LAG München, Beschluss vom 7.12.2023, 2 TaBV 31/23
Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Überlassung von je einem Tablet oder Notebook je Betriebsratsmitglied verlangen, sofern die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BetrVG vorliegen, um die Teilnahme seiner Mitglieder an Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz zu ermöglichen.
Sachverhalt
Die Arbeitgeberin ist ein bundesweit tätiges Unternehmen im Textileinzelhandel mit zahlreichen Filialen in Deutschland. Sie weigerte sich, dem Betriebsrat zur Abhaltung von Betriebsratssitzungen in Form von Videokonferenzen drei Tablets oder Notebooks zur Verfügung zu stellen. Der Betriebsrat hatte sie hierzu aufgefordert, da er eine Änderung seiner Geschäftsordnung beschlossen hatte, wonach zukünftig Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz sowie Beschlussfassung in virtueller Sitzung durchgeführt werden sollten.
Die Arbeitgeberin war dagegen der Auffassung, dass sich aus § 30 Abs. 2 BetrVG kein automatischer Anspruch auf die Zurverfügungstellung endsprechender Geräte ableiten ließ; denn andernfalls hätte der Gesetzgeber einen gesetzlichen Anspruch der Betriebsratsmitglieder verankert. Und auch wenn die Voraussetzungen von § 30 Abs. 2 BetrVG vorlägen, sei die Stellung von IT-Kommunikationsmitteln nicht immer schon per se erforderlich. Und der Betriebsrat habe weder einen konkreten Bedarf vorgetragen noch sei dieser sonst ersichtlich.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Es begründete dies damit, dass der neu eingefügte § 30 Abs. 2 BetrVG nur die Möglichkeit begründe und die Voraussetzungen dafür regele, dass durch Video- oder Telefonkonferenz wirksame Betriebsratsbeschlüsse gefasst werden könnten. Ob der Arbeitgeber dagegen verpflichtet sei, die für die Durchführung einer Videokonferenz nötige technische Ausstattung zur Verfügung zu stellen, bestimme sich nach § 40 Abs. 2 BetrVG. Gegen diese Entscheidung erhob der Betriebsrat Beschwerde beim LAG München.
Die Entscheidung
Das LAG München hat die Entscheidung abgeändert und die Arbeitgeberin verpflichtet, dem Betriebsrat drei für die Durchführung von Videokonferenzen funktionsfähige Tablets oder Notebooks mit Internetzugang sowie mit mindestens 7,9 Zoll Displaygröße und einer Kamera- und Lautsprecher/Mikrofunktion zur Verfügung zu stellen; denn nach Auffassung des LAG hat der Betriebsrat gem. § 40 Abs. 2 BetrVG i. V. m. § 30 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf die Überlassung der beantragten Sachmittel.
Es führte aus, dass nach § 40 Abs. 2 BetrVG der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang u. a. sachliche Mittel sowie Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen habe; denn nachdem durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz vom 14.6.2021 die Vorschrift § 30 Abs. 2 Satz 1 BetrVG neu in das Gesetz eingeführt worden sei, dürfe die Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, soweit die dort normierten Voraussetzungen gegeben seien:
- die Voraussetzungen müssen hierfür in der Geschäftsordnung unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sein,
- es dürfen nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer vom Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widersprochen haben und
- es muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.
Diese Voraussetzungen lagen hier vor. Insbesondere waren die maßgeblichen Regelungen in der Geschäftsordnung hinreichend bestimmt. Zudem stehe die Auffassung der Arbeitgeberin, es könne nicht Intention des Gesetzgebers gewesen sein, jegliche Betriebsräte landesweit mit technischen Endgeräten auszustatten, im Widerspruch zur Gesetzesbegründung zu § 30 Abs. 2 BetrVG im Betriebsrätemodernisierungsgesetz; denn es sollte hierdurch eine für die Betriebsratsarbeit sachgerechte und dauerhafte Regelung geschaffen werden, die zugleich einen wesentlichen Beitrag zur Digitalisierung der Betriebsratsarbeit leistet. Ob und inwieweit die Möglichkeit der Video- und Telefonkonferenz genutzt werde, solle zudem in der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Betriebsrats stehen und – über die Regelung in § 30 Abs. 3 BetrVG hinaus – sollen gerade keine weiteren Anforderungen hinsichtlich der Zurverfügungstellung von entsprechender IT-Ausstattung gestellt werden.