Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Arbeitgeber, der gegen ein Schriftformerfordernis verstoßen hat, sich nach jahrelanger Leistungsgewährung auf die Formnichtigkeit beruft. Sieht eine gesetzliche oder tarifliche Vorschrift vor, dass die Wirksamkeit eines Vertrages von der Einhaltung einer bestimmten Form abhängig sein soll, so gebietet die Rechtssicherheit, dass die Vorschrift nicht ohne zwingenden Grund unbeachtet bleibt. Nur in Ausnahmefällen handelt eine Partei treuwidrig, wenn sie sich auf die Nichteinhaltung einer Form beruft. Formvorschriften können über den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung regelmäßig nicht gegenstandslos gemacht werden.[1]

Die einzelvertragliche Vereinbarung einer Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages der Schriftform bedürfen, verhindert jedoch nicht die Entstehung einer betrieblichen Übung, denn die Vereinbarung einer Schriftform kann auch ohne Einhaltung der Schriftform abbedungen werden. Dies gilt sogar dann, wenn bei Ab­schluss der an sich formbedürftigen Vereinbarung gar nicht an die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Schriftform gedacht wurde[2]

Anders ist dies jedoch bei der sog. doppelten Schriftformklausel, bei der nicht nur für Vertragsänderungen die Schriftform vereinbart wurde, sondern auch die Änderung der Schriftformklausel ihrerseits einer besonderen Form unterstellt wurde, indem sie die mündliche Aufhebung der Schriftformklausel ausdrücklich ausschließt. Eine solche Vereinbarung kann nicht durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung abbedungen werden, denn durch diese Vereinbarung wird deutlich, dass die Vertragsparteien auf die Wirksamkeit der Schriftformklausel besonderen Wert gelegt haben und damit ein Verstoß zur Unwirksamkeit der Änderungsabrede führen soll.[3] Diese doppelte Schriftformklausel kann somit nicht nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit auch mündlich abbedungen werden.[4] Damit verhindert die doppelte Schriftformklausel die Entstehung einer betrieblichen Übung.

 
Praxis-Tipp

Eine solche doppelte Schriftformklausel könnte wie folgt lauten: "Vertragsänderungen bedürfen der Schriftform. Mündliche Vereinbarungen über die Aufhebung der Schriftform sind nichtig."

[3] BAG, Urt. v. 24.06.2003 – 9 AZR 302/02,

In NZA 2003, 1145; zustimmend Paul Melot de Beauregard, BB-Kommentar, BB 2003, 2467.

[4] A. A.: Palandt/Heinrichs, DGB, 62. Aufl., § 125 Rz. 14.

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