BAG, Urteil v. 30.8.2017, 7 AZR 524/15
Leitsätze (amtlich)
Die Verlängerung eines nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG befristeten Arbeitsvertrags nach § 2 Abs. 5 Satz 1 WissZeitVG setzt das Einverständnis des Arbeitnehmers voraus. Das Einverständnis muss vor dem vereinbarten Vertragsende vorliegen. Es bedarf nicht der Schriftform nach § 14 Abs. 4 TzBfG und kann auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden.
Sachverhalt
Die Klägerin, Diplom-Pädagogin, schloss mit dem beklagten Land einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 15.10.2008 bis zum 31.12.2010 als Lehrkraft für besondere Aufgaben mit 50 % der regelmäßigen Arbeitszeit ab. Sie war hierbei am Institut für Pädagogische Psychologie der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock tätig.
Kurz nach ihrer Einstellung schloss die Klägerin ihre Promotion ab. Mit Arbeitsvertrag vom 27.7./5.8.2010 vereinbarten die Parteien unter Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG, dass die Klägerin bei unveränderten Arbeitsaufgaben ab dem 1.1.2011 bis zum 31.12.2013 beschäftigt wird. Ab dem 10.10.2010 unterlag die Klägerin aufgrund ihrer Schwangerschaft einem Beschäftigungsverbot, ab dem 30.5.2011 bis zum 13.9.2011 befand sie sich in Mutterschutz und im unmittelbaren Anschluss daran nahm sie bis zum 31.1.2013 Elternzeit in Anspruch.
Mit Schreiben vom 28.7.2011 teilte die Beklagte der Klägerin unter dem Betreff "Verlängerung des Arbeitsvertrages" Folgendes mit:
Sehr geehrte Frau Dr. N,
Ihr derzeitiger Arbeitsvertrag endet am 31.12.2013. Mit Ihrer Zustimmung verlängert sich Ihr Arbeitsvertrag gem. § 2 Abs. 5 Nr. 3 Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) um die Zeit und in dem Umfang, in der eine Erwerbstätigkeit aufgrund Ihres Beschäftigungsverbotes, Ihres Mutterschutzes und Ihrer Elternzeit nicht erfolgt ist.
Diese Verlängerung wird wie folgt berechnet:
Beschäftigungsverbot |
10.10.2011 bis 29.05.2011 |
140 Tage |
Mutterschutzfrist |
30.05.2011 bis 13.09.2011 |
107 Tage |
Elternzeit |
14.09.2011 bis 31.01.2013 |
506 Tage |
Die Klägerin, die ihre Tätigkeit über den 31.12.2013 hinaus unverändert fortsetzte, erhob am 21.1.2014 Klage, mit welcher sie geltend machte, das Arbeitsverhältnis habe nicht aufgrund Befristung am 31.12.2013 geendet. Sie begründete dies u. a. damit, dass die Befristung nicht auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG gestützt werden könne, da sie nicht zum wissenschaftlichen Personal i. S. v. § 1 Abs. 1 WissZeitVG gehöre; denn sie sei weder in der Forschung tätig noch unterrichte sie Forschungsmethoden. Sie habe den Studierenden keine eigenen Forschungserkenntnisse, sondern nur Forschungsergebnisse anderer vermittelt. Zudem habe der Arbeitsvertrag auch nicht ihrer wissenschaftlichen Weiterqualifizierung gedient. Des Weiteren machte sie geltend, dass das Arbeitsverhältnis sich nicht nach § 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 WissZeitVG um Zeiten der Beschäftigungsverbote und der Elternzeit über den 31.12.2013 hinaus verlängert habe, da sie keine ausdrückliche und dem Schriftformerfordernis nach § 14 Abs. 4 TzBfG entsprechende Einverständniserklärung gegenüber dem beklagten Land abgegeben habe. Somit habe sich aufgrund ihrer, in Kenntnis des beklagten Landes erfolgte Weiterarbeit über den 31.12.2013 hinaus das Arbeitsverhältnis nach § 15 Abs. 5 TzBfG auf unbestimmte Zeit verlängert.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Gericht entschied, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 27.7./5.8.2010 vereinbarten Befristung am 23.1.2016 geendet habe.
Zunächst entschied das Gericht, dass die Befristung auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG gestützt werden konnte. Zum einen war der betriebliche Geltungsbereich von § 2 Abs. 1 Satz 2 WissZeitVG eröffnet, da der Arbeitsvertrag für eine Tätigkeit an einer Einrichtung des Bildungswesens, die nach Landesrecht eine staatliche Hochschule ist, geschlossen worden war. Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 2 WissZeitVG sei, so das Gericht, nicht, dass die staatliche Hochschule Vertragsarbeitgeber ist. Das beklagte Land könne auch als Träger der Hochschule von den Möglichkeiten des WissZeitVG zur Befristung von Arbeitsverträgen mit wissenschaftlichem Personal Gebrauch machen.
Des Weiteren unterfiel die Klägerin laut Auffassung des Gerichts auch dem persönlichen Geltungsbereich des WissZeitVG, da sie zum wissenschaftlichen Personal i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG zählte. Das BAG führte hierzu aus: "Zum ‚wissenschaftlichen Personal’ nach § 1 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gehört derjenige Arbeitnehmer, der wissenschaftliche Dienstleistungen erbringt. Es kommt nicht auf dessen formelle Bezeichnung an, sondern auf den wissenschaftlichen Zuschnitt der von ihm auszuführenden Tätigkeit. Das Adjektiv ‚wissenschaftlich’ bedeutet ‚die Wissenschaft betreffend’. Wissenschaftliche Tätigkeit ist alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter, planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist. Sie ist nach Aufgabenstellung und anzuwendender Arbeitsmethode darauf angelegt, neue Erkenntnisse zu gewinnen und zu verarbeiten, um den Erkenntnisstand...