Gem. § 4 Abs. 1 TVG gelten die Rechtsnormen eines Tarifvertrages (normativer Teil), die den Inhalt (Inhaltsnormen), den Abschluß (Abschlußnormen) oder die Beendigung (Beendigungsnormen) von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beidseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen.
Was gehört zum Geltungsbereich eines Tarifvertrages?
Wann ein Tarifvertrag von seinem Geltungsbereich her greift, ist in aller Regel in § 1 des jeweiligen Tarifwerks ausdrücklich dargestellt (vgl. § 1 BAT). Systematisch folgend sind Sonderregelungen (vgl. § 2 BAT) und Ausnahmen vom Geltungsbereich (vgl. § 3 BAT) zu finden.
Beim Geltungsbereich kann unterschieden werden zwischen dem räumlichen, betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich.
Der räumliche Geltungsbereich bezeichnet den geographischen Raum, in dem der Tarifvertrag gelten soll (z.B. Bundesrepublik). Der betriebliche Geltungsbereich kennzeichnet die unterschiedlichen Arbeiten der Betriebe (bzw. Dienstleistungen) oder den Industriezweig (z.B. Krankenanstalten). Der persönliche Geltungsbereich kennzeichnet die Arbeitnehmer näher (z.B. Arbeiter, Angestellte).
Wenn geklärt ist, ob die Geltungsbereiche greifen, muss die Frage beantwortet werden, wer i.S.d. § 4 Abs. 1 TVG beiderseits tarifgebunden ist. Gem. § 3 Abs. 1 TVG sind tarifgebunden die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist. Gem. § 2 Abs. 1 TVG sind Tarifvertragsparteien Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern.
Damit ist der Normalfall beantwortet:
Stimmen räumlicher, betrieblicher und persönlicher Geltungsbereich, gilt ein Tarifvertrag kollektivrechtlich, wenn der
- jeweilige Arbeitnehmer, um den es geht, Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft und
- der Arbeitgeber Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes ist oder selbst mit der Gewerkschaft den Tarifvertrag abgeschlossen hat (Firmen- oder Haustarifvertrag).
Dies ergibt sich aus §§ 4 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 TVG.
Ausnahme 1
Allgemeinverbindlichkeit:
Stimmen räumlicher, betrieblicher und persönlicher Geltungsbereich, gilt ein Tarifvertrag dann kollektivrechtlich, wenn er vom zuständigen Arbeitsminister für allgemeinverbindlich erklärt wurde, unabhängig davon, ob Arbeitnehmer und/oder Arbeitgeber im zuständigen Verband sind. Dies ergibt sich aus §§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG.
Ausnahme 2
Betriebliche/betriebsverfassungsrechtliche Normen:
Stimmen räumlicher, betrieblicher und persönlicher Geltungsbereich, gelten einzelne Bestimmungen des Tarifvertrages dann kollektivrechtlich, wenn es sich bei diesen um
- betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen handelt und
- der Arbeitgeber Mitglied der Tarifvertragspartei ist.
dies ergibt sich aus §§ 3 Abs. 2.1, 2 Abs. 1 TVG.
Beispiel:
Tarifvertragliche Regelungen über Torkontrollen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (vgl. z.B. BAG, Urt. v. 21.01.1987 - 4 AZR 547/86; BAG, Urt. v. 14.02.1990 - 7 AZR 68/89) fallen hierunter nur solche Tarifvorschriften, "die in der sozialen Wirklichkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nur einheitlich gelten können." Nach dieser Entscheidung ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen nur gerechtfertigt, Normen eines Tarifvertrages auf nichtorganisierte Arbeitnehmer ohne Allgemeinverbindlichkeitserklärung zu erstrecken, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das Bedürfnis nach einer einheitlichenRegelung besteht.
Ist der Arbeitgeber bei einem nicht allgemeinverbindlichen Tarifvertrag Mitglied des tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverbandes, der Arbeitnehmer aber nicht Gewerkschaftsmitglied gilt der Tarifvertrag nicht kollektivrechtlich. Tritt der Arbeitnehmer aber in die Gewerkschaft ein, gilt der Tarifvertrag ab dem Zeitpunkt des Eintritts kollektivrechtlich (= normativ). Hinsichtlich der tarifvertraglichen Inhaltsnormen kann damit der Arbeitnehmer alle Rechte aus dem Tarifvertrag geltend machen. Bei Abschlußnormen ist das allerdings nach der Rechtsprechung des BAG anders: bei ihnen kommt es auf die Tarifgebundenheit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages an.
Ist in einem Arbeitsvertrag die Geltung des BAT vereinbart mit Ausnahme der Protokollnotiz 1) zu SR 2 y BAT (Erfordernis eines sachlichen Grundes für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses im Gegensatz zu § 1 BeschFG), nützt dem Arbeitnehmer auch sein nachträglicher Eintritt in die Gewerkschaft nichts. Denn es handelt sich bei einer tarifvertraglichen Befristungsregelung, insbesondere dann, wenn die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverträge von dem Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (z.B. sachlicher Grund) abhängig gemacht wird, um eine Regelung, die sich auf den Abschluß des Arbeitsvertrages bezieht, nämlich auf die Frage, welcheVoraussetzungen für einen befristeten Vertrag bei Begründung des Arbeitsverhältnisses zu beachten sind.
Tritt ein Arbeitgeber aus dem Arbeitgeberverband aus, bleibt die Ta...