Jörn Wiedmann, Jutta Schwerdle
4.1 Allgemeine Gesetze
Die Betriebsvereinbarung darf nicht gegen zwingende (Gegensatz: "abdingbare" oder "dispositive") gesetzliche Vorschriften verstoßen.
Beispiele:
- keine Betriebsvereinbarung über Wegfall von Urlaubsentgelt unter bestimmten Voraussetzungen: Verstoß gegen § 14 BUrlG,
- keine Betriebsvereinbarung über Bezahlung der Teilnehmer bei Teilnahme an einem Warnstreik, da dies gegen die Neutralitätspflicht des Betriebsrats bei Arbeitskämpfen (§ 74 BetrVG) verstieße,
- keine Betriebsvereinbarung, die gegen das Kündigungsschutzgesetz oder gegen Grundsätze des Kündigungsrechts verstößt.
- Eine Betriebsvereinbarung, die ein automatisches Ende des Arbeitsverhältnisses für den Fall einer Erwerbsunfähigkeit beinhalten würde, wäre insoweit unwirksam, als sie auch die Erwerbsunfähigkeit auf Zeit umfasst;
- bei einer länger dauernden Arbeitsunfähigkeit kann nicht vereinbart werden, dass das Arbeitsverhältnis dann beendet werde, da dies den Verzicht auf den Kündigungsschutz bedeuten würde.
4.2 Die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG
§ 77 Abs. 3 BetrVG setzt der Regelungsbefugnis der Betriebspartner Grenzen.
Hiernach können Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein ("Sperrwirkung"), es sei denn, der Tarifvertrag lässt eine solche Betriebsvereinbarung ausdrücklich zu ("Öffnungsklausel").
Arbeitsbedingungen werden dann "üblicherweise" im obigen Sinn durch Tarifverträge "geregelt", wenn für den räumlichen, betrieblichen und fachlichen Tätigkeitsbereich des Betriebs Tarifverträge über die entsprechende Frage abgeschlossen werden.
4.3 § 87 Abs. 1 BetrVG
§ 87 Abs. 1 BetrVG regelt generell den Vorrang von Gesetz und Tarifvertrag. Eine tarifliche Regelung in diesem Sinn ist aber nur dann von Bedeutung, wenn sie für den Betrieb gilt, die dortige Regelung abschließt ("… soweit …") und keine Öffnungsklausel vorhanden ist.
4.4 Verhältnis der Grenzen in § 77 Abs. 3 und § 87 BetrVG zueinander
Wenn es um ein echtes Mitbestimmungsrecht nach § 87 BetrVG geht (Eselsbrücke: "hier läuft ohne den Betriebsrat nichts!!!"), verdrängt § 87 Abs. 1 BetrVG insoweit den § 77 Abs. 3 BetrVG, als dort eine Betriebsvereinbarung über Arbeitsbedingungen bei tarifüblicher Regelung unzulässig ist.
Tipp
Das bedeutet: Wenn bei einer Regelungsmaterie aus § 87 BetrVG die spezielle Frage nicht in einem für den Betrieb geltenden TV geregelt ist, ist eine entsprechende Betriebsvereinbarung nicht wegen § 77 Abs. 3 BetrVG unzulässig.
4.5 Dürfen für Arbeitnehmer günstigere Regelungen durch Betriebsvereinbarung getroffen werden?
Im Arbeitsrecht gilt zwar grundsätzlich das Günstigkeitsprinzip.
Dies bedeutet jedoch nur, dass günstigere Regelungen im Arbeitsvertrag, ungünstigeren tarifvertraglichen Regelungen (wegen § 4 Abs. 3 TVG) und ungünstigeren Betriebsvereinbarungen vorgehen. Das Günstigkeitsprinzip gilt nicht im Verhältnis Betriebsvereinbarung/Tarifvertrag. In einer Betriebsvereinbarung darf also ohne "Erlaubnis im Tarifvertrag" weder zuungunsten noch zugunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden.