Leitsatz (redaktionell)
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Eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung erfordert eine hinreichende Auseinandersetzung mit der Begründung des Berufungsurteils (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO). |
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Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandsersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung nicht. 3. Wendet sich die Revision gegen die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, so muß sie dartun, daß das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, Denkgesetze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Bewertung übersehen hat. |
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Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger will festgestellt wissen, seit dem 1. Januar 1993 Arbeitnehmer der Beklagten zu sein.
Die Beklagte, ein Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, betreibt und vermarktet Kabelanschlüsse für Fernsehen und Hörfunk. Der Kläger, gelernter Radio- und Fernsehtechniker, war seit Mitte 1991 bis zum 31. Dezember 1992 bei der Beklagten aufgrund befristeter Verträge als Arbeitnehmer angestellt. Sodann schlossen die Parteien einen "Handelsvertretervertrag". Hiernach übernahm es der Kläger, die Übergabepunkte vom Kabelnetz in das hausinterne Netz der Kabelteilnehmer oder -nutzer darauf zu kontrollieren, ob Schwarzschaltungen vorlagen. Gegebenenfalls hatte er unzulässige Schaltungen abzuklemmen. Des weiteren sollte der Kläger für das Kabelnetz neue Nutzer oder Teilnehmer, gerade auch die bisherigen Schwarznutzer, dazu bewegen, Nutzungsverträge mit der Beklagten abzuschließen. Für die Kontrolle der Übergabepunkte sowie die Vermittlung solcher Verträge waren Provisionen vereinbart.
Der Kläger erhielt von der Beklagten Datenblätter, in denen die Übergabepunkte verzeichnet waren. Wann, wie und welche Übergabepunkte der Kläger kontrollierte oder wann und wie er seine sonstige Tätigkeit durchführte, war ihm überlassen. Nutzerverträge vermittelte der Kläger nicht. Je nach Zahl der kontrollierten Übergabepunkte erzielte der Kläger unterschiedlich hohe Einnahmen. In der Spitze überstiegen sie 10.000,00 DM im Monat, im Durchschnitt lagen sie bei etwa 4.500,00 DM im Monat. Im Dezember 1994 gab der Kläger auf Veranlassung der Beklagten mehr als 1.000 Datenblätter, die er zum Teil im März 1994 erhalten hatte, unerledigt zurück. Die Beklagte kündigte den Vertrag mit dem Kläger am 6. Februar 1995 mit sofortiger Wirkung, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Mit seiner am 15. Februar 1995 eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, Arbeitnehmer der Beklagten zu sein. Dies folge daraus, daß die Beklagte ihm die Datenblätter mit den Übergabepunkten und dadurch seine Arbeitsorte vorgegeben habe. Er habe über seine Arbeitszeit insoweit nicht frei verfügen können, als er regelmäßig in den Geschäftsräumen der Beklagten habe erscheinen müssen, um die Arbeitsunterlagen abzuholen und abzugeben. Zur Erledigung technischer Probleme habe er ständig zur Verfügung stehen müssen. Auf Veranlassung der Beklagten habe er des weiteren zwei Arbeitskollegen einarbeiten und einen Sondereinsatz in H leisten müssen.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, daß zwischen den Parteien seit dem 1. Januar 1993 ein Arbeitsverhältnis besteht und daß der Kläger bei der Beklagten fest angestellt ist;
2. festzustellen, daß die Kündigung vom 6. Februar 1995 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat entgegnet: Der Kläger sei nicht ihr Arbeitnehmer gewesen, weil er im wesentlichen frei gewesen sei, seine Tätigkeit zu gestalten und seine Arbeitszeit zu bestimmen. Hiervon habe der Kläger auch Gebrauch gemacht, wie die - unstreitig - sehr unterschiedlichen Umsätze zeigten, die der Kläger in den einzelnen Monaten erzielt habe. Tatsächlich habe der Kläger etwa nur 30 bis 35 % der ihm überlassenen Datenblätter bearbeitet. Der Kläger sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Arbeitsunterlagen vollständig oder binnen bestimmter Frist zu bearbeiten. Das Abholen der Arbeitsunterterlagen und die Rückgabe der Datenblätter sei ebenso wie das Einreichen neuer Nutzungsverträge oder Rechnungen des Klägers nicht an feste Termine gebunden gewesen. Der Kläger habe die Einarbeitung der beiden Kollegen freiwillig übernommen; er sei auch nicht auf Veranlassung der Beklagten, sondern freiwillig bei einem Sondereinsatz bei einem Schwesterunternehmen der Beklagten in H tätig gewesen, um das dafür von dem Schwesterunternehmen in Aussicht gestellte Honorar zu erzielen.
Das Arbeitsgericht hat entschieden, daß der Kläger nicht Arbeitnehmer, sondern freier Mitarbeiter der Beklagten gewesen sei und daß das Vertragsverhältnis nicht vor dem 31. Mai 1995 geendet habe. Gegen dieses Urteil hat nur der Kläger Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig. Die Revisionsbegründung entspricht nicht den Anforderungen des § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO. Sie greift das Berufungsurteil nur im Ergebnis an, läßt aber die gesetzlich gebotene Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils vermissen.
1. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision gehört die Angabe der Revisionsgründe unter Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm. Dies erfordert grundsätzlich, daß sich die Revisionsbegründung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzt (BAG Urteile vom 4. September 1975 - 3 AZR 230/75 - AP Nr. 15 zu § 554 ZPO, m.w.N.; vom 16. Mai 1990 - 4 AZR 145/90 - AP Nr. 21 zu § 554 ZPO). Zwar ist zur Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm i.S.d. § 554 Abs. 3 Nr. 3 a ZPO die Angabe bestimmter Paragraphen nicht erforderlich; sogar eine falsche Bezeichnung kann unschädlich sein. Die Revisionsbegründung muß jedoch den Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts aufzeigen. Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs müssen erkennbar sein. Die Revisionsbegründung muß zu den gem. § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO gerügten Punkten eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten (BAG Urteil vom 4. September 1975 - 3 AZR 230/75 - AP Nr. 15 zu § 554 ZPO). Dies erfordert eine konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG Urteil vom 16. August 1991 - 2 AZR 241/90 - AP Nr. 2 zu § 15 SchwbGG 1986).
2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Klägers nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat entschieden, daß der Kläger kein Arbeitnehmer sei. Es hat den Arbeitnehmerbegriff entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter Anwendung des § 84 Abs. 2 HGB bestimmt und ausgeführt, aus welchen Gründen der Kläger nach den getroffenen Feststellungen kein Arbeitnehmer sei. Dabei hat es sich im einzelnen mit den vom Kläger zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht vorgebrachten Rechtsansichten und Tatsachen auseinandergesetzt und sie im einzelnen gewürdigt.
Auf all dieses geht die Revisionsbegründung mit keinem Wort ein. Die Revision zitiert vielmehr eine Vielzahl von Entscheidungen, aus denen folgen soll, daß der Kläger kein Arbeitnehmer sei, ohne aufzuzeigen, inwieweit das Landesarbeitsgericht in dem vorliegenden Berufungsurteil das Recht verletzt haben soll.
Eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils war vorliegend um so weniger verzichtbar, als der Erfolg der Klage von der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs abhing. Die Klage konnte nur Erfolg haben, wenn der Kläger Arbeitnehmer der Beklagten war. Der Begriff "Arbeitnehmer" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff (BAG Beschluß vom 29. Januar 1992 - 7 ABR 27/91 - BAGE 69, 286, 292 = AP Nr. 1 zu § 7 BetrVG 1972 = EzA § 7 BetrVG 1972 Nr. 1). Die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs unterliegt in der Revision nur einer eingeschränkten Prüfung. Eine der Revision zugängliche Rechtsverletzung liegt nur vor, wenn der Rechtsbegriff selbst verkannt, Denkgesetze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Bewertung übersehen worden sind (BAG in ständiger Rechtsprechung, statt vieler: Urteile vom 3. September 1997 - 5 AZR 428/96 -, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung bestimmt; vom 7. Dezember 1988 - 7 AZR 138/88 - AP Nr. 8 zu § 543 ZPO 1977; vom 29. August 1991 - 2 AZR 220/91 (A) - AP Nr. 32 zu § 622 BGB). Die Revision zeigt einen derartigen Fehler im Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht auf. Insbesondere setzt sie sich nicht damit auseinander, daß der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unstreitig im wesentlichen frei war, wann und wie er seine Tätigkeit ausübte und seine Arbeitszeit gestaltete. Diese Feststellung spricht für die Auffassung des Landesarbeitsgerichts und legt die Annahme nahe, daß der Kläger nicht Arbeitnehmer der Beklagten war. Um so mehr hätte die Revision Anlaß gehabt darzutun, an welchen Stellen und aus welchen Gründen die Würdigung des Landesarbeitsgerichts rechtsfehlerhaft war.
Fundstellen
Haufe-Index 440353 |
BAGE, 41 |
BB 1998, 903 |
DB 1998, 376 |
HFR 1998, 860 |
NJW 1998, 2470 |
FA 1998, 59 |
FA 1998, 89 |
JR 1998, 483 |
NZA 1998, 336 |
RdA 1998, 128 |
AP, 0 |
ArbuR 1998, 216 |
MDR 1998, 615 |
SGb 1998, 314 |
MittRKKöln 1998, 164 |