Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger erhebt Anspruch auf tarifliche Leistungen, die die ihm gewährten vertraglichen Leistungen überschreiten.
Der Kläger war in der Zeit von 31. Juli bis zum 30. Dezember 1996 auf Grund von zwei befristeten Verträgen bei der Beklagten beschäftigt. Während dieser Zeit war er Student und Mitglied der IG Metall. In den schriftlichen Arbeitsverträgen war ua. bestimmt:
“Tätigkeit
Sie werden … als Werkstudent im Vertrieb Ersatzteile beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist befristet.
…
Vergütung
Das Arbeitsentgelt beträgt pro Stunde 23,-- DM brutto. Für Arbeitseinsätze zwischen 20 Uhr und 6 Uhr werden Zuschläge analog § 4 Manteltarifvertrag gezahlt.
Urlaubsanspruch
Der Urlaubsanspruch richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes.”
Über die Beschäftigung von Werkstudenten haben der Gesamtbetriebsrat und der Vorstand der Beklagten die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 15. Mai 1996 (GBV 1996) abgeschlossen, die die frühere Gesamtbetriebsvereinbarung vom 25. Juni 1988 ersetzte und die ua. folgende Regelungen enthielt:
“1. Grundsätze
Werkstudenten werden in den Werken der Volkswagen AG eingesetzt, um vorübergehende Beschäftigungsengpässe auszugleichen.
Werkstudenten unterliegen nicht den Tarifverträgen der Volkswagen AG.
2. Persönlicher Geltungsbereich
Die nachfolgenden Regelungen gelten für
– Personen, die an einer Universität/Hochschule, Fachhochschule oder Fachschule, deren Besuch eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, nachweislich eingeschrieben sind,
– sonstige Personen, für die die Geltung durch das zuständige Personalwesen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festgelegt wird.
…
4. Arbeitsentgelt
Dem Arbeitsentgelt wird ein Stundensatz in Höhe von 23,-- DM brutto zugrunde gelegt. Dieser Stundensatz wird bei tariflichen Veränderungen entsprechend angepaßt.
Die Entgeltregelung gilt bei Einsätzen im Lohn- und Gehaltsbereich.
Für Zuschläge zum Arbeitsentgelt wird § 4 Manteltarifvertrag analog angewandt.”
Die Beklagte hat mit der IG Metall Haustarifverträge abgeschlossen. In dem Manteltarifvertrag zwischen der Volkswagen AG Wolfsburg und der Industriegewerkschaft Metall (Bezirksleitung Hannover) vom 21. November 1991 (MTV 1991) und dem Monatsentgelttarifvertrag derselben Tarifvertragsparteien vom 28. September 1995 (ETV 1995) sind ebenso wie in den vorhergehenden Tarifverträgen Werkstudenten aus dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages ausgenommen. Die entsprechenden Bestimmungen lauten:
MANTELTARIFVERTRAG
§ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt: |
1.1 räumlich: |
für die Werke der Volkswagen AG |
1.2 persönlich: |
für alle Werksangehörigen, die Mitglied der Industriegewerkschaft Metall sind, mit Ausnahme von Praktikanten, Werkstudenten, Volontären, Informanden sowie Werksangehörigen, die der Rentenversicherung der Angestellten zugeordnet sind und aufgrund von Sonderverträgen beschäftigt werden, die über den Rahmen dieses Tarifvertrages und des Gehaltstarifvertrages hinausgehen. |
MONATSENTGELTTARIFVERTRAG
§ 1
Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt |
1.1 räumlich: |
für die Werke der Volkswagen AG |
1.2 persönlich: |
für alle Werksangehörigen, die Mitglied der Industriegewerkschaft Metall sind sowie der Rentenversicherung der Arbeiter zuzuordnen sind. Ausgenommen sind Werksangehörige, die unter den Monatsentgelttarifvertrag mit Arbeitsbereitschaft oder den Tarifvertrag für Angehörige des Werkschutzes und Werkfeuerwehr fallen sowie Praktikanten, Werkstudenten und Informanden. |
Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis auf der Basis der arbeitsvertraglichen Regelungen und der GBV 1996 abgerechnet. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Differenz zwischen der Vergütung für Werkstudenten in Höhe von 23,-- DM brutto je Stunde und der tariflichen Vergütung gem. E/3 nach dem ETV 1995, die sich auf 27,90 DM brutto je Stunde belief und zusätzlich die Weihnachtspauschale in Höhe von 382,00 DM gem. § 10 Ziff. 10.1 MTV iVm. der Bekanntmachung Nr. 37. Die Beklagte hält diese Ansprüche für unbegründet.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger die Ansprüche weiter. Er ist der Meinung, daß die Herausnahme der Werkstudenten aus den Haustarifverträgen gegen den Gleichheitssatz und die Vorenthaltung der tarifvertraglichen Vergütung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sowie gegen das Verbot der Schlechterstellung von Teilzeitkräften verstießen. Eine Rechtfertigung für die Schlechterstellung der Werkstudenten sei nicht gegeben. Er und die anderen Werkstudenten seien in der Abteilung Vertrieb Ersatzteile nicht nur begrenzt einsetzbar gewesen und eingesetzt worden, und ihm sei auch keine besondere Arbeitszeitflexibilität ermöglicht worden. Auch die übrigen von der Beklagten vorgebrachten Gesichtspunkte hätten keinen Bezug zum Wert der Arbeitsleistung und könnten deshalb den Ausschluß von den tariflichen Leistungen nicht rechtfertigen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.562,10 DM brutto zu zahlen nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 20. März 1997.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Meinung, daß die Herausnahme der Werkstudenten aus dem persönlichen Geltungsbereich der Haustarifverträge rechtswirksam sei. Die gegenüber dem Tarifvertrag schlechtere Vergütung der Werkstudenten verstoße weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Tarifvertragsparteien seien bei der Gestaltung des persönlichen Geltungsbereichs von Tarifverträgen grundsätzlich frei. Im übrigen seien ausreichende Sachgründe für die Herausnahme der Studenten aus dem Geltungsbereich gegeben. Das Verbandsinteresse der tarifvertragschließenden IG Metall sei nur auf die Mitgliedschaft solcher Arbeitnehmer gerichtet, die dauerhaft im Metall-Bereich arbeiteten; dies treffe auf Werkstudenten nicht zu. Das Interesse der Beklagten bestehe vorrangig darin, Studenten, und zwar vor allem Kindern ihrer Mitarbeiter die Möglichkeit zu eröffnen, in befristeten Verträgen entsprechend den betrieblichen Arbeitsbedingungen Geld zu verdienen. Dem wäre die Grundlage entzogen, wenn die Löhne deutlich über dem lägen, was die Beklagte für Studenten an Verleihfirmen zahlen müsse. Die Beklagte dürfe zwischen Dauerbeschäftigten einerseits, deren Bindung an den Betrieb gefördert werden müsse, und nur vorübergehend beschäftigten Studenten andererseits differenzieren. Die Beklagte könne zwar ohne Studenten, nicht aber ohne Stammpersonal auskommen. Im übrigen seien durch den Standortsicherungstarifvertrag von 1993 wesentliche Teile der Jahressonderleistung entfallen und dafür das Monatsentgelt erhöht worden. Vor diesem Hintergrund sei den Werkstudenten, die früher auf Grund betrieblicher Regelungen die tarifliche Stundenvergütung, aber nicht die anteiligen tariflichen Sonderzahlungen bekommen hätten, nach der Gesamtbetriebsvereinbarung 1996 auch nicht mehr die tarifliche Stundenvergütung gewährt worden. Auch die regelmäßig bestehende Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit des Studenten rechtfertige eine unterschiedliche Entlohnung.
Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage, dh. in Höhe von 3.464,60 DM brutto im wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht der Zahlungsklage des Klägers nur in Höhe von 1.274,00 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen, weil die Ansprüche verfallen seien, mit Ausnahme der höheren Vergütungsansprüche für Oktober bis Dezember 1996. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte, daß die Klage auch im übrigen abgewiesen wird. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten tariflichen Ansprüche nicht zu. Der Rückzahlungsanspruch der Beklagten ist in vollem Umfang begründet.
I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Ausschluß des Klägers als Werkstudent aus dem persönlichen Geltungsbereich des ETV 1995 und des MTV 1991 nicht wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unwirksam.
1. Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung im wesentlichen damit begründet, daß die Tarifvertragsparteien an den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG gebunden seien und deshalb auch die Herausnahme der Werkstudenten aus dem persönlichen Anwendungsbereich des ETV 1995 und des MTV 1991 daran gemessen werden müsse. Diese tarifliche Regelung sei wegen fehlender sachlicher Gründe gleichheitswidrig und somit nichtig, so daß die Tarifverträge auf Grund der beiderseitigen Tarifbindung unmittelbar und zwingend für das Arbeitsverhältnis der Parteien gälten.
Dem ist nur insoweit zu folgen, als im vorliegenden Fall der Ausschluß der Werkstudenten aus dem persönlichen Geltungsbereich der in Rede stehenden Tarifverträge nur dann rechtsunwirksam wäre, wenn darin ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG läge. Ein Verstoß gegen andere Verfassungsnormen kommt nicht in Betracht. Ebensowenig bestehen zwingende Normen höherrangigen einfachen Rechts, aus denen die Rechtsunwirksamkeit des Ausschlusses der Werkstudenten aus dem persönlichen Geltungsbereich der in Rede stehenden Tarifverträge zu folgern sein könnte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß darin eine gegen § 2 BeschFG verstoßende Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigten liegen könnte.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts verstößt die Herausnahme der Werkstudenten aus dem persönlichen Geltungsbereich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Frage, ob und inwieweit Tarifverträge an die Grundrechte gebunden sind, kann nicht für alle Fallgestaltungen und alle Grundrechte gleichermaßen beantwortet werden. Dazu werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Ansichten vertreten.
a) Das Bundesarbeitsgericht ist in der grundlegenden Entscheidung des Ersten Senats vom 15. Januar 1955 (– 1 AZR 305/54 – BAGE 1, 258) von der unmittelbaren Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte, im gegebenen Fall an das Gebot der Lohngleichheit von Mann und Frau gem. Art. 3 Abs. 2 und 3 GG, ausgegangen. Es hat das vorrangig damit begründet, daß Tarifverträge Gesetzgebung iSv. Art. 1 Abs. 3 GG und somit unmittelbar an die Grundrechte gebunden seien. Es hat ergänzend darauf abgestellt, daß die Tarifvertragsparteien ihre Autonomie zur Rechtsetzung aus der staatlichen Übertragung durch das Tarifvertragsgesetz herleiten. Da die hoheitliche Gewalt an die Grundrechte gebunden sei, müsse das gleiche für diejenigen gelten, die auf Grund staatlicher Delegation Rechtsetzungsbefugnisse hätten. An dieser Begründung für die unmittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte hat das Bundesarbeitsgericht überwiegend bis heute festgehalten (ua. 23. Januar 1992 – 2 AZR 470/91 – BAGE 69, 257; 13. Mai 1997 – 3 AZR 66/96 – AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 36; 4. April 1999 – 3 AZR 729/98 – nv.; zustimmend Löwisch in Löwisch/Rieble TVG § 1 Rn. 155, 156 und Anm. zu BAG 5. Oktober 1999 – 4 AZR 668/98 – RdA 2000, 310).
b) Dieser Auffassung von der unmittelbaren Bindung der Tarifverträge an die Grundrechte wird seit langem und zunehmend widersprochen, weil Tarifverträge trotz ihrer normativen Wirkung nicht als Gesetzgebung iSv. Art. 1 Abs. 3 GG angesehen werden können (ua. MünchArb/Richardi 2. Aufl. Bd. 1 § 10 Rn. 22; ErfK/Dieterich GG Vorb. Rn. 23 ff.; Wiedemann TVG 6. Aufl. Einl. Rn. 199). Im übrigen sind Tarifverträge das Ergebnis kollektiv ausgeübter Privatautonomie, so daß auch der Gesichtspunkt der staatlichen Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen die unmittelbare Grundrechtsbindung nicht begründen kann (ua. Dieterich FS Schaub S 120, 121; MünchArb/Richardi 2. Aufl. Bd. 1 § 10 Rn. 23, 24; Singer ZfA 1995, 611, 618 ff.; Wiedemann TVG 6. Aufl. Einl. Rn. 200).
Ausgehend davon gibt es verschiedene Ansätze zur Begründung der mittelbaren Bindung der Tarifverträge an die Grundrechte. Die mittelbare Bindung der Tarifverträge an die Grundrechte wird zT mit der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte begründet in dem Sinne, daß die Grundrechte als Ausdruck objektiver Wertentscheidungen auch für das Zivilrecht Geltung beanspruchen können (ua. BAG 28. März 1996 – 6 AZR 501/95 – BAGE 82, 344; BVerfG 23. April 1986 – 2 BvR 487/80 – BVerfGE 73, 261). Andererseits wird darauf abgestellt, daß den Tarifunterworfenen gegenüber den Tarifparteien als soziale Gewalt der Grundrechtsschutz gewährt werden müsse (Gamillscheg Kollektives Arbeitsrecht Bd. 1 S 668, 669; Däubler Tarifvertragsrecht 3. Aufl. Rn. 415). Von anderer Seite wird zur Begründung angeführt, daß die Tarifverträge nach § 4 Abs. 1 TVG Rechtsnormen mit Drittwirkung gegenüber den Tarifgebundenen entfalten, was einen entsprechenden Schutz erforderlich mache (vgl. dazu MünchArb/Richardi 2. Aufl. Bd. 1 § 10 Rn. 27 ff.).
c) Demgegenüber hat die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Auffassung von dem Schutzauftrag der Grundrechte als Grundlage für die Grundrechtsbindung jenseits der Fragestellung von unmittelbarer oder mittelbarer Bindung an Anerkennung gewonnen. Diese geht davon aus, daß sich die Grundrechte an die staatliche Gewalt richten. Die Grundrechte stellen sich danach nicht nur als Abwehrrechte dar, sondern auch als Schutzpflichten der staatlichen Gewalt in dem Sinne, daß diese verpflichtet ist, die Durchsetzung der Grundrechte auch in Privatrechtsverhältnissen zu gewährleisten. Diese Schutzpflicht trifft alle staatlichen Grundrechtsadressaten, somit auch die Gerichte, und zwar auch bei der Auslegung und Anwendung von Tarifverträgen als Ergebnissen kollektiv ausgeübter Privatautonomie (ua. BAG 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – BAGE 88, 118 und 11. März 1998 – 7 AZR 700/96 – BAGE 88, 162; Dieterich FS Schaub S 122; Schliemann FS Hanau S 577, 583 f.; ders. ZTR 2000, 198; Wiedemann TVG 6. Aufl. Einl. Rn. 204).
d) Das Bundesverfassungsgericht hat zu der Frage der Bindung der Tarifverträge an die Grundrechte noch nicht abschließend Stellung genommen. Aus der Entscheidung vom 23. April 1986 (– 2 BvR 487/80 – BVerfGE 73, 261), die für einen Sozialplan als Betriebsvereinbarung nur eine mittelbare Bindung anerkannt hat, wird allerdings zutreffend abgeleitet, daß dann für Tarifverträge auch nur eine mittelbare Bindung in Betracht kommt. In der Entscheidung vom 30. Mai 1990 (– 1 BvL 2/83 – AP BGB § 622 Nr. 28) über die unzulässige gesetzliche Differenzierung der Kündigungsfristen für Arbeiter und Angestellte wird offengelassen, ob die Tarifverträge der Beschränkung von Art. 3 Abs. 1 GG unterliegen, ebenso wie in dem Beschluß vom 21. Mai 1999 (– 1 BvR 726/98 – EzA GG Art. 3 Nr. 72a). Die wiederholt zur Stützung der Auffassung über eine Grundrechtsbindung der Tarifverträge herangezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Mai 1967 (– 1 BvR 578/63 – BVerfGE 21, 362, 372) enthält zu dieser Frage der Grundrechtsbindung von Tarifverträgen keine ausdrückliche Stellungnahme. Es spricht einiges dafür, daß das Bundesverfassungsgericht, das mit der Theorie von der Schutzfunktion der Grundrechte den Streit um die unmittelbare oder mittelbare Wirkung der Grundrechte im Privatrecht weitgehend überwunden hat, die Frage nach der Grundrechtsbindung der Tarifverträge nicht einheitlich beantworten wird, sondern differenziert im Hinblick auf das Grundrecht und den Normadressaten (vgl. dazu Kühling AuR 1994, 126).
e) Aus diesen unterschiedlichen Sichtweisen zum Verhältnis von Tarifvertrag und Grundrechten lassen sich nicht zwingend bestimmte Auffassungen zu der hier wesentlichen konkreten Frage ableiten, ob und mit welcher Intensität der Ausschluß einer Gruppe aus dem persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages an dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gemessen werden kann. Zum Teil wird den grundsätzlichen Auffassungen zum Verhältnis von Tarifvertrag und Grundrechten keine bzw. nur eine geringe Bedeutung für die Einzelfragen zugemessen (ua. MünchArbR/Löwisch Bd. 3 § 239 Rn. 64; Gamillscheg aaO S 667; Rieble ZfA 2000, 5, 25). Tendenziell aber führt diese Ansicht von der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte zu einem Kontrollmaßstab, der den Tarifvertragsparteien hinsichtlich der Grundrechtsbindung größere Freiräume läßt, als sie der Gesetzgeber einzuhalten hat (ua. Dieterich aaO S 121 ff.; Schliemann ZTR 2000, 198, 200; Schwarze ZTR 1996, 1, 3).
f) Die unterschiedlichen Ansichten über die Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien bleiben relativ unbedeutend, wenn es darum geht, ob Inhaltsnormen des Tarifvertrags gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen (vgl. die Herleitungen bei Dieterich aaO S 128; Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. Grundlagen Rn. 167; Löwisch/Rieble TVG § 1 Rn. 182) oder ob bei der Beschreibung des Geltungsbereichs ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 GG oder gegen zwingendes einfachgesetzliches Recht, zB gegen § 2 BeschFG vorliegt (ErfK/Schaub § 1 TVG Rn. 140; Däubler aaO Rn. 434; Gamillscheg aaO S 676). Darum geht es vorliegend jedoch nicht. Vielmehr ist hier zu klären, ob die Herausnahme einer bestimmten Gruppe, nämlich die der Werkstudenten, aus den in Rede stehenden Haustarifverträgen mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Insoweit werden sehr unterschiedliche Ansichten vertreten.
(1) Bereits in früheren Entscheidungen hat der Senat angenommen, daß bei Regelungen zum Geltungsbereich eines Tarifvertrages das Grundrecht der Koalitionsfreiheit den allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG verdrängt oder zumindest ihm vorgeht. So heißt es in der Entscheidung vom 24. April 1985 (– 4 AZR 457/83 – BAGE 48, 307) ua.:
Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt der Ausschluß der Lektoren aus dem Geltungsbereich des BAT nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn es gehört zu dem durch das GG geschützten Kernbereich der Koalitionsfreiheit, daß die Tarifvertragsparteien in freier Selbstbestimmung festlegen, ob und für welche Berufsgruppen und Tätigkeiten sie überhaupt tarifliche Regelungen treffen oder nicht treffen wollen. Die so getroffene Entscheidung der Tarifvertragsparteien trägt ihren Sachgrund in sich, sie ist durch die Tarifautonomie gerechtfertigt. Die Tarifautonomie ist als solche ein Eigenwert in einer freiheitlichen Gesellschaft und zugleich Verwirklichung des Gemeinwohls. Damit wird durch das Grundgesetz jede von den Tarifvertragsparteien insoweit getroffene Differenzierung als Ausfluß der Tarifautonomie anerkannt. Wegen dieser Wertentscheidung des Grundgesetzes ist in diesem Rahmen für die Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG und des daraus abgeleiteten Willkürverbotes kein Raum. An Art. 3 Abs. 1 GG sind erst die materiellen Arbeitsbedingungen, die durch den Tarifvertrag getroffen werden, zu messen. Insoweit sind auch die Tarifvertragsparteien – ebenso wie der Gesetzgeber – an den Gleichheitssatz gebunden.
In der Entscheidung vom 18. September 1985 (– 4 AZR 75/84 – BAGE 49, 360, 366 f.) ist ausgeführt:
Schon in seinem Urteil vom 24. April 1985 hat der Senat im einzelnen ausgeführt, aus der nach Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich geschützten Koalitionsfreiheit folge, daß die Tarifvertragsparteien in freier Selbstbestimmung darüber zu entscheiden hätten, ob und für welche Berufsgruppen oder Tätigkeiten sie tarifliche Regelungen treffen wollten, weswegen sie auch in der Bestimmung des Geltungsbereiches der Tarifverträge im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit frei seien. …
Es steht ihnen damit auch frei, bestimmte Berufsgruppen oder Tätigkeiten aus dem Geltungsbereich eines Tarifvertrages – wie in § 3 Buchst. g) BAT geschehen – auszunehmen. Insoweit ist demgegenüber eine Berufung auf Art. 3 GG rechtlich nicht möglich. Vielmehr geht Art. 9 Abs. 3 GG dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, sofern er hier überhaupt Anwendung finden kann, vor.
In einer späteren Entscheidung des Senats wird dieser prinzipielle Vorrang der Gestaltungsfreiheit bei der Bestimmung des Geltungsbereichs auf Grund der Tarifautonomie relativiert, indem ausgeführt wird (BAG 10. April 1991 – 4 AZR 479/90 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 141):
Bei der Bestimmung des Geltungsbereichs sind die Tarifvertragsparteien innerhalb der Grenzen ihrer Tarifzuständigkeit frei. Denn es gehört zu dem durch das Grundgesetz geschützten Kernbereich der Koalitionsfreiheit, daß die Tarifvertragsparteien in freier Selbstbestimmung festlegen können, ob überhaupt und für welche Berufsgruppen und Tätigkeiten tarifliche Regelungen getroffen werden sollen oder nicht. Eine von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung in diesem Bereich ist durch das Grundgesetz als Ausfluß der Tarifautonomie jedenfalls dann anerkannt, wenn hierfür sachliche Gründe bestehen. Dies wird auch im Schrifttum angenommen. Für die Ausgrenzung der leitenden Angestellten aus den Regelungen der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes sind aber sachliche Gründe gegeben.
(2) Von anderen Senaten des Bundesarbeitsgerichts wird das Spannungsverhältnis zwischen der Koalitionsfreiheit und dem allgemeinen Gleichheitssatz bei tariflichen Regelungen zum Geltungsbereich im Ergebnis abweichend iS eines Vorranges des Gleichheitssatzes gesehen. So hat der Dritte Senat zB in der Entscheidung vom 7. März 1995 (– 3 AZR 282/94 – AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 26), in der er den Ausschluß der unterhälftig beschäftigten Teilzeitkräfte von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gem. § 2 VersorgungsTV iVm. § 3 Buchst. q BAT wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als unwirksam angesehen hat, ua. formuliert:
Gruppenbildungen in einem Tarifvertrag sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht schon deshalb als sachlich gerechtfertigt anzusehen, weil sie von den Tarifvertragsparteien stammen. Trotz der besonderen Sachkunde der Tarifvertragsparteien und des ausgewogenen Kräfteverhältnisses kann nicht unterstellt werden, daß ihre Regelungen stets den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechen. Art. 9 Abs. 3 GG garantiert den Tarifvertragsparteien keinen unbeschränkten Regelungsspielraum. Auch sie müssen zwingendes übergeordnetes Recht beachten, zu dem Art. 3 Abs. 1 GG gehört. Die Auslegung der Vorschriften, die den Handlungsspielraum der Tarifvertragsparteien einschränken, muß allerdings der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Tarifautonomie Rechnung tragen. Auch unter Berücksichtigung der Tarifautonomie gibt es keine sachlich einleuchtenden Gründe für den Ausschluß der unterhälftig beschäftigten Teilzeitkräfte.
Entsprechend hat der Fünfte Senat in seiner Entscheidung vom 18. Juni 1997 (– 5 AZR 259/96 – BAGE 86, 136, 141) erkannt, daß Art. 9 Abs. 3 GG der Geltung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht entgegenstehe, auch wenn es im Ergebnis keinen Verstoß des § 3 Buchst. d BAT, wonach ABM-Kräfte von den Vergütungsregelungen des BAT ausgenommen werden, gegen Art. 3 Abs. 1 GG angenommen hat:
Der allgemeine Gleichheitssatz der Verfassung ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht. Er ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten. Art. 9 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen. Mit der Tarifautonomie ist den Tarifvertragsparteien die Macht verliehen, Rechtsnormen zu schaffen. Dementsprechend müssen sie sich wie der Gesetzgeber an die zentrale Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 Abs. 1 GG halten. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt vor, wenn im wesentlichen gleichliegende Sachverhalte ohne sachlich einleuchtenden Grund unterschiedlich behandelt werden. Dabei kommt es darauf an, ob sich aus dem Zweck der Leistung Gründe herleiten lassen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, der einen Arbeitnehmergruppe eine Leistung vorzuenthalten, die der anderen Gruppe eingeräumt worden ist.
Auch der Sechste Senat hat in der Entscheidung vom 28. März 1996 (– 6 AZR 501/95 – BAGE 82, 344, 347), in der der Ausschluß der Studierenden, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V versicherungsfrei sind, aus dem Geltungsbereich des BAT (§ 3 Buchst. n BAT) unwirksam sei, keine Einschränkung des allgemeinen Gleichheitssatzes durch die Koalitionsfreiheit anerkannt, sondern ua. formuliert:
Der allgemeine Gleichheitssatz ist Teil der objektiven Wertordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts Geltung beansprucht. Er ist auch von den Tarifvertragsparteien zu beachten. Art. 9 Abs. 3 GG steht dem nicht entgegen. Mit der Tarifautonomie ist den Tarifvertragsparteien die Macht verliehen, wie ein Gesetzgeber Rechtsnormen zu setzen. Dementsprechend müssen sie sich auch wie der Gesetzgeber an die zentrale Gerechtigkeitsnorm des Art. 3 Abs. 1 GG halten. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liegt vor, wenn im wesentlichen gleichliegende Sachverhalte ohne sachlich einleuchtenden Grund unterschiedlich behandelt werden.
(3) In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird überwiegend die Ansicht vertreten, daß bei der Regelung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrages die Tarifvertragsparteien wegen der Koalitionsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 3 GG weitestgehend frei seien (Däubler aaO Rn. 434; Etzel NZA Beil. 1 1987, 21; Gamillscheg aaO S 676). Andere halten eine auf das Willkürverbot beschränkte Bindung der Tarifvertragsparteien an Art. 3 Abs. 1 GG für gegeben (Kempen/Zachert aaO Rn. 174; Konzen ZfA 1975, 401, 426). Löwisch/Rieble (TVG § 1 Rn. 187) sind der Meinung, daß das Verbot der Ungleichbehandlung bzw. Diskriminierung für den Geltungsbereich eines Tarifvertrages ebenso gelte wie für seinen sonstigen Inhalt.
(4) Im übrigen wird die Frage nach der Bindung von tariflichen Regelungen über den Geltungsbereich eines Tarifvertrages überlagert von der Frage, welche Interessen bzw. Gesichtspunkte bei der Prüfung eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz berücksichtigt werden können und anhand welchen Maßstabes ein Verstoß festgestellt wird. Diese Fragen lassen sich nicht abstrakt beantworten.
g) Unter Abwägung aller Ansichten und ihrer Begründungen bleibt der Senat bei seiner Ansicht, daß die Tarifvertragsparteien bei der Vereinbarung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrags keiner unmittelbaren Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG unterliegen. Sie sind vielmehr im Hinblick auf ihr insoweit vorrangig zu beachtendes Grundrecht der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) bis zur Grenze der Willkür frei, in eigener Selbstbestimmung den persönlichen Geltungsbereich ihrer Tarifregelungen festzulegen. Die Grenze der Willkür ist erst überschritten, wenn die Differenzierung im persönlichen Geltungsbereich unter keinem Gesichtspunkt, auch koalitionspolitischer Art, plausibel erklärbar ist.
Dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit ist vor der Bindung der Tarifvertragsparteien an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG im bezeichneten Umfang deshalb Vorrang einzuräumen, weil bei Tarifverträgen, insbesondere bei der Vereinbarung ihrer persönlichen Geltungsbereiche, das Grundrecht der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) auch den Handlungsrahmen der Tarifvertragsparteien schützt. Der Geltungsbereich, aber auch der sonstige Inhalt von Tarifverträgen wird – im Gegensatz zu Gesetzen – nicht primär durch Allgemeininteressen bestimmt, sondern durch Eigeninteressen der Koalition und ihrer Mitglieder (Kempen/Zachert TVG 3. Aufl. Grundlagen Rn. 174; Söllner NZA 1996, 897, 902 f.; Schwarze ZTR 1996, 1, 3). Der Tarifvertrag ist das Ergebnis der Verhandlungen über widerstreitende Interessen und hat Kompromißcharakter (Dieterich aaO S 129). So kann als Ergebnis einer Tarifverhandlung eine Forderung zunächst nur für eine bestimmte Gruppe realisierbar sein, nicht aber für alle denkbar Betroffenen. Daneben dürfen die Tarifvertragsparteien durchaus ihre koalitionsspezifischen Interessen berücksichtigen, und zwar auch insoweit, als es darum geht, ob Tarifforderungen zB probeweise oder auf Grund innerverbandlicher Rücksichtnahmen nur für einen Teil ihrer Mitglieder erhoben und mit welchem Aufwand durchgesetzt werden oder – umgekehrt – inwieweit und für welche Gruppe(n) Tarifforderungen abgelehnt oder dagegen Widerstand geleistet wird. Bei einem – wie hier – Haustarifvertrag darf die Arbeitgeberin selbstverständlich ihre Eigeninteressen einbringen. Der Kompromiß kann dann darin liegen, daß es zu interessenausgleichenden Einigungen kommt, die nicht für alle Beschäftigten gleichermaßen Geltung beanspruchen.
Eine Grenze ist den Tarifvertragsparteien allerdings insoweit durch Art. 3 Abs. 1 GG gesetzt, als die Unterschiede oder Ausnahmen, die sich als Verhandlungsergebnis im persönlichen Geltungsbereich niederschlagen, ihrerseits nicht willkürlich vorgenommen sein dürfen. Das wäre der Fall, wenn für die Unterschiedlichkeit der Regelungen keinerlei plausible Erklärung möglich ist. Das aber ist hier nicht der Fall. Die Herausnahme der Werkstudenten aus den genannten Haustarifverträgen hält sogar einem strengeren Prüfungsmaßstab stand (vgl. I 3 dieses Urteils).
Die Erwägungen des Senats werden ferner durch den Umstand unterstützt, daß der Maßstab für die Bewertung einer Differenzierung als Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht hinreichend klar ist. In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird überwiegend mit der Formulierung gearbeitet, daß nach dem Gleichheitssatz Differenzierungen verboten sind, wenn sich dafür ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonst einleuchtender Grund nicht finden läßt (ua. ErfK/Schaub TVG § 1 Rn. 140 mwN). In der Anwendung und Konkretisierung dieses Prüfungsmaßstabes ist aber nicht immer klar erkennbar, ob dabei lediglich gefordert wird, daß die Differenzierung auf Grund von sachlichen, dh. nicht diskriminierenden Gesichtspunkten vorgenommen worden ist, oder ob darüber hinausgehend auch das Ergebnis der nach sachlichen Gesichtspunkten vorgenommenen Differenzierung bewertet wird, sei es zurückhaltend in dem Sinne, daß das Ergebnis vertretbar erscheint, oder weitergehend in dem Sinne, daß es einleuchtend bzw. vernünftig ist. Ausgehend davon ist auch nicht eindeutig geklärt, inwieweit inhaltlich ein Unterschied besteht zwischen den häufig nebeneinander oder synonym gebrauchten Begriffen “ohne sachlichen Grund” bzw. “Willkür” (ua. bei ErfK/Schaub TVG aaO; Däubler aaO Rn. 433). Diese noch bestehenden Unklarheiten hinsichtlich des Überprüfungsmaßstabes werden nicht durch den weitgehenden Konsens darüber beseitigt, daß den Tarifvertragsparteien ebenso wie dem Gesetzgeber ein Entscheidungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative zukommen und daß eine Inhaltskontrolle iS der Ersetzung der Wertung der Tarifvertragsparteien durch diejenige des Gerichts schon wegen des Verbots einer Tarifzensur nicht in Betracht kommt.
3. Weder die Auffassungsunterschiede der verschiedenen Senate des Bundesarbeitsgerichts noch der Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung führen im vorliegenden Fall dazu, daß gem. § 45 ArbGG das Verfahren ausgesetzt und dem Großen Senat die Rechtsfrage vorgelegt werden müsse, inwieweit die Tarifvertragsparteien bei der Vereinbarung des Umfangs bzw. der Ausnahmen des persönlichen Geltungsbereichs den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten haben. Die Vorlagepflicht setzt voraus, daß die Rechtsfrage klärungsbedürftig und klärungsfähig ist (BAG 16. Januar 1991 – 4 AZR 341/90 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 95). Vorliegend fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit. Denn die Beantwortung dieser Frage ist für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht tragend. Es liegt nämlich auch dann kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, wenn man annimmt, tarifvertragliche Ausnahmeregelungen vom persönlichen Geltungsbereich seien unmittelbar am allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Denn vorliegend bestehen hinreichende sachliche Gründe für die Herausnahme der Werkstudenten aus dem persönlichen Geltungsbereich der genannten Tarifverträge.
a) Das Landesarbeitsgericht hat den Gleichheitsverstoß vorrangig damit begründet, die Beklagte habe nicht aufzeigen können, daß Inhalt und Wert der von dem Kläger erbrachten Leistungen sich in relevanter Weise von denen der nichtstudentischen Arbeitskräfte unterschieden und deshalb eine niedrigere Vergütung rechtfertigten. Bei dieser Argumentation verkennt das Landesarbeitsgericht den eigentlichen Gegenstand der Überprüfung, dh. ob die Herausnahme der Werkstudenten aus dem persönlichen Anwendungsbereich des ETV 1995 und des MTV 1991 gleichheitswidrig ist. Inhalt dieser Regelung ist nur der Ausschluß aus dem persönlichen Anwendungsbereich und nicht gleichzeitig die Festlegung eines geringeren Entgeltes. Dadurch, daß die Regelungskompetenz von den Tarifvertragsparteien selbst nicht wahrgenommen wird, bleibt die Regelung der Vergütungshöhe der Regelungskompetenz der Arbeitsvertragsparteien bzw. der Betriebspartner überlassen. Nicht die konkrete Festlegung einer geringeren Vergütung ist deshalb Regelungsgegenstand, sondern der Ausschluß der Werkstudenten von der Geltung der tarifvertraglichen Mindestregelungen. Das zeigt sich konkret darin, daß der Ausschluß der Werkstudenten bereits seit Jahrzehnten besteht, während die tatsächlich niedrigere Stundenvergütung für die Werkstudenten erst durch die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 15. Mai 1996 eingeführt worden ist. Die Wirksamkeit der Herausnahme der Werkstudenten aus dem persönlichen Anwendungsbereich kann aber nicht davon abhängig gemacht werden, ob und ggf. ab wann für die Werkstudenten außertariflich schlechtere Arbeitsbedingungen festgelegt worden sind.
b) Es handelt sich vorliegend auch nicht um eine verdeckte inhaltlich differenzierende Regelung eines Tarifvertrages. Zwar können regelungstechnisch eine inhaltlich differenzierende Regelung und eine Regelung über den persönlichen Anwendungsbereich austauschbar sein. Dadurch darf die Überprüfbarkeit bzw. der Maßstab der Überprüfung nicht grundsätzlich verändert werden. Hier handelt es sich aber auch inhaltlich nur um eine Regelung über den tariflichen Anwendungsbereich, weil auch nicht mittelbar durch die einschlägigen Tarifverträge selbst eine niedrigere Vergütung oder ein Ausschluß von bestimmten Zusatzleistungen geregelt worden ist. Es handelt sich um eine Nicht-Regelung in dem Sinne, daß notwendige Vertragsinhalte für eine bestimmte Personengruppe nicht getroffen werden, diese also von der tariflichen Regelung vollständig ausgenommen werden, und nicht um eine Negativ-Regelung in dem Sinne, daß ein Regel-Ausnahme-Verhältnis für die Leistungshöhe oder für bestimmte Zusatzleistungen begründet wird (vgl. zu dieser Differenzierung Wißmann FS Dieterich, 683, 695 ff.).
c) Diese Nicht-Regelung iS der Herausnahme der Werkstudenten aus dem persönlichen Geltungsbereich des ETV 1995 und des MTV 1991 verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, auch wenn man abweichend von dem Lösungsansatz des Senats sachlich einleuchtende Gründe für diese Regelung fordert. Die Gruppe der Werkstudenten ist bei typisierender Betrachtung durch mehrere Merkmale gekennzeichnet, die eine Herausnahme aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages rechtfertigen.
(1) Als sachlich einleuchtender Grund ist anzuerkennen, daß Werkstudenten typischerweise durch ihren Status als Aushilfskräfte mit fehlender Perspektive zur Dauerbeschäftigung gekennzeichnet sind. Als Werkstudenten stellen sie ein spezifisches Segment auf dem Arbeitsmarkt dar. Weitere typische Kennzeichen sind die besonderen durch das Studieren, die vorlesungsfreie Zeit und die familiäre Ungebundenheit bedingten Rahmenbedingungen für die Einsatzmöglichkeiten und eine spezifische Qualifikationsstruktur iS von geringeren praktischen Fähigkeiten, aber höheren allgemeinen und theoretischen Kenntnissen.
(2) Auch die tendenziell geringere Gewerkschaftsbindung von Werkstudenten kann als Differenzierungsmerkmal für eine tarifliche Geltungsbereichsregelung herangezogen werden. Dieses begrenzte Interesse an der Mitgliedschaft von Studenten hat in der Satzung der IG Metall darin Ausdruck gefunden, daß zwar eine Mitgliedschaft auf Grund einer Beschäftigung in dem fachlichen Geltungsbereich nicht ausgeschlossen ist, daß aber unabhängig davon eine Berechtigung zur Mitgliedschaft von Studierenden nur vorgesehen ist, wenn sie ein Studienfach studieren, das eine spätere Tätigkeit in den einschlägigen Betrieben ermöglicht, oder wenn sie eine Tätigkeit in diesen Betrieben anstreben.
(3) Im übrigen ist auch die soziale Lage der Werkstudenten typischerweise eine andere als bei anderen Arbeitnehmern, auch bei sonstigen Aushilfskräften. Das betrifft nicht nur den familiären Status, sondern insbesondere den Umstand, daß das Studium typischerweise im wesentlichen durch staatliche, familiäre oder andere Unterhaltsleistungen finanziert wird. Daß daneben der eigene Verdienst wegen vielfacher Faktoren (Dauer des Studiums, Divergenz zwischen Bedarf und Leistungen, zeitliche Begrenzung der Leistungen) an Bedeutung zugenommen hat, ändert daran im Grundsatz nichts. Mit diesem Gesichtspunkt wird nicht auf die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Werkstudenten abgestellt, die als solche für eine arbeitsrechtliche Differenzierung nicht geeignet ist.
(4) Schließlich ist zu berücksichtigen, daß zum Zeitpunkt der tariflichen Regelung des persönlichen Geltungsbereichs in dem MTV 1991 und dem ETV 1995 über die Vergütung der Werkstudenten Gesamt-Betriebsvereinbarungen bestanden, die jedenfalls die Gewährung der tariflichen Stundenvergütung an die Werkstudenten beinhaltete. Es kann nach dem Gleichheitsgebot nicht beanstandet werden, daß die Tarifvertragsparteien gerade in einem Firmentarifvertrag auf die Regelung der Arbeitsbedingungen für Werkstudenten verzichten und sie den betrieblichen und ggf. arbeitsvertraglichen Regelungen überlassen. Die dadurch gewonnene Flexibilität kann, wie die zwischenzeitliche Entwicklung zeigt, durchaus sinnvoll sein, weil das Festhalten an der tariflichen Vergütung für Werkstudenten möglicherweise dazu geführt hätte, daß wegen der billigeren Konkurrenz von Leiharbeitnehmern die direkte Beschäftigung von Werkstudenten von der Beklagten beschränkt oder eingestellt werden würde. Auch das zeigt, daß es den Tarifvertragsparteien nicht unter Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz verwehrt werden kann, die Werkstudenten aus dem Geltungsbereich herauszunehmen und die Lösung des Zielkonfliktes zwischen der Gleichbehandlung, den arbeitsmarktpolitischen Zusammenhängen und den unterschiedlichen Interessen und Handlungsspielräumen der Beteiligten der praktischen Kompromißlösung durch betriebliche oder arbeitsvertragliche Regelungen zu überantworten.
4. Da nach allem die Herausnahme der Werkstudenten aus dem persönlichen Geltungsbereich der genannten Tarifverträge rechtswirksam ist, kommt ein tariflicher Anspruch des Klägers auf die höhere tarifliche Vergütung und die tarifliche Weihnachtspauschale nicht in Betracht.
II. Der Kläger kann seine weitergehenden Ansprüche auch nicht aus der GBV 1996 ableiten. Die ihm nach der GBV 1996 zustehenden Ansprüche sind unstreitig erfüllt worden. Es gibt keine rechtliche Grundlage dafür, die GBV 1996 wegen der untertariflichen Stundenvergütung für die Werkstudenten als gleichheitswidrig und somit unwirksam anzusehen und ausgehend davon die tarifliche Vergütung als übliche oder rechtlich gebotene Vergütung zuzuerkennen. Dem steht schon entgegen, daß die Betriebsparteien durch den allgemeinen Gleichheitssatz nicht gezwungen sind, für eine tariflich nicht geregelte Beschäftigungsgruppe ebenfalls die tariflichen Vergütungen festzulegen. Insoweit fehlt es schon an der Vergleichbarkeit der Gruppe. Deshalb bedarf es keiner Prüfung, ob die GBV 1996 trotz § 77 Abs. 3 BetrVG von der Regelungskompetenz der Betriebsparteien gedeckt war. Selbst wenn sie wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam wäre, könnte der Kläger aus dieser Unwirksamkeit nichts für sich herleiten.
III. Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kommt als Grundlage für die Ansprüche des Klägers auf tarifliche Vergütung nicht in Betracht. Bei Wirksamkeit der GBV 1996 ist für die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes schon deshalb kein Raum, weil die Beklagte lediglich die GBV vollzogen hat und ihre eigene Gestaltungskompetenz dabei gar nicht wahrgenommen hat. Aber auch wenn die GBV 1996 wegen fehlender Regelungskompetenz der Betriebsparteien unwirksam sein sollte, ergibt sich nichts anderes. Denn auch dann fehlt es für die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgrundsatzes schon an der Vergleichbarkeit der tarifgebundenen Beschäftigten und der außerhalb des Geltungsbereichs der Tarifverträge stehenden Werkstudenten.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Wolter, Pflügner-Wax, Seifner
Fundstellen