Verfahrensgang
SG Konstanz (Entscheidung vom 29.10.2018; Aktenzeichen S 8 SO 332/17) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.09.2020; Aktenzeichen L 7 SO 4287/18) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. September 2020 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Im Streit sind höhere Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der Kläger erhält seit 2005 Hilfe zum Lebensunterhalt vom Beklagten. Im Jahr 2016 waren die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zwischen den Beteiligten im Streit (Bescheid des Beklagten vom 23.3.2016; Widerspruchsbescheid vom 30.5.2017). Die hiergegen zum Sozialgericht (SG) Konstanz erhobene Klage (S 8 SO 1400/17) hat der Kläger Anfang 2018 für erledigt erklärt. Mit Bescheid vom 18.1.2017 hatte der Beklagte zwischenzeitlich Hilfe zum Lebensunterhalt für Januar und Februar 2017 bewilligt; für Januar 2017 in Höhe von 808,17 Euro (darin 399,17 Euro Unterkunftskosten) und für Februar 2017 (nur) in Höhe von 519,28 Euro (darin 110,28 Euro Unterkunftskosten). Nach wie vor waren die Bedarfe für Unterkunft zwischen den Beteiligten im Streit. Nachdem der Kläger aktuelle Nachweise über seine Unterkunftsbedarfe vorgelegt hatte, zahlte der Beklagte 288,89 Euro nach (Schreiben vom 20.6.2017) und wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.5.2018). Die Klage ist erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 29.10.2018; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫; vom 24.9.2020). Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt, nach der im Widerspruchsverfahren erfolgten Abhilfe und Nachzahlung der Leistungen in der vom Kläger geltend gemachten Höhe liege kein Rechtsschutzbedürfnis (mehr) vor und die Klage sei unzulässig.
Der Kläger hat hiergegen beim Bundessozialgericht (BSG) die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) für die Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.
II
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫; iVm § 114 Zivilprozessordnung ≪ZPO≫;); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich angesichts der gefestigten Rechtsprechung des BSG, wonach eine vollständige Abhilfe im Widerspruchsverfahren zum Wegfall der Beschwer führt (vgl BSG vom 13.7.2010 - B 8 SO 11/09 R - juris RdNr 15 = FEVS 62, 298) und das Rechtsschutzbedürfnis Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage ist und noch im Zeitpunkt der Entscheidung bestehen muss (vgl BSG vom 22.3.2012 - B 8 SO 24/10 R - juris RdNr 10 = NZS 2012, 798; BSG vom 28.5.2015 - B 12 KR 7/14 R - SozR 4-2500 § 240 Nr 28 RdNr 41; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, Vor § 51 RdNr 16 ff), nicht. Anhaltspunkte dafür, dass eine Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) Aussicht auf Erfolg versprechen könnte, bestehen nach dem Vorstehenden ebenso wenig.
Es ist auch nicht erkennbar, dass ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG) mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden könnte.
Das LSG hat zwar übersehen, dass der Bescheid des Beklagten vom 18.1.2017 bereits Gegenstand des laufenden Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 23.3.2016 geworden war (zur entsprechenden Anwendung des § 86 SGG bei Folgebescheiden für einen nächsten Bewilligungsabschnitt im Laufe eines noch anhängigen Widerspruchsverfahrens vgl BSG vom 28.8.2018 - B 8 SO 31/16 R - SozR 4-1500 § 86 Nr 4 RdNr 14 mwN), weshalb die gegen den Bescheid vom 18.1.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.5.2018 erhobene Klage auch aus diesem Grund unzulässig war, da der Kläger die diesbezügliche Klage vor dem SG Anfang 2018 für erledigt erklärt hatte. Im Ergebnis ist das Urteil des LSG, das aus anderen Gründen ein Prozessurteil erlassen hat, nicht zu beanstanden.
Sofern der Kläger vorbringt, er habe wegen einer Erkrankung nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen können, hat er dies vor der mündlichen Verhandlung, zu der er ordnungsgemäß geladen und zu der sein persönliches Erscheinen nicht angeordnet worden war, dem LSG weder mitgeteilt noch um Terminsverlegung gebeten. Damit kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫;) oder des aus Art 2 Abs 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten allgemeinen Prozessgrundrechts auf ein faires Verfahren nicht bezeichnet werden. Die genannten Verfahrensrechte gebieten, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Wird aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden, muss den Beteiligten unabhängig davon, ob sie die Möglichkeit zur schriftlichen Vorbereitung des Verfahrens genutzt haben, Gelegenheit gegeben werden, ihren Standpunkt in der Verhandlung darzulegen. Dabei ist dem Anspruch auf rechtliches Gehör in der Regel dadurch genügt, dass das Gericht die mündliche Verhandlung anberaumt (§ 110 Abs 1 Satz 1 SGG), der Beteiligte - wie vorliegend geschehen - ordnungsgemäß geladen und die mündliche Verhandlung zu dem festgesetzten Zeitpunkt eröffnet wird. Eine Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung trotz Abwesenheit eines Beteiligten ist dann ohne Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs möglich, wenn dieser - wie vorliegend - in der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (vgl BSG vom 26.5.2014 - B 12 KR 67/13 B; BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 35/11 B). Solange ein Termin zur mündlichen Verhandlung vom Gericht nicht aufgehoben worden ist, dürfen und müssen die Beteiligten davon ausgehen, dass der Termin auch stattfindet (vgl BSG vom 26.5.2014 - B 12 KR 67/13 B; BSG vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B). Etwas anderes gilt zwar dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung vorliegen und diese beantragt wird; der Kläger hat aber keinen entsprechenden Antrag gestellt.
Da dem Kläger keine PKH zusteht, kommt auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO nicht in Betracht.
Fundstellen
Dokument-Index HI14685312 |