Entscheidungsstichwort (Thema)
Tariflicher Abfindungsanspruch bei Weiterbeschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zum Verfahren – 3 AZR 154/95 – (Urteil vom 11. Juli 1995 – AP Nr. 56 zu § 1 TVG Tarifverträge; Einzelhandel).
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel, § 4; BGB §§ 242, 134, 613a, 164; AGB-DDR 1990 § 55; Tarifvertrag über die Milderung wirtschaftlicher Nachteile im Zusammenhang mit der Privatisierung vom 14. August 1991 (GPH-TV II) §§ 2-3
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 6. Oktober 1994 – 1 Sa 550/93 – aufgehoben.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Jena vom 18. Februar 1993 – 2 Ca 1/92 a – wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin einen Abfindungsanspruch aus dem Tarifvertrag über die Milderung wirtschaftlicher Nachteile im Zusammenhang mit der Privatisierung (GPH-TV II) hat, den die Gesellschaften des Geschäftsbereichs der Gesellschaft zur Privatisierung des Handels mbH am 14. August 1991 mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) abgeschlossen haben.
Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der H Jena GmbH (H -GmbH), in der die Ha – (H) Stadt und Kreis Jena aufgegangen war.
Die 39 Jahre alte Klägerin, die Mitglied der DAG ist, war seit dem 1. September 1974 in einem von der H betriebenen Kaufhaus in Jena beschäftigt. Mit einem auf den 18. Oktober 1990 datierten Schreiben hatte die Klägerin gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten (H -GmbH) ihr Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 1990 gekündigt. Seit dem 1. November 1990 ist sie aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 26. Oktober 1990 mit der Ho in Jena GmbH im Kaufhaus am I in Jena beschäftigt.
Die Eigenkündigung der Klägerin hatte die folgende Vorgeschichte:
Im Februar 1990 hatte die Firma Ho der Ha – Stadt und Kreis Jena (H) angeboten, den bereits vor Jahren begonnenen Warenhausneubau auf dem I in Jena gemeinschaftlich zu vollenden und dieses Warenhaus mit einem gemeinsamen Unternehmen zu betreiben. Dabei sollte die Ha – 51 % und Ho 49 % des Kapitals halten. Nachdem hierüber eine am 23. März 1990 schriftlich niedergelegte Einigung erreicht worden war, begann die Ho in Jena GmbH gemeinsam mit der H – GmbH in einem provisorischen Bau, dem sog. Ho -Zelt, auf etwa 1.000 qm mit dem Warenverkauf und der Schulung der Mitarbeiter vor Ort. Gleichzeitig wurden Mitarbeiter auch in Warenhäusern der Ho AG geschult. Die geplanten Arbeitsplätze im Warenhaus, es war an etwa 120 Mitarbeiter in der Anfangsphase gedacht, sollten vorrangig mit den Mitarbeitern der H -GmbH, die auf diese Weise geschult wurden, besetzt werden.
Ab September 1990 wurde die Klägerin, die bis dahin bei der H -GmbH als Personalsachbearbeiterin beschäftigt worden war, in derselben Funktion für die Mitarbeiter im Ho -Zelt eingesetzt. Sie wurde weiterhin von der Rechtsvorgängerin der Beklagten bezahlt. Ende Oktober 1990 war das Kaufhaus am I fertiggestellt und wurde ab dem 1. November 1990 von der Ho in Jena GmbH allein weiterbetrieben. Die H -GmbH hatte der Ho in Jena GmbH nach Zustimmung durch die Treuhandanstalt mit Wirkung ab dem 25. Oktober 1990 ein langfristiges Nutzungsrecht an den Räumlichkeiten des Einzelhandelsobjektes Kaufhaus am I eingeräumt. Wegen der im Kaufhaus weiterzubeschäftigenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde zwischen Ho und der H – GmbH die Frage erörtert, ob deren Beschäftigungsverhältnisse nach § 613 a BGB auf die Ho in Jena GmbH übergehen würden. Nach dem Vortrag der Beklagten weigerte sich die Ho in Jena GmbH, Mitarbeiter zu übernehmen, wenn nicht zuvor das Arbeitsverhältnis mit der H -GmbH aufgelöst worden sei. Es habe die Gefahr bestanden, daß Ho die Arbeitsplätze anderweitig besetze. Deshalb sei ein Mitarbeiter, sobald festgestanden habe, daß und zu welchen Konditionen er seine Tätigkeit im Kaufhaus würde aufnehmen können, veranlaßt worden, zur rechtlichen Klarstellung sein Beschäftigungsverhältnis mit der H -GmbH zu beenden.
Die Klägerin, die bei der Beklagten zuletzt 1.350,– DM brutto monatlich verdient hat, ist der Auffassung, ihr stehe eine Abfindung von 5.400,– DM nach dem GPH-TV II zu. In diesem Tarifvertrag heißt es u.a.:
„§ 1
Zielsetzung
Die Tarifvertragsparteien haben am 06.02.1991 einen Tarifvertrag abgeschlossen, der für die ab dem 15.10.1990 bzw. nach dem 01.01.1991 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedenen Arbeitnehmer Leistungen vorsieht. Sie schließen nunmehr auch für die vor diesen Terminen entlassenen Arbeitnehmer insoweit eine ergänzende Regelung ab, als die Entlassung auf der gleichen Betriebsänderung beruht. Der für die Regelung erforderliche Zusammenhang wird für die in der Anlage angeführten Unternehmen bejaht.
§ 2
Geltungsbereich
1. Der Tarifvertrag gilt für alle Arbeitnehmer, die durch Arbeitgeberkündigung oder einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag auf Veranlassung des Arbeitgebers vom 01.07.1990 bis 31.12.1990 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind und auf die der Tarifvertrag vom 06.02.1991 nicht anwendbar ist.
…
§ 3
Regelabfindung
Alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis gem. § 2 beendet worden ist …, erhalten eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 25 % des Bruttomonatseinkommens pro anrechnungsfähigem Beschäftigungsjahr. Maßgebend ist das Einkommen, das der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezogen hat.”
Die Klägerin hat den Standpunkt eingenommen, ihr mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten bestehendes Arbeitsverhältnis sei nicht aufgrund eines Betriebsüberganges auf die Ho in Jena GmbH übergegangen. Es sei dort vielmehr neu begründet worden. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag habe man ihr verweigert. Vielmehr habe ihr früherer Arbeitgeber ihre Eigenkündigung erzwungen. Das Ho -Zelt sei im übrigen, da das Kaufhaus nicht in dem geplanten Umfang habe errichtet werden können, noch bis März 1991 weiterbetrieben worden. Jedenfalls habe sie aus Gründen der Gleichbehandlung einen Abfindungsanspruch. Drei Mitarbeiterinnen seien wie sie an die Firma Ho ausgeliehen und dann von diesem Unternehmen weiterbeschäftigt worden. Diese Mitarbeiterinnen hätten eine Abfindung erhalten. Dasselbe gelte für drei Mitarbeiterinnen, die im März 1991 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu Ho gewechselt seien.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.400,– DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 22. Mai 1992 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für einen tariflichen Abfindungsanspruch lägen nicht vor. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei im Wege des Betriebsübergangs von Ho übernommen worden. Die Klägerin sei im Rahmen eines joint-venture zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und der Ho in Jena GmbH im Ho -Zelt eingesetzt und zur Vorbereitung auf die Tätigkeit im Kaufhaus geschult worden. Die eigenständige betriebliche Organisation des Ho -Zeltes sei Ende Oktober 1990 in das fertiggestellte Kaufhaus am I verlagert und dort von der Ho in Jena GmbH allein weiterbetrieben worden. Soweit von diesem Unternehmen beschäftigte frühere H -Mitarbeiter eine Abfindung erhalten hätten, beruhe dies darauf, daß deren Arbeitsverhältnisse nicht nach § 613 a BGB übergegangen seien.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht dem Klageantrag entsprochen. Mit ihrer Revision strebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils an.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts keinen Abfindungsanspruch aus § 3 GPH-TV II.
I. Der GPH-TV II ist allerdings rechtwirksam zustande gekommen.
1. Die Nachfolgegesellschaften der früheren H -Betriebe, darunter auch die Rechtsvorgängerin der Beklagten, haben mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft sowie parallel dazu auch mit der Gewerkschaft Handel-Banken-Versicherungen einen mehrgliedrigen Firmentarifvertrag abgeschlossen und sich beim Tarifabschluß von den Geschäftsführern der Gesellschaft zur Privatisierung des Handels wirksam vertreten lassen (§ 2 Abs. 3 GPH-TV II). Mehrere einzelne Arbeitgeber, die jeweils tariffähig sind, können mit einer Gewerkschaft gleichlautende Tarifverträge abschließen. Sie können diese Tarifverträge aber auch in einem Tarifwerk zusammenfassen, indem sie auf der Arbeitgeberseite gemeinschaftlich auftreten. Beim Abschluß eines solchen Tarifvertrages können sie sich nach den allgemeinen Vertretungsregeln (§§ 164 ff. BGB) durch einen Dritten vertreten lassen (BAG Urteil vom 10. November 1993 – 4 AZR 184/93 – AP Nr. 43 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, unter A I der Gründe; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 107; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rz 341 f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., S. 1495; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 2 Rz 64).
2. Der Tarifvertrag verstößt auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Der Tarifvertrag knüpft zwar an Beendigungstatbestände an, die zum Zeitpunkt ihrer Regelung schon mehrere Monate abgeschlossen waren. Dies ist aber jedenfalls bei einem Firmentarifvertrag nicht zu beanstanden. Ein einzelner Arbeitgeber, der sich bereit erklärt, im Hinblick auf abgeschlossene Lebenssachverhalte eine zusätzliche Leistung an frühere Arbeitnehmer zu erbringen, kann sich hierzu auch in einem Tarifvertrag verpflichten. Ein schützenswertes Vertrauen, wegen abgeschlossener Sachverhalte nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, kann sich für einen Arbeitgeber allenfalls gegenüber einem Verbandstarifvertrag ergeben (Senatsurteil vom 11. Juli 1995 – 3 AZR 154/95 – AP Nr. 56 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, unter I 2 der Gründe).
II. Für die tarifgebundene Klägerin kommen an sich auch Ansprüche aus dem GPH-TV II in Betracht.
1. Dieser Tarifvertrag wirkt normativ und nicht lediglich schuldrechtlich, wie die Beklagte meint. Er bestimmt Rechtsfolgen aus der Beendigung von Arbeitsverhältnissen und enthält damit typische tarifliche Inhaltsnormen im Sinne von § 1 TVG, die nach § 4 Abs. 1 TVG im Geltungsbereich des Tarifvertrages unmittelbar und zwingend zugunsten und zu Lasten der Tarifgebundenen wirken. Dem steht nicht entgegen, daß die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer bei Abschluß des Tarifvertrages bereits längere Zeit beendet waren. In seinem Urteil vom 10. Oktober 1989 (– 3 AZR 200/88 – AP Nr. 3 zu § 1 TVG Vorruhestand) hat sich der Senat mit der anders gelagerten Frage befaßt, ob die Tarifvertragsparteien auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das sich anschließende Rechtsverhältnis regeln können, und diese Frage offen gelassen (vgl. hierzu auch Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 234; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 143). Vorliegend geht es nicht um ein sich an das beendete Arbeitsverhältnis anschließendes Rechtsverhältnis, sondern die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst. Daß die Tarifvertragsparteien hierzu Regelungen in einem Zeitpunkt getroffen haben, als die betreffenden Arbeitnehmer nicht mehr Arbeitnehmer des im Tarifvertrag verpflichteten Arbeitgebers waren, ist eine Frage zulässiger Rückwirkung, nicht der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien. Die Beklagte beruft sich für ihre gegenteilige Auffassung zu Unrecht auf das Senatsurteil vom 13. September 1994 (– 3 AZR 148/94 – n.v.). Es ging dort um die andere Frage im Rahmen des § 613 a BGB, ob ein Firmentarifvertrag, der nach der Veräußerung eines Betriebsteils abgeschlossen worden ist, den am Tarifabschluß nicht beteiligten Erwerber des Betriebsteils noch verpflichten kann.
2. Die Beendigung des Arbeitsvertrags zum 31. Oktober 1990 fällt an sich auch in den Geltungsbereich des GPH-TV II. Für Vertragsbeendigungen vor dem 31. Dezember 1990 ist der GPH-TV I nur anwendbar, wenn der betreffende Arbeitnehmer am 15. Oktober 1990 schon 55 Jahre alt war. Dies war bei der Klägerin nicht der Fall.
III. Die Klägerin erfüllt jedoch nicht die Voraussetzungen für einen Abfindungsanspruch nach § 3 in Verb. mit § 2 Nr. 1 GPH- TV II. Sie ist nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden.
1. Die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten (H – GmbH) haben allerdings auf arbeitgeberseitige Veranlassung einen Aufhebungsvertrag zum 31. Oktober 1990 geschlossen. Es kommt deshalb nicht auf die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts an, § 2 GPH-TV II sei auf vom Arbeitgeber veranlaßte Eigenkündigungen entsprechend anzuwenden.
a) Die Kündigung der Klägerin hat das Arbeitsverhältnis schon deshalb nicht zum beabsichtigten Termin aufgelöst, weil sie nicht fristgerecht erfolgte und die Klägerin keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung hatte. § 55 Abs. 1 AGB-DDR 1990, der nach der Anl. II Kap. VIII Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 a zum Einigungsvertrag auch über den 3. Oktober 1990 hinaus fortgalt, schrieb für die Klägerin eine zweiwöchige Kündigungsfrist vor. Diese Frist wurde weder durch eine Kündigung vom 18. Oktober zum 31. Oktober 1990, noch durch eine rückdatierte Kündigung vom 27. Oktober 1990, wie sie die Klägerin behauptet, eingehalten.
Da die Klägerin das Arbeitsverhältnis in jedem Falle zum 31. Oktober 1990 beenden wollte, um den hiervon abhängigen neuen Arbeitsvertrag ab dem 1. November 1990 mit der Horten in Jena GmbH zu erhalten, kann ihre Kündigungserklärung nur als Angebot auf Abschluß eines Aufhebungsvertrages zum 31. Oktober 1990 umgedeutet werden. Dieses Angebot hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten angenommen. Sie hat das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 1990 abgewickelt und nach ihrem eigenen Vortrag auch angestrebt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und ihr zu diesem Zeitpunkt beendet werde.
b) Der Aufhebungsvertrag zum 31. Oktober 1990 ist auf Veranlassung der H -GmbH abgeschlossen worden. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, die Klägerin und ihre Kolleginnen seien veranlaßt worden, ihre Arbeitsverhältnisse selbst zu kündigen, um langwierige Verhandlungen mit der Ho in Jena GmbH zu vermeiden. Dieser Vortrag der Beklagten schließt zwar nicht aus, daß der letzte Hinweis auf eine erforderliche Eigenkündigung auch von der neuen Arbeitgeberin ausgegangen sein kann. Der Vortrag der Beklagten belegt aber jedenfalls, daß die H -GmbH sich eine etwaige Veranlassung durch die Ho in Jena GmbH zu eigen gemacht hat, um ihr Ziel, die früheren Arbeitnehmerinnen unterzubringen, zu erreichen.
2. Der zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Klägerin zum 31. Oktober 1990 abgeschlossene Aufhebungsvertrag ist jedoch wegen Umgehung des § 613 a Abs. 1 BGB nichtig. Die Klägerin ist deshalb nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden. Ihr Arbeitsverhältnis wurde vielmehr von der Ho in Jena GmbH fortgeführt.
a) Die Klägerin war bis zum 31. Oktober 1990 Mitarbeiterin eines von der H -GmbH und der Ho in Jena GmbH gemeinsam unterhaltenen Betriebes. Dies ergibt sich aus den zwischen den Parteien im wesentlichen unstreitigen Begleitumständen der damaligen Beschäftigung.
Die H -GmbH und die Unternehmensgruppe Ho hatten bereits im März 1990 ihre Absicht schriftlich festgelegt, gemeinsam ein Kaufhaus am I in Jena zu betreiben. Die H -GmbH sollte ihren seit Jahren für ein Kaufhaus vorgesehenen Grundbesitz sowie Teile ihres Personals aus anderen Verkaufsstellen, die Ho -Gruppe ihr Kapital zur Errichtung des Gebäudes, das know how und ihr Warensortiment einbringen. Diesen gemeinsamen Betrieb haben die beiden Gesellschafter durch das sog. Ho – Zelt vorbereitet, mit dem sie zwei Ziele verfolgten, die auf den beabsichtigten gemeinsamen Betrieb des Kaufhauses ausgerichtet waren. Es ging zunächst darum, mit den Kaufhausaktivitäten zu beginnen und so einen Kundenstamm aufzubauen, der nach dessen Errichtung in das Kaufhaus wechseln sollte. Weiter sollte das Personal, das aus dem Bestand der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgesucht werden und die Verkaufstätigkeiten tatsächlich durchführen sollte, für den künftigen größeren Betrieb geschult werden. Damit haben sich die H -GmbH und die Ho in Jena GmbH, die die Aktivitäten vor Ort übernahm, geeinigt, gemeinschaftlich eine Art „Vorbetrieb” zu errichten. Auch in diesen Vorbetrieb hat die Ho in Jena GmbH die Sachmittel sowie ihr know how und die H -GmbH Teile ihres Personals aus der Zeit der Handelsorganisation eingebracht. An der Arbeitgeberstellung der H -GmbH gegenüber den Mitarbeitern des Ho -Zeltes änderte sich dadurch nichts. Beim gemeinsamen Betrieb durch mehrere Unternehmen ist regelmäßig von einem Fortbestand der ursprünglichen arbeitsvertraglichen Beziehungen, nicht von einem Arbeitgeberwechsel von einzelnen Unternehmen auf die Gesamthand auszugehen (BAG Urteil vom 5. März 1987 – 2 AZR 623/85 – BAGE 55, 117 = AP Nr. 30 zu § 15 KSchG 1969).
Die Klägerin meint demgegenüber, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sie an die Ho in Jena GmbH verliehen. Dies ist unrichtig. Die Klägerin bestreitet nicht, daß es der H -GmbH nicht darum ging, eigene Arbeitnehmer für einen fremden Betriebszweck zur Verfügung zu stellen, sondern daß sie selbst ein eigenes Interesse am Erfolg des Vorbetriebes hatte. Dies schließt die Annahme, sie habe Arbeitnehmer an ein anderes Unternehmen verliehen, aus.
b) Diesen gemeinsamen Betrieb hat die Ho in Jena GmbH durch Rechtsgeschäft i.S.d. § 613 a Abs. 1 BGB übernommen.
Im Herbst 1990 stand fest, daß die H -GmbH sich an dem gemeinsamen Vorhaben nicht weiter beteiligen, sondern den Betrieb des errichteten Kaufhauses allein der Ho in Jena GmbH überlassen wollte. Dies ist durch die Überlassung des Kaufhausgrundstückes seitens der H -GmbH an die Ho in Jena GmbH am 25. Oktober 1990 auch förmlich festgelegt worden. Damit haben die am joint venture Beteiligten ihre gemeinsamen Aktivitäten beendet. Die Ho in Jena GmbH hat den Betrieb des Kaufhauses und etwa bis März 1991 dazu parallel auch den des Ho -Zeltes mit der im Vertrag vom 25. Oktober 1990 zum Ausdruck gekommenen Zustimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten allein weitergeführt. Hierin liegt die rechtsgeschäftliche Betriebsübernahme i.S.d. § 613 a BGB. Es bedarf keiner weiteren Sachaufklärung, welche Gegenstände im einzelnen von der nunmehr allein als Betreiberin noch tätigen Ho in Jena GmbH übernommen wurden. Der Betrieb des Zeltes und des Kaufhauses sind als einheitliche betriebliche Aktivitäten zu verstehen, die zunächst von den beiden Beteiligten gemeinsam und dann aufgrund der Übertragung der hierfür erforderlichen alleinigen Nutzungsrechte am Kaufhausgrundstück von der Ho in Jena GmbH allein durchgeführt wurde.
c) Mit diesem Betriebsübergang ist auch der zu diesem Zeitpunkt bereits im „Vorbetrieb” des Kaufhauses angesiedelte Arbeitsplatz der Klägerin nach § 613 a Abs. 1 BGB von der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf die Ho in Jena GmbH übergegangen.
Diese Rechtsfolge konnte durch den Aufhebungsvertrag zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum 31. Oktober 1990 und den Neuabschluß des Arbeitsvertrages zwischen der Klägerin und der Ho in Jena GmbH zum 1. November 1990 nicht ausgeschlossen werden. Der Aufhebungsvertrag diente objektiv und, was die Ho in Jena GmbH angeht, auch subjektiv der Umgehung der zwingenden Rechtsfolgen des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB. Er ist deshalb nach § 134 BGB nichtig.
Zwar kann ein Arbeitnehmer, der weder beim Betriebsveräußerer noch beim Betriebserwerber weiterarbeiten will, mit dem Betriebsveräußerer einen rechtswirksamen Aufhebungsvertrag abschließen. Dies ergibt sich bereits aus der ihm nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eingeräumten Befugnis, den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber durch Widerspruch zu verhindern (zuletzt BAG Urteil vom 22. April 1993 – 2 AZR 313/92 – AP Nr. 102 zu § 613 a BGB, unter B III und IV der Gründe, m.w.N.). Etwas anderes gilt aber dann, wenn zwischen den Parteien des Aufhebungsvertrages feststeht, daß der Arbeitnehmer beim Betriebserwerber weiterbeschäftigt werden soll. Mit einem gleichwohl abgeschlossenen Aufhebungsvertrag kann nur das Ziel verfolgt werden, die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses zu unterbrechen. Der Arbeitnehmer soll die bisher erworbenen Rechte verlieren. Ein solches Regelungsziel steht im Widerspruch zur Schutznorm des § 613 a Abs. 1 BGB und ist gesetzwidrig. Es macht den Aufhebungsvertrag nach § 134 BGB nichtig (BAGE 70, 209, 213 = AP Nr. 14 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, unter II 1 der Gründe, m.w.N.; ähnlich BAG Urteil vom 28. April 1988 – 2 AZR 623/87 – AP Nr. 74 zu § 613 a BGB, unter IV 1 c der Gründe).
3. Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn die Beklagte sich zur Abwehr eines Abfindungsanspruchs auf die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages und den sich daraus ergebenden Umstand beruft, daß die Klägerin nicht aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 11. Juli 1995 (– 3 AZR 154/95 – AP Nr. 56 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel) zu einem insoweit parallel liegenden Sachverhalt bereits im einzelnen begründet:
Eine unzulässige Rechtsausübung kommt zwar in Betracht, wenn sich eine Partei zu ihrem Vorteil auf einen eigenen Verstoß gegen eine zugunsten des Vertragspartners bestehende Schutznorm beruft. Dabei muß beachtet werden, in welchem Verhältnis der mit dem nichtigen Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zur Rechtsfolge steht, die durch die Berufung auf die Nichtigkeit vermieden werden soll: Wer Kündigungen ausspricht, um einen Betrieb stillzulegen, kann sich gegenüber der daraus von Gesetzes wegen folgenden Sozialplanpflichtigkeit nicht darauf berufen, die Kündigungen seien wegen Verstoßes gegen § 613 a Abs. 4 BGB rechtsunwirksam, weil sein Betrieb durch Rechtsgeschäft übernommen worden sei (BAG Beschluß vom 27. Juni 1995 – 1 ABR 62/94 – AP Nr. 7 zu § 4 BetrVG 1972).
Vorliegend verhält es sich aber grundsätzlich anders: Mit dem von der H -GmbH veranlaßten Aufhebungsvertrag war nicht bezweckt, daß die Klägerin ihren Arbeitsplatz verlor. Die Weiterbeschäftigung der Klägerin auf dem Arbeitsplatz, den sie zuletzt auch im Arbeitsverhältnis mit ihrer früheren Arbeitgeberin innegehabt hatte, war vielmehr Geschäftsgrundlage des Aufhebungsvertrages. Nach dem von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen Vortrag der Beklagten ist der Vertrag gerade und ausschließlich im Hinblick auf die fest geplante Weiterbeschäftigung der Klägerin abgeschlossen worden. Er diente zwar objektiv, nach dem Willen der Ho in Jena GmbH als Betriebserwerberin, dazu, die Kontinuität des Arbeitsverhältnisses zu beseitigen. Es ging aber zugleich um die Erhaltung des Arbeitsplatzes. Selbst wenn die H – GmbH diesen Zweck durch einen wirksamen Aufhebungsvertrag erreicht hätte, hätte sie nicht den Zustand herbeigeführt, um dessentwillen § 2 und § 3 GPH-TV II einen Abfindungsanspruch eingeräumt haben. Die Beklagte ist deshalb auch nicht gehindert, sich im Rahmen dieser Anspruchsgrundlage auf die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages zu berufen. Es geht in den Tarifverträgen, die im Zusammenhang mit der Privatisierung des Handels im Beitrittsgebiet abgeschlossen worden sind, nicht darum, Besitzstandsverluste im Arbeitsverhältnis auszugleichen. Die Gesellschaft zur Privatisierung des Handels als Vertreterin der Nachfolgegesellschaften der Handelsorganisation und die zuständigen Gewerkschaften verfolgten vorrangig das Ziel, bei der Privatisierung der Betriebe der Handelsorganisation die Arbeitsplätze als solche soweit wie möglich zu erhalten. Nur wenn dieses Ziel verfehlt wurde, entstand nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien der GPH-Tarifverträge der Abfindungsanspruch (vgl. Senatsurteil vom 13. April 1994 – 3 AZR 936/93 – AP Nr. 45 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel, unter A I 2 b der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Gegenüber dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung muß auch berücksichtigt werden, daß die H -GmbH zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages keine erkennbaren eigenen Zwecke verfolgte. Ihr drohte, wenn sie das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin betriebsbedingt auflöste, nicht die Pflicht, eine Abfindung zahlen zu müssen. Bis zum Frühjahr 1991 gab es keinen Tarifvertrag, durch den eine Verpflichtung begründet wurde, im Zusammenhang mit der Auflösung der Betriebe der Handelsorganisation eine Abfindung zu zahlen. Die H -GmbH war im Spätherbst 1990 auch nicht gezwungen, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin von sich aus zu kündigen, wenn diese von sich aus einen neuen Arbeitsvertrag mit der Ho in Jena GmbH abschließen wollte. Eine Pflicht zur weiteren Entgeltzahlung hätte sie im Hinblick auf § 615 Satz 2 BGB ohnehin nicht gehabt. Das Arbeitsverhältnis wäre mit der Liquidation der Beklagten auch ohne Kündigung erloschen. Wenn die H -GmbH unter diesen Umständen mit der Klägerin und ihren Kolleginnen Aufhebungsverträge abschloß, um eine Weiterbeschäftigung durch die Ho in Jena GmbH sicherzustellen, kann die Klägerin nicht den Vorwurf treuwidrigen Verhaltens erheben. Sie kann auch nicht der Berufung der Beklagten auf die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages Rechtsmißbrauch entgegenhalten.
IV. Der Klägerin steht der tarifvertragliche Abfindungsanspruch auch nicht in Anwendung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu.
Die Klägerin hat in den Vorinstanzen zwar darauf hingewiesen, sechs Arbeitnehmerinnen hätten eine Abfindung nach dem GPH- TV II erhalten, obwohl sie auch von der Ho in Jena GmbH weiterbeschäftigt worden seien. Ihr Vortrag reicht aber zur Begründung eines Anspruchs auf Gleichbehandlung nicht aus. Es wird aus dem Vortrag der Klägerin nicht deutlich, daß die Beklagte ohne tarifvertragliche Verpflichtung Abfindungen in der dort vorgesehenen Höhe an eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmbare Gruppe von Arbeitnehmern gezahlt hat. Dies gilt um so mehr, als nach dem Vortrag der Klägerin in drei Fällen eine Einstellung bei der Ho in Jena GmbH erst im März 1991 erfolgte, also einige Zeit nach dem Betriebsübergang. Angesichts dessen kann auch nicht festgestellt werden, ob die Klägerin gegenüber den von ihr genannten Arbeitnehmerinnen ohne sachlichen Grund benachteiligt worden ist.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, Furchtbar, Horst, Schmitthenner
Fundstellen