Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 09.11.2017; Aktenzeichen S 15 KR 705/16) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.06.2018; Aktenzeichen L 11 KR 4679/17) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. Juni 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) auf die Kapitalleistung aus einer Direktversicherung streitig.
Der 1953 geborene Kläger war bis 2015 als Kfz-Mechaniker beschäftigt. Am 1.7.2013 erhielt er von einem privaten Lebensversicherungsunternehmen eine Kapitalleistung in Höhe von 70 402,94 Euro, von denen 41 466,32 Euro auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung beruhten. Diesen Teil legten die Beklagten der Beitragserhebung in der GKV und sPV zugrunde. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 19.6.2018.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 19.6.2018 bleibt ohne Erfolg, weil sie jedenfalls unbegründet ist.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).
1. Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 27.9.2018 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48).
a) Der Kläger formuliert auf Seite 11 der Beschwerdebegründung folgende Frage:
"Ist die Vorschrift § 229 Abs. 1 S. 1 Ziff. 5 SGB V in Verbindung § 241 SGB V wegen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, weil sie ohne nachvollziehbaren Grund Gleiches ungleich behandelt. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum Menschen, die Kinder betreuen und erziehen, nicht entsprechend der Gleichwertigkeit ihres generativen Erziehungsbeitrags während der Zeit der Kindererziehung bei den Geldbeiträgen entlastet werden, sondern mit einem gleich hohen Geldbetrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden."
Es kann offenbleiben, ob der Kläger insoweit eine zulässige Rechtsfrage formuliert und den Darlegungsanforderungen gerecht wird. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - Juris RdNr 9 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - Juris RdNr 5 mwN).
Hinsichtlich der vom Kläger in den Raum gestellten Frage - ihre Qualität als Rechtsfrage unterstellt - besteht jedenfalls keine Klärungsbedürftigkeit.
Der Kläger weist selbst auf Seite 10 der Beschwerdebegründung - zum Teil - auf die umfangreiche Rechtsprechung des BSG zur beitragsrechtlichen Berücksichtigung bzw Nichtberücksichtigung des Aufwands für die Betreuung und Erziehung von Kindern hin (vgl aktuell ua zur GKV und sPV: BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77 mwN). Er macht sodann lediglich geltend, es gebe noch keine Entscheidung zum "beitragspflichtigen Altersvorsorgevermögen". Zur Begründung behauptet er, hier stelle sich die Frage der Beitragsgerechtigkeit umso dringlicher. Schließlich hätten Eltern einen nicht unerheblichen Teil ihrer Zeit und Wirtschaftskraft in die Erziehung und Betreuung ihrer Kinder investiert und könnten diesen Teil nicht in die eigene wirtschaftliche Sicherung investieren. Wenn Eltern dann sowohl bei der Erwirtschaftung des geringeren Altersvorsorgevermögens durch die Verbeitragung ebenso behandelt würden wie Kinderlose und dann im Alter ebenfalls keinen Ausgleich für den von ihnen geleisteten generativen Beitrag, der mit einem Verlust an Vorsorgemöglichkeiten einhergehe, erhielten, seien die Eltern in zweifacher Weise gegenüber Kinderlosen benachteiligt.
Eine Klärungsbedürftigkeit ist jedenfalls zu verneinen, weil sich sämtliche bereits ergangenen Entscheidungen des BVerfG und BSG mit der finanziellen Belastung von Versicherten befasst haben, die Kinder betreuen und erziehen. Eine (erneute) Klärungsbedürftigkeit wird nicht dadurch begründet, dass anstelle einer aktuell bestehenden finanziellen Belastung darauf abgestellt wird, dass - durch die aktuelle Belastung bedingt - eine spätere Altersvorsorge nicht oder jedenfalls nicht in dem Umfang aufgebaut werden konnte, wie sie ohne den finanziellen Mehraufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern möglich gewesen wäre. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass auch das BVerfG davon ausgeht, dass die mit der Erziehung und Betreuung von Kindern verbundene Belastung der Eltern in deren Erwerbsphase auftritt; sie ist danach deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfG Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22).
b) Hinsichtlich der zweiten vom Kläger formulierten Rechtsfrage ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet. Auf Seite 5 der Beschwerdebegründung führt der Kläger aus:
"Ist die Vorschrift § 229 Abs. 1 S. 1 Ziff. 5 SGB V wegen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, weil sie ohne nachvollziehbaren Grund Gleiches ungleich behandelt? Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum Leistungen aus Altersversorgungsvermögen im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes bei der Beitragspflicht außer Betracht bleibt, eine Direktversicherung, die nicht dieser Privilegierung des § 92 Einkommensteuergesetz unterliegt, aber nicht."
Die in den Raum gestellte Frage - ihre Qualität als hinreichend präzise formulierte Rechtsfrage unterstellt - ist jedenfalls nicht (mehr) klärungsbedürftig.
Für die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache ist hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts abzustellen (vgl BSG Beschluss vom 16.5.2007 - B 11b AS 61/06 B - Juris RdNr 7 mwN). Zum Zeitpunkt der Entscheidung ist jedoch eine Klärungsbedürftigkeit nicht mehr gegeben. Denn der erkennende Senat hat mit Urteilen vom 26.2.2019 (B 12 KR 13/18 R und B 12 KR 17/18 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) entschieden, dass die Beitragspflicht auf Renten der betrieblichen Altersversorgung gemäß § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V auch nicht durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz vom 17.8.2017 entfallen ist, das seit 1.1.2018 die so genannten betrieblichen Riesterrenten (§ 92 EStG) von der Beitragspflicht ausnimmt. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt insoweit nicht vor. Beide Betriebsrentenarten werden im Wesentlichen gleich behandelt, weil sie jeweils nur einmal der vollen Beitragspflicht unterliegen, die Riesterrenten in der Ansparphase, die übrigen Betriebsrenten in der Auszahlphase. Auch soweit die betrieblichen Riesterrenten in der Auszahlphase isoliert betrachtet unterschiedlich behandelt werden, ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt. Die Neuregelung ist Teil eines arbeits-, steuer- und grundsicherungsrechtlichen Gesamtkonzepts, mit dem das legitime Ziel der Bekämpfung von Altersarmut verfolgt wird.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13219722 |