Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. März 2021 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren gegen die bezeichnete Entscheidung Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt E beizuordnen, wird abgelehnt.
Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Denn die Klägerin hat keine konkrete Rechtsfrage formuliert, deren Entscheidung durch den Senat angestrebt wird, wenn sie ausführt, die Frage, wie ein schlüssiges Konzept im ländlichen Raum die Voraussetzungen des BSG erfüllen könne, sei bis heute nicht abschließend geklärt.
Zudem fehlt es an der ausreichenden Darlegung der Klärungsfähigkeit. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden müssen (BSG vom 25.6.1980 - 1 BA 23/80 - SozR 1500 § 160 Nr 39; und BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Die Klägerin teilt insoweit nur mit, der Beklagte verwende zur Festlegung der angemessenen Unterkunftskosten ein schlüssiges Konzept, was nicht den Voraussetzungen des BSG (ua Urteile vom 30.1.2019 - B 14 AS 41/18 R) entspreche. Sie legt weder dar, auf welchem Weg das LSG zu seiner Entscheidung gelangt ist noch an welchem Punkt unter Berücksichtigung der von ihr genannten (und weiterer) Rechtsprechung des BSG eine klärungsfähige Rechtsfrage verblieben ist. Allein der Umstand, dass das LSG in anderen Rechtssachen die Revision zugelassen hat, vermag die Zulassung der Revision für das vorliegende Verfahren ebenso wenig zu rechtfertigen wie die Behauptung allein der inhaltlichen Unrichtigkeit der LSG-Entscheidung (stRspr; vgl nur BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Den Zulassungsgrund der Divergenz hat die Klägerin in der Begründung der Beschwerde ebenfalls nicht schlüssig bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Für die Bezeichnung einer Abweichung (Divergenz) ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des BSG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 196 mwN).
Zur behaupteten Divergenz weist die Klägerin zwar auf Entscheidungen des BSG vom 17.9.2020 ("u.a. B 4 AS 11/20 R ’Duisburg’") hin und führt aus, das BSG habe entschieden, es könne nicht dahinstehen, "dass weder die Repräsentativität und die Validität der Datenerhebung noch die Frage, ob anerkannte mathematisch-statistische Grundsätze bei der Datenauswertung vom Kreis beachtet worden sind" und dass "eine eigenständige Prüfung und Beurteilung des Konzepts, ggf. unter Mitwirkung des Jobcenters, durch das Gericht vorzunehmen" sei. Auch sei in Bezug auf die vom Jobcenter für möglich gehaltene Verwendung von "Substandardwohnungen" auf die BSG-Entscheidung vom 17.9.2020 (B 4 AS 22/20 R "Gelsenkirchen") hinzuweisen. Was das LSG zu den genannten Punkten entschieden und vor allem, ob es davon abweichende Grundsätze herangezogen hat, teilt die Klägerin jedoch nicht mit.
Nicht ordnungsgemäß bezeichnet ist eine Divergenz auch, wenn die Klägerin ausführt, das LSG habe in seinem Urteil ausgeführt, es könne nicht aus eigener Sachkunde feststellen, ob die Datenerhebung durch die Firma A repräsentativ und valide sei sowie anerkannte mathematischstatistische Grundsätze bei der Datenauswertung beachtet worden seien; insoweit widerspreche das Urteil den Aussagen des BSG in Entscheidungen vom 30.1.2019 (ua B 14 AS 11/18 R, B 14 AS 24/18 R) und 17.9.2020 (B 4 AS 11/20 R sowie B 4 AS 22/20 R). Die Klägerin teilt aber nicht mit, an welcher Stelle das Urteil des LSG von welchen genauen Aussagen des BSG in den genannten Entscheidungen abweicht. Es ist nicht Aufgabe des Senats, vermeintliche Aussagen des LSG mit einer Vielzahl von Entscheidungen des BSG auf mögliche Divergenzen (und nicht nur ggf inhaltliche Abweichungen) zu überprüfen. Nichts anderes gilt, soweit die Klägerin Abweichungen von weiteren BSG-Urteilen behauptet. Sie führt zwar vermeintliche Zitate aus der LSG-Entscheidung an; wo genau das LSG die behauptete Aussage getätigt hat und dass dies unter Entwicklung eigener rechtlicher Maßstäbe erfolgt sei, die ebenfalls darzulegen wären, kann den weiteren Ausführungen aber nicht entnommen werden. Dass der erkennende LSG-Senat, wie die Klägerin in ihrem letzten Schriftsatz ausführt, in einer anderen Streitsache Zweifel an der fehlenden "Repräsentativität der Daten" (welcher?) hat, ist für das vorliegende Verfahren ebenso ohne Belang wie die Verneinung eines "schlüssigen Konzepts" durch das BSG, dem ein Ausgangsverfahren aus Thüringen zugrunde lag.
Nicht zuletzt hat die Klägerin auch den behaupteten Verfahrensmangel nicht formgerecht bezeichnet. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Soweit die Klägerin zur Begründung vorträgt, das beklagte Jobcenter habe trotz ihrer Bitte eine Übersendung von Rohdaten für das Konzept "Bericht, Juli 2017" nicht übersandt, liegt schon deshalb kein Verfahrensmangel im oben genannten Sinn vor, weil davon lediglich mögliche Verstöße des Gerichts - nicht des Klagegegners - im Rahmen seines prozessualen Vorgehens erfasst werden ("error in procedendo"; vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 161 RdNr 16a mwN). Die Behauptung, das LSG habe bei seiner Entscheidung ihre Schriftsätze vom 6. und 9.3.2021 nicht berücksichtigt, bezeichnet schon keinen Verfahrensmangel.
Wenn die Klägerin weiter behauptet, ein Verfahrensmangel liege vor, weil kein Sachverständigengutachten bezüglich des schlüssigen Konzepts eingeholt worden sei, rügt sie zwar die Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG. Für die formgerechte Bezeichnung muss aber ua ein für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbarer Beweisantrag bezeichnet und die Rechtsauffassung des LSG wiedergegeben werden, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen. Zudem sind die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darzulegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (vgl zB BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl dazu BSG vom 20.9.2013 - B 8 SO 15/13 B - RdNr 10; BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Dem entspricht das Vorbringen der Klägerin nicht.
Nicht in einen inhaltlichen oder formalen Kontext mit dem vorliegenden Verfahren sind Ausführungen zu gesundheitlichen Einschränkungen eines W zu bringen, da dieser nicht Verfahrensbeteiligter ist.
Die Bitte des Klägerbevollmächtigten in den Beschwerdebegründungen um einen Hinweis, falls das Gericht weiteren Vortrag für erforderlich ansehe, führt nicht dazu, dass eine Entscheidung über die unzureichend begründete Beschwerde zurückzustellen wäre. Der Senat ist nicht verpflichtet, einen anwaltlich vertretenen Kläger vor einer Entscheidung auf Mängel der Beschwerdebegründung hinzuweisen. Die Bestimmung des § 106 Abs 1 SGG gilt insoweit nicht. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt auch ohne Hilfe des Gerichts in der Lage ist, eine Nichtzulassungsbeschwerde formgerecht zu begründen (ua BSG vom 10.8.2011 - B 5 RS 40/11 B; BSG vom 31.5.2011 - B 13 R 103/11 B; BSG vom 21.7.2010 - B 7 AL 60/10 B - RdNr 7). Gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang des § 73 Abs 4 SGG(BSG vom 16.11.2011 - B 13 R 317/11 B; BSG vom 14.8.2018 - B 5 RS 14/18 B - RdNr 16) .
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier, wie ausgeführt. Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
S. Knickrehm Neumann Siefert
Fundstellen
Dokument-Index HI15098654 |