Fraglich ist, welche Folgen ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements hat.
7.1 Keine Ordnungswidrigkeit
Bußgeldbewehrt ist die Vorschrift nicht. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist nicht im Ordnungswidrigkeitenkatalog des § 238 SGB IX aufgeführt, sodass er ohne staatliche Sanktionen bleibt. Allerdings kann die unterbliebene Unterrichtung der SBV über das Vorliegen eines Falls für die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements bei einem schwerbehinderten Menschen entgegen § 178 Abs. 2 SGB IX nach § 238 Abs. 1 Nr. 9 SGB IX eine Ordnungswidrigkeit darstellen.
7.2 Rechtsanspruch auf Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements?
Die Arbeitnehmervertretung kann nach dem Wortlaut der Vorschrift die Durchführung des Eingliederungsmanagements verlangen und sie ggf. auch gerichtlich im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren durchsetzen. Dieser Anspruch besteht, sobald die Voraussetzungen für den Beginn des betrieblichen Eingliederungsmanagements vorliegen. Der Anspruch umfasst aber nur die ordnungsgemäße Einleitung und Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements, nicht aber, welche Maßnahmen im Rahmen des Verfahrens ergriffen werden.
Der betroffene Beschäftigte hat hingegen keinen individuellen Rechtsanspruch auf die Durchführung eines bEM, weil dies dem Gesetzeswortlaut von § 167 Abs. 2 SGB IX, wonach ein solcher Anspruch alleine der Arbeitnehmervertretung zusteht, widerspricht. Das heißt aber nicht, dass das Unterlassen des bEM für den Arbeitgeber folgenlos ist.
7.3 Schadensersatzansprüche
Die bloße Nichtdurchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements führt noch nicht zu Schadensersatzansprüchen, denn es dient zunächst nur der Klärung von Beschäftigungsmöglichkeiten. Stehen jedoch leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung, die durch das unterbliebene Eingliederungsmanagement nicht erkannt worden sind, ist regelmäßig von einer schuldhaften Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB auszugehen.
Jedenfalls kann sich der Arbeitgeber bei einem Verlangen des Arbeitnehmers nach leidensgerechter Beschäftigung unter Bezeichnung seiner Leistungsminderung bei einem pflichtwidrig unterlassenen bEM nicht darauf zurückziehen, er kenne keine Beschäftigungsmöglichkeiten. Das hat zur Folge, dass der Vortrag des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber habe ihm pflichtwidrig entgegen § 241 Abs. 2 BGB keine leidensgerechte Tätigkeit zugewiesen, als zugestanden gilt und der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die entgangene Vergütung als Schadensersatz zu zahlen hat.
Ansonsten hat aber der Arbeitnehmer die Beweislast für die Ursächlichkeit von unterlassenem Eingliederungsmanagement und dem eingetretenen Schaden. Der dem Arbeitnehmer entstandene Schaden besteht in der entgangenen Vergütung, aber auch in einem Arbeitsplatzverlust, in der Regel dann durch eine krankheitsbedingte Kündigung oder in dem Verlust der Erwerbsfähigkeit. Ein Schmerzensgeldanspruch nach § 253 BGB besteht nicht, denn das unterbliebene betriebliche Eingliederungsmanagement stellt trotz der möglicherweise nachteiligen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers keine Verletzung des Körpers dar.
7.4 Weisungsrecht
Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements i. S. v. § 167 Abs. 2 SGB IX ist keine formelle oder unmittelbare materielle Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Versetzung oder einer anderen Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Anordnung des Arbeitgebers (auch) auf Gründe gestützt wird, die im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand des Arbeitnehmers stehen.
7.5 Keine Vermutung einer Diskriminierung
Kündigt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten, ohne zuvor ein ordnungsgemäßes, nach § 167 Abs. 2 SGB IX erforderliches betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt zu haben, so begründet dies keine Vermutung nach § 22 AGG für eine Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen einer Behinderung. Das schließt aber nicht aus, dass die Nichtdurchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements bei der krankheitsbedingten Kündigung eines Behinderten (nicht schwerbehinderten) Menschen ein Indiz unter mehreren sein kann, das zur Annahme einer Benachteiligung führt.
Umgekehrt kann die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements gegen eine beabsichtigte Benachteiligung wegen einer Behinderung sprechen – ein Aspekt mehr, ein korrektes betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen.
7.6 Bedeutung für die krankheitsbedingte Kündigung
Entscheidend ist für die Frage der Folgen eines Verstoßes des Arbeitgebers gegen...