Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag. Geltung der SR 2y BAT auf im Beitrittsgebiet begründetes Arbeitsverhältnis auf Grund arbeitsvertraglicher Vereinbarung. Befristungsgrundform Zeitangestellter. Befristungsrecht
Orientierungssatz
- Die Arbeitsvertragsparteien können vereinbaren, daß auf ein unter den Geltungsbereich des BAT-O fallendes befristetes Arbeitsverhältnis die SR 2y BAT Anwendung finden. § 4 Abs. 3 TVG steht dem nicht entgegen.
- Sind die SR 2y BAT auf ein befristetes Arbeisverhältnis anzuwenden, kann sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung der Befristung nicht auf den Sachgrund des vorübergehenden Mehrbedarfs an Arbeitskräften berufen, wenn im Arbeitsvertrag ausschließlich die Befristungsgrundform des Zeitangestellten iSv. Nr. 1a SR 2y BAT vereinbart ist.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 620; Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) SR 2y Nr. 1; Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) SR 2y Nr. 2; Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften (BAT-O) § 1; TVG § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am 31. Oktober 1999 geendet hat.
Die Klägerin war seit dem 1. November 1994 auf Grund dreier befristeter Arbeitsverträge bei der Vermögenszuordnungsstelle D… der Oberfinanzdirektion C… beschäftigt. Den Vermögenszuordnungsstellen obliegen die nach dem Gesetz über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen (Vermögenszuordnungsgesetz – VZOG) zu erledigenden Aufgaben.
Nach § 1 Nr. 4 des Arbeitsvertrags vom 24. Oktober 1994/8. November 1994 wurde die Klägerin als Angestellte “auf bestimmte Zeit nach SR 2y BAT” befristet bis zum 30. April 1995 eingestellt. In § 2 des Arbeitsvertrags heißt es, das Arbeitsverhältnis bestimme sich “nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für die Angestellten des Bundes geltenden Fassung”. Im März 1995 schlossen die Parteien einen Vertrag zur Änderung des Arbeitsvertrags. Danach wurde die Klägerin “auf bestimmte Zeit nach SR 2y BAT” bis zum 31. Oktober 1996 weiterbeschäftigt. Durch einen weiteren Änderungsvertrag vom 6. September 1996 wurde die Klägerin “… auf bestimmte Zeit nach SR 2y BAT als Zeitangestellte für die Zeit bis zum 31. Oktober 1999 …” weiterbeschäftigt. In § 1 Nr. 3 dieses Vertrags heißt es, die zeitliche Befristung des Arbeitsverhältnisses ergebe sich aus dem Verhältnis zwischen den derzeit unbearbeiteten und noch eingehenden Vermögenszuordnungsanträgen und den mit der Antragserfassung und -bearbeitung beschäftigten Mitarbeiterinnen am Dienstort D… .
Mit der am 31. Mai 1999 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung geltend gemacht und ihre Weiterbeschäftigung über den 31. Oktober 1999 hinaus verlangt.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis über den 31. Oktober 1999 hinaus fortbesteht,
- die Beklagte zu verurteilen, sie über den Ablauf des 31. Oktober 1999 hinaus weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die SR 2y BAT seien auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar. Die Befristung sei wegen eines vorübergehenden Mehrbedarfs an Arbeitskräften sachlich gerechtfertigt.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 1) im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht auf Grund der im Arbeitsvertrag vom 6. September 1996 vereinbarten Befristung am 31. Oktober 1999 geendet. Die Befristung verstößt gegen die vertraglich vereinbarten Bestimmungen der SR 2y zum BAT. Der Klageantrag zu 2) ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen.
- Bei dem Klageantrag zu 1) handelt es sich trotz seiner Formulierung nicht um einen allgemeinen Feststellungsantrag im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO, mit dem der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz festgestellt werden soll. Vielmehr begehrt die Klägerin ersichtlich die in § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG in der hier maßgeblichen, vom 1. Oktober 1996 bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (BeschFG 1996) vorgesehene gerichtliche Feststellung, das Arbeitsverhältnis habe nicht auf Grund der vereinbarten Befristung am 31. Oktober 1999 geendet. Die Klägerin wendet sich ausschließlich gegen die Wirksamkeit dieser Befristung. Andere Beendigungstatbestände sind zwischen den Parteien nicht im Streit. Der Klageantrag zu 1) ist daher in diesem Sinne auszulegen. Dies hat der Senat im Urteilstenor durch eine entsprechende Maßgabe klargestellt.
Die im Änderungsvertrag vom 6. September 1996 vereinbarte Befristung hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 31. Oktober 1999 beendet. Die Beklagte kann sich auf den Sachgrund des vorübergehenden Mehrbedarfs an Arbeitskräften nicht berufen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind die SR 2y BAT anzuwenden. Danach kann die Befristung nur auf Sachgründe gestützt werden, die der im Arbeitsvertrag vereinbarten Befristungsgrundform zuzuordnen sind. Die Parteien haben im Änderungsvertrag vom 6. September 1996 die Befristungsgrundform des Zeitangestellten iSv. Nr. 1a SR 2y BAT vereinbart. Dieser Befristungsgrundform unterfällt der Sachgrund des vorübergehenden Mehrbedarfs an Arbeitskräften nicht. Ob dieser Sachgrund die Befristung rechtfertigen könnte, bedarf daher keiner Entscheidung.
Die Parteien haben im Änderungsvertrag vom 6. September 1996, der allein der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle unterliegt, die Anwendung der im Geltungsbereich des BAT-O tariflich nicht geltenden SR 2y BAT vereinbart. Davon ist das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgegangen. Der Wirksamkeit dieser Vereinbarung steht § 4 Abs. 3 TVG nicht entgegen.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, im Änderungsvertrag vom 6. September 1996 sei die Geltung der SR 2y BAT vereinbart worden. Dies ergebe sich daraus, daß in dem vorformulierten Vertragstext die Rubrik, die Klägerin werde “auf bestimmte Zeit nach SR 2y BAT” weiterbeschäftigt, angekreuzt sei. Diese Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Änderungsvertrag enthält nicht nur typische, sondern auch nichttypische Erklärungen. Letzteres gilt insbesondere für die einzelfallbezogenen Erläuterungen zur Befristung in § 1 Nr. 3 des Änderungsvertrags. Der Vertrag ist daher insgesamt als nichttypischer Vertrag anzusehen und unterliegt deshalb nur der eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung daraufhin, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) beachtet, nicht gegen allgemeine Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen und den für die Auslegung maßgeblichen Tatsachenstoff vollständig verwertet hat. Diesem Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand. Insbesondere widerspricht die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung nicht dem nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geltenden Grundsatz, daß der Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes dem Arbeitnehmer in der Regel keine übertariflichen Leistungen zusagen, sondern nur das gewähren will, wozu er gesetzlich oder tariflich verpflichtet ist (vgl. etwa 11. Juni 1997 – 10 AZR 724/95 – AP BMT-G II § 20 Nr. 4 = EzA TVG § 4 Eingruppierung Nr. 7, zu II 2c der Gründe; 24. Februar 2000 – 6 AZR 466/98 – nv., zu 2b der Gründe mwN). Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Anwendung der SR 2y BAT als übertarifliche Leistung im Sinne dieser Rechtsprechung angesehen werden kann. Dies mag jedoch dahinstehen. Denn auch im Bereich des Öffentlichen Dienstes ist die Zusage übertariflicher Leistungen rechtlich möglich. Allerdings bedarf es wegen des im Zweifel geltenden Prinzips des Normenvollzugs besonderer Anhaltspunkte bei Vertragsschluß, die auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen des Arbeitgebers schließen lassen. Solche Anhaltspunkte hat das Landesarbeitsgericht vorliegend auf Grund der wiederholt gewählten Vertragsgestaltung zu Recht bejaht.
- Die Vereinbarung der SR 2y BAT ist auch im Falle einer ggf. bestehenden Tarifbindung der Klägerin wirksam. § 4 Abs. 3 TVG steht dem nicht entgegen. Zwar finden die SR 2y BAT im Geltungsbereich des BAT-O, dem das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a BAT-O unterfällt, weil es in dem in Art. 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet begründet ist, keine Anwendung. Dies bedeutet jedoch nicht, daß ihre Geltung einzelvertraglich nicht vereinbart werden darf. § 4 Abs. 3 TVG verbietet nur die vertragliche Abweichung von den Rechtsnormen eines Tarifvertrags zu Ungunsten des Arbeitnehmers. Die SR 2y BAT sind jedoch für den Arbeitnehmer nicht ungünstiger als die Bestimmungen des BAT-O. Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus Nr. 7 Abs. 3 SR 2y BAT, wonach ein befristetes Arbeitsverhältnis während der Vertragslaufzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann. Zwar sieht der BAT-O eine solche Kündigungsmöglichkeit für befristete Arbeitsverhältnisse nicht vor. Er verbietet sie aber auch nicht. Deshalb ist auch im Geltungsbereich des BAT-O eine arbeitsvertragliche Vereinbarung zulässig, die die Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses während der Vertragslaufzeit vorsieht.
Im Änderungsvertrag vom 6. September 1996 ist die Befristungsgrundform des Zeitangestellten iSv. Nr. 1a SR 2y BAT, nicht jedoch die Befristungsgrundform des Angestellten für Aufgaben von begrenzter Dauer (Nr. 1b SR 2y BAT) oder des Aushilfsangestellten (Nr. 1c SR 2y BAT) vereinbart. Dies hindert die Beklagte, sich zur Rechtfertigung der Befristung auf den Sachgrund des vorübergehenden Mehrbedarfs an Arbeitskräften zu berufen.
- Nach Nr. 2 Abs. 1 SR 2y BAT ist im Arbeitsvertrag zu vereinbaren, ob der Angestellte als Zeitangestellter, als Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer oder als Aushilfsangestellter eingestellt wird. Das Erfordernis der Vereinbarung bestimmter Befristungsgrundformen dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Dieser Normzweck hat zur Folge, daß der Arbeitgeber sich nicht auf Sachgründe berufen darf, die einer Befristungsgrundform zuzuordnen sind, die im Arbeitsvertrag nicht vereinbart wurde (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa 28. März 2001 – 7 AZR 701/99 – AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 227 = EzA BGB § 620 Nr. 175, zu B I 1 der Gründe mwN). Eine bestimmte Ausdrucksweise ist für die Vereinbarung der Befristungsgrundform nicht vorgeschrieben. Vielmehr ist durch Auslegung des Arbeitsvertrags zu ermitteln, welche Befristungsgrundform die Parteien vereinbart haben. Auch mißverständliche und nach dem juristischen Sprachgebrauch unzutreffende Formulierungen sind unschädlich, wenn sich ein übereinstimmender Wille der Vertragspartner feststellen läßt (28. März 2001 – 7 AZR 701/99 – aaO).
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, im Änderungsvertrag vom 6. September 1996 sei die Befristungsgrundform des Zeitangestellten vereinbart worden. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Vertragswortlaut nimmt eindeutig Bezug auf die Befristungsgrundform des Zeitangestellten iSv. Nr. 1a SR 2y BAT. Aus dem die Befristung erläuternden Zusatz in § 1 Nr. 3 des Änderungsvertrags ergibt sich nichts anderes. Das “Verhältnis zwischen den derzeit unbearbeiteten und noch eingehenden Vermögenszuordnungsanträgen und den mit der Antragserfassung und -bearbeitung beschäftigten Mitarbeiterinnen am Dienstort D…”, das die Befristung des Arbeitsverhältnisses begründen soll, läßt nicht mit der aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit erforderlichen Eindeutigkeit darauf schließen, daß anstelle oder neben der Befristungsgrundform des Zeitangestellten die Befristungsgrundform des Angestellten für Aufgaben von begrenzter Dauer oder des Aushilfsangestellten vereinbart werden sollte. Diese Begründung kann sich auch lediglich auf die gewählte Befristungsdauer beziehen. Im übrigen macht die Beklagte selbst nicht geltend, eine andere Befristungsgrundform als die des Zeitangestellten nach Nr. 1a SR 2y BAT mit der Klägerin vereinbart zu haben. Die Beklagte hat sich vielmehr während des gesamten Rechtsstreits einschließlich der Revision darauf berufen, es sei die Befristungsgrundform des Zeitangestellten vereinbart worden. Ein weitergehender Parteiwille kann daher nicht festgestellt werden.
Der von der Beklagten zur Rechtfertigung der Befristung vorgetragene Sachgrund läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten und des Landesarbeitsgerichts nicht der Befristungsgrundform des Zeitangestellten iSv. Nr. 1a SR 2y BAT zuordnen. Zu dieser Befristungsgrundform gehören nur Sachgründe, die weder unter Nr. 1b SR 2y BAT (Aufgaben von begrenzter Dauer) noch unter Nr. 1c SR 2y BAT (Vertretung oder zeitweilige Aushilfe) fallen (BAG 29. Oktober 1998 – 7 AZR 477/97 – AP BAT SR 2y § 2 Nr. 17 = EzA BErzGG § 21 Nr. 3, zu 2 der Gründe).
Die Beklagte hat die Befristung damit begründet, daß die Aufgaben der Vermögenszuordnungsstellen wegen der beschränkten Anzahl der zuzuordnenden Grundstücke zeitlich begrenzt gewesen seien. Bei Abschluß des Änderungsvertrags im September 1996 sei auf der Grundlage der bisher eingegangenen Anträge auf Vermögenszuordnung und des damaligen Bearbeitungsstands absehbar gewesen, daß ein Bedarf für die Beschäftigung der Klägerin über den 31. Oktober 1999 hinaus nicht bestehen würde. Der dann noch vorhandene Antragsbestand könne ebenso wie die zu erwartenden Neueingänge von den unbefristet beschäftigten Angestellten bearbeitet werden. Damit hat sich die Beklagte auf den Sachgrund des vorübergehenden Mehrbedarfs an Arbeitskräften berufen, der der vertraglich vereinbarten Befristungsgrundform des Zeitangestellten nicht zugeordnet werden kann. Vielmehr wird damit ein Tatbestand benannt, der der Grundform des Angestellten für Aufgaben von begrenzter Dauer zuzuordnen ist.
- Deshalb bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob dieser Sachgrund die Befristung vorliegend hätte rechtfertigen können.
- Der Klageantrag zu 2) ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen, weil die Klägerin damit nur die vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits begehrt hat.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Gräfl, Linsenmaier, G. Metzinger, Wilke
Fundstellen
NZA 2003, 232 |
ZTR 2003, 143 |
AP, 0 |
EzA |
PersV 2003, 273 |
ArbRB 2003, 42 |
NJOZ 2003, 2119 |
Tarif aktuell 2003, 2 |