Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisionsnichtzulassungsbeschwerde. Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit. Beitragsrecht. Auslegung des Begriffs des Lehrers bei der Frage der Versicherungspflicht selbstständig tätiger Lehrer
Orientierungssatz
Soweit zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache die Auslegung des Begriffs des Lehrers bei der Frage der Versicherungspflicht selbständig tätiger Lehrer im Sinne von § 2 S 1 Nr 1 SGB 6 in Zweifel gezogen wird, muss aufgezeigt werden, dass diese Zweifel im speziellen Fall, hier bei einer Tätigkeit als Lehrbeauftragter an einer Hochschule, ernstlich bestehen können.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1, § 160a Abs. 2 S. 3; SGB 6 § 2 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Kläger ist als Professor an einer Fachhochschule Beamter auf Lebenszeit und nebenberuflich als Lehrbeauftragter an einer Universität tätig. Der beklagte Rentenversicherungsträger stellte mit Bescheid vom 9. Oktober 2001 fest, dass der Kläger ab 1. Januar 1997 nach § 2 Satz 1 Nr 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) dem Grunde nach versicherungspflichtig, ab 1. Januar 1997 in dieser Tätigkeit als Lehrbeauftragter jedoch versicherungsfrei sei, weil die Tätigkeit nur in geringfügigem Umfang ausgeübt werde. Den im September 2001 gestellten Antrag des Klägers, ihn von der Versicherungspflicht als selbstständiger Lehrer zu befreien, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Oktober 2001 ab, weil der Kläger am 31. Dezember 1998 auf Grund der Geringfügigkeit der selbstständigen Tätigkeit versicherungsfrei gewesen sei. Die Widersprüche, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland Pfalz vom 9. März 2005.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
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Das Bundessozialgericht (BSG) darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn |
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder |
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das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder |
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bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3). |
Der Kläger beruft sich zum einen auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Die Beschwerdebegründung muss hierzu ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 1500 § 160a Nr 16 - stRspr; vgl auch Bundesverfassungsgericht ≪BVerfG≫ SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb aufzuzeigen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31). Eine Rechtsfrage, die das BSG bereits entschieden hat, ist nicht mehr klärungsbedürftig und kann somit keine grundsätzliche Bedeutung haben, es sei denn, die Beantwortung der Frage ist aus besonderen Gründen klärungsbedürftig geblieben oder erneut geworden; das muss substantiiert vorgetragen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65). Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache dient der Wahrung und einheitlichen Fortbildung des Rechts (BVerfG SozR 1500, § 160a Nr 44 und 48). Es muss deshalb auch dargetan werden, dass die Rechtsfrage in dem einer Zulassung folgenden Revisionsverfahren entscheidungserheblich und damit klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31 und 54). Für die Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen Regelungen, auf die das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat, genügt die undifferenzierte Behauptung der Verfassungswidrigkeit nicht. Vielmehr muss unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG - im Einzelnen aufgezeigt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Verfassungsmäßigkeit umstritten ist (BSG, Beschluss vom 5. August 2003, B 12 RA 5/03 B, Juris-Nr KSRE 075041517, mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger misst folgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung zu:
"1. Umfasst der Begriff des 'selbstständigen Lehrers' iS von § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI tatsächlich ausnahmslos jede Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, ist also im weitesten Sinne zu verstehen? Bejahendenfalls, sind nicht Einschränkungen vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift anzunehmen, etwa wenn es erkennbar an der sozialen Schutzbedürftigkeit mangelt, oder es sich um eine erkennbar untergeordnete Nebentätigkeit handelt, oder die Lehrtätigkeit in einem sog 'akzessorischen Nebenamt' ausgeübt wird.
2. Führt die Versicherungsfreiheit in Folge der Geringfügigkeit der Beschäftigung iS von § 5 Abs 2 Ziffer 2 SGB VI dazu, dass eine sozialversicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit iS des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI nicht mehr angenommen werden kann."
Die erste Frage ist schon, so wie sie formuliert ist, nicht klärungsfähig, denn es gibt keinen Begriff des "selbstständigen Lehrers" iS von § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI, sondern die Vorschrift ordnet die Versicherungspflicht von Lehrern an, wenn sie als solche selbstständig tätig sind. Soweit der Kläger sinngemäß die Auslegung des Begriffs des Lehrers durch den Senat in Zweifel zieht, zeigt er nicht auf, dass diese Zweifel in seinem Fall bei einer Tätigkeit als Lehrbeauftragter an einer Hochschule ernstlich bestehen können. Insoweit legt der Kläger insbesondere nicht hinreichend dar, aus welchen Gründen trotz der von ihm zitierten Entscheidungen des Senats vom 12. Oktober 2000, B 12 RA 2/99 R (SozR 3-2600 § 2 Nr 5) und vom 12. Februar 2004, B 12 KR 26/02 R (USK 2004-25) die Frage klärungsbedürftig geblieben oder erneut klärungsbedürftig geworden ist, zumal der Senat bereits in den Urteilen vom 27. März 1980, 12 RK 26/79 (SozR 2200 § 165 Nr 45 S 70) und vom 25. September 1981, 12 RK 5/80 (SozR 2200 § 165 Nr 61 S 84) davon ausgegangen ist, dass die Tätigkeit als Lehrbeauftragter an einer Fachhochschule oder an einer Universität zur Versicherungspflicht als selbstständiger Lehrer führen kann. Mit diesen Entscheidungen setzt sich die Beschwerde auch nicht ansatzweise auseinander. Der Kläger wendet sich auch ersichtlich nicht dagegen, dass seine Tätigkeit eine Tätigkeit als Lehrer ist, sondern hält die Anwendung der Vorschrift für zweifelhaft, soweit bei Ausübung der selbstständigen Tätigkeit bestimmte zusätzliche Bedingungen erfüllt sind. Damit möchte er in Zweifel ziehen, ob für die von ihm konkret ausgeübte Tätigkeit Versicherungspflicht besteht. Er zeigt insoweit aber nicht auf, dass diese Frage, die er als Frage nach dem Anwendungsbereich der Vorschrift formuliert, klärungsfähig ist. Aktuell besteht für den Kläger in seiner Tätigkeit keine Versicherungspflicht, da der Umfang seiner Tätigkeit so gering ist, dass jedenfalls Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit besteht. Der Kläger hätte aufzeigen müssen, weshalb im angestrebten Revisionsverfahren gleichwohl über den Anwendungsbereich einer Norm zu entscheiden wäre, die aktuell die Rechtsfolge Versicherungspflicht nicht beinhaltet, zumal das LSG bereits in seinem Urteil davon ausgegangen ist, die allein verbindlich getroffene Feststellung der Beklagten, es bestehe Versicherungsfreiheit, sei nicht angegriffen. Im Übrigen hat der Kläger mit seinem Vorbringen die Klärungsbedürftigkeit einer Frage zum Anwendungsbereich aber auch nicht dargelegt. Insoweit hätte zumindest aufgezeigt werden müssen, weshalb es zweifelhaft sein soll, ob die individuelle Schutzbedürftigkeit eines Erwerbstätigen oder die Ausübung der Tätigkeit als Nebenamt die abstrakt und für jede Tätigkeit oder Beschäftigung gesondert angeordnete Versicherungspflicht berührt. Es fehlt eine Auseinandersetzung, etwa mit der in § 5 Abs 1 Satz 1 SGB VI angeordneten Beschränkung der Versicherungsfreiheit von Beamten auf die jeweilige Beschäftigung oder dem Urteil des Senats vom 12. Oktober 2000 - B 12 RA 2/99 R (SozR 3-2600 § 2 Nr 5).
Hinsichtlich der 2. Frage hat der Kläger nicht dargelegt, inwieweit diese sich nicht ohne weiteres dahin beantworten lässt, dass die Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit der Beschäftigung nach § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI die Versicherungspflicht nach § 2 Nr 1 SGB VI entfallen lässt. Selbst wenn seiner Beschwerdebegründung zu entnehmen wäre, dass er die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, ob die Ausübung einer geringfügigen selbstständigen Tätigkeit iS von § 2 Nr 1 SGB VI am 31. Dezember 1998 der Befreiung gemäß § 231 Abs 6 SGB VI entgegensteht, ist deren Klärungsfähigkeit nicht hinreichend dargelegt. Es hätte nämlich aufgezeigt werden müssen, dass die übrigen Voraussetzungen der begehrten Befreiung nach § 231 Abs 6 SGB VI erfüllt sind und es in einem Revisionsverfahren allein auf diese Rechtsfrage ankommt. Auch die vom Kläger als klärungsbedürftig angesehene Frage des Verhältnisses von Sozialversicherungspflicht und Sozialversicherungsfreiheit kann deshalb ohne Darlegung der Entscheidungserheblichkeit nicht zur Zulassung der Revision führen.
Der Kläger sieht darüber hinaus eine Abweichung des Urteils des LSG vom Urteil des Senats vom 12. Oktober 2000, B 12 RA 2/99 R (SozR 3-2600 § 2 Nr 5). Abweichung bzw Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, dh das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz der in der Vorschrift genannten Gerichte aufgestellt hat. Die Beschwerdebegründung muss daher erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in den herangezogenen höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67). Hieran fehlt es. Dass das LSG, wie der Kläger meint, unter Anwendung der tragenden Gründe des genannten Urteils des Senats zu einer gerade entgegengesetzten Entscheidung hätte kommen müssen, und damit die etwaige Unrichtigkeit dieser Entscheidung, begründet nicht die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Soweit der Kläger ausführt, das LSG habe entgegen der Rechtsprechung des Senats nicht die generalisierende Betrachtung zu § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VI zu Grunde gelegt, nach der von einem sozialen Schutzbedürfnis der selbstständigen Lehrer ausgegangen werde und die Beklagte alle selbstständigen Lehrer erfasse, folgt hieraus nicht, dass es einen von der Rechtsprechung des Senats abweichenden Rechtssatz aufgestellt haben könnte.
Soweit der Kläger sich schließlich auf den Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG beruft und rügt, dass das LSG seiner Untersuchungspflicht nach § 103 SGG nicht genügt hat und seinen in der Berufungsschrift vom 22. Juli 2004 gestellten Beweisanträgen nicht gefolgt ist, legt er nicht dar, dass sich diese Beweisanträge im Zeitpunkt des Urteils des LSG am 9. März 2005 nicht erledigt hatten, sondern aufrecht erhalten geblieben waren. Wird die Beschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG darauf gestützt, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist, muss ua aufgezeigt werden, dass ein Beweisantrag gestellt und aufrecht erhalten worden ist (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 29 und 31). Bei rechtskundiger Vertretung im Berufungsverfahren muss sich ein Beteiligter, der schriftsätzlich einen Beweisantrag stellt, anschließend aber vorbehaltlos sein Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt oder im Termin zur mündlichen Verhandlung ausweislich der Sitzungsniederschrift nur noch einen Sachantrag stellt und den früher gestellten Beweisantrag auch nicht hilfsweise wiederholt, so behandeln lassen, als hätte sich der Beweisantrag erledigt (BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 und SozR 3-1500 § 160 Nr 29). Der Kläger hätte deshalb aufzeigen müssen, dass die Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung wiederholt wurden, dass jedenfalls zum Zeitpunkt, als sein Prozessbevollmächtigter sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärte, dieser ausdrücklich auf die gestellten Beweisanträge hingewiesen hat oder dass er aus anderen Gründen davon ausgehen konnte, das LSG würde ihnen vor einer Entscheidung nachgehen. Hieran fehlt es.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzung der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen