 4. Aufl., § 24 Rz 7). Demgegenüber ist Richardi (Dietz/Richardi, aaO, § 24 Rz 32) der vom Senat geteilten Meinung, daß der Gesetzestext zwar eine solche zeitliche Begrenzung nahelege, hierfür aber kein Grund bestehe, weil der Antragsteller nicht gezwungen werden könne, wegen der Nichtwählbarkeit eines Betriebsratsmitglieds die Wahl anzufechten und auch das Arbeitsgericht ohne entsprechenden Antrag nicht die Wahl für ungültig erklären dürfe, wenn innerhalb der Wahlanfechtungsfrist die Nichtwählbarkeit geltend gemacht werde. Richardi vertritt allerdings weiter die Auffassung (aaO, Rz 32 und 34), das Feststellungsverfahren sei gegenüber dem Wahlanfechtungsverfahren subsidiär, so daß zunächst das Wahlanfechtungsverfahren durchzuführen sei, wenn beide Verfahren nebeneinander betrieben werden. Danach hätte im Entscheidungsfall das Arbeitsgericht das ebenfalls von der Beklagten anhängig gemachte Wahlanfechtungsverfahren durchführen müssen. Für die Entscheidung des vorliegenden Falles kommt es jedoch auf diese Fragen nicht an. Sollte das Arbeitsgericht aus den angeführten Gründen zu Unrecht zuvor über den Antrag auf Feststellung der Nichtwählbarkeit der Klägerin entschieden haben, so würde es sich um einen Verfahrensfehler handeln, der durch die Rechtskraft des arbeitsgerichtlichen Beschlusses geheilt worden wäre. Damit liegt aber eine gerichtliche Entscheidung über die Feststellung der Nichtwählbarkeit der Klägerin nach Ablauf der Wahlanfechtungsfrist im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG vor, weil der Beschluß des Arbeitsgerichts wirksam, nach Ablauf der Wahlanfechtungsfrist rechtskräftig geworden ist und es für das Erlöschen der Mitgliedschaft im Betriebsrat nach dieser Vorschrift nicht auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, sondern auf den Eintritt ihrer Rechtskraft ankommt. Für die Anwendung des § 24 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG ist kein Raum, da diese Vorschrift nur die Fälle des nach der Betriebsratswahl eintretenden Verlustes der Wählbarkeit erfaßt (allgemeine Meinung; vgl. Dietz/Richardi, aaO, § 24 Rz 30; Fitting/Auffarth/Kaiser, aaO, § 24 Rz 21, 23 und 27; Galperin/Löwisch, aaO, § 24 Rz 29; Thiele, aaO, § 24 Rz 26; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, aaO, § 24 Rz 20; Kammann/Hess/Schlochauer, aaO, § 24 Rz 23; Stege/Weinspach, aaO, § 24 Rz 5).
III. Die weitere Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 1 KSchG auch nicht deshalb entfalle, weil die Betriebsratswahl wegen der gerichtlich festgestellten Nichtwählbarkeit der Klägerin nicht nichtig sei, läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.
IV. Die Änderungskündigung der Beklagten ist nach alledem bereits wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 1 KSchG gemäß § 134 BGB nichtig. Auf die weiteren von der Klägerin gegen die Wirksamkeit und die soziale Rechtfertigung der Kündigung erhobenen Einwendungen kommt es deshalb nicht mehr an.
Unterschriften
Hillebrecht, Dr. Röhsler, Triebfürst, Dr. Peppler, Schulze
Fundstellen