Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde. Kostenentscheidung. Zulässigkeit. Hauptsache. Zulassungsgrund. Einwendungen

 

Orientierungssatz

1. Eine gegen die Kostenentscheidung der Vorinstanz gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn die gegen die Entscheidung in der Hauptsache geltend gemachten Zulassungsgründe nicht durchgreifen (vgl BVerwG vom 6.3.2002 - 4 BN 7/02 = UPR 2002, 231 = BauR 2002, 1066).

2. Werden gegen die Hauptsache materiell-rechtlich überhaupt keine Einwendungen erhoben, vielmehr nur formale Gründe vorgebracht, um die ungünstige Kostenfolge beseitigen zu können, reicht dies für eine Zulassung des Rechtsmittels erst recht nicht aus.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2, § 160a Abs. 2 S. 3, §§ 165, 144 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 11.06.2003; Aktenzeichen L 6 SB 17/03)

SG Trier (Gerichtsbescheid vom 20.12.2002; Aktenzeichen S 6 SB 22/02)

 

Gründe

Der Rechtsstreit betrifft die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme der Befreiung von den Rundfunkgebühren (Merkzeichen "RF") nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Beklagter (Bescheid vom 15. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2002) und Sozialgericht Trier (Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2002) haben nach medizinischen Ermittlungen das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" bei dem während des Berufungsverfahrens (24. März 2003) verstorbenen H. M. (M) verneint. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) hat durch Urteil vom 11. Juni 2003 die Berufung mit der Begründung zurückgewiesen: Bei dem Merkzeichen "RF" handele es sich um ein höchstpersönliches Recht, das mit dem Tod des bisherigen Klägers als (möglichen) Anspruchsinhabers erloschen sei und weder durch Erbrecht noch durch sozialrechtliche Sondervorschriften auf eine andere Person - auch nicht die Ehefrau - übergehe. Demnach habe das Verfahren auch nicht, wie von dem Prozessbevollmächtigten beantragt, zur Prüfung der Anspruchsübernahme durch einen Rechtsnachfolger (§ 202 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫ iVm § 246 Abs 1 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫) ausgesetzt werden müssen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG haben die Kläger als Rechtsnachfolger des M bei dem Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt. Sie rügen, das LSG habe verfahrensfehlerhaft gehandelt, indem es nicht gemäß §§ 202 SGG iVm 246 Abs 1 ZPO das Verfahren antragsgemäß ausgesetzt habe. Es sei nicht nur über die höchstpersönlichen Ansprüche des M, sondern auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden gewesen, die letztendlich auf die Erbengemeinschaft übergingen. Die Sache habe sich mithin allenfalls in der Hauptsache erledigt, nicht jedoch hinsichtlich der Kosten. Dieser Rechtsfrage komme auch eine grundsätzliche Bedeutung zu, denn sie sei, soweit erkennbar noch nicht höchstrichterlich entschieden.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da keiner der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also deren Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

Die Kläger haben bereits keine konkrete Rechtsfrage aufgeworfen. Sie haben in der Beschwerdebegründung formuliert: "Diese Frage wurde nach diesseitigem Ermessen bislang nicht höchstrichterlich entschieden". Unklar bleibt, welche Frage bisher nicht geklärt worden sein soll; in der Beschwerdeschrift wird nämlich nur auf den Sachverhalt des Übergehens des Aussetzungsantrags durch das LSG, dessen rechtliche Konsequenzen und den gerügten Verfahrensmangel Bezug genommen.

Selbst wenn man annehmen wollte, die Kläger hielten es für höchstrichterlich klärungsbedürftig, ob das Verfahren nach §§ 202 SGG iVm 246 Abs 1 ZPO auch dann auszusetzen sei, wenn sich die Hauptsache erledigt habe, weil der Rechtsanspruch entfallen sei, jedoch weiterhin Streit wegen der Kosten des Rechtsstreits bestehe, genügt die Beschwerdebegründung nicht den Darlegungserfordernissen. Es fehlt an Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der oben benannten Rechtsfrage. Der Klärungsfähigkeit dieser Rechtsfrage könnte bereits § 165 iVm § 144 Abs 4 SGG entgegenstehen. Danach ist die Revision ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt. Der Beschwerdeschrift ist zu entnehmen, dass die Kläger die Entscheidung des LSG in der Hauptsache für zutreffend halten, also die von dem LSG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl BSGE 66, 120, 124 = SozR 3870 § 4 Nr 4) vertretene materielle Rechtsansicht teilen, der Anspruch auf die Feststellung des Nachteilsausgleichs "RF" sei - weil es sich insoweit um ein höchstpersönliches Recht handele - mit dem Tod des M am 24. März 2003 erloschen. Dementsprechend weisen sie darauf hin, auch bei Aussetzung des Verfahrens hätte sich die Hauptsache erledigt. Nach Ansicht der Kläger wäre allerdings noch über die Kosten des Rechtsstreits zu streiten gewesen. Dieser Umstand allein würde kein Rechtsmittelverfahren rechtfertigen. Eine gegen die Kostenentscheidung der Vorinstanz gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, wenn die gegen die Entscheidung in der Hauptsache geltend gemachten Zulassungsgründe nicht durchgreifen (vgl nur Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫ Beschluss vom 6. März 2002 - 4 BN 7/02 -). Werden gegen die Hauptsache materiell-rechtlich überhaupt keine Einwendungen erhoben, vielmehr nur formale Gründe vorgebracht, um die ungünstige Kostenfolge beseitigen zu können, könnte dies für eine Zulassung des Rechtsmittels erst recht nicht ausreichen (vgl Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, Komm, 7. Aufl, § 144 RdNr 49). Zumindest hätten die Kläger sich im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Klärungsfähigkeit der Rechtsfrage mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu §§ 165 und 144 Abs 4 SGG (BSG in SozR 1500 § 164 Nr 32; Beschluss vom 8. Januar 1985 - 7 BAr 109/84) sowie zu der vergleichbaren Norm in der Verwaltungsgerichtsordnung (≪VwGO≫ - § 158; vgl BVerwG, aaO; Beschlüsse vom 14. Juni 1999 - 4 B 18/99 -; 4. März 1999 - 11 B 5/99 -) auseinander setzen müssen.

Wird die Nichtzulassungsbeschwerde weiter darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatschen substantiiert dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36).

Die Kläger behaupten zwar ein verfahrensfehlerhaftes Verhalten des LSG durch Verstoß gegen §§ 202 SGG iVm 246 Abs 1 ZPO. Danach hat das Prozessgericht in den Fällen des Todes ..., wenn eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattfand, auf Antrag die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen. Selbst wenn das LSG jedoch dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens verfahrensfehlerhaft nicht nachgekommen sein sollte, muss dieses nicht zur Zulassung der Revision zu führen. Die Kläger haben nicht dargetan, dass das Urteil des LSG auf dem von ihnen behaupteten Verfahrensfehler beruht. Der Beschwerdeschrift sind, wie oben bereits ausgeführt, keine Einwendungen gegen die Entscheidung des LSG in der Hauptsache zu entnehmen. Dass und warum die unterlassene Aussetzung, unter Berücksichtigung der von ihnen in der Hauptsache geteilten Rechtsansicht des LSG, die Entscheidung über die Kosten beeinflusst haben könnte, das LSG also ohne den Verfahrensmangel insoweit zu einem für sie günstigeren Ergebnis gekommen wäre, legen sie jedoch nicht dar.

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1755831

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