2.1 Gesetzliche Pflicht von Arbeitgeber und Interessenvertretung
Die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist für den Arbeitgeber wie für die Interessenvertretung eine gesetzliche Pflicht und steht nicht etwa in deren Ermessen. Allerdings ist schon an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Verletzung dieser Pflicht nicht unmittelbar sanktioniert ist, vor allem keine Ordnungswidrigkeit darstellt, sodass im Ergebnis ein gewisser Spielraum für die Entscheidung besteht, ob und zu welchem Zeitpunkt das betriebliche Eingliederungsmanagement durchgeführt werden soll. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, einen schwer erkrankten Beschäftigten zunächst nicht vonseiten des Betriebs anzusprechen, sondern vorrangig Operationen und Therapien abzuwarten und das betriebliche Eingliederungsmanagement zu einem späteren Zeitpunkt zu beginnen. Andere Erkrankungen mögen zwar zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit als den durch die gesetzliche Grenze fixierten sechs Wochen führen, wenn es betrieblich aber bekannt ist, dass es sich um einmalige Erkrankungen, die folgenlos ausheilen werden, handelt (Blinddarm, Skiunfall …), kann es durchaus sinnvoll sein, auf ein betriebliches Eingliederungsmanagement im Einvernehmen mit der Interessenvertretung zu verzichten. Das Einvernehmen mit der Schwerbehindertenvertretung ist dabei zwingend, weil die unterlassene Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung nach § 178 Abs. 2 Satz 1 SGB IX eine Ordnungswidrigkeit nach § 238 Abs. 1 Nr. 8 SGB IX darstellt.
Auch die Interessenvertretung kann sich nicht der Mithilfe beim betrieblichen Eingliederungsmanagement entziehen; die konstruktive Mitarbeit gehört zu ihren Amtspflichten, wie sich aus § 167 Abs. 2 Satz 6 und 7 SGB IX wie auch § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bzw. § 62Nr. 2 BPersVG ergibt.
2.2 Persönlicher Geltungsbereich: Beschäftigter
Die Pflicht zum betrieblichen Eingliederungsmanagement gilt nach § 167 Abs. 1 Satz 1 SGB IX für alle Beschäftigten. Aus der besonderen Erwähnung der schwerbehinderten Menschen im weiteren Verlauf des Satzes lässt sich folgern, dass hiermit nicht nur schwerbehinderte Menschen gemeint sind, sondern die Verpflichtung losgelöst von einer bestehenden oder drohenden Behinderung besteht. Der Gesetzgeber sieht das Arbeitsverhältnis allein schon durch die mehr als 6-wöchigen Fehlzeiten als gefährdet an – zu Recht, stellt doch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in der zweiten Stufe der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer krankheitsbedingten Kündigung im Zusammenhang mit den erheblichen betrieblichen Belastungen darauf ab, ob Entgeltfortzahlungskosten von mehr als 6 Wochen pro Jahr zu prognostizieren sind. Auch der Präventionszweck des § 167 Abs. 2 SGB IX unterstützt die Auffassung, dass die Vorschrift für alle Beschäftigten gilt, nicht nur für schwerbehinderte Menschen. Auch das Bundesarbeitsgericht geht davon aus, dass die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers für die Verpflichtung zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht erforderlich ist.
Der Begriff des Beschäftigten ist weiter zu verstehen als der des Arbeitnehmers, der im SGB IX ggf. ausdrücklich verwendet wird (§ 163 SGB IX).
Er erschließt sich aus der Regelung der Wahlberechtigung zur Schwerbehindertenvertretung nach § 177 Abs. 2 SGB IX. Danach ist der Begriff des Beschäftigten im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs zu verstehen und umfasst alle innerhalb des Betriebs bzw. der Dienststelle tätigen Menschen ohne Rücksicht auf die Rechtsgrundlage und damit neben Arbeitnehmern und Beamten auch Auszubildende, sonstige zur Berufsbildung Beschäftigte, Rehabilitanden, Praktikanten, aus karitativen Gründen tätige Menschen, leitende Angestellte, nicht aber Heimarbeiter, weil sie außerhalb von Betrieb oder Dienststelle tätig sind.
2.3 Sachliche Voraussetzungen
2.3.1 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit
Die Pflicht zum betrieblichen Eingliederungsmanagement setzt ein, sobald die zeitliche Grenze von 6 Wochen Arbeitsunfähigkeit überschritten ist. Der Bezugszeitraum ist ein Jahr (nicht Kalenderjahr), also ein Zeitraum von 365 Tagen. Dabei ist es gleichgültig, ob es eine zusammenhängende Arbeitsunfähigkeit ist und ob es sich um dieselbe Ursache handelt, ob noch Entgeltfortzahlung geschuldet wird oder nicht. Auch – und gerade – bei den arbeitsplatzgefährdenden häufigen Kurzerkrankungen ist das betriebliche Eingliederungsmanagement durchzuführen.
Insbesondere ist das betriebliche Eingliederungsmanagement auch dann durchzuführen, wenn die Arbeitsunfähigkeit noch andauert. Dadurch unterscheidet es sich vom häufig anzutreffenden Krankenrückkehrgespräch. Hier hat der Arbeitgeber die Pflicht, während der Arbeitsunfähigkeit Kontakt zu dem Beschäftigten aufzunehmen, u...