Verfahrensgang

SG Berlin (Entscheidung vom 13.06.2018; Aktenzeichen S 87 KA 1088/16)

LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 06.04.2022; Aktenzeichen L 7 KA 30/18)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. April 2022 - L 7 KA 30/18 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 80 000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

Der als Arzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen die ihm für die Quartale 1/2013 bis 4/2016 erteilten Honorarbescheide sowie gegen die für diesen Zeitraum ergangenen Bescheide zur Festsetzung von Regelleistungsvolumina und qualifikationsgebundenen Zusatzvolumina und macht einen Anspruch auf höheres Honorar geltend.

Die Widersprüche des Klägers blieben ebenso wie die erhobene Klage ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des SG vom 13.6.2018). Im Berufungsverfahren hat das LSG den Kläger mit Schreiben vom 25.6.2019 unter Darlegung der Gründe darauf hingewiesen, dass die Klage teilweise bereits unzulässig sein dürfte und dass unter Berücksichtigung des bisherigen Vorbringens auch nichts für die Unrichtigkeit der Entscheidung des SG im Übrigen spreche. Es werde angeregt, die Berufung weitergehend zu begründen. Daraufhin hat der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers mitgeteilt, dass er den Kläger nicht mehr vertrete. Der Kläger hat erklärt, dass er den Rechtsstreit fortführen wolle. Er hat die Berufung aber nicht weitergehend begründet. Auf eine mit Schreiben vom 11.10.2021 geäußerte Bitte des Gerichts um Mitteilung, ob weiterhin Interesse an dem Verfahren bestehe, sowie den Hinweis, dass das gerichtliche Schreiben vom 25.6.2019 weiterhin inhaltlich nicht beantwortet worden sei, hat der Kläger nicht reagiert. Die Terminmitteilung für die mündliche Verhandlung am 6.4.2022 ist dem Kläger bereits im November 2021 zugegangen.

Zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG ist für den Kläger niemand erschienen. Mit Urteil vom 6.4.2022 hat das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger Verfahrensmängel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.

II

Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Verfahrensfehler der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

1. Der Kläger macht geltend, einen Antrag auf Terminverlegung gestellt zu haben, dem das LSG hätte stattgeben müssen, weil er aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Teilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem LSG in der Lage gewesen sei. Das LSG habe sich mit dem Verlegungsantrag nicht befasst, diesen nicht beschieden und damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG verletzt.

Zwar verletzt ein Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art 103 Abs 1 GG und § 62 SGG, wenn es einen ordnungsgemäß gestellten Antrag auf Terminverlegung nicht bescheidet, sondern aufgrund mündlicher Verhandlung ohne den Beteiligten entscheidet, der die Terminverlegung beantragt hat (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2019 - B 10 EG 3/19 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 7.4.2022 - B 5 R 210/21 B - juris RdNr 6). Einen Antrag auf Terminverlegung, den das LSG auf das vorliegende Verfahren hätte beziehen müssen, hat der Kläger indes nicht gestellt. Am 6.4.2022 waren zwei den Kläger betreffende Verhandlungen vor dem Berichterstatter nach § 153 Abs 5 SGG und - hier - vor dem 7. Senat des LSG anberaumt worden: Das auf 9:00 Uhr terminierte Verfahren zum Az L 7 KA 43/20(über die dazu unter dem Az B 6 KA 18/22 B geführte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat ebenfalls am heutigen Tage entschieden) sowie die auf 9:30 Uhr terminierte Sache (L 7 KA 30/18 R), die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Den am Verhandlungstag gegen 0:30 Uhr beim LSG per Telefax eingegangenen Verlegungsantrag hat der Kläger ausdrücklich auf "die Terminsmitteilung zum 06.04.2022 9:00 Uhr zum Az: L 7 KA 43/20" und nicht auf das vorliegende Verfahren bezogen.

Soweit der Kläger geltend macht, dass der 7. Senat des LSG den Terminverlegungsantrag gleichwohl auf das vorliegende Verfahren hätte beziehen müssen, weil es lebensfremd sei anzunehmen, dass er seinen Verlegungsantrag nur auf eines der beiden am 6.4.2022 verhandelten Verfahren beziehen wollte, so folgt der Senat dem nicht. Zwar konnte das LSG aus der Angabe des Klägers, dass er nicht der Lage sei, den in dem Verfahren zum Az L 7 KA 43/20 anberaumten Verhandlungstermin persönlich wahrzunehmen, schließen, dass der Kläger an dem für denselben Tag anberaumten Verhandlungstermin in der vorliegenden Sache ebenfalls nicht erscheinen werde. Das LSG musste daraus aber nicht den Schluss ziehen, dass der ausdrücklich nur für das Verfahren zum Az L 7 KA 43/20 gestellte Verlegungsantrag auch auf das vorliegende Verfahren zu beziehen sei. Anders als in dem Verfahren zum Az L 7 KA 43/20 hat das Gericht den Kläger im vorliegenden Verfahren wiederholt zu weiterem Vortrag aufgefordert. Dem ist der Kläger trotz Erinnerung auch nach mehr als 1 ½ Jahren nicht nachgekommen und hat die gerichtlichen Schreiben nicht beantwortet. Unter diesen Umständen durfte das LSG rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass der Kläger die Verlegung nicht für dieses Verfahren (Az L 7 KA 30/18) beantragt hat.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger den Verlegungsantrag eindeutig formuliert und ausdrücklich auf die für 9:00 Uhr terminierte Verhandlung zu dem unter Az L 7 KA 43/20 geführten Verfahren bezogen hat. Gegen eine Erweiterung des Antrags auch auf das vorliegende auf 9:30 Uhr terminierte Verfahren spricht ferner, dass der Kläger als Arzt nach seinem Bildungsstand in der Lage war, sich klar auszudrücken und dass er über eine gewisse Prozesserfahrung auch bezogen auf die Möglichkeit zur Beantragung einer Terminverlegung verfügt (vgl dazu den den Kläger betreffenden Beschluss des Senats vom 3.4.2019 - B 6 KA 30/18 B). Darüber hinaus kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass der Kläger den Verlegungsantrag erst am Verhandlungstag so kurzfristig gestellt hat, dass das Gericht keine realistische Möglichkeit hatte, durch Nachfragen beim Kläger aufzuklären, ob sein Verlegungsantrag - entgegen dessen klarem Wortlaut - auch für das vorliegende Verfahren gelten soll. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einem erst am Verhandlungstag sozusagen "in letzter Minute" gestellten Antrag auf Terminverlegung, höhere Anforderungen an die substantiierte Begründung zu stellen sind (vgl zB BSG Beschluss vom 21.3.2018 - B 13 R 401/15 B -). Erst recht kann in einer solchen Konstellation nicht erwartet werden, dass das Gericht der Frage nachgeht, ob ein eindeutig für ein bestimmtes Verfahren gestellter Verlegungsantrag möglicherweise auch auf ein anderes Verfahren zu beziehen ist.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Der Kläger hat die Kosten des von ihm ohne Erfolg geführten Rechtsmittels zu tragen.

3. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 Satz 1, Abs 3 GKG und entspricht der Festsetzung des LSG, die von keinem Beteiligten infrage gestellt worden ist.

Oppermann

Just

Rademacker

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15673478

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