Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung wegen angeblicher Betriebsstillegung
Leitsatz (redaktionell)
Darlegungs- und Beweislast bei Betriebsstillegung, der eine Betriebsübernahme vorausgeht.
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 1 Abs. 2; ZPO §§ 319-320, 551 Ziff. 7
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 29.01.1990; Aktenzeichen 16/14 Sa 783/89) |
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 19.01.1989; Aktenzeichen 2 Ca 443/88) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 29. Januar 1990 – 16/14 Sa 783/89 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechtswegen!
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 1. November 1973 bei der Beklagten, einem Möbelunternehmen, als Fahrer beschäftigt. Sein monatliches Bruttoentgelt betrug zuletzt 2.718,– DM. Die Beklagte betrieb ihr Unternehmen auf einem gemieteten Gelände, das Eigentum einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist, deren Gesellschafter nach der Darstellung des Landesarbeitsgerichts u.a. zwei der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Beklagten sind.
Am 18. April 1988 schloß die Eigentümerin des Betriebsgeländes mit der M. einen Mietvertrag ab. Danach wird das Betriebsgelände zum Zwecke des Betriebs eines Möbel- und Einrichtungshauses incl. Elektroabteilung (auch Unterhaltungselektronik) vermietet. Ggf. kann in dem Mietobjekt auch eine Fotoabteilung sowie ein Reise- und Versicherungsbüro betrieben werden. In einer Ergänzung zum Mietvertrag vom 25. Juli 1988 wird unter Ziff. 2 bestimmt, die Übergabe des Mietobjektes solle am 17. Oktober 1988 erfolgen. Außerdem sollte neben der bisherigen Verkaufsfläche von 3600 qm eine weitere von 750 qm aus einer Umwandlung von Lagerfläche für eine Elektroabteilung der M. nutzbar gemacht werden.
Mit Rundschreiben vom 16. August 1988 teilte die Beklagte sämtlichen Mitarbeitern mit, sie habe sich aufgrund der veränderten Marktsituation entschlossen, den Betrieb in E. an eine leistungsstarke Gruppe, die M., als Möbelhaus mit Elektroabteilung zu vermieten. Es sei ihr besonders darum gegangen, den Betrieb an eine branchengleiche Firma zu vermieten, um die Arbeitsplätze zu sichern. Die M. werde allen Mitarbeitern neue, zufriedenstellende Arbeitsverträge anbieten. Während nahezu alle bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer die neuen Arbeitsverträge annahmen, lehnte der Kläger den Abschluß des auf den 18. August 1988 datierten Arbeitsvertrags ab. Mit Schreiben vom 26. August 1988 kündigte die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. November 1988.
Die Beklagte führte einen Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe durch, der am 30. September 1988 abgeschlossen war. Am 16. Oktober 1988 nahm die M.: ihren Geschäftsbetrieb mit nahezu allen bisherigen Mitarbeitern der Beklagten auf. Zuvor hatte sie von der Beklagten 630 gebrauchte Stellplatzwagen sowie Büro- und Geschäftsausstattung zum Preis von insgesamt 38.190,– DM sowie das gesamte Ersatzteillager übernommen. Der Kläger wurde noch bis zum 18. November 1988 beschäftigt, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob er für die M. tätig war oder nur Abwicklungsarbeiten für die Beklagte erledigte; anschließend wurde er von der Arbeit freigestellt.
Mit seiner am 7. September 1988 eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat vorgetragen, die Beklagte habe ihren Betrieb nicht stillgelegt. Vielmehr sei der Betrieb auf die M. übergegangen. Dies ergebe sich bereits aus dem Rundschreiben der Beklagten vom 16. August 1988 sowie aus einem Schreiben der Beklagten vom 31. August 1988, in dem von der Weiterführung des Betriebs durch die M. die Rede sei. Der Betriebsübergang werde durch die zwischen der Beklagten und M. abgeschlossenen Rechtsgeschäfte bestätigt. So habe die Beklagte sowohl für die Betriebs räume, als auch für den Kundenstamm und die Geschäftsaufgabe sowie die Übernahme von Waren und Ausstattungen Zahlungen erhalten. Insbesondere habe sich die Beklagte verpflichtet, keinen Möbelmarkt zu betreiben oder betreiben zu lassen.
Es komme hinzu, daß sich die M. in zahlreichen Prospekten auf die Beklagte durch den Hinweis „ehemals P. an der B 3” beziehe. Das Einrichtungshaus befinde sich in einer größeren Ladenzone von Einkaufszentren. Daraus gehe hervor, daß der gleiche Kundenkreis angesprochen werden solle. Auch das Warensortiment sei mit Ausnahme der Elektroartikel identisch. Beide Firmen führten ein umfassendes Einrichtungsprogramm, wobei sich die Qualitätsstufe der Waren gleiche. Die M. habe die von der Beklagten ausgelieferten Möbel nach Kundenreklamationen zurückgenommen und auch Kundendienstarbeiten für die Beklagte durch ihre Arbeitnehmer ausführen lassen. Sie habe weiter Ausstattungsgegenstände im Verkaufs-, Büro- und Küchenbereich übernommen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 26. August 1988 zum 30. November 1988 nicht aufgelöst ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen, allein die Übergabe der Geschäftsräume führe nicht zu einem Betriebsübergang. Entscheidend sei, ob der Kundenkreis erhalten bleibe, was davon abhänge, ob ein gleiches oder gleichartiges Warensortiment geführt werde und die gleiche Betriebs form gewählt werde. Beides sei nicht der Fall. Sie habe ein Fachgeschäft mit einem speziellen Sortiment, nämlich Polstermöbeln, unterhalten. Im Gegensatz dazu führe die M. einen allgemeinen Möbelhandel mit vollständigem Sortiment einschließlich Elektroartikeln. Es handele sich auch nicht um Waren derselben Qualitätsstufe. Während sie Waren gehobener Qualität angeboten habe, sei das Angebot der M. eher auf einfachere und preiswertere Qualität ausgerichtet.
Soweit die M. bei der Beschreibung ihres Standortes darauf verweise, daß in den Räumen früher die Beklagte residiert habe, sei es ihr nur um eine leicht verständliche und nachvollziehbare Ortsbeschreibung gegangen. Soweit sie – die Beklagte – gegenüber ihren Mitarbeitern von einer Weiterführung des Betriebs gesprochen habe, sei das untechnisch gemeint gewesen. Sie habe sich lediglich darum bemüht, für ihre Mitarbeiter Anschlußbeschäftigungen zu finden. Es sei auch nicht richtig, daß sie von der M. Zahlungen für Betriebsräume, Kundenstamm oder Geschäftsaufgabe erhalten und die M. Waren – von einer Polstergarnitur abgesehen – übernommen habe. Unrichtig sei weiter, daß sie einem Wettbewerbsverbot unterliege; etwaige Wettbewerbsbeschränkungen zwischen der Vermieterin der Geschäftsräume und der M. beträfen sie nicht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während der Kläger um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Das Landesarbeitsgericht ist aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen (§ 561 ZPO) zu Recht davon ausgegangen, die Beklagte habe die Betriebsbedingtheit der von ihr ausgesprochenen Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) mangels einer Betriebsübernahme durch die M. nicht nachgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat sein Urteil im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung der Beklagten sei rechtsunwirksam, weil sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt sei. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehöre allerdings die Stillegung des gesamten Betriebs. Von einer Betriebsstillegung könne jedoch dann nicht gesprochen werden, wenn eine Betriebsveräußerung vorliege. Im Streitfall sei der Betrieb der Beklagten auf die M. übergegangen.
Zur Ermittlung der für den Betriebsübergang wesentlichen Betriebsmittel sei auf die Eigenart des Betriebs abzustellen. Bei einem Einzelhandelsgeschäft gehörten zu den Betriebsmitteln die Betriebsräume, die Ladeneinrichtung, das zu verkaufende Warensortiment bzw. die Lieferverträge sowie die Rechtsbeziehungen zu den Kunden. Dabei sei der Beklagten zuzugeben, daß für die Annahme eines Betriebsübergangs die Übernahme der Betriebsräume und der Ankauf eines Teils der Betriebsmittel nicht entscheidend sei.
Von erheblicher Bedeutung sei aber das Rundschreiben der Beklagten an ihre Mitarbeiter. Wenn darin nämlich von einer Vermietung des Betriebs an eine branchengleiche Firma gesprochen werde, so könne dies zwanglos so verstanden werden, daß der Möbelmarkt als Einheit auf die M. übergeleitet werden solle. Der Wille der Beklagten zur Überleitung des Betriebs auf die M. erschließe sich auch aus dem Mietvertrag zwischen dieser Firma und dem Vermieter des Betriebsgeländes. Wenn sich nämlich darin der Vermieter verpflichte, weder selbst noch durch Dritte während der Laufzeit des Mietvertrags ein entsprechendes Einrichtungshaus zu betreiben oder betreiben zu lassen, so rechtfertige dies den Schluß, die M. wolle den Möbelhandel an der Stelle der Beklagten betreiben. Dies werde dadurch bestätigt, daß die M. in Werbeprospekten den Namen der Beklagten hinweisend verwende. Schließlich habe die M. sämtliche Verkäufer und Lagerarbeiter der Beklagten übernommen. Zwar gehörten die Arbeitnehmer nicht zum Betrieb im Sinne des § 613 a BGB; wohl könne sich aber aus der Übernahme von Arbeitnehmern in Verbindung mit den aufgezeigten Umständen ein Indiz für einen Betriebsübergang ergeben.
Daß die M. nicht das gesamte Warensortiment der Beklagten übernommen habe, spiele keine ausschlaggebende Rolle. Soweit die Beklagte auf das erweiterte Warensortiment der M. verweise, rechtfertige dies keine andere Betrachtung. Denn die Erweiterung des Angebots ziele nicht darauf ab, einen anderen Kundenkreis zu erschließen, sondern darauf, neue Kunden zusätzlich zu gewinnen. Soweit die Beklagte auf die unterschiedliche Qualitätsstufe der Waren verweise, sei dieser Vortrag zu unbestimmt. Obwohl der Kläger grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig sei, habe die Beklagte ihren allgemeinen Sachvortrag durch konkrete Tatsachen untermauern müssen, zumal es sich unstreitig bei den von der Beklagten vertriebenen Möbeln nicht um ausgesuchte Qualitätsmöbel und bei denen der M. nicht um ausgesprochene Billigware handele. Nur nennenswerte Qualitätsdifferenzen seien geeignet, einen Betriebsübergang in Frage zu stellen.
II. Dieser Würdigung kann im Ergebnis und überwiegend auch in der Begründung gefolgt werden.
1. Soweit die Beklagte eine Verletzung formellen Rechts darin erblickt, daß ihr das Landesarbeitsgericht durch die erst ca. fünf Monate nach Verkündung erfolgte Zustellung des Urteils die Einhaltung der Frist für eine Tatbestandsberichtigung unmöglich gemacht habe, bleibt ihre Rüge erfolglos.
a) Enthält der Tatbestand des Urteils Unrichtigkeiten, die nicht unter die Vorschrift des § 319 ZPO fallen, so kann nach § 320 Abs. 1 ZPO die Berichtigung binnen einer zweiwöchigen Frist, die mit Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils beginnt, durch Einreichung eines Schriftsatzes beantragt werden. Die Berichtigung ist nach § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO ausgeschlossen, wenn sie nicht binnen drei Monaten seit der Verkündung des Urteils beantragt wird. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung dieser Frist ist nicht zulässig (BGHZ 32, 17, 27 f.; Zöller, ZPO, 16. Aufl., § 320 Rz 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 48. Aufl., § 320 Anm. 4).
Ist die Frist für die Tatbestandsberichtigung durch Verletzung der Ordnungsvorschrift des § 69 Abs. 1 Satz 2 in Verb. mit § 60 Abs. 4 Satz 3 ArbGG, nach der das Urteil des Landesarbeitsgerichts grundsätzlich binnen vier Wochen nach Verkündung in vollständiger Abfassung der Geschäftsstelle zu übergeben ist, versäumt worden, so liegt allein deswegen der absolute Revisionsgrund nach § 551 Ziff. 7 ZPO noch nicht vor. Trägt der Revisionskläger aber überzeugend vor, er hätte bei rechtzeitiger Abfassung des Urteils einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt, und beruht das Urteil auf dem Sachverhalt, dessen Berichtigung beantragt worden wäre, so ist die verspätete Urteilsabfassung als Gesetzesverletzung im Sinne des § 549 ZPO anzusehen (BAGE 4, 81, 83 = AP Nr. 2 zu § 60 ArbGG 1953; BAG Urteil vom 11. Juni 1963 – 4 AZR 180/62 – AP Nr. 1 zu § 320 ZPO; BGH Urteil vom 20. Oktober 1954 – VI ZR 145/53 – LM Nr. 1 zu § 320 ZPO; BGHZ 32, 17, 28; Zöller, a.a.O., § 320 Rz 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 320 Anm. 4; vgl. auch Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 60 Rz 32 und Grunsky, ArbGG, 6. Aufl., § 60 Rz 11, die aber von einem absoluten Revisionsgrund ausgehen).
b) Die Beklagte legt zwar dar, die Feststellung des Landesarbeitsgerichts dazu, wer die Geschäftsführer der Vermieterin einerseits und der Komplementär-GmbH der Beklagten andererseits sind, sei unrichtig; sie hätte bei rechtzeitiger Abfassung des Urteils die Berichtigung dieser Feststellung beantragt. Das Revisionsgericht hat zu unterstellen, daß der Antrag Erfolg gehabt hätte (BAGE 4, 81, 83 = AP, a.a.O.). Das angefochtene Urteil beruht aber nicht auf der unrichtigen Feststellung. Die Revision meint, die angebliche personelle Verflechtung bilde den Hintergrund für die Wertung des Gerichts, das mit der Vermieterin vereinbarte Wettbewerbsverbot lasse die Schlußfolgerung zu, die M. – habe sich den Kundenstamm der Beklagten sichern wollen, obwohl ein Wettbewerbsverbot mit der Beklagten selbst nicht vereinbart war. Das trifft nicht zu. Ausgangspunkt für die Wertung des Gerichts ist vielmehr ausschließlich die Regelung in § 12 des Mietvertrags vom 18. April 1988: Danach verpflichtete sich die Vermieterin, weder selbst noch durch eine Gesellschaft oder sonstige Überlassung an Dritte während der Laufzeit des Mietvertrags ein entsprechendes Einrichtungshaus in einem bestimmten Umkreis zu betreiben oder betreiben zu lassen; ausgenommen sind die Objekte der Vermieterin in K. und in F., die die Beklagte ebenfalls als Möbel- und Einrichtungshaus nutzt (vgl. das Rundschreiben der Beklagten vom 16. August 1988). Die Parteien des Mietvertrags gehen selbst davon aus, zwischen der Vermieterin und der Beklagten bestehe eine enge wirtschaftliche Verbindung, wobei es dahingestellt sein kann, ob diese gesellschaftsrechtlich oder personell vermittelt wird. Dafür spricht zunächst, daß nach § 2 des Mietvertrages trotz Vermietung des Objektes an die M. – der Beklagten in der mietfreien Zeit bis zu vier Wochen nach Übergabe des Mietobjektes die unentgeltliche Nutzung des Lagers gestattet wird. Außerdem wird der Vermieterin u.a. untersagt, unter Einschaltung der Beklagten (!) mit der M. in Wettbewerb zu treten. Darin hat das Landesarbeitsgericht zu Recht ein Indiz für die Übernahme des Kundenstamms der Beklagten durch die M. gesehen.
2. Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt die Stillegung des gesamten Betriebs gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ein dringendes betriebliches Erfordernis dar, das eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen kann. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen. Der Arbeitgeber muß endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen. Die Veräußerung des Betriebs allein ist dagegen, wie sich aus der Wertung des § 613 a BGB ergibt, keine Betriebsstillegung, weil die Identität des Betriebs gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet (BAGE 47, 13, 22 = AP Nr. 39 zu § 613 a BGB, zu B III 2 der Gründe; BAGE 54, 215, 228 = AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 3 b der Gründe).
Der Betrieb kann auch von einem Mieter stillgelegt werden. Da der Mieter jedoch nicht über das Betriebsgrundstück verfügen kann, muß es für eine Betriebsstillegung genügen, daß dieser die Stillegungsabsicht unmißverständlich kundgibt, die Betriebstätigkeit vollständig einstellt, die Arbeitsverhältnisse auflöst, den Mietvertrag zum nächsten möglichen Termin kündigt und die ihm gehörenden Betriebsmittel veräußert (vgl. zur Betriebsstillegung durch einen Pächter BAG Urteil vom 26. Februar 1987 – 2 AZR 768/85 – AP Nr. 59 zu § 613 a BGB).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte sei im Zeitpunkt des Kündigungszugangs entschlossen gewesen, den Betrieb nicht stillzulegen, sondern am 16. Oktober 1988 der M. zu übertragen, der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Jedenfalls hat die Beklagte als die für den Kündigungsgrund „Betriebsstillegung” darlegungs- und beweisbelastete Partei (§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG) in dieser Hinsicht nicht genügend vorgetragen (vgl. dazu noch unter II 2 c).
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird ein Betrieb im Sinne des § 613 a Abs. 1 BGB dann übertragen, wenn dem neuen Inhaber die sachlichen und immateriellen Betriebsmittel überlassen werden, die für die Betriebsführung wesentlich sind. Diese machen einen Betrieb aus, wenn der neue Inhaber mit ihnen und mit Hilfe der Arbeitnehmer bestimmte arbeitstechnische Zwecke verfolgen kann. Entscheidend ist, ob der neue Inhaber mit den übernommenen Betriebsmitteln den Betrieb oder Betriebsteil im wesentlichen fortführen kann. Die Übertragung eines Betriebs setzt nicht die Übernahme aller Betriebsmittel voraus (BAGE 47, 13, 19 = AP, a.a.O., zu B II 1 der Gründe; BAGE 53, 267, 273 = AP Nr. 58 zu § 613 a BGB, zu B II 3 b, aa der Gründe; Senatsurteil vom 29. September 1988 – 2 AZR 107/88 – AP Nr. 76 zu § 613 a BGB, zu A II 1 a der Gründe).
Für die Frage, welche Betriebsbestandteile und Betriebsmittel zur Annahme eines funktionstüchtigen Betriebs übergehen müßten, ist auf den arbeitstechnischen Zweck des jeweiligen Betriebs abzustellen. Für Handels- und Dienstleistungsbetriebe sind in erster Linie die immateriellen Betriebsmittel wie Kundenstamm, Kundenlisten, Geschäftsbeziehungen zu Dritten, das know how und der good will sowie Geschäftsräume und Geschäftslage prägend. Es müssen die Bestandteile des Betriebs auf den Erwerber übergehen, die es ermöglichen, den Kundenkreis zu halten (BAGE 53, 267, 276 a AP, a.a.O., zu B II 3 b, dd der Gründe; Senatsurteil vom 26. Februar 1987 – 2 AZR 321/86 – AP Nr. 63 zu § 613 a BGB; Senatsurteil vom 29. September 1988 – 2 AZR 107/88 – AP, a.a.O., zu A II 1 b der Gründe). Was insbesondere die wesentlichen Betriebsmittel eines Möbel- und Einrichtungshauses betrifft, so hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden, die Übernahme der Betriebsräume, des Mietvertrages, des Wettbewerbsverbotes, der Eintritt in die laufenden Geschäftsbeziehungen und die firmenrechtliche Regelung zielten im Entscheidungsfall auf einen Betriebsübergang ab (BAGE 39, 208, 213 = AP Nr. 31 zu § 613 a BGB, zu 1 b der Gründe).
bb) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und demnach für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) hat die M. am 16. Oktober 1988 ihren Geschäftsbetrieb in den früheren Betriebsräumen der Beklagten aufgenommen, nachdem sie zuvor die Räumlichkeiten durch Mietvertrag vom 18. April/25. Juli 1988 angemietet und verschiedene Einrichtungsgegenstände (u.a. Büroeinrichtung) von der Beklagten übernommen hatte.
Zuzustimmen ist dem Landesarbeitsgericht darin, die Übernahme der Geschäftseinrichtung sei als Indiz für einen Betriebsübergang bei einem Einzelhandelsgeschäft von untergeordneter Bedeutung. Anders verhält es sich bezüglich der Geschäftsräume. Deren Übernahme ist im Hinblick auf den Standort die Grundvoraussetzung dafür, um den bisherigen Kundenkreis zu halten. Im Streitfall befindet sich das Betriebsgelände in einer größeren Ladenzone von Einkaufszentren. Es besteht deshalb nach Auffassung des Senats Grund zur Annahme, das Möbelangebot der M. werde in gleicher Weise wie dasjenige der Beklagten von Lauf- und Stammkundschaft angenommen, sofern Warensortiment und Betriebs form sich gleichen. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht als weiteres Indiz für einen Betriebsübergang gewertet, daß die M. in ihren Prospekten mit dem Hinweis „ehemals P. an der B 3” für ihre Produkte geworben hat. Ging es der M., wie die Revision meint, nur um eine Standortbeschreibung, so hätte der Hinweis „im Einkaufszentrum an der B 3” oder Ähnliches genügt.
Im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung hat das Landesarbeitsgericht auch zutreffend die Schreiben der Beklagten an ihre Mitarbeiter gewürdigt, in denen von einer Vermietung des Betriebs an eine branchengleiche Firma bzw. von einer Weiterführung des Betriebs durch die M. gesprochen wird, verbunden mit dem Hinweis, diese werde die Arbeitnehmer übernehmen. Den Schreiben kann jedenfalls nichts entnommen werden, was für eine ernstliche Stillegungsabsicht der Beklagten spräche. Für eine Betriebsstillegung ist nicht ausreichend, daß die Arbeitnehmer unter dem Versprechen, der Erwerber werde neue Arbeitsverträge mit ihnen abschließen, gekündigt werden (Senatsurteil vom 13. November 1986 – 2 AZR 771/85 – AP Nr. 57 zu § 613 a BGB, zu II 1 c der Gründe).
Problematisch sind allerdings die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, soweit es die Übernahme sämtlicher Verkäufer und Lagerarbeiter ebenfalls als unmittelbares Indiz für einen Betriebsübergang gewertet hat. Denn eine fachlich geschulte Belegschaft kann grundsätzlich nicht als durch Rechtsgeschäft übertragbarer Betriebsteil im Sinne des § 613 a BGB angesehen werden (BAGE 48, 365, 374 f. = AP Nr. 42 zu § 613 a BGB, zu II 3 c, bb der Gründe). Der Senat hat zwar in seinen Entscheidungen vom 10. Juni 1988 (– 2 AZR 801/87 – AP Nr. 82 zu § 613 a BGB, zu II 3 e, aa, bb der Gründe) und vom 29. September 1988 – (2 AZR 107/88 – AP Nr. 76 zu § 613 a BGB, zu A II 5 b, c der Gründe) eine Ausnahme erwogen, wenn bestimmte, in der Regel durch das Management und leitende Angestellte verkörperte immaterielle Betriebsmittel begrifflich von diesem Personenkreis getrennt werden können. Um dies annehmen zu können, reichen aber die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht aus, weil nicht dargelegt wird, welche immateriellen Betriebsmittel losgelöst von den Arbeitnehmern übertragbar waren. Da die weiteren Umstände die Annahme eines Betriebsübergangs aber schon für sich alleine tragen, beruht das angefochtene Urteil nicht auf der fehlerhaften Rechtsanwendung. Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf folgenden Umstand:
Es ist für die Bedeutung der Betriebs form und des Warensortiments im Rahmen eines Betriebsübergangs erheblich, ob je nach Betriebs form und Branche bzw. Warensortiment unterschiedlich qualifizierte Arbeitskräfte benötigt werden. Betriebsübernahme bedeutet insofern auch Übernahme der Funktionalität der eingerichteten Arbeitsplätze (BAGE 53, 267, 272 ff. = AP Nr. 58 zu § 613 a BGB, zu II 3 b ff. der Gründe). Insofern spricht die Übernahme fast des gesamten Personalbestandes der Beklagten immerhin dafür, daß sich das Warensortiment nicht wesentlich geändert haben kann. Denn ein Möbelfachverkäufer oder Polsterer dürfte nicht ohne weiteres in der Lage sein, insbes. Elektroartikel zu verkaufen. Es wäre daher auch insoweit Sache der Beklagten gewesen, näher darzustellen, wieso die „Übernahme” des Personals in dieser Hinsicht keine Rückschlüsse zuläßt. Die Beklagte hat aber nicht einmal vorgetragen, die M. habe etwa überwiegend zum Vertrieb ihres Warensortimentes auf eigenes oder neu angeworbenes Personal zurückgegriffen.
cc) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend als wesentliche Faktoren für die Erhaltung des Kundenkreises herangezogen, daß die Massa AG ein gleichartiges Warensortiment führe und schließlich auch die Betriebsform der Beklagten übernommen habe. Die hiergegen gerichteten Revisionsrügen sind unbegründet.
Die Beklagte beruft sich darauf, sie habe einen Fachhandel für Polstermöbel gehobener Qualität geführt, während die M. einen allgemeinen Möbelhandel mit vollständigem Sortiment incl. Elektroartikeln preiswerterer Qualität betreibe. Dieser Sachvortrag ist in der Berufungsinstanz streitig geblieben. Selbst wenn er zugunsten der Beklagten als wahr unterstellt wird, so bestehen noch erhebliche nicht ausgeräumte Zweifel, ob er an sich geeignet ist, den Betriebsübergang in Frage zu stellen, weil er nicht hinreichend substantiiert ist.
Dies gilt zunächst für die Behauptung, die M. führe ein „umfassenderes” Möbelsortiment als die Beklagte. Wie das Landesarbeitsgericht grundsätzlich zutreffend hervorgehoben hat, zielt die Erweiterung eines Sortiments nicht darauf ab, einen anderen Kundenkreis als bislang zu erschließen, sondern darauf, neue Kunden zusätzlich zu gewinnen. Allerdings würde es für die Rechtserheblichkeit des Vorbringens sprechen, wenn die M. bei gleichbleibender Verkaufsfläche das Teilsortiment Polstermöbel nicht mehr in gleichem Maße wie die Beklagte vermarktet hätte. Dies könnte zu einer teilweisen Abwanderung der Kunden führen. Hier ist indessen nach dem Zusatz zum Mietvertrag zwischen den Vermietern des Betriebes und der M. unstreitig, daß letzterer eine um 750 qm. vergrößerte Verkaufsfläche eingeräumt worden ist. Das würde sogar dafür sprechen, daß die Aktivitäten im Bereich Möbelverkauf unverändert geblieben sind. Jedenfalls hat die Beklagte auch insoweit keine dieser Annahme widersprechenden Einzelheiten vorgetragen.
Auch soweit die Beklagte auf die Qualitätsunterschiede der Waren verweist, kann ihrem Vortrag nicht entnommen werden, sie habe ganz oder etwa zum überwiegenden Teil ein anderes Sortiment als die M. angeboten. Denn üblicherweise bietet ein Händler, der wie die Beklagte Möbel der gehobeneren Qualität führt, aber eben keine Spitzenprodukte vertreibt, innerhalb einer gewissen Spanne auch preiswertere Stücke an. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, ihr Sortiment sei überwiegend einer Preiskategorie zuzuordnen, die das Sortiment der M. nicht erreiche. Jedenfalls hat die Beklagte nicht substantiiert zu der Sachdarstellung des Klägers Stellung genommen (§ 138 Abs. 3 ZPO), die M. führe wie die Beklagte in ihrem Sortiment Liegen, Sofas, Eßecken, Tische, Stühle, Betten, Schränke, Truhen, Vitrinen, Sideboards sowie „Wohnbuchten” etc. Zu diesem Vortrag des Klägers in der Berufung hat sich die Beklagte nur dahin geäußert, sie habe ein reines Fachgeschäft mit Polstermöbeln geführt, aber keine Truhen und „Wohnbuchten” verkauft. Zumindest ein Teil des vom Kläger genannten Sortiments kann ebenfalls als Polstermöbel angesprochen werden. Deshalb kann darin kein substantiiertes Bestreiten gesehen werden, wenn die Beklagte lediglich den Verkauf von „Wohnbuchten” im ansonsten ähnlichen Warensortiment in Abrede stellt. Daraus ist zu schließen, daß sich die Sortimente beider Firmen zumindest in weiten Teilen überschneiden.
Schließlich fehlt es an einem rechtserheblichen Vortrag der Beklagten zur Frage, ob die M. die Betriebs form der Beklagten übernommen hat. Die Beklagte ordnet ihren Betrieb dem Fachhandel zu, während sie denjenigen der M. als allgemeinen Möbelhandel bezeichnet. Diese Unterscheidung ist für die Frage, ob eine Änderung der Betriebsform stattgefunden hat, wenig ergiebig. Denn sie läßt nicht erkennen, inwieweit der Verkauf von Markenartikeln und die für den Fachhandel typische Beratung durch geschultes Personal bei der M. nicht mehr praktiziert wird. Um wesentliche Unterschieds der Betriebsform annehmen zu können, ist der Vortrag der Beklagten zu unpräzise.
dd) Unbestritten ist schließlich (§ 138 Abs. 3 ZPO), worauf das Landesarbeitsgericht nicht einmal abgestellt hat, daß die M. – das gesamte Ersatzteillager (Keller) sowie sämtliche Putzmittel, Werkzeuge, Scharniere, Sanitätskästen, Rasenmäher, elektrische Kreissäge usw. – ferner die 600 Stellplatzwagen für Waren – übernommen hat. Auch die Kantine, die Kaffeeküche sowie die gesamten Toiletten- u. Sanitäreinrichtungen sind unverändert geblieben.
c) Die Beklagte verkennt offensichtlich die ihr nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG obliegende Darlegungslast.
aa) Beruft sich der Arbeitnehmer im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses darauf, der Betrieb sei von dem bisherigen Arbeitgeber nicht stillgelegt, sondern an einen neuen Inhaber übertragen worden, so ist es – entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Revision – nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG Aufgabe des Arbeitgebers, andere für die soziale Rechtfertigung der Kündigung erhebliche Gründe vorzutragen und nachzuweisen (Senatsurteil vom 5. Dezember 1985 – 2 AZR 3/85 – AP Nr. 47 zu § 613 a BGB, zu B II 2 a der Gründe). Die Beklagte ist somit darlegungs- und beweispflichtig dafür, daß sie ernsthaft zur Betriebsstillegung und nicht zur Betriebsübergabe entschlossen war. Sie hat in allen unter II 2 b genannten Punkten ihrer Darlegungslast nicht genügt. Sie hätte darlegen müssen, ob und inwieweit das Sortiment Polstermöbel durch die Erweiterung des übrigen Sortiments reduziert wurde. Sie hätte weiter wenigstens exemplarisch aufzeigen müssen, welchen Preisgruppen die einzelnen Waren zuzuordnen sind. Ferner hätte sie verdeutlichen müssen, inwieweit die für den Fachhandel typischen Merkmale bei ihr vorlagen und bei der M. nicht. Ohne diese Angaben konnte das Landesarbeitsgericht nicht beurteilen, ob aufgrund des Vertrages der Beklagten die Voraussetzungen für eine Betriebsstillegung gegeben waren. Zu einem detaillierten Vorbringen hatte die Beklagte um so mehr Anlaß, als der Kläger den vorliegenden Tatsachenkomplex in der Berufungsbegründung vollständig aufgegriffen hatte. Die Beklagte hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, die klägerischen Behauptungen im negativen Sinn einschränkend zu wiederholen oder schlicht zu bestreiten.
bb) Die Revision rügt in diesem Zusammenhang erfolglos als Verletzung des § 278 Abs. 3 ZPO (und wohl auch des § 139 ZPO), das Landesarbeitsgericht habe auf die mangelnde Substantiierung ihres Vorbringens hinweisen müssen. Diese Rüge ist nicht in der nach § 554 Abs. 3 Ziff. 3 b ZPO gebotenen Form erhoben worden. Derjenige, der eine Verletzung von § 139 und § 278 Abs. 3 ZPO rügt, muß im einzelnen angeben, welche Fragen bzw. welche rechtlichen Hinweise hätten angebracht werden müssen und vor allem, was die Partei darauf erwidert hätte. Der zunächst unterbliebene Vortrag muß vollständig nachgeholt und über die Verfahrensrüge schlüssig gemacht werden (BAGE 13, 340, 344 = AP Nr. 37 zu § 233 ZPO; BAGE 32, 56, 66 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Unterstützungskassen, zu II 1 b der Gründe; BGH Urteil vom 8. Oktober 1987 – VII ZR 45/87 – WM 1988, 197, 199). Diesen Anforderungen genügt die erhobene Verfahrensrüge nicht.
Unterschriften
Hillebrecht, Triebfürst, Bitter, Beckerle, Dr. Bobke
Fundstellen