Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag
Normenkette
Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 28.10.1993; Aktenzeichen 4 Sa 177/93) |
ArbG Zwickau (Urteil vom 18.09.1992; Aktenzeichen 4 Ca 6258/91 P) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 28. Oktober 1993 – 4 Sa 177/93 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger (geboren am 16. April 1955) war seit 1976 beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger als Lehrer beschäftigt, zuletzt an der Oberschule L. gegen eine Vergütung von 1.800,– DM brutto. Er absolvierte 1981/1982 mittels Fernstudium die Bezirksparteischule und war von Oktober 1982 bis 1. November 1989 ehrenamtlicher Parteisekretär an der Oberschule L. Er war als Musiklehrer gleichzeitig Vorsitzender des Chors in seinem Heimatort.
Mit Schreiben des Oberschulamtes Chemnitz vom 29. Oktober 1991 wurde das Arbeitsverhältnis wegen mangelnder persönlicher Eignung gemäß Art. 20 Anlage I Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (im folgenden: Abs. 4 Ziff. 1 EV) zum 31. Dezember 1991 mit der Begründung gekündigt, der Kläger sei wegen seiner Tätigkeit als Parteisekretär nicht geeignet, die ihm anvertrauten Schüler zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu erziehen und dieses Erziehungsziel im Unterricht glaubwürdig zu vertreten. Zu dieser Kündigung hatte der Beklagte den Kreispersonalrat angehört, da seinerzeit ein Bezirkspersonalrat beim Oberschulamt Chemnitz noch nicht bestand.
Der Kläger hat geltend gemacht, allein durch den Hinweis auf seine Tätigkeit als ehrenamtlicher Parteisekretär könne die persönliche Ungeeignetheit nicht begründet werden; er habe sich gegen die Amtsübernahme zunächst gesträubt, dann jedoch die Tätigkeit übernommen, weil er an der Schule habe bleiben wollen. Er habe als Parteisekretär niemandem geschadet und häufige Auseinandersetzungen mit der Partei gehabt. Nach seinem Eintritt in die SED in jungen Jahren habe er sich in der Folgezeit mehr und mehr einer weiteren Einbindung durch die Partei widersetzt. So habe er 1987/1988 seine ursprüngliche Bereitschaftserklärung, sich durch ein Zusatzstudium zum Direktor zu qualifizieren, zurückgezogen, als er bei der Aufnahmeprüfung gemerkt habe, daß es um. ein Studium im Fach Staatsbürgerkunde gehen sollte (Beweis: H.). Vor dem 9. Parteitag der SED habe er als Mitarbeiter in die Kreisleitung wechseln sollen, was er trotz zweier Vorladungen und zweier Besuche bei ihm zuhause abgelehnt habe, wobei seine Ehefrau ihn mit der Drohung unterstützt habe, sich bei Übernahme des Amtes scheiden zu lassen (Beweis: … B.). Auch wegen seiner Chorleitung habe es Schwierigkeiten mit der Partei gegeben, so sei die von ihm befürwortete Einladung eines Chors aus Darmstadt 1988 abgelehnt worden. Er selbst habe die Aufforderung zu einer ideologischen Schulung des Chores durch Herrn S. abgelehnt und habe mit den anderen Parteimitgliedern eine hierzu anberaumte Veranstaltung verlassen. Schließlich habe er im Frühjahr 1989 den Parteiauftrag, wiederum als Wahlvorstand für die DDR-Wahlen zu amtieren, trotz eines durch Herrn E. vertretenen Auftrages der Kreisleitung abgelehnt, was ihm die Beanstandungen des Schulinspektors eingebracht habe (Beweis: R.).
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 29. Oktober 1991 zum 31. Dezember 1991 nicht beendet werde,
- im Falle des Obsiegens den Beklagten zu verurteilen, ihn, den Kläger, zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 31. Dezember 1991 hinaus bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, der Kläger habe als Parteisekretär nach außen den SED-Staat mit all seinen Punktionen und Merkmalen repräsentiert. Er habe schon mit der Übernahme des Amtes intensiv an der Verwirklichung der SED-Ziele mitgearbeitet. Innerhalb der von der SED beeinflußten Schulorganisation habe der Schulparteisekretär eine herausgehobene Lenkungs- und Kontrollfunktion gehabt. Er sei immer Mitglied der Schulleitung gewesen, habe Mitspracherecht bei jeder politischen Entscheidung des Direktors und bei Auszeichnungen und Beförderungen gehabt; er habe den Direktor hinsichtlich der Durchsetzung der vorgegebenen politischen Ziele kontrolliert und überwacht, was auch hinsichtlich der Pionierleiter gelte. Er habe über das politische Klima der Schule an die SED-Kreisleitung zu berichten gehabt, und zwar unter Nennung der Namen bei nichtlinientreuen Äußerungen. Der Parteisekretär sei für politische Inhalte der Pionierversammlungen, FDJ-Nachmittage, für Wehrunterricht usw. mit verantwortlich gewesen, ebenso wie für die Werbung für militärischen Berufsnachwuchs. Aufgrund dieser vielfältigen Aufgaben und Einflußnahmen im Sinne der SED-Bildungspolitik habe auch zur Berufung in diese Funktion eine Identifikation mit den Zielen der SED gehört, die in der Ausübung der Funktion durchgesetzt worden sei. Im übrigen werde bestritten, daß der Kläger sich gegen die Übernahme des Parteisekretär-Amtes gesträubt habe, daß er sich geweigert habe, die Funktion in der Kreisleitung zu übernehmen und daß es deswegen zu massiven Auseinandersetzungen gekommen sei. Schließlich werde bestritten, daß sich der Kläger gegen die Übernahme des Staatsbürgerkunde-Studiums gewehrt habe.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt, während auf die Berufung des Beklagten das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet, sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO), weil aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts insbesondere zum Entlastungsvorbringen des Klägers sich noch nicht abschließend beurteilen läßt, ob es dem Kläger für den Lehrerberuf tatsächlich – wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat – an der persönlichen Eignung im Sinne des Abs. 4 Ziff. 1 EV fehlt.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung sei nach Abs. 4 Ziff. 1 EV begründet, weil der Kläger aufgrund der Tätigkeit als ehrenamtlicher Parteisekretär von Oktober 1982 bis November 1989 sich in besonderer Weise mit den Zielen des SED-Staates identifiziert habe, die vor allem in der Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik bestanden hätten. Der Parteisekretär sei Vorsitzender der Schulparteileitung gewesen, habe der Kreisleitung der SED monatlich über das politische Klima der Schule zu berichten und die Parteiversammlungen an der Schule zu leiten gehabt, in denen das politische Klima der Schule besprochen worden sei. Nach Ziff. 63 des Statuts der SED habe er auch das Recht der Kontrolle über die Tätigkeit des Direktors gehabt, um seiner Verantwortung für die politische Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung in seinem Bereich gerecht zu werden. Insoweit sei der Kläger in einer hervorgehobenen Position gewesen, von der die Verbreitung der SED-Ideologie erwartet wurde. Damit bedeute die Übernahme des Amtes eines Parteisekretärs eine besondere Identifikation mit dem SED-Unrechtsstaat. Mit seiner intensiven Parteiarbeit habe er über das notwendige Maß hinaus die Ziele der SED unterstützt. Wenn der Kläger darauf verweise, niemandem geschadet und sich geweigert zu haben, ein Staatsbürgerkundestudium aufzunehmen, Mitglied der SED-Kreisleitung zu werden und monatliche Schulungen mit seiner Parteigruppe im Chor durchzuführen, so ändere dies an der intensiven Parteiarbeit über sieben Jahre bis zum Zusammenbruch des SED-Staates nichts.
II. Diese Begründung hält den Revisionsangriffen nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe keine ausreichenden Feststellungen zu dem Entlastungsvorbringen des Klägers getroffen.
1. Da der Kläger als Lehrer dem öffentlichen Dienst in den Beitrittsländern angehörte (Art. 20 Abs. 1 EV), wäre die Kündigung zulässig, wenn der Kläger wegen mangelnder persönlicher Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV den Anforderungen nicht entspräche. Dazu sind in der einschlägigen Rechtsprechung des Achten und Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – Ez BAT § 53 Einigungsvertrag Nr. 12, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, m.w.N.; vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 –, n.v.; vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – NJ 1995, 161 und vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 –, beide auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) und neuerdings auch vom BVerfG (Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) zum Nachweis einer solchen mangelnden Eignung aufgrund besonderer Identifikation des Lehrers mit den grundgesetzfeindlichen Zielen der SED bzw. von Entlastungstatsachen – kurz zusammengefaßt – folgende Grundsätze entwickelt worden:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die dann indiziert ist, wenn z.B. ein in der früheren DDR tätig gewesener Lehrer sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Positionen in Staat und Partei, die ein Lehrer seinerzeit innegehabt hat, können Anhaltspunkte für eine mangelnde Eignung sein. Allerdings erfordern Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und im öffentlichen Dienst ergänzend Art. 33 Abs. 2 GG eine konkrete, einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, die sein Verhalten nach dem Beitritt der neuen Bundesländer unter Prüfung der Fähigkeit und inneren Bereitschaft einbezieht, seine dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung glaubwürdig wahrzunehmen (BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –, a.a.O.). Die Beweislast für den Nachweis der mangelnden persönlichen Eignung obliegt dem Arbeitgeber, wobei allerdings die Darlegungslast für be- und entlastendes Vorbringen abgestuft ist: Schon angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Personalakten nach der sog. Wende „gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers überspannt, wenn von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die detaillierte Darlegung verlangt würde, der mit der Umsetzung der grundgesetzfeindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion auch tatsächlich entsprechend diesen Zielen ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser. Er hat sich deshalb zu der allgemeinen Funktionsbeschreibung konkret zu äußern. Das Maß der gebotenen Substantiierung von Entlastungsvorbringen hängt ebenfalls davon ab, wie sich die andere Seite darauf einläßt (§ 138 Abs. 2 ZPO). Es bedarf des Vortrages konkreter Entlastungstatsachen unter Benennung geeigneter Beweismittel. Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren, wobei die Beweislast auch insoweit bei ihm verbleibt.
2. Die Bedeutung der Funktion des ehrenamtlichen Parteisekretärs für die Durchsetzung der SED-Ideologie an den Schulen hat der Beklagte nur allgemein dargelegt. Traf dieser Sachvortrag zu, so hätten die Parteisekretäre als Repräsentanten der staatstragenden Partei in den Schulen der DDR in einer herausgehobenen Funktion an der ideologischen Umsetzung der grundgesetzfeindlichen Ziele der SED mitzuwirken gehabt; wer wiederholt in ein solches wichtiges Parteiamt gewählt wurde, bei dem kann auch davon ausgegangen werden, daß er sich mit den Zielen des SED-Staates besonders identifiziert hat, was ihn für die Tätigkeit als Lehrer ungeeignet machen kann (vgl. die vorzitierte BAG-Rechtsprechung, insbesondere Senatsurteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 –, a.a.O.).
a) Insofern hat das Landesarbeitsgericht aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zur ausgeübten Funktion des Parteisekretärs zu Recht eine solche besondere Identifizierung mit den Zielen des SED-Staates angenommen. Es hat allerdings aus der allgemeinen Funktionsbeschreibung des Beklagten nur übernommen, der Parteisekretär sei Vorsitzender der Schulparteileitung gewesen, habe der Kreisleitung der SED monatlich über das politische Klima an der Schule zu berichten und Parteiversammlungen an der Schule zu leiten gehabt und habe nach Ziff. 63 des SED-Statutes das Recht der Kontrolle über die Tätigkeit des Direktors gehabt, um seiner Verantwortung für die politische Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung gerecht zu werden. Die weitere, vom Beklagten behauptete Funktionsbeschreibung, nämlich der Schulparteisekretär habe ein Mitspracherecht bei politischen Entscheidungen der Schule, bei Beförderungen und Auszeichnungen gehabt, habe die Verantwortung für die politische Bildung – auch gegenüber den Freundschaftspionierleitern – gehabt, sei für die Einleitung von Disziplinarverfahren zuständig gewesen, habe Einfluß auf die Elternbeiräte ausgeübt und sei verantwortlich für den militärischen Nachwuchs gewesen usw., hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung nicht ausdrücklich zugrundegelegt.
b) Allerdings hat der Kläger seinerseits in den Tatsacheninstanzen zu dieser allgemeinen Funktionsbeschreibung bisher nichts Erhebliches vorgetragen. Erstinstanzlich hat er nur von einer falschen Interpretation der Tätigkeit als Schulparteisekretär gesprochen und zweitinstanzlich hat er sich zu der allgemeinen Funktionsbeschreibung nicht mehr geäußert. Es liegt daher insofern kein substantiiertes Bestreiten im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO vor. Allerdings ist es unzutreffend, daß sich aus Ziff. 63 des SED-Statutes ein Recht des Parteisekretärs ergebe, den Schuldirektor zu kontrollieren. In dieser Bestimmung des SED-Statutes finden sich zwar Regelungen über die Parteiorganisationen in Lehranstalten und es ist insbesondere geregelt, die Parteiorganisationen hätten „das Recht der Kontrolle über die Tätigkeit der Betriebsleitungen, um ihrer Verantwortung für die politische Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung in ihrem Bereich gerecht zu werden”. Dieses wichtige Kontrollrecht steht aber, wie der Senat bereits im Urteil vom 13. Oktober 1994 (– 2 AZR 261/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen) festgestellt hat, gerade nicht dem Parteisekretär, sondern der Parteiorganisation insgesamt zu. Die Funktion des Parteisekretärs in den Grandorganisationen der SED wird danach im SED-Statut nicht besonders, sondern nur beiläufig im Zusammenhang mit der Kassierung von Beiträgen (VI Ziff. 61 c SED-Statut) erwähnt. Diese rechtliche Festlegung ändert indessen nichts daran, daß der Kläger den Tatsachenvortrag des Beklagten nicht bestritten hat, der Parteisekretär habe allgemein Mitspracherecht bei jeder politischen Entscheidung des Direktors gehabt und diesen hinsichtlich der Durchsetzung der vorgegebenen politischen Ziele kontrolliert und überwacht. Von dieser üblichen Funktionsbeschreibung der Parteisekretärstätigkeit ist demnach auch für den vorliegenden Fall auszugehen, zumal das Landesarbeitsgericht für den Senat nach § 561 ZPO verbindlich festgestellt hat, der Parteisekretär sei auch Vorsitzender der Schulparteileitung gewesen. Im Anschluß an das Urteil des Senats vom 13. Oktober 1994 (– 2 AZR 201/93 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) wäre daher davon auszugehen, daß die langjährige Tätigkeit des Klägers als ehrenamtlicher Parteisekretär an sich den Schluß zuläßt, daß er für eine weitere Verwendung im öffentlichen Dienst als nicht geeignet angesehen werden könne.
c) Soweit das Landesarbeitsgericht das allgemeine Vorbringen des Klägers zu seiner individuellen Amtsführung als unsubstantiiert zurückgewiesen hat, ist ihm ebenfalls zuzustimmen. Wenn die Revision insoweit mangelnde Aufklärung streitigen Vorbringens rügt. kann ihr nicht gefolgt werden. Der Senat hat hierzu bereits entschieden (Senatsurteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 –, a.a.O.), der Sachvortrag, der betreffende Lehrer habe niemandem geschadet, reiche als entlastender Umstand nicht aus. Dasselbe gilt hinsichtlich der allgemeinen Darstellung des Klägers, er habe sich zunächst geweigert, die Funktion des Parteisekretärs zu übernehmen. Dieses Vorbringen ist inhaltlich zu allgemein und daher unsubstantiiert.
d) Anders muß dagegen der Sachvortrag des Klägers gewertet werden, er habe seine ursprüngliche Bereitschaftserklärung 1987/1988, sich durch ein Zusatzstudium zum Direktor zu qualifizieren, zurückgezogen, nachdem er erfahren habe, daß es um eine Ausbildung zum Staatsbürgerkundelehrer gehe. Wenn in der Rechtsprechung (vgl. u.a. BAG Urteil vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 24/93 –, n.v., zu II 2 cc der Gründe) die Erteilung von Staatsbürgekunde-Unterricht als Identifizierung mit den SED-Zielen angesehen wird und bei Hinzutreten weiterer Umstände die persönliche Nichteignung des Arbeitnehmers indizieren soll, so fehlt es aber an einer solchen Identifikation, wenn der betreffende Lehrer trotz der Möglichkeit einer in Aussicht gestellten Beförderung zum Direktor das Fernstudium für Staatsbürgerkunde ablehnt. Nach dem vom Landesarbeitsgericht (Seite 4 des Urteils) in Bezug genommenen Parteivorbringen will der Kläger bei der Aufnahmeprüfung zur pädagogischen Hochschule Leipzig sich an die aufsichtsführende Person mit der Frage gewandt haben, warum ideologische Themen erörtert würden, und als ihm die Antwort zuteil wurde, es gehe um den Abschluß zum Staatsbürgerkundelehrer, will der Kläger deswegen gegenüber dem Bezirksschulrat es abgelehnt haben, dieses Studium anzutreten. Der Kläger hat dazu weiter vorgetragen, die Schulrätin W. habe ihn deshalb in seiner Wohnung aufgesucht und ihm berufliche Nachteile für den Fall angedroht, daß er das Studium nicht aufnehme; er sei jedoch bei seiner Ablehnung geblieben, egal was daraus für ihn würde. Wenn dieser vom Beklagten bestrittene Sachvortrag zutrifft, spricht das Verhalten des Klägers – jedenfalls im Zusammenhang mit den weiteren nachfolgenden Indizien – gegen eine Identifikation mit den SED-Zielen.
Der Kläger hat nämlich weiter vorgetragen, vor dem 9. Parteitag habe er einen Wechsel in die Kreisleitung der SED abgelehnt, und zwar trotz zweimaliger Vorladung und trotz zweier Besuche einer Frau V. von der Kreisleitung bei ihm zuhause. Es habe deshalb heftige Streitgespräche und massive Auseinandersetzungen gegeben, in die schließlich seine Frau mit der Erklärung eingegriffen habe, daß sie sich scheiden lassen werde, wenn der Kläger in der Kreisleitung arbeiten müsse. Erst hierauf sei die Angelegenheit seitens der Kreisleitung nicht mehr weiterverfolgt worden. Danach sei er von der Schulinspektorin K. ständig kontrolliert worden. Trifft dieser, vom Beklagten wiederum bestrittene, Sachvortrag zu, so spricht auch dies gegen die behauptete Identifikation des Klägers mit den SED-Zielen.
Dasselbe gilt schließlich auch für den weiteren Sachvortrag des Klägers, den das Landesarbeitsgericht als unstreitig angesehen hat, er habe die Aufforderung zu einer ideologischen Schulung im Rahmen seiner Chorleitung gegenüber einem Herrn S. abgelehnt, indem er mit zwei weiteren SED-Mitgliedern die Unterhaltung abgebrochen habe.
Letztlich würde es auch eher für ein Abrücken von den SED-Zielen sprechen, wenn der Kläger im Frühjahr 1988 den Parteiauftrag abgelehnt hat, wiederum als Wahlvorstand für die DDR-Wahlen zu amtieren. Wenn es zutrifft, daß dem Kläger dies durch einen Herrn E. von der Kreisleitung der SED angesonnen wurde, was ihm nach Ablehnung die Beanstandung des Schulinspektors eingebracht habe, dann läßt auch das nur den Schluß zu, der Kläger habe sich nach seinem früheren Eintritt in die SED jedenfalls mehr und mehr einer weiteren Einbindung in die SED-Ziele widersetzt.
3. Die Revision rügt zu Recht, das Landesarbeitsgericht sei diesem Sachvortrag nicht nachgegangen und habe ihn als unerheblich angesehen, weil damit nicht substantiiert dargelegt sei, daß dem Kläger bei Weigerung der Amtsübernahme und Amtsausübung eine Versetzung gedroht habe. Die Revision weist zutreffend darauf hin, auf diese Weise würden die Anforderungen an ein Entlastungsvorbringen so hoch angesetzt, daß nur noch offene Dissidenten die Möglichkeit hätten, eine einmal indizierte Nichteignung zu widerlegen. Es genügt in der Tat ein Sachvortrag, der eine distanzierte Haltung zu den SED-Zielen erkennen läßt, weil in derartigen Fällen (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 11. Mai 1995 – 2 AZR 749/94 – n.v.) nicht mehr eine besondere Identifizierung mit den Zielen dieser Partei indiziert ist.
Das Landesarbeitsgericht wird deshalb diesen Sachvortrag aufzuklären haben. Da der Beklagte sich auf eine mangelnde persönliche Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV beruft, hat er auch entsprechendes Entlastungsvorbringen zu entkräften. Dazu kann er weitere Tatsachen in den Prozeß einführen und sich dabei u.a. auf die vom Kläger benannten Beweismittel stützen; eine etwaige Beweislosigkeit ginge zu seinen Lasten (BAG Urteile vom 22. April 1994 – 8 AZR 57/93 –, n.v. und vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 –, zur Veröffentlichung bestimmt, zu B I 8 der Gründe).
Dem Kläger bleibt es im übrigen unbenommen, sein bisher unvollständiges Vorbringen zur ausgeübten Funktion des ehrenamtlichen Parteisekretärs (siehe oben zu II 1 b) zu vervollständigen; das gilt auch für die Art und Weise der individuellen Amtsführung (oben zu II 1 c). Insofern ist dem bisherigen Sachvortrag beider Parteien nicht zu entnehmen, wie groß die Parteigruppe an der Oberschule L. war und welche Einwirkungsmöglichkeiten des Parteisekretärs konkret bestanden (vgl. dazu BAG Urteil vom 23. Juni 1993 – 8 AZR 237/93 –, n.v., zu B II 1 d der Gründe); dabei ist unklar, ob sich die Zahl von 3 Parteimitgliedern, von denen im LAG Urteil die Rede ist, nur auf Chormitglieder oder das Schulkollegium bezieht. Schließlich wäre es dem Kläger unbenommen, noch auf sein Verhalten nach der sog. Wende näher einzugehen (vgl. u.a. BAG Urteile vom 23. Juni 1994 – 8 AZR 320/93 – n.v., zu B 2 d der Gründe und vom 30. März 1995 – 2 AZR 835/93 – n.v., zu II 5 c der Gründe; BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1992 – 1 BvR 1397/93 –, zu C I 3 b aa der Gründe).
Unterschriften
Etzel, Bitter, Bröhl, Fischer, Wolter
Fundstellen