BAG, Urteil v. 1.6.2022, 7 AZR 151/21

Der Sachgrund der Eigenart der Arbeitsleistung i. S. v. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG kann die Befristung eines Arbeitsvertrags nur rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweist, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergibt, statt eines unbefristeten nur einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssen das Interesse des Arbeitnehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen.

Tätigkeiten als Führungskraft oder in leitenden Positionen rechtfertigen die Befristung des Arbeitsvertrags nicht aufgrund der Eigenart der Arbeitsleistung. Ein berechtigtes Befristungsinteresse des Arbeitgebers folgt grundsätzlich weder aus einer herausgehobenen Position des Arbeitnehmers im Rahmen der Organisation des Unternehmens noch aus daraus folgenden Befugnissen.

Sachverhalt

Das beklagte Universitätsklinikum unterhielt 2 campusübergreifende Zentren, ein Radiologiezentrum und ein Diagnostikzentrum. Der für beide Zentren zuständige Kläger war geschäftsführender Direktor und sowohl mit kaufmännischen als auch verwaltenden Aufgaben betreut. Er war jedoch kein gesetzliches Organ, sondern blieb vielmehr in die Gesamtorganisation eingegliedert und u. a. zur Beachtung der Beschlüsse des Aufsichtsrates sowie der Beachtung und Ausführung der Beschlüsse des Vorstandes und der Weisungen einzelner Vorstandsmitglieder verpflichtet. Sein Vertrag, der zunächst von Juli 2013 bis Ende Juni 2018 befristet war, wurde im Juni 2015 bis zum 31.12.2019 verlängert. Die Befristung wurde mit dem Sachgrund der "Eigenart der Arbeitsleistung" nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG begründet. Die Satzung des Beklagten sah nur eine Bestellung auf 5 Jahre vor. Nachdem das beklagte Klinikum den Vertrag nicht über 2019 hinaus verlängern wollte, erhob der Kläger Entfristungsklage.

Die Entscheidung

Die Klage hatte vor dem BAG Erfolg.

Das BAG entschied, dass die Befristung nicht durch § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG gerechtfertigt sei. Es führte hierzu aus, dass mit § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG zunächst vor allem verfassungsrechtlichen, sich aus der Rundfunkfreiheit und der Freiheit der Kunst ergebenden Besonderheiten Rechnung getragen worden sei. Allerdings sei der Sachgrund der "Eigenart der Arbeitsleistung" nicht abschließend auf solche Fallgruppen beschränkt, sondern könne auch in anderen Fällen zur Anwendung kommen. Allerdings sei nicht jegliche Eigenart der Arbeitsleistung geeignet, die Befristung oder auflösende Bedingung eines Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen; denn nach der dem TzBfG zugrundeliegenden Wertung stelle der unbefristete Arbeitsvertrag den Normalfall und der befristete Vertrag die Ausnahme dar. Daher könne die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung eines Arbeitsvertrags nur dann rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweise, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergebe, statt eines unbefristeten nur einen befristeten oder auflösend bedingten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssten das Interesse der Beschäftigten an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen. Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG erfordere somit eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, bei der auch das Bestandsschutzinteresse der Beschäftigten angemessen zu berücksichtigen sei. Anknüpfungspunkt sei hierbei die Art der auszuübenden Tätigkeit, die durch die arbeitsvertragliche Vereinbarung festgelegt werde. Der Sachgrund der "Eigenart der Arbeitsleistung" setze außerhalb verfassungsrechtlich geprägter Arbeitsverhältnisse jedenfalls voraus, dass das Arbeitsverhältnis durch außergewöhnliche Umstände geprägt sei, die ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung begründen können, etwa Verschleißtatbestände, das Abwechslungsbedürfnis des Publikums oder auch ein Wechselinteresse der/des Beschäftigten. Solche besonderen Umstände seien vorliegend jedoch nicht erkennbar, insbesondere habe keine organschaftliche Stellung des Klägers bestanden. Bei der satzungsrechtlichen Vorgabe der Beklagten, die Stelle durch zeitlich befristete Vertragsabschlüsse zu besetzen, handele es sich allein um eine Positionsbeschreibung innerhalb der formellen Hierarchie der Beklagten und sei nicht geeignet, die gesetzlichen Vorgaben des TzBfG einzuschränken. Von einer tatsächlichen Weisungsfreiheit sei nicht auszugehen, da durch die Möglichkeit von Einzelanweisungen, die Bindung an Vorgaben und die Konfliktlösungsmechanismen mit Letztentscheidungsrecht des Vorstandes der Kläger in die Hierarchie eingebunden sei. Aber auch bei Weisungsfreiheit sowie gleichzeitig einem durch Konsenszwang systemisch angelegten Dauerkonflikt zwischen Kläger und Vorstand sei kein dem § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG entsprechender Sachgrund gegeben; denn allein die Tätigkeit als Fü...

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